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RdZ-News
29.06.2023
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OLG Köln: Bestimmte Mobile-Payment-Modelle sind nach dem ZAG erlaubnisfreie Dienstleistungen

OLG Köln, Urteil vom 23.12.2022 – 6 U 87/22

Volltext des Urteils: RdZL2023-135-1 unter www.rdz-online.de

Amtliche Leitsätze

1. Das Erlaubniserfordernis nach § 10 Abs. 1, Satz 1 ZAG für die Erbringung von Zahlungsdienstleistungen stellt eine Marktverhaltensnorm im Sinn des § 3 a UWG dar.

2. Ein Marktverhalten kann erst dann nicht mehr lauterkeitsrechtlich beanstandet werden, wenn es durch einen – nicht nichtigen - Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden ist. Ein lediglich feststellender Verwaltungsakt, dass ein bestimmtes Geschäftsmodell nicht unter die Erlaubnisform fällt, reicht insoweit nicht aus.

3. Für die Schwellenwerte der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG ist nicht auf das Verhältnis zwischen Diensteanbietern und Aggregatoren, sondern auf die Abrechnungsvorgänge beim Endnutzer abzustellen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein in Österreich ansässiges Unternehmen, das gegenüber Dritten Dienstleistungen im Bereich des Mobile Payment in Deutschland anbietet. Sie veranlasst Mobilfunknetzbetreiber, Forderungen gegenüber Endkunden mit der Mobiltelefonrechnung in Rechnung zu stellen und durch den Mobilfunkanbieter einziehen zu lassen. Die Klägerin verfügt über eine Zulassung der für sie zuständigen österreichischen Behörde für Finanzmarktaufsicht.

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der in Schweiz ansässigen O. Limited und im Bereich Mobile Payment in Deutschland tätig. Anders als bei der Klägerin treten im Factoring-Modell der Beklagten Anbieter digitaler Inhalte ihren Zahlungsanspruch gegen den Endkunden an die Beklagte ab. Die Beklagte tritt ihrerseits den Anspruch an einen Mobilfunknetzbetreiber ab, der den Zahlungsbetrag über die Mobilfunkrechnung vom Endkunden einzieht. Die Beklagte verfügt über keine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) nach dem deutschen Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG).

Die Klägerin mahnte das Verhalten der Beklagten mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 21.4.2020 erfolglos als wettbewerbswidrig ab.

Während des Verfahrens teilte die BaFin der Beklagten auf deren Anfrage vom 15.7.2021 unter dem 16.9.2021 mit, dass das Geschäftsmodell der Beklagten in der von der Beklagten geschilderten Form anzeigepflichtig, aber nicht erlaubnispflichtig sei (Anlage B 29).

Die Klägerin hat gemeint, dass das von der Beklagten betriebene Geschäftsmodell einer Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 ZAG bedürfe, weil eine zulassungspflichtige Zahlungsdienstleistung in Form eines Akquisitionsgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 ZAG oder eines Finanztransfergeschäfts nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 ZAG vorliege. Eine Ausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 ZAG liege nicht vor, weil die Beklagte keine Anbieterin von elektronischen Telekommunikationsnetzen oder –diensten sei, sondern ihre Haupttätigkeit darin liege, Zahlungsdienstleistungen zu erbringen, die nicht innerhalb eines Konzerns nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 ZAG erfolgten. Die Vorschriften des ZAG zur Erlaubnispflicht seien Marktverhaltensregeln, der Verstoß dagegen sei für Verbraucher spürbar, weil die Erlaubnispflicht Standards für Qualität, Sicherheit und Unbedenklichkeit im Interesse der Verbraucher festsetzten.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2021 keinen Antrag gestellt, worauf gegen sie ein Versäumnisurteil ergangen ist, mit dem sie antragsgemäß verurteilt worden ist,

unter Meidung von Ordnungsmitteln Zahlungsdienste zu erbringen, ohne Zahlungsdienstleister im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 ZAG zu sein, indem sie gegenüber Dritten, die entgeltlich Waren oder Dienstleistungen, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, deren Nutzung oder Verbrauch auf ein technisches Gerät beschränkt ist und die in keiner Weise die Nutzung oder den Verbrauch von Waren oder Dienstleistungen in physischer Form einschließen (nachfolgend „digitale Inhalte“) und Sprachdienste gegenüber Endkunden zu verbreiten (nachfolgend „Anbieter“), Leistungen der nachfolgend beschriebenen Art zu erbringen, ohne dass sie dafür die nach § 10 Abs. 1 S. 1 ZAG erforderliche schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) erteilt bekommen hat. Sie nehme von Mobilfunknetzbetreibern unbar Geldbeträge entgegen, die die Mobilfunknetzbetreiber wiederum von Inhabern eines Mobiltelefonanschlusses (nachfolgend „Mobilfunkkunde“) erhalten haben und die die Gegenleistung für von einem Anbieter an den Mobilfunkkunden gelieferter digitaler Inhalte oder gegenüber diesem erbrachter Sprachdienste darstellen, die auf der Mobiltelefonrechnung des Mobilfunkkunden abgerechnet werden. Die so entgegengenommenen Geldbeträge mache die Beklagte dem betreffenden Anbieter ohne Einrichtung eines Kontos auf den Namen des Mobilfunkkunden, des Mobilfunknetzbetreibers oder des Anbieters verfügbar.

