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NUR 2006, 1
Dicks 

2006 – das Jahr neuer Wettbewerbsansätze in der Energiewirtschaft?

von Heinz-Peter Dicks*

Das vergangene Jahr hat in Gestalt mehrerer Entscheidungen des Kartellsenates des Bundesgerichtshofs für die Energiewirtschaft Wettbewerbsimpulse gesetzt. Zu nennen sind die Entscheidung in der Sache Stadtwerke Mainz, die Entscheidung zu den Arealnetzen und das Urteil vom 18. Oktober 2005 zur Überprüfung von Preisen für die Durchleitung elektrischer Energie durch fremde Stromnetze.

Die Entscheidung in der Sache Stadtwerke Mainz stärkt die Haltung des Bundeskartellamts und wird dazu ermuntern, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Infolgedessen wird der rechtskräftig gewordene Beschluss des OLG Düsseldorf in der Sache TEAG teilweise in anderem Licht zu lesen und zu verstehen sein. Die Arealnetzentscheidung hilft vornehmlich den in der Branche des so genannten Anlagen-Contracting tätigen Unternehmen. Beide Entscheidungen werden sich auf den Märkten voraussichtlich nur begrenzt auswirken.

Eine nicht zu unterschätzende Breitenwirkung wird möglicherweise hingegen dem Urteil des BGH vom 18. Oktober 2005 zur Preiskontrolle bei Netznutzungsentgelten zukommen. Die zugrunde liegende Preisgestaltung durch Bezugnahme auf einseitig änderbare Preislisten ist branchentypisch. Die Entscheidung entkräftet bislang repräsentativ wirkende, die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB betreffende Fehldeutungen. Die kartellrechtliche Preiskontrolle wird hiervon nicht unberührt bleiben.

Die den Rechtsbeziehungen zwischen Netzbetreibern und Energiehändlern geltenden Urteilssätze sind überdies geeignet, auf die Rechtsverhältnisse zwischen Energieversorgungsunternehmen und Endkunden auszustrahlen. Es zeichnet sich ab, dass den Energieversorgungsunternehmen im Rahmen ihrer (primären oder sekundären) Darlegungslast vor Gericht künftig (faktisch) eine vorbehaltlose Offenlegung von Entgeltkalkulationen obliegen wird. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dürften hiervor nur vermeintlich schützen.

Auch sollte nicht mehr darauf vertraut werden, dass die Instanzgerichte die von regionalen oder lokalen Energieversorgern im Rahmen ihrer Preiskalkulation angesetzten Bezugskosten ohne weiteres akzeptieren werden. Die Gerichte könnten verlangen, dass gegen kartellrechtlich oder sonst überhöhte Preisgestaltungen von Vorlieferanten – und zwar aus vertraglichen Nebenverpflichtungen gegenüber Abnehmern notfalls im Klageweg – vorgegangen wird. Und (nach Brecht, allerdings in anderem Zusammenhang) „so sehen wir betroffen, Vorhang zu und alle Fragen offen“: Die betriebswirtschaftlichen Preiskalkulationen sind durchweg schwierig zu überprüfen. Mehr Wettbewerb und damit möglicherweise verbunden sinkende Energiebezugskosten lassen sich weiterhin nur auf steinigem Weg verwirklichen.

Abbildung 1

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Vorsitzender Richter des u.a. für das Energiewirtschaftsrecht zuständigen 2. Kartellsenats des OLG Düsseldorf.

 
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