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BB 2020, 213
 

Im Blickpunkt

Abbildung 8

In der vergangenen Woche wurde von einem Streit zwischen dem Finanzminister und dem Wirtschaftsminister im Rahmen der Erstellung des Jahreswirtschaftsberichts berichtet. Im Kern geht es darum, ob die derzeitige finanzielle Lage Raum lässt für Steuersenkungen. Nun ist das Thema Steuersenkungen nicht gerade ein politischer Selbstläufer. Das neue Spitzenduo der SPD hält überhaupt nichts von Steuersenkungen. Daher verwundert umso mehr, dass sogar der Finanzexperte der Linken im Bundestag die Schlussfolgerung zieht: “Die Spitzensteuersätze sollten erst ab einem zu versteuernden Monatseinkommen von 7 000 Euro greifen.” Der Grund hierfür ist die gestiegene Anzahl der Steuerpflichtigen, die im vergangenen Jahr den Spitzensteuersatz von 42 % zahlen mussten. Wie der Antwort auf seine Anfrage an die Bundesregierung zu entnehmen ist, waren dies 2019 mehr als 3 000 000 Steuerpflichtige, während es 2017 erst 2 700 000 Steuerpflichtige waren. Die Anzahl der Spitzenverdiener hat sich daher sehr gesteigert. Der Spitzensteuersatz von 42 % greift ab einem zu versteuernden Einkommen von 57 052 Euro bei Ledigen und von 114 104 Euro bei Verheirateten. Zwar wurden die Steuersätze Anfang dieses Jahrtausends reduziert, gleichzeitig aber der Tarifverlauf zwischen dem Grundfreibetrag und dem Beginn des Spitzensteuersatzes stark gesteigert. Unabhängig von nominalen Steuersätzen und Tarifverläufen, die in der politischen Diskussion kaum vermittelbar sind, zeigt ein Vergleich zwischen Jahresbruttogehalt, d. h. vor Abzug von steuerlichen Aufwendungen, und Verhältnis zum Spitzensteuersatz eine bemerkenswerte Entwicklung: Das durchschnittliche Bruttogehalt von 3 000 Euro im Jahr 1960 stieg auf 35 000 Euro im Jahr 2017. Das Verhältnis zwischen dem Einsetzen des Spitzensteuersatzes und dem durchschnittlichen Arbeitslohn ging vom 18-Fachen 1960 auf das 1,6-Fache 2017 zurück. Es bleibt spannend abzuwarten, wie sich Finanzministerium und Wirtschaftsministerium verständigen.

Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht

 
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