Weiterhin wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Gegen das am 30.3.2021 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am 31.3.2021 eingegangenen Schriftsatz vom 30.3.2021 Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 23.2.2021 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 23.2.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, dass sie keine erlaubnispflichtigen Zahlungsdienstleistungen anbiete, weil ihre Dienste jedenfalls in einem engen Zusammenhang mit dem Erwerb digitaler Inhalte und Sprachdienste stünden und sie daher unter die Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 11 a ZAG falle. Sie sei Teil einer Gruppe, die selbst digitale Inhalte anbiete. Sie kehre keine Zahlungen an Anbieter digitaler Inhalte aus, sondern leite Zahlungen an die O. weiter und nehme diese auch nur in deren Namen entgegen. Zudem leiste die O. Vorauszahlungen von 80% an Anbieter digitaler Inhalte und trage hierfür das Ausfallrisiko. Von den 80% nehme die Beklagte lediglich eine Gebühr in Höhe von 4%. Soweit sie selbst Anbieter von digitalen Inhalten sei, übernehme sie die Bearbeitung von Beschwerden von Endkunden, die sie auch abrechne. Abweichend von ihren eigenen AGB leiste sie zudem auch an ihre eigenen Kunden in der Praxis Vorauszahlungen, für die sie das Ausfallrisiko getragen habe.

Das Landgericht hat den Einspruch als begründet angesehen und einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1; 3; 3a UWG i.V.m § 10 Abs. 1 S. 1 ZAG verneint. Zwar handele sich bei dieser Norm um eine Marktverhaltensregel, diese sei aber nicht verletzt, weil sich die Beklagte auf die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a) ZAG berufen könne. Die Beklagte stelle beim Direct Carrier Billing mit ihrer Plattform eine technische Infrastruktur bereit, über welche Anbieter digitaler Inhalte und TK-Anbieter miteinander verbunden sind, beim Premium SMS Billing erbringe sie Mehrwertdienste über ihre Plattform, beim Premium Voice Billing stelle sie Servicenummern für die verschiedenen Mobilfunknetzbetreiber bereit, sie biete also jeweils eine Dienstleistung an, die über die Zahlungsdienstleistung hinausgehe. Die Beklagte habe entgegen der ihr insoweit obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht hinreichend vorgetragen, dass die Schwellenwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 11 ZAG überschritten würden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie wendet sich vor allem dagegen, dass das Landgericht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG mit der Begründung angenommen habe, dass diese Vorschrift voraussetze, dass derjenige, der die Kommunikationsdienstleistung erbringt, vertraglich mit den Endnutzern dieser Dienste verbunden sei, die Dienste also für die Endnutzer aufgrund eines entgeltlichen Vertrages erbringe. Hierunter habe das Landgericht unrichtig subsumiert, denn im vorliegenden Fall bestünde gerade kein direkter Vertrag zwischen Endnutzern und der Beklagten, so dass der Endnutzer auch kein Teilnehmer im Sinne der Ausnahmevorschrift sei. Die Leistungen würden daher nicht gegenüber den Endnutzern als Teilnehmer, sondern gegenüber den Mobilfunknetzbetreibern oder den Diensteanbietern als Teilnehmer erbracht. Die BaFin habe diese Auslegung bei allen drei angebotenen Diensten zugrunde gelegt. Damit würde auch die Berechnung der Zahlungsschwellen für jeden einzelnen Teilnehmer nicht mehr zutreffen. Wenn § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG vorgebe, dass 50,- Euro pro Einzelleistung bzw. 300,- Euro monatlich für die kumulierten Leistungen nicht überschritten werden dürften, komme es nicht auf die Zahlungspflichten der Endkunden, sondern auf die Zahlungspflichten der Diensteanbieter oder Mobilfunknetzbetreiber an. Dass die Zahlungen durch diese Anbieter die Schwellenwerte überschreiten würden, sei bei Mobilfunkanbietern evident und bei Diensteanbietern durch Rechnungen der Klägerin gegenüber den Diensteanbietern belegt, so dass in einem solchen Fall auch die Ausnahmebestimmung nicht greife und eine Erlaubnis erforderlich sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LG Köln vom 21.12.2021, Az. 27 O 223/21 aufzuheben und wie erstinstanzlich beantragt zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Die BaFin habe durch feststellenden Verwaltungsakt vom 30.5.2022 (Anl. BB1) festgestellt, dass die Beklagte keiner Erlaubnis bedürfe. Daran sei das Wettbewerbsgericht schon deswegen gebunden, weil die Beklagte ein gerichtliches Verbot nicht durch Beantragung einer Erlaubnis beseitigen könne, wenn die BaFin das Verhalten gerade nicht für verboten hält. Das Landgericht habe aber auch in der Sache nicht fehlerhaft entschieden. § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG erfordere keinen unmittelbaren Vertrag zwischen Dienstleister und Endnutzer. Entscheidend sei nur, dass die Leistung für einen Endnutzer erbracht werde. Das ergebe sich aus der Systematik des Gesetzes, das in § 2 Abs. 1 Nr. 10 ZAG von einer „Geschäftsvereinbarung“ spreche, diese Formulierung in Nr. 11 a) aber gerade nicht wiederhole. Die Formulierung im TKG, die den Teilnehmer anders definiere, sei veraltet und heute auch dort nicht mehr maßgeblich. Stattdessen stelle das Gesetz auf den „Endnutzer“ ab, der weder TK-Netze betreibe noch öffentlich zugängliche TK-Dienste erbringe. Auf einen Vertrag zum Endnutzer stelle das neue TKG nicht ab. Die Beklagte sei ein sog. Aggregator, der elektronische Kommunikationsdienste erbringe, die Verwaltungspraxis des BaFin sehe ausweislich des Merkblattes zum ZAG vom 29.11.2017, Ziff. 3k vor, dass Aggregatoren von der Erlaubnispflicht ausgenommen seien. Die Begründung zu § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG erwähne kein Vertragserfordernis, sondern sehe lediglich vor, dass die Bereichsausnahme auf Zahlungen mit niedrigem Risikoprofil beschränkt werden solle.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 10.11.2022 mitgeteilt, dass sie gegen den Bescheid der BaFin Drittwiderspruch eingelegt hat (Anlage BK 1). Sie hat beantragt, das Verfahren bis zur Beendigung des Drittwiderspruchsverfahrens gemäß § 148 Abs. 1 ZPO auszusetzen. Der Drittwiderspruch verhindere, dass der Verwaltungsakt bestandskräftig werde, die Entscheidung hierüber hänge von der Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ab, da der BGH davon ausgehe, dass ein Marktverhalten lauterkeitsrechtlich nicht mehr beanstandet werden könne, wenn es durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden sei.

Aus den Gründen

II. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1; 3 Abs. 1; 3a UWG i.V.m § 10 Abs. 1 S. 1 ZAG zu.

1. Die Berufung ist zulässig, die Klage ist es ebenfalls. Der Unterlassungsantrag ist mit der Begründung des Landgerichts, dass die zentralen Elemente des Verbotsbegehrens – Betrieb einer Leistung ohne Erlaubnis – genannt werden und im übrigen das Geschäftsmodell als konkrete Verletzungsform beschrieben wird, ausreichend bestimmt.

Anlass, die Sache nach § 148 ZPO auszusetzen und die Entscheidung der BaFin abzuwarten, besteht nicht. Die BaFin entscheidet nur über die Frage, ob eine Erlaubnispflicht entfällt. Sollte die BaFin diesbezüglich zu einer abweichenden Entscheidung als bisher gelangen, wäre die Behörde gehalten, über die Erlaubnispflicht erneut zu befinden. Die Entscheidung über die Feststellung einer Erlaubnisfreiheit ist daher für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich.

2. Die Klägerin hat keinen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG, weil die Beklagte nicht gegen die §§ 10 Abs. 1 S. 1; 2 Abs. 1 Nr. 11 a) des Zahlungsaufsichtsdienstegesetzes (ZAG) verstößt.

a) Allerdings ist die Klägerin Mitbewerberin der Beklagten. Auch die Anwendungsvoraussetzungen des UWG liegen vor.

b) Das Landgericht hat in dem Erlaubniserfordernis des § 10 Abs. 1 S. 1 ZAG zudem zutreffend eine Marktverhaltensnorm gesehen, weil diese Vorschrift dem Interesse der Verbraucher an Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der angebotenen Dienstleistung dient und auch den Schutz der Verbraucher vor unzuverlässigen Zahlungsinstituten beabsichtigt. Marktverhaltensnormen sind dadurch charakterisiert sind, