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ZNER 2023, 1
Ekardt 
ZNER 2023, Heft 01, Umschlagteil S. 1 (I)

Editorial

Klima-, Biodiversitäts- und auch andere Umweltziele wie geschlossene Stoffkreisläufe oder sauberere Umweltmedien implizieren zwei Kernstrategien: einen zeitnahen vollständigen Ausstieg aus den fossilen Energien bei Strom, Wärme, Mobilität, Landwirtschaft, Zement und Kunststoffen – und eine drastische Reduktion der Tierhaltung. Die jüngst im EU- und Bundesenergierecht ergriffenen Maßnahmen weisen teilweise den Weg in Richtung Postfossilität; teilweise halten sie via Subventionen für Konsumierende und Unternehmen den Verbrauch von Fossilen aber gerade aufrecht respektive verhindern sie, dass sich steigende Preise in rasche Energiesparmaßnahmen übersetzen würden. Damit werfen sie eine Vielzahl von Fragen auf, nicht nur aus der Perspektive des Klimaschutzes, sondern auch hinsichtlich der erstrebten finanziellen Austrocknung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Schlicht diversifizierte fossile Bezugsquellen aus anderen Staaten anstelle von Russland weisen bezogen auf das Ziel der Friedensschaffung (und Freiheitserhaltung gegenüber denkbaren, in den russischen Medien bereits diskutierten weiteren Angriffskriegen seitens Russlands) in eine problematische Richtung; denn so generiert Deutschland weiterhin eine fossile Nachfrage am Weltmarkt, was sich in hohe Weltmarktpreise zugunsten der Gasproduzenten – auch Russlands – übersetzt. Energiepreis-Entlastungsmaßnahmen halten in der gleichen problematischen Stoßrichtung zudem die fossile Nachfrage hoch oder heizen sie ggf. gar an. Der Schutz von Klima, Frieden, Freiheit und auch der stabilen Energieversorgung legt daher vielmehr nahe, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen schnellstmöglich zu beenden, und zwar durch einen radikal beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien und ein deutlich intensiviertes Energiesparen. Diesbezüglich ergibt sich bereits aus Art. 2 Abs. 1 Paris-Abkommen tendenziell eine Verpflichtung, Postfossilität – und eben nicht nur eine Verschiebung der fossilen Bezugsquellen – bis 2030 oder 2035 zu erreichen, und zwar global; in Deutschland sogar früher, wenn nicht massiv Emissionsrechte aus Ländern des Globalen Südens eingekauft werden.

Radikale Postfossilität sowohl im Sinne von Energiesparen als auch hinsichtlich des Erneuerbare-Energien-Ausbaus kann am besten erreicht werden über ein Instrument, das aktuell auf EU-Ebene reformiert wird. Die Rede ist vom Emissionshandelssystem, wie dieses bereits auf EU-Ebene mit dem europäischen Emissionshandelssystem für die Industrie (ETS1) existiert und in absehbarer Zukunft auch für die Sektoren Wärme und Verkehr (ETS2) existieren soll. Der Fokus auf die EU-Ebene kann dabei zugleich ökologisch und ökonomisch nachteilige Verlagerungseffekte rein nationaler Maßnahmen vermeiden helfen. Gemessen an den auf das Inkrafttreten zusteuernden Änderungen am ETS müsste für konsequente Postfossilität das Emissions-Cap indes weiter geschärft werden, Altzertifikate müssten gestrichen werden und eine Ausweitung auf die Nutztierhaltung müsste erfolgen (die ebenfalls fossile Brennstoffe bindet und überdies hohe Treibhausgasemissionen aufweist). Durch die Etablierung eines globalen Klimaclubs gleichgesinnter Staaten sowie Border Adjustments für Importe aus anderen Staaten könnte auch außerhalb der EU ein Anreiz für Energiesparen und erneuerbare Energien erhöht werden; der entsprechende EU-Vorschlag sollte zeitnäher in Kraft treten.

