Im Blickpunkt
“Die Pläne der EU zur nachhaltigen Regulierung der Finanzwirtschaft stoßen bei Wirtschaftsexperten und Unternehmen auf Kritik”, heißt es in einer PM des ifo Instituts vom 13.10.2020. “Umweltprobleme sollten primär durch umweltpolitische Maßnahmen angegangen werden”, sagt ifo-Präsident Clemens Fuest in einer von der IHK München beauftragten und unter www.ifo.de abrufbaren Studie zu den EU-Plänen. Transparenz und richtige Bepreisung von Risiken seien wichtig, aber eine Lenkung der Kapitalströme in ‘grüne’ Verwendungen durch die Finanzregulierung sei problematisch. “Die dazu vorgesehene Klassifizierung von Wirtschaftstätigkeiten in ‘grün’ oder ‘braun’ wird durch andere klimapolitische Instrumente überlagert – es findet somit eine ineffiziente Doppelregulierung statt”, kritisiert Fuest. Johannes Winklhofer, Vizepräsident der IHK für München und Oberbayern und geschäftsführender Gesellschafter des Münchner Automobil- und Maschinenbauzulieferers iwis, sagt, der Wandel zu einer ressourcenschonenderen Wirtschaft sei grundsätzlich ein wichtiger und richtiger Schritt zur Erreichung der Klimaziele. “Die Bedürfnisse der stark mittelständisch geprägten bayerischen und deutschen Wirtschaft müssen aber deutlich besser berücksichtigt werden, sonst droht ein riesiges neues Bürokratiemonster. Die Überlegungen zur Definition einer nachhaltigen Wirtschaftstätigkeit entlang der gesamten Lieferkette gehen zu weit.” Da sich kleine und mittelständische Unternehmen und Zulieferer traditionell stärker über Kredite finanzieren, dürften sie weit mehr unter schärferen Finanzierungsvorgaben leiden als große Konzerne mit direktem Zugang zu den internationalen Finanzmärkten. Hintergrund der Debatte sei der Aktionsplan “Sustainable Finance”, mit dem die EU die Finanzwirtschaft als Hebel des wirtschaftlichen Umbaus nutzen und Finanzströme gezielt in nachhaltige Projekte und Unternehmen lenken will. Derzeit werde in Brüssel dazu eine “gemeinsame Taxonomie” entwickelt, mit der die EU die Nachhaltigkeit aller Wirtschaftstätigkeiten und Produkte klassifizieren will. – S. zu diesem Thema auch die untenstehende Meldung zum Positionspapier “Sustainable Finance” des Instituts der Wirtschaftsprüfer; zu den Auswirkungen der EU-Taxonomie-Verordnung auf die Unternehmensberichterstattung s. Lanfermann, BB 2020, 1643 ff.
Gabriele Bourgon, Ressortleiterin Bilanzrecht und Betriebswirtschaft