Steuerpolitik im Wahljahr –notwendige Prioritäten nach der Krise
Seit dem überraschenden Ausbruch der Corona-Pandemie steht die Steuerpolitik der Bundesregierung vor unerwarteten Herausforderungen. Mit zahlreichen steuerlichen Sofortmaßnahmen hat die Bundesregierung die Wirtschaft unterstützt und damit eine hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte geschaffen. Verabschiedet wurden insbesondere weitreichende Stundungs- und Vollzugserleichterungen, um den Unternehmen in der Krise die notwendige Liquidität zu verschaffen. Die beiden ersten Corona-Steuerhilfegesetze ermöglichten darüber hinaus milliardenschwere Maßnahmen wie eine befristete Mehrwertsteuersatzsenkung. Zudem wurden die Abschreibungsbedingungen verbessert und die steuerliche Forschungsförderung ausgeweitet.
Corona-Verluste vollständig steuerlich anerkennen
Trotz breiter Forderungen aus der Wirtschaft wurde jedoch keine ausreichende Ausweitung der Verlustverrechnung vorgenommen, um die notwendige Liquidität der Unternehmen zu stärken. Das nunmehr dritte Corona-Steuerhilfegesetz, für das zurzeit ein Gesetzgebungsverfahren läuft, sieht zwar nochmals eine Erhöhung des Verlustrücktrags auf 10 Mio. Euro Verluste vor (bzw. 20 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung). Allerdings kann ein Großteil der Wirtschaft die krisenbedingten Verluste nach wie vor nicht vollständig mit den Gewinnen der Vorjahre verrechnen. Eine weitergehende Ausweitung des Verlustrücktrags (Wegfall der Höchstgrenze für die Corona-Verluste und die Möglichkeit, die Verluste zwei Jahre zurück zu verrechnen) sowie ein befristeter unbegrenzter Verlustvortrag in die nächsten Jahre sind daher dringend notwendig, damit diese Maßnahme zielgenau wirken kann.
Unternehmensteuern modernisieren
Eine Modernisierung der Unternehmensteuern wurde im letzten Jahr wieder auf die lange Bank geschoben. Die letzte Unternehmensteuerreform war im Jahr 2008 und damit wurden die Unternehmensteuern nun seit mehr als zwölf Jahren nicht mehr modernisiert. In diesem Jahr wird lediglich der Solidaritätszuschlag halbherzig abgeschafft, das heißt nur für einen Teil der Steuerzahler und die Unternehmen werden weiterhin zur Zahlung des Solidaritätszuschlags herangezogen.
Eine Steuerbelastung der Unternehmen, die im internationalen Vergleich mittlerweile an der Spitze liegt, kann sich Deutschland nach der Krise nicht mehr leisten. Hier muss Deutschland wettbewerbsfähig sein und eine international übliche Steuerbelastung von maximal 25 Prozent schaffen. Daneben sind strukturelle Maßnahmen notwendig, mit denen bestehende Hürden des Körperschaftsteuer- und Umwandlungssteuerrechts beseitigt werden. Ziel muss es sein, Umstrukturierungen zu erleichtern und wesentliche Funktionen deutscher Stammhausunternehmen im Inland zu stärken. Ebenso ist eine Reform der Besteuerung von Personengesellschaften überfällig, denn hier liegen Vorschläge für eine Verbesserung der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) und eine Option zur Besteuerung wie Kapitalgesellschaften längst auf dem Tisch.
Zur Stabilisierung der Wirtschaft und zur weiteren Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland nach der Corona-Krise sind vor allem auch stärkere Investitionsanreize notwendig. Die Förderung von Investitionen in digitale Wirtschaftsgüter und eine Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung (Forschungszulage) sind dafür wesentliche Bausteine.
Richtige Weichen für die Zukunft stellen
Das Jahr 2021 wird steuerpolitisch von der Bundestagswahl geprägt sein und grundlegende steuerpolitische Vorhaben sind nicht mehr zu erwarten. Entscheidend ist nun eine ausgewogene Strategie, um die hohe Staatsverschuldung zurückzuführen und gleichzeitig die Finanzierung des Gemeinwohls zu sichern. Zentrale Bedeutung im Jahr 2021 wird vor allem die weitere Entwicklung bei der Besteuerung der Digitalisierung der Wirtschaft haben. Der politische Druck steigt, hierbei eine international abgestimmte Lösung zu präsentieren, denn ansonsten werden einzelne Staaten oder die Europäische Union eigene Digitalsteuern verabschieden. Jedoch kann das Ziel einer “globalen Mindestbesteuerung” nur mit einer weltweiten Lösung erreicht werden, die zurzeit innerhalb der OECD und den G20-Staaten abgestimmt wird. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind nun nach der Krise zukunftsorientierte finanz- und steuerpolitische Rahmenbedingungen notwendig. Die hohe Staatsverschuldung kann nur durch mehr Wirtschaftswachstum zurückgeführt werden. Steuererhöhungen oder die Wiedereinführung einer Vermögensteuer sind der falsche Weg.
Dr. Monika Wünnemann ist Leiterin der Abteilung Steuern und Finanzpolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI). Davor hat sie seit 2013 die Steuerabteilung des Verbandes der Automobilindustrie e. V. (VDA) geleitet. Neben langjähriger Erfahrung als Dozentin ist sie Autorin zahlreicher Fachpublikationen.