Bereits 2022 hat die ZNER solchen Fragen einigen Raum gegeben. Sie wird das sicher auch weiterhin tun, dabei aber – als Organ gerade auch von und für Praktiker/innen – handfeste Rechtsanwendungsfragen ebenso stark fokussieren. Der erste Aufsatz im vorliegenden Heft – aus energierechtsanwaltlicher Sicht – von Carl Bennet Nienaber, Veronika Widmann und Dr. Hartwig von Bredow betrachtet in diesem Sinne „Die bilanzielle Teilung von Rohbiogas und Biomethan im Kontext der Vermarktung im EEG und im Kraftstoffmarkt“. Der Beitrag befasst sich mit Fragestellungen aus dem Bereich der Massenbilanzierung von Biogas und Biomethan. Die korrekte Massenbilanzierung ist entscheidend für die Vermarktung der Energieträger als Biokraftstoff im Rahmen der Treibhausgasminderungsquote nach den §§ 37a ff. BImSchG sowie für die Nutzung zur EEG-geförderten Strom- und Wärmeerzeugung. Der Beitrag diskutiert vor diesem Hintergrund die Zulässigkeit der sogenannten bilanziellen Teilung von Biogas vor und nach der Einspeisung in das Erdgasnetz und damit ein Thema, das die EE-Branche bereits seit dem EEG 2009 beschäftigt.

Der zweite, ebenfalls energieanwaltliche Aufsatz von Dr. Martin Altrock und Christine Kliem analysiert „Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen der Förderung von Transformationstechnologien für CCS, CCU und CDR“. Die deutschen und europäischen Klimaziele werden besonders im Bereich der „unvermeidbaren“ Restemissionen einerseits ohne den Einsatz von Technologien zur Abscheidung von CO2 zu dessen dauerhaften Speicherung oder nachhaltigen Verwendung (CCS und CCU) nicht erreicht werden. Im Anschluss an ZNER 2022, S. 9 ff. wird untersucht, inwieweit Förderinstrumente geeignet wären, um die Abscheidung von CO2 staatlich zu unterstützen. Andererseits geraten auch Methoden zur Entnahme von bereits emittiertem CO2 aus der Atmosphäre und dessen dauerhafte Speicherung (Carbon Dioxide Removal, CDR) in den Blick, mithin Technologien, die Negativemissionen ermöglichen. Fraglich ist auch insoweit, wie der notwendige Anwendungshochlauf für einen großskaligen Einsatz von CDR-Maßnahmen in Anbetracht der damit verbundenen erheblichen und aktuell nicht „im Markt“ refinanzierbaren Kosten ermöglicht werden kann. Der Beitrag diskutiert insoweit eine mehrstufige Fördersystematik. Der Aufsatz könnte den Auftakt für ein weiterführendes Fragen bilden, etwa danach, ob Paris-Abkommen und Menschenrechte (auf allen Rechtsebenen) nicht eine Priorität von Postfossilität und Tierhaltungsreduktion erzwingen – und eine Priorität ungefährlicher CDR-Optionen wie Moorwiedervernässung und (naturnahes) Forstmanagement gegenüber riskanten großtechnologischen Versuchen mit offenen Ausgang. Zu letzteren würde der Editor nicht nur das Solar Radiation Management, sondern auch sämtliche CCS-Anwendungen zählen, auch die mit der Bioenergie verknüpften.

Das Heft wird durch eine Vielzahl wichtiger Judikate abgerundet, etwa zu einseitigen Fernwärme-Preisanpassungen (BG), zu Rechtsfragen von Zuschlägen für Windenergieanlagen an Land (OLG Düsseldorf), zur öffentlichen Zustellung im vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren (BVerwG), zur wiederholten Zurückstellung eines immissionsschutzrechtlichen Windenergieanlagen-Vorbescheids (OVG Lüneburg) und zu Anwendungsfragen der Artenschutzprüfung (OVG Münster), bei der uns durch EU- und bundesrechtliche Gesetzesänderungen in nächster Zeit noch ganz erhebliche Neuentwicklungen ins Haus stehen.

Wir wünschen wie immer viel Freude und Erkenntnisgewinn bei der Lektüre – bleiben Sie uns auch dieses Jahr gewogen!

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A.

 
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