Haftungsrisiko DEI
„Authentisch ist ein Unternehmen, wenn es sich redlich um sein Geschäft kümmert.“
In der letzten Zeit haben sich verschiedene Unternehmen und Unternehmenslenker neben Themen wie Nachhaltigkeit oder Gleichstellung auch zu weiteren gesellschaftspolitischen Themen wie Klimapolitik, soziale Gerechtigkeit, Gender, Diversity, Equity, Inclusion (kurz DEI) und auch dem „Purpose“ geäußert bis hin zu Statements von Vorständen zu anstehenden Wahlentscheidungen und einzelnen politischen Parteien.
Die Motivlage für eine solche Ausrichtung ist vielfältig und bis vor kurzem blieben solche Positionierungen unter den Rubriken „kostenloser Mut“ oder „betreutes Denken“ zumeist folgenlos, jedenfalls ohne negative Folgen für die Unternehmen. Doch seit kurzem zeichnet sich hier eine Trendwende ab, die für Geschäftsleiter nicht folgenlos sein wird und erhebliche Haftungsrisiken birgt.
Angesichts der Wahlen in drei ostdeutschen Bundesländern haben sich verschiedene Unternehmen und Unternehmensvertreter berufen gefühlt, gegen bestimmte Parteien Position zu beziehen. Dies zudem unter der Überschrift besonders demokratiefreundlich zu sein. Diese Positionierung hat zu eingeschränkter Begeisterung bei den zu belehrenden Bürgern und bei einem Lebensmittelhändler zu ganz erheblichen Gegenbewegungen und Umsatzeinbußen geführt. Tatsächlich dürfte bei dem ein oder anderen die Grenze des § 108 StGB (Wählernötigung) mehr als nur touchiert worden sein. Es stellt sich die Frage, aus welchem Grunde Geschäftsleiter berufen oder geeignet sein sollten, sich zu gesellschaftlichen oder politischen Fragen äußern zu können? Eine erhöhte Kompetenz gegenüber dem Normalbürger oder Politikern ergibt sich aus der Funktion eines Unternehmensleiters gewiss nicht. Möglicherweise ist sogar das Gegenteil der Fall. So wie Politiker eher selten über eine besondere unternehmerische Expertise verfügen, verfügen Geschäftsleiter eher selten über besondere politische Expertise, Volksnähe oder Bezug zu Themen der „einfachen Bürger“.
Jüngst haben explizit auf DEI-Themen ausgerichtete Werbekampagnen verschiedener amerikanischer Unternehmen nicht etwa neue Kundenkreise gewonnen, sondern bestehende Kunden vergrault und zu ganz erheblichen Umsatzeinbußen geführt. Nach einer umstrittenen Werbung sank der Verkauf des Biers Bud Light um 30 Pozent; die Aktie von Anheuser-Busch InBev verlor 4 Mrd. EUR an Wert. Insoweit scheint sich der Spruch „go woke go broke“ zu bewahrheiten. Wie das Greenwashing nimmt auch das Wokewashing zu. Der Kunde durchschaut relativ schnell, dass eine teure Werbekampagne möglicherweise im Widersprich zu tatsächlichen Arbeitsbedingungen und Gehältern von Lieferanten z. B. in Vietnam steht. Wird dies offenbar, ist der Reputationsverlust größer als die Marketingkosten.
Eine besondere politische oder gesellschaftspolitische Ausrichtung eines Unternehmens ist in der Regel nicht vom Gesellschaftszweck gedeckt.1 Führen entsprechende Kampagnen zu Umsatzeinbußen, so drohen dem Geschäftsleiter unangenehme Haftungsrisiken. Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die nicht vom Unternehmenszweck nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG gedeckt sind, handelt pflichtwidrig.2 Auch die Business Judgement Rule wird insoweit nicht helfen. Will sich der Geschäftsleiter von dem vorgegebenen Gesellschaftszweck trennen, muss er die erforderliche Satzungsänderung herbeiführen. Umgekehrt darf der Geschäftsführer keine Geschäftsfelder aufgeben, die zum Unternehmensgegenstand gehören und auf denen eine erwerbswirtschaftlich orientierte Betätigung möglich ist. Der Unternehmensgegenstand wirkt also nicht nur als Überschreitungs-, sondern auch als Unterschreitungsverbot.
Es gilt der Grundsatz von Milton Friedman: „The business of business is business.“ Wenn sich Unternehmen darauf konzentrieren, ihren Gewinn zu steigern, bewirken sie für die Gesellschaft meistens Gutes.
Am authentischsten ist ein Unternehmen, wenn es sich ehrlich und redlich um sein Geschäft kümmert. Wer sich mit dem Unternehmenszweck nicht identifizieren kann, dafür schämt, dass er Teil eines kapitalistischen Systems ist („profit shaming“) oder als Geschäftsführer langweilt, sollte das Unternehmen verlassen und sich ein neues Betätigungsfeld suchen.
Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte PartGmbB, Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM) und Geschäftsführer von Pro Honore e. V. sowie Chefredakteur des Compliance-Beraters.
1 | Ausführlich hierzu Passarge, CB 2025, 46 f. |
2 | BGH, Urt. v. 15. 1. 2013 – II ZR 90/11, NJW 2013, 1958. |