Im Blickpunkt
Wie funktioniert “Empörungssteuerpolitik”? Nun die Zutaten sind übersichtlich und einfach. Eine steuerliche Gestaltung, die steuerliche Wirkungen zur Folge hat, die unerwünscht sind und möglicherweise den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Ferner benötigt es noch ein Gutachten, aus dem sich ein gewaltiger Steuerschaden ergibt, damit sich die Welle der Empörung aufbauen kann. Schließlich noch Berichterstattung, die beides in die Öffentlichkeit trägt, so jüngst geschehen aufgrund einer Kleinen Anfrage der Abgeordneten Katharina Beck, Dr. Moritz Heuberger, Max Lucks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum aktuellen Stand der Aufarbeitung und Rückforderungen von Cum-Cum-Geschäften (hib 312/2025 vom 21.7.2025). Bereits im ersten Satz der Vorbemerkung wird die große Zahl in das Schaufenster gestellt. Die Verfasser greifen auf die Zahl ihres Urhebers Prof. Spengel zurück. Dieser schätzt den Schaden aus Cum-Cum-Geschäften in Deutschland auf 28,5 Mrd. Euro. Woher er dies so genau weiß, wird auch aus dem Originaldokument nicht deutlich. Die Antwort der Bundesregierung zeigt, dass er es auch nicht wissen kann, da die Datenlage schwierig ist und eine offizielle Statistik nicht existiert. Auf Grundlage des BMF-Schreibens vom 9.7.2021 wurden bisher 253 Cum-Cum-Verdachtsfälle mit einem Volumen an geprüften Anrechnungs- bzw. Erstattungssummen in Höhe von ca. 7,3 Mrd. Euro identifiziert. 81 Steuerverfahren sind bisher rechtskräftig abgeschlossen und führten zu Einnahmen aus Kapitalertragsteuer von ca. 226,7 Mio. Euro. Die Erkenntnisse der BaFin zeigen, dass 55 Banken, 14 Versicherungsgesellschaften und fünf Kapitalverwaltungsgesellschaften unmittelbar an Cum-Cum-Gestaltungen beteiligt waren. Die Rückstellungen der Banken für etwaige Straf- und Steuernachzahlungen belaufen sich auf ca. 736 Mio. Euro für die Nicht-Banken auf ca. 71 Mio. Euro. Diese Beträge sind weit von der Schätzung des Schadens entfernt. Für die Berichterstattung ist die Aussage “Im Bundeshaushalt 2025 sind fast 30 Milliarden Euro für die Staatsverschuldung vorgesehen. Eine ähnliche Summe, rund 28,5 Milliarden Euro, ging dem deutschen Staat zwischen 2000 und 2020 durch Cum-Cum-Aktiengeschäfte verloren, schätzt Prof. Christoph Spengel” natürlich kernig!
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht