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RdZ-News
25.02.2021
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VG Frankfurt a. M. : Zulässigkeit der Veröffentlichung eines Verdachts des Erbringens unerlaubter oder verbotener Geschäfte nach dem KWG

VG Frankfurt a. M., Beschluss vom 30.4.2020 – 7 L 759/20.F

ECLI:DE:VGFFM:2020:0430.7L759.20.F.00

Volltext des Beschlusses: RdZL2021-64-1

Leitsatz

Die Veröffentlichung eines Verdachts des Erbringens unerlaubter oder verbotener Geschäfte nach § 37 KWG durch die Bundesantstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist mangels rechtlicher Grundlage unzulässig.

Aus den Gründen

Der Antrag der Antragstellerinnen,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Meldung mit dem Wortlaut

„A/D: Verdacht des Betreibens unerlaubter Zahlungsdienste im Inland

Die BaFin stellt klar, dass sie der D weder eine Erlaubnis gemäß § 10 Zahlungsdienstaufsichtsgesetz (ZAG) zum Erbringen von Zahlungsdiensten noch eine Erlaubnis gemäß § 32 Kreditwesengesetz (KWG) zum Betreiben von Bankgeschäften oder Erbringen von Finanzdienstleistungen erteilt hat. Das Unternehmen untersteht nicht der Aufsicht der BaFin.

Die D. wirbt auf ihrer Homepage www.xxx.com unter anderem für den Handel mit digitalen Währungen über ihre Handelsplattform sowie die Ausgabe von Kreditkarten und die Implementierung eines PoS-Bezahlsystems. Zudem benennt sie auf ihrer Homepage einen chief sales officer für Deutschland. Insoweit besteht der Verdacht, dass die Gesellschaft D. unerlaubt Zahlungsdienste bzw. Finanzdienstleistungen in Deutschland erbringt. Zentrale Holdingesellschaft der D. ist die A in C-Stadt.“

solange von ihrer Webseite zu entfernen, bis eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache vorliegt,

hat teilweise Erfolg.

Der Antrag ist zulässig. Insbesondere liegt keine doppelte Rechtshängigkeit bezüglich des Verfahrens der Antragstellerin zu 1) zum Aktenzeichen 7 L 452/20.F vor. Das Parallelverfahren betrifft zwar auch eine Mitteilung der Antragsgegnerin in Bezug auf die Antragstellerin zu 1), diese Mitteilung unterscheidet sich jedoch bereits inhaltlich erheblich von der hier zugrundeliegenden Meldung und beruht auf einem anderen Lebenssachverhalt. Die das Verfahren 7 L 452/20.F betreffende Meldung der Antragsgegnerin vom xx.xx.xxxx erging aufgrund des Verdachts, die Antragstellerin zu 1) erbringe selbst unerlaubte Zahlungsdienste bzw. Finanzdienstleistungen in Deutschland, da sie im Impressum der Webseite www.xxx.com – auf der unter anderem für den Handel mit Kryptowährungen geworben wird – zunächst als deren Betreiberin auftrat. Nachdem das Impressum geändert wurde und nunmehr die Antragstellerin zu 2) als Verantwortliche benannt wird, richtet sich der in der hier streitgegenständlichen Mitteilung vom xx.xx.xxxx geäußerte Verdacht nunmehr gegen die Antragstellerin zu 2). Die Antragstellerin zu 1) wird in der Meldung vom xx.xx.xx nicht mehr verdächtigt, unerlaubt Zahlungsdienste bzw. Finanzdienstleistungen in Deutschland zu erbringen, sondern wird (nur noch) in ihrer Rolle als Holdinggesellschaft der Antragstellerin zu 2) erwähnt. Die Meldung vom xx.xx.xxxx ist in ihrem ursprünglichen Wortlaut noch im BaFin Journal von xxxx enthalten. Auch wenn aus Sicht der Antragsgegnerin insofern lediglich eine Anpassung der ersten Mitteilung infolge geänderter Umstände erfolgte und es sich – wie sie meint – immer noch um „dieselbe“ Meldung handelt, liegen hier aus objektiver Sicht zwei Veröffentlichungen mit vollständig anderem Inhalt vor, sodass nicht vom selben Streitgegenstand auszugehen ist.

Der Antrag ist teilweise begründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Den Antragstellerinnen steht der geltend gemachte Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nur insoweit zu, als dass in der Meldung vom xx.xx.xxxx geäußert wird, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) habe der Antragstellerin zu 2) keine Erlaubnis nach § 32 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) zum Betreiben von Bankgeschäften oder Erbringen von Finanzdienstleistungen erteilt und es bestehe der Verdacht, dass sie unerlaubt Finanzdienstleistungen erbringt (dazu unter 1.). Im Übrigen haben die Antragstellerinnen keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, weil die Mitteilung rechtmäßig erfolgte (dazu unter 2.).

1. Die Antragstellerin zu 2) hat glaubhaft gemacht, dass ihr ein auf Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. § 1004 BGB analog beruhender öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin insoweit zusteht, als dass in der oben zitierten Meldung behauptet wird, die Antragstellerin zu 2) habe keine Erlaubnis nach § 32 KWG und es bestehe der Verdacht, dass sie unerlaubt Finanzdienstleistungen erbringt.

Der Unterlassungsanspruch richtet sich auf die Abwehr fortwirkender hoheitlicher Rechtsbeeinträchtigungen und setzt voraus, dass ein rechtswidriger hoheitlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen oder sonstige subjektive Rechte des Betroffenen erfolgt ist, dieser Eingriff andauert oder die konkrete Gefahr seiner Wiederholung besteht (VG B-Stadt, Beschluss vom 04. Oktober 2019 – 7 L 1017/19 –, Rn. 76, juris m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 11. November 2010 - 7 B 54.10 -, juris). Dabei ist zu beachten, dass nicht jedes amtliche Informationshandeln als Grundrechtseingriff zu bewerten ist. Maßgebend ist, ob der Schutzbereich eines Grundrechts berührt wird und ob die Beeinträchtigung einen Eingriff oder eine eingriffsgleiche Maßnahme darstellt. Dafür kann auch eine mittelbar-faktische Wirkung ausreichen. Amtliche Informationen kommen dann einem Eingriff in Grundrechte jedenfalls gleich, wenn sie direkt auf die Marktbedingungen konkret individualisierter Unternehmen zielen, indem sie die Grundlagen von Konsumentscheidungen zweckgerichtet beeinflussen. Art. 12 Abs. 1 GG schützt ein Unternehmen dabei (auch) vor staatlichen Äußerungen, die sich abträglich auf den Ruf des Betroffenen in der Öffentlichkeit auswirken und dessen Markt- und Wettbewerbssituation zum Nachteil verändern können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.3.2018 – 1 BvF 1/13OVG -, beck online; VG Münster, Urteil vom 13. November 2019 – 9 K 2514/16 –, Rn. 23, juris).

Die Meldung, die Antragstellerin zu 2) verfüge über keine Erlaubnis nach § 32 KWG und es bestehe der Verdacht, dass sie unerlaubt Finanzdienstleistungen erbringt, stellt nach diesen Maßstäben eine mittelbar-faktische, fortwirkende Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerin zu 2) dar. Die streitgegenständliche Äußerung schädigt die Reputation der Antragstellerin zu 2) und verändert die Grundlage von Anlegerentscheidungen, wodurch sich die Markt- und Wettbewerbssituation des Unternehmens verschlechtert.

Bei der Mitteilung, die Bundesanstalt habe der Antragstellerin zu 2) keine Erlaubnis nach § 32 KWG erteilt, handelt es sich zwar um eine wahre Tatsachenbehauptung. Auch kann ein interessierter Anleger sich durch Einsichtnahme in den öffentlich zugänglichen Datenbanken theoretisch selbst darüber informieren, welche Unternehmen über eine entsprechende Erlaubnis verfügen und – im Umkehrschluss – welche nicht. Die namentliche Nennung der Antragstellerin zu 2) in einer dem Verbraucherschutz dienenden Rubrik führt jedoch zu einer öffentlichen „Anprangerung“ der Gesellschaft. Dies wird dadurch verschärft, dass die Bundesanstalt – anders als in dem Verfahren 7 L 452/20.F – hier ausdrücklich einen Verdacht dahingehend äußert, dass unerlaubt Finanzdienstleistungen erbracht werden. Die Meldungen der Bundesanstalt können sich erheblich auf Anlegerentscheidungen auswirken. Die Bundesanstalt genießt in ihrer Funktion als eine der größten Finanzaufsichtsbehörden Europas besonderes Vertrauen in der Öffentlichkeit. Ihre Mitteilungen finden bei Anlegern und in der (Fach)Presse große Beachtung. Sie informiert auf ihrer Webseite unter der Rubrik „Aktuelles für Verbraucher“ unter anderem regelmäßig über die von ihr getroffenen Maßnahmen bei festgestellten Gesetzesverstößen und spricht Warnungen und Empfehlungen im Hinblick auf bestimmte Geschäftsmodelle aus. Die öffentliche, individualisierte Äußerung des Verdachts eines gesetzeswidrigen Verhaltens der Antragstellerin zu 2) führt dazu, dass potentielle Anleger sich gegen die von der Gesellschaft angebotenen Dienstleistungen entscheiden könnten. Steht zudem einmal der Verdacht im Raum, ein Unternehmen verhalte sich gesetzeswidrig, ist es äußert schwierig, das entstandene Misstrauen in die Redlichkeit des Betroffenen wieder zu beseitigen. Auch nach einer etwaigen klarstellenden Mitteilung des Bundesamtes, ein Verdacht habe sich nicht bestätigt, kann nicht sichergestellt werden, dass das Vertrauen in ein Unternehmen wiederhergestellt wird.

Der Eingriff in die Rechte der Antragstellerin zu 2) ist nicht gerechtfertigt. Veröffentlichungen von Behörden im Internet, die den Adressaten von Maßnahmen erkennen lassen, bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wenn – wie hier – mit der Äußerung lenkend in das Wirtschaftsgeschehen eingegriffen wird (Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Lindemann, 5. Aufl. 2016, KWG § 60b Rn. 3; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 -, BVerfGE 113, 63-88 - juris Rn. 58). Fehlt es an einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage für das staatliche Informationshandeln ist die amtliche Äußerung gerechtfertigt, wenn sich der Amtsträger mit seinen Äußerungen im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 – 1 BvR 558/91 –, BVerfGE 105, 252-279, Rn. 51 m.w.N.). Daneben orientiert sich die Rechtmäßigkeit amtlicher Äußerungen zuständiger Stellen an den allgemeinen Grundsätzen für ein rechtsstaatliches Verhalten und muss insbesondere das Sachlichkeitsgebot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren (VG B-Stadt, Beschluss vom 04. Oktober 2019 – 7 L 1017/19 –, Rn. 77, juris m.w.N.).

Vorliegend fehlt es bereits an einer rechtlichen Grundlage für die Veröffentlichung der Mitteilung, das Bundesamt habe der Antragstellerin zu 2) keine Erlaubnis nach § 32 KWG erteilt und es bestehe der Verdacht des Erbringens unerlaubter Finanzdienstleistungen. Weder existiert im Gesetz eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung einer solchen Meldung, noch folgt die Befugnis hierzu kraft der dem Bundesamt zugewiesenen Aufgaben. Die Meldung ist im soeben zitierten Umfang daher bereits deshalb als rechtswidrig anzusehen.

Das KWG enthält keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für die Veröffentlichung einer Mitteilung mit dem oben zitierten Wortlaut. Im Gegensatz dazu sehen beispielsweise das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten – ZAG; dort § 8 Abs. 7 ZAG), das Wertpapierprospektgesetz (Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist – WpPG; dort § 18 Abs. 3 WpPG) oder das Versicherungsaufsichtsgesetz (Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen – VAG; dort § 308 Abs. 7 VAG) die Befugnis der Bundesanstalt vor, auch schon vor Feststellung eines Gesetzesverstoßes einen dahingehenden Verdacht zu veröffentlichen.

Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Meldung im oben zitierten Umfang kann nicht auf § 6 Abs. 1 KWG gestützt werden. Grundsätzlich enthält die Generalklausel zwar (auch) die Befugnis für sonstiges schlichtes Verwaltungshandeln, für welches das KWG keine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage vorsieht. Hierfür muss aber die Zielrichtung der Tätigkeit der Grundkonzeption des KWG für die Aufsicht nach § 6 Abs. 1 KWG entsprechen und sich an den speziellen Vorschriften des KWG ausrichten (Beck/ Samm/ Kokemoor, KWG Kommentar Bd. 1, 87. EL., § 6 Nr. 45; Schwennicke/Auerbach/Habetha/Schwennicke, 3. Aufl. 2016, KWG § 6 Rn. 9). Dies ist hier nicht der Fall. Das KWG sieht nicht vor, dass die Bundesanstalt bereits in der Ermittlungsphase Meldungen veröffentlicht, die sich auf den Ruf eines Unternehmens abträglich auswirken können.

Die im Vorfeld für Maßnahmen nach § 37 KWG zulässigen Befugnisse der Bundesanstalt sind insbesondere in § 44c KWG geregelt. Danach konzentrieren sich die Aufgaben der Bundesanstalt im Ermittlungsstadium darauf, durch Auskunfts- und Vorlageersuchen den Sachverhalt aufzuklären. Anhaltspunkte dafür, dass in dieser Phase auch schon die Öffentlichkeit über einen bestehenden Verdacht informiert werden soll, finden sich nicht.

Die §§ 60b bis 60d KWG regeln das Bekanntmachungsrecht der Bundesanstalt von Maßnahmen, die wegen Gesetzesverstößen gegen ein Unternehmen ergriffen worden sind. So soll die Bundessanstalt nach § 60b Abs. 1 KWG jede gegen ein ihrer Aufsicht unterstehendes Institut oder Unternehmen oder gegen einen Geschäftsleiter eines Instituts oder Unternehmens verhängte und bestandskräftig gewordene Maßnahme, die sie wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz, die dazu erlassenen Rechtsverordnungen oder die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 oder der Verordnung (EU) 2015/847 verhängt hat, und jede unanfechtbar gewordene Bußgeldentscheidung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 unverzüglich auf ihren Internetseiten öffentlich bekannt machen und dabei auch Informationen zu Art und Charakter des Verstoßes mitteilen. § 60c KWG regelt die Bekanntmachung von Sanktionen wegen Verstößen gegen die Verordnung (EU) Nr. 909/2014, die Verordnung (EU) 2015/2365, die Verordnung (EU) 2016/1011 oder die Verordnung (EU) 2017/2402. § 60d KWG sieht die Bekanntmachung von Maßnahmen und Sanktionen gegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Betreiber von Datenbereitstellungsdiensten vor. Die Voraussetzungen der Vorschriften liegen hier offensichtlich nicht vor, da die Bundesanstalt nach derzeitigem Aktenstand bislang keine Maßnahmen und Sanktionen im Sinne von §§ 60b ff. KWG ergriffen bzw. verhängt hat. Unter den Begriff der „Maßnahme“ fällt nur förmliches Verhalten, insbesondere der Erlass von Verwaltungsakten, da nur solche bestandskräftig werden können (vgl. Wortlaut von § 60b Abs. 4 KWG; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Lindemann, 5. Aufl. 2016, KWG § 60b Rn. 8). Hier fand jedoch bislang lediglich die Anhörung der Antragstellerin zu 1) mit Schreiben vom xx.xx.xxxx statt. Es widerspricht der Konzeption der §§ 60b ff. KWG, wenn die Bundesanstalt bereits im Ermittlungsstadium Verdachtsäußerungen öffentlich bekannt machen dürfte. Ausweislich der zugrundeliegenden EU-Richtlinie (CRD IV) ist es das Ziel der Veröffentlichungspflichten der §§60b ff. KWG, die abschreckende Wirkung von Verwaltungssanktionen zu gewährleisten (Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Lindemann, 5. Aufl. 2016, KWG § 60b Rn. 2). Die zu veröffentlichende Maßnahmen müssen hierfür zwingend auf einen festgestellten Verstoß zurückzuführen sein; Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung sind von den §§ 60b ff. KWG nicht umfasst (Rosinus/ Wiesner-Lameth in Beck/ Samm/ Kokemoor, KWG Kommentar Bd. 2, EGl. 2019, § 60b Rn. 4; Schwennicke/Auerbach/Schwennicke, 3. Aufl. 2016, KWG § 60b Rn. 4). § 60d Abs. 1 S. 2 KWG stellt insofern ebenfalls klar, dass Entscheidungen über Ermittlungsmaßnahmen nicht zu veröffentlichen sind. Überdies ist zu beachten, dass nach § 60b KWG nur die Veröffentlichung bezüglich solcher Unternehmen erfolgen darf, die unter der Aufsicht der Bundesanstalt stehen. Nach Aussage der Bundesanstalt stehen die Antragstellerinnen jedoch nicht unter ihrer Aufsicht. Ein restriktiver Umgang mit der individualisierten Veröffentlichung negativ wirkender Informationen ist in Anbetracht des zu erwartenden Reputationsverlustes, den ein Unternehmen infolge der „Anprangerung“ durch die Bundesanstalt erleidet, geboten, da – wie bereits oben ausgeführt – selbst eine nachträgliche Rehabilitationsmeldung der Bundesanstalt den Vertrauensverlust nicht sicher beseitigen kann.

Eine Befugnis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Mitteilung kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht aus den §§ 32 Abs. 4, 5 KWG hergeleitet werden. Nach diesen Vorschriften ist die Bundesanstalt dazu verpflichtet, die Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen über den Bundesanzeiger bekanntzumachen und auf der Internetseite ein Institutsregister zu führen, in das alle entsprechenden Erlaubnisse eingetragen werden. Aus diesen Vorgaben folgt jedoch nicht zugleich das Recht der Antragsgegnerin, die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen zu dürfen, dass ein bestimmtes Unternehmen keine Erlaubnis nach § 32 KWG hat, geschweige denn, dass ein Verdacht wegen des Betreibens unerlaubter Finanzdienstleistungsgeschäfte besteht. Der Sinn und Zweck der §§ 32 Abs. 4, 5 KWG besteht in der Dokumentation der erteilten Erlaubnisse und der Herstellung von Transparenz hierüber, nicht jedoch in der Warnung potentieller Anleger.

Das Recht zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Meldung folgt auch nicht kraft der der Bundesanstalt allgemein zugewiesenen Aufgaben. Nach § 4 Abs. 1 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) konzentrieren sich die Aufgaben der Bundesanstalt im Wesentlichen auf die Aufsicht über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sowie auf die Versicherungsaufsicht. Die Bekanntmachung von Verdachtsfällen gehört nicht zu den der Bundesanstalt zugewiesenen Aufgaben. Dies zeigt die Existenz der §§ 8 Abs. 7 ZAG, 18 Abs. 3 WpPG und 308 Abs. 7 VAG. Sie verdeutlichen, dass der Gesetzgeber die Veröffentlichung von individualisierten Informationen im Ermittlungsstadium durch die Bundesanstalt nur in den explizit genannten Fällen unter konkreten Voraussetzungen für zulässig erachtet. Mangels einer entsprechenden Norm im KWG ist davon auszugehen, dass die Publikation eines Verdachts wegen Verstoßes gegen die Vorschriften des KWG nicht zu den Aufgaben der Bundesanstalt gehört.

Der Antragstellerin zu 2) steht in Bezug auf die streitgegenständliche Mitteilung auch ein Anordnungsgrund zu. Es ist ihr nicht zuzumuten, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, da – wie sie nachvollziehbar dargelegt hat – die auf der Webseite der Antragsgegnerin abrufbare streitgegenständliche Mitteilung von Mitbewerbern in zwischenzeitlich zu ihrem Nachteil genutzt wird.

2. Im Übrigen haben die Antragstellerinnen nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen ein Unterlassungsanspruch gegen die Meldung der Antragsgegnerin zusteht. Sowohl die Äußerung, die Antragstellerin zu 2) verfüge über keine Erlaubnis nach § 10 ZAG und es bestehe der Verdacht der Erbringung unerlaubter Zahlungsdienste (dazu unter a.), sowie die Mitteilung, die Antragstellerin zu 1) sei die zentrale Holdinggesellschaft der Antragstellerin zu 2) (dazu unter b.), stellen sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig dar.

a. Die Mitteilung der Antragsgegnerin, sie habe der Antragstellerin zu 2) keine Erlaubnis nach § 10 ZAG erteilt und es bestehe der Verdacht, dass sie unerlaubt Zahlungsdienste in Deutschland erbringt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Äußerung führt zu einer mittelbar-faktischen Beeinträchtigung der Rechte der Antragstellerin zu 2) in Art. 12 Abs. 1 GG. Insofern gelten die unter 1. gemachten Ausführungen entsprechend. Die Mitteilung ist allerdings gerechtfertigt. Sie beruht auf einer gesetzlichen Grundlage und wahrt den Sachlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Nach § 8 Abs. 7 S. 1 ZAG kann die Bundesanstalt die Öffentlichkeit unter namentlicher Nennung der Firma über einen Verdacht bezüglich des Nichtvorliegens einer Erlaubnis nach § 10 ZAG informieren, soweit und solange Tatsachen die Annahme rechtfertigen oder feststeht, dass ein Unternehmen unerlaubt Zahlungsdienste erbringt oder unerlaubt das E-Geld-Geschäft betreibt. Gemäß § 8 Abs. 7 S. 2 ZAG gilt dies auch wenn ein Unternehmen die unerlaubten Zahlungsdienste zwar nicht erbringt oder das E-Geld-Geschäft nicht betreibt, aber in der Öffentlichkeit einen entsprechenden Anschein erweckt. Um den drohenden Reputationsverlust des Unternehmens bei der entsprechenden Mitteilung zu rechtfertigen, muss der Verdacht i.S.v. § 8 Abs. 7 ZAG sehr konkret sein (dringender Tatverdacht i.S.d. StPO) und tatsächlich ein spürbarer Schaden für potentielle Anleger drohen (Casper/Terlau/Gerhardus-Feld, 2. Aufl. 2020, ZAG § 8 Rn. 65).

Ein entsprechender Verdacht des Erbringens unerlaubter Zahlungsdienste liegt hier vor. Die Antragstellerin zu 2) betreibt die Webseite www.xxx.com, auf der unter anderem für den Handel mit digitalen Währungen über ihre Handelsplattform sowie die Ausgabe von Kreditkarten und die Implementierung eines PoS-Bezahlsystems geworben wird. Zudem wird auf der Homepage ein „Chief Sales Officer“ für Deutschland benannt. Diese Anhaltspunkte rechtfertigen den Erlass der streitgegenständlichen Mitteilung, die auch sachlich und verhältnismäßig ist. In Anbetracht der zu Ungunsten der Antragstellerin zu 2) sprechendenden Beweislage und der Tatsache, dass diese den Vorwurf inhaltlich nicht abstreitet, überwiegt der kollektive Verbraucherschutz gegenüber dem Interesse der Antragstellerin zu 2).

Nach § 8 Abs. 7 S. 3 ZAG ist vor der Entscheidung über die Veröffentlichung der Information das Unternehmen anzuhören. Eine Anhörung der Antragstellerin zu 2) fand zwar vor Erlass der Mitteilung nicht statt. Entsprechend des Rechtsgedankens des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann jedoch von einer Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Eine sofortige Veröffentlichung der Meldung war hier im öffentlichen Interesse notwendig. Die Ermittlungen der Bundesanstalt hatten ergeben, dass die Gesellschaft durch ihr „Geschäftsgebaren“, dass sie Inhaberin einer in Europa erteilten Erlaubnis zum Betreiben von Finanzdienstleistungen sei, Anleger anlocke. Dabei würden die Geschäfte in „aggressiver Form“ durch die Abhaltung von sogenannten Events im Inland, welche in der Regel mindestens einmal in der Woche abgehalten würden, beworben. Durch Aktionen dieser Art werde das Vertrauen der Anleger in die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems und der laufenden Aufsicht erschüttert (vgl. Behördenakte AZ: ####). Angesichts dieser Erkenntnisse war ein weiteres Zuwarten der Bundesanstalt nicht geboten.

b. Die Mitteilung der Antragsgegnerin, die Antragstellerin zu 1) sei die zentrale Holdinggesellschaft der Antragstellerin zu 2), erfolgte ebenfalls rechtmäßig. Durch Hervorhebung der Verbundenheit der beiden Unternehmen wird die Antragstellerin zu 1) zwar potentiell in ein „schlechtes Licht“ gerückt, wodurch eine mittelbar-faktische Beeinträchtigung in Art. 12 Abs. 1 GG in Betracht kommt. Allerdings ist die Äußerung gerechtfertigt. Sie erfolgt aufgrund von § 8 Abs. 7 ZAG und stellt sich als sachlich und verhältnismäßig dar.

§ 8 Abs. 7 ZAG dient dem kollektiven Verbraucherschutz und soll gewährleisten, dass die Öffentlichkeit bereits zu einem frühen Zeitpunkt über potentiell unerlaubte Tätigkeiten informiert werden kann, um einen etwaigen Schaden für den Finanzplatz Deutschland möglichst gering zu halten (BT-Drs. 18/11495, 121). Um Anleger über eventuelle Risiken so effektiv wie möglich aufzuklären, muss die Bundesanstalt befugt sein, all die Hintergrundinformationen zu veröffentlichen, die zur Vermeidung einer Fehleinschätzung in Bezug auf die Risiken eines beworbenen Geschäftsmodells beitragen. Welche Informationen dies im Einzelnen sind, hängt vom Einzelfall ab und steht im Ermessen der Bundesanstalt. Diese hat jedoch vor der Veröffentlichung stets eine Abwägung mit den Rechten des betroffenen Unternehmens vorzunehmen. Angaben zu der Muttergesellschaft können zu den notwendigen Informationen im Rahmen des § 8 Abs. 7 ZAG gehören. Durch Bildung komplexer Unternehmensstrukturen mit einer Reihe von Beteiligungsgesellschaften können potentielle Anleger den Überblick verlieren, wer letztlich die Verantwortung für ein beworbenes Produkt trägt. Daher kann der Hinweis darauf, wer die Holdinggesellschaft ist, zur Aufklärung der Verbraucher beitragen und Fehleinschätzungen vermeiden.

Die Mitteilung über die Beteiligung der Antragstellerin zu 1) ist als wahre, sachlich verfasste Tatsachenbehauptung zur Aufklärung der Öffentlichkeit erforderlich, geeignet und angemessen. Die Information ermöglicht es potentiellen Anlegern, sich ein besseres Bild von der Unternehmensstruktur der Antragstellerin zu 2) zu machen, was zu einer ausgewogenen Entscheidung beiträgt. Dies gilt umso mehr, als dass es sich bei den Antragstellerinnen um ausländische Unternehmen handelt, wodurch es durchschnittlichen Anlegern erschwert wird, sich zuverlässige Informationen über die Unternehmensstruktur zu beschaffen. Nachdem es durch Änderungen des Impressums auf der Internetseite www.xxx.com zudem zu möglichen Verwirrungen in Bezug auf die Einbindung der Antragstellerin zu 1) in das auf der Webseite beworbene Geschäftsmodell gekommen ist, trägt die streitgegenständliche Meldung zu mehr Transparenz bei. Es überwiegt schließlich das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Information gegenüber dem Interesse der Antragstellerin zu 1), die Meldung nicht zu veröffentlichen. Die Gesellschaft vermittelt bereits nicht den Eindruck, sich konsequent von dem im Verdacht stehenden Geschäftsmodell der Antragstellerin zu 2) distanzieren zu wollen. Sofern es der Antragstellerin zu 1) darum ginge, nicht mit diesen Dienstleistungen in Verbindung gebracht zu werden, würde sie nicht im Impressum der Webseite www.xxx.com als „Central-Holding“ auftreten. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb sie von Seiten der Bundesanstalt die Verbreitung dieser Information verhindern will.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache für die Antragstellerinnen ist es angemessen, den Streitwert auf 20.000 € zu bestimmen; dieser Betrag war im Hinblick auf Vorläufigkeit der Entscheidung entsprechend Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 2013 zu halbieren.

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