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RdZ-News
27.10.2022
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AG Weimar : Übertragbarkeit der BGH-Rechtsprechung zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Energielieferverträgen auf Bankentgelte bei unwirksamer AGB-Zustimmungsfiktion

AG Weimar, Urteil vom 3.6.2022 – 10 C 477/21

Volltext des Urteils des AG Weimar: RdZL2022-208-1

Sachverhalt

(Entfällt gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Weimar ergibt sich aus § 21 ZPO.

Die Klage ist jedoch lediglich im zuerkannten Umfang begründet.

Den Klägern steht gegen die Beklagte lediglich ein Anspruch auf Rückzahlung von überzahlten Kontoführungsgebühren für das Girokonto mit der IBAN: ... in Höhe von 4,00 € für die Monate April, Mai, Juni und Juli 2021 aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Hauptforderung unbegründet.

Anspruchsgrundlage für den zuerkannten Rückzahlungsanspruch der Kläger ist § 812 Abs. 1 Satz1, 1. Alt. BGB.

Die Beklagte hat die von ihr durch Leistung der Klägerin vereinbarten Kontoführungsgebühren lediglich für die Monate April bis Juli 2021 in Höhe von insgesamt 4,00 € ohne Rechtsgrund erlangt. Im Übrigen erfolgten die Leistungen mit Rechtsgrund.

Ohne rechtlichen Grund erfolgt eine Leistung, wenn die Zuwendung dem Leistungsempfänger nach der ihr zugrunde liegenden Rechtsbeziehung nicht zusteht. Für das Fehlen des rechtlichen Grundes ist zwar grundsätzlich der Bereicherungsgläubiger beweisbelastet. Jedoch hat der Bereicherungsschuldner im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zunächst die Umstände arzulegen, aus denen er ableitet, dass Erlangte behalten zu dürfen. Es ist dann anschließend Sache wiederum des Bereicherungsgläubigers, diese Umstände zu widerlegen.

Vorliegend ist zwischen den Parteien unstreitig, dass bei Eröffnung des oben genannten Girokontos dieses zunächst gebührenfrei von der Beklagten geführt wurde.

Indem die Kläger behaupten, dass die Beklagte ohne Zustimmung der Kläger Kontoführungsgebühren eingeführt hat, behaupten sie eine rechtsgrundlose Zuwendung. Demgegenüber behauptet die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast, dass sie sich mit den Klägern individualrechtlich und konkludent im Zuge des mit Schreiben vom 26.03.2015 zum 01.06.2015 angekündigten und tatsächlich auch stattgefundenen Kontomodellwechsels auf ein monatliches Entgelt von 6,00 € geeinigt habe. Mit dieser Behauptung genügt die Beklagte allerdings ihrer sekundären Darlegungslast nicht. Hinsichtlich der behaupteten Individualvereinbarung fehlt es an einem entsprechenden Tatsachenvortrag.

Soweit die Beklagte sich auf das in § 675 g Abs. 1 und Abs. 2 BGB genannte Verfahren beruft, ist dem entgegenzuhalten, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 27.04.2021 (AZ: XI ZR 26/20) zu dem Ergebnis kommt, dass auch Klauseln, die eine Vereinbarung einer Zustimmungsfiktion nach § 675 g Abs. 1 und Abs. 2 BGB enthalten, einer AGB-Inhaltskontrolle unterliegen und unwirksam sind, wenn eine ausdrückliche Zustimmung der Kontoinhaber nicht erfolgt ist. An einer solchen ausdrücklichen Zustimmung fehlt es vorliegend. Folglich fehlt es an der in § 675 g Abs. 2 BGB verlangten Vereinbarung.

Dennoch ist der Bereicherungsanspruch der Kläger, soweit er über 4,00 € hinausgeht, ausgeschlossen, da im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in Anlehnung an die BGHEntscheidungen zu Energieversorgungsverträgen (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 10.03.2021, VIII ZR 200/18) eine Vertragsanpassung erfolgte. Indem die Kläger nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten für das Girokonto ein monatliches Kontoführungsentgelt von 6,00 € seit dem 01.06.2016 und für das Konto Visa Card ein jährliches Entgelt von 36,00 € seit dem 01.08.2015, jeweils anstandslos bezahlt haben, haben sie die Grundlage dafür geschaffen, dass die Zahlungen in dieser Höhe nicht mehr ohne Rechtsgrund erfolgt sind. Diese Vertragslage wirkt nicht nur auf den Zeitpunkt zurück, zu dem die neue Gebühr erstmals bezahlt wurde, sondern hat auch für die weitere Zukunft Bestand.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist nach Ansicht des Gerichts die Rechtsprechung zu den nergieversorgungsverträgen auf Bankverträge übertragbar. Die Interessenlage ist in beiden Fällen vergleichbar. Die Judikatur zu den Energieversorgungsverträgen ist von dem Bestreben getragen, bei langfristigen Versorgungsverträgen das subjektive Äquivalenzverhältnis im beidseitigen Interesse zu wahren. Es soll vermieden werden, dass der Energieversorger trotz Schwankungen bei seinen Bezugskosten seine Endkundenpreise unverändert lassen muss und somit dem Kunden ein unverhoffter und ungerechtfertigter Gewinn entstünde. Diese Grundsätze lassen sich auf Bankverträge übertragen. Zahlungsdienstrahmenverträge weisen wie Energieversorgungsverträge einen langfristigen Charakter auf und werden im Massengeschäft verwendet. Wie das Energiewirtschaftsrecht ist auch das Bankrecht von der Zielsetzung getragen, eine Versorgungssicherheit durch ein stabiles System zu gewährleisten.

Hinsichtlich der von den Klägern ab 01.04.2021 gezahlten monatlichen Entgelterhöhung von 1,00 € (7,00 € statt 6,00 €) greift die sogenannte Dreijahresregel nicht. Deshalb hat die Beklagte den Klägern für die geltend gemachten Monate April bis Juli 2021 jeweils einen Euro, insgesamt also 4,00 €, zu viel gezahlter Kontoführungsentgelte zurückzuerstatten.

Die auf den Rückforderungsanspruch von 4,00 € zuerkannten Zinsen folgen aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte befindet sich mit ihrer Rückzahlungsverpflichtung mit Ablauf der im Schreiben der Kläger vom 18.07.2021 bis zum 15.08.2021 gesetzten Zahlungsfrist in Verzug.

Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs ist die Beklagte verpflichtet, den Klägern die durch die vorgerichtliche Einschaltung ihres Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Allerdings ist dem Erstattungsanspruch des Geschädigten nur der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Forderung entspricht. Die sich aus einem Gegenstandswert von 4,00 € nach dem RVG für mehrere Auftraggeber ergebende 1,6 Geschäftsgebühr zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale und Mehrwertsteuer beläuft sich auf den zuerkannten Betrag von 111,96 €.

Da die Beklagte sich mit Ablauf der im anwaltlichen Schreiben vom 17.09.2021 bis zum 30.09.2021 gesetzten Frist zur Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Verzug befindet, hat die Beklagte seit 01.10.2021 aus 111,96 € Verzugszinsen in der gesetzlich vorgesehenen Höhe zu erstatten, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Bestimmung der Quoten des Obsiegens und Unterliegens der Parteien waren auch die mit dem Klageantrag zu 2. als Nebenforderungen geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu berücksichtigen, auch wenn sich die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend ausgewirkt haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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