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BB 2018, I
Wünnemann 

Keine weitere Auszeit in der Steuerpolitik

Abbildung 1

Die neue Bundesregierung kann nun endlich mit Verspätung ihre Arbeit aufnehmen und umso mehr ist eine zeitnahe Priorisierung notwendig. Dies gilt insbesondere für die Steuerpolitik, bei der mit Blick auf den aktuellen internationalen Steuerwettbewerb besonderer Handlungsbedarf besteht. Andere Länder machen es Deutschland vor, wie mit steuerlichen Rahmenbedingungen Standortpolitik betrieben wird. Das gilt sowohl auf europäischer Ebene, wo einige Staaten Steuersenkungen für die Unternehmen vorgenommen bzw. angekündigt haben, als auch weltweit, wie insbesondere die US-Steuerreform mit starken Anreizen für Investitionen in den USA zeigt.

Zusätzlich drohen belastende Maßnahmen für die deutschen Unternehmen aus dem internationalen Umfeld, die zum Beispiel aus der von der EU-Kommission vorgeschlagenen stärkeren Besteuerung der “digitalen Wirtschaft” resultieren. Eine “Digital Services Tax (DST)”, wie sie die EU-Kommission vorschlägt, um digitale Wertschöpfung mit einer Sondersteuer zu erfassen, würde zu einer zwangsläufigen Überbesteuerung der deutschen Unternehmen führen, die von dem Anwendungsbereich einer solchen neuen Steuer umfassend betroffen sind. Die Kollateralschäden solcher Entwicklungen für die deutsche Wirtschaft, deren Geschäftsmodelle zunehmend digitalisiert werden, sind erheblich und erschweren die steuerlichen Rahmenbedingungen im internationalen Umfeld.

Hingegen fehlt in dem Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode im Bereich der Unternehmenssteuern jegliche Grundlage für eine Reaktion auf die sich stark veränderten internationalen Rahmenbedingungen. Es fehlen strukturelle Maßnahmen im Bereich der Unternehmensteuern, um den Investitionsstandort Deutschland nachhaltig steuerlich zu flankieren. Die halbherzige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und die deutsch-französische Initiative zum Unternehmensteuerrecht reichen als Antwort auf die internationalen Herausforderungen des Steuerwettbewerbs nicht aus. Auch die vorgesehene Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung ist bisher nicht als prioritäre Maßnahme ausgestaltet.

Damit wird der Koalitionsvertrag der Bedeutung von Deutschland als Industriestandort und Exportland nicht gerecht. Noch zahlen die deutschen Unternehmen den Großteil ihrer weltweiten Steuerlast in Deutschland. Angesichts steigender Investitionsanreize im Ausland und stetig wachsendem Export der deutschen Unternehmen ist dies in den nächsten Jahren nicht mehr selbstverständlich. Vielmehr ist es von Seiten der Unternehmen bereits unabhängig von den steuerlichen Rahmenbedingungen naheliegend, Investitionen und IP künftig verstärkt da anzusiedeln, wo die Nachfrage ist. Dies zeigt, dass noch in dieser Legislaturperiode dringender Handlungsbedarf besteht, steuerpolitisch über den bisher “dürftigen” Koalitionsvertrag hinaus tätig zu werden.

Dauerhaft wird sich Deutschland keine höhere Steuerbelastung als andere Industriestaaten leisten können. Die Weichen für eine international vergleichbare Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland müssen jetzt gestellt werden. Angesichts einer durchschnittlichen Steuerbelastung der Unternehmen in der OECD von 24,7 % sollte auch in Deutschland langfristig eine Gesamtbelastung von maximal 25 % angestrebt werden. Dies bedeutet kein Plädoyer für eine Senkung von Steuertarifen, sondern eine Senkung der Gesamtbelastung der Unternehmen, die auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann. Eine Senkung des Körperschaftsteuertarifs für Kapitalgesellschaften und eine Anpassung des § 34a EStG für Personenunternehmen wären jedenfalls der einfachste Weg, im internationalen Umfeld ein Signal für den Standort Deutschland zu setzen.

Notwendig sind jedoch vorwiegend strukturelle Reformen des Unternehmenssteuerrechts. Dies gilt besonders für das Außensteuerrecht, denn die geltende – seit Jahrzehnten unveränderte – Hinzurechnungsbesteuerung führt zu einer Benachteiligung von Auslandsinvestitionen. Reformbedarf besteht vor allem bei der Niedrigsteuergrenze, aber auch systematisch bei anderen Punkten. Wenn zahlreiche EU-Mitgliedstaaten und selbst die USA nach der Steuerreform nun als Niedrigsteuerländer im Sinne des AStG gelten, ist die Niedrigsteuergrenze von 25 % nicht mehr passend.

Zudem darf der Einstieg in eine steuerliche Forschungsförderung in dieser Legislaturperiode nicht verpasst werden. Mit einer Steuergutschrift von 10 % für Personalaufwand, unabhängig von der Unternehmensgröße, können wirksame Anreize gesetzt werden, FuE-Tätigkeiten weiterhin in Deutschland anzusiedeln und gleichzeitig wird die fiskalische Wirkung begrenzt. Überfällig sind auch Nachbesserungen bei der Gewerbesteuer, die im Kontext europäischer Harmonisierung als Sonderweg Deutschlands nicht mehr zu rechtfertigen ist. Ansätze hierfür liegen auf dem Tisch und reichen von einer Korrektur der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen bis zu einer Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Körperschaftsteuer.

Der zunehmende internationale Steuerwettbewerb zeigt, dass nach rund zehn Jahren Reformstillstand nach der Unternehmenssteuerreform 2008 nun ein Paradigmenwechsel notwendig ist: Statt kleinteiliger Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuermissbrauch sind endlich ausgewählte strukturelle Reformen des Unternehmensteuerrechts in Deutschland umzusetzen.

Dr. Monika Wünnemann hat seit Februar 2018 die Leitung der Steuerabteilung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. (BDI) übernommen. Davor hat sie seit 2013 die Steuerabteilung des Verbandes der Automobilindustrie e. V. (VDA) geleitet. Neben langjähriger Erfahrung als Dozentin ist sie Autorin zahlreicher Fachpublikationen.

 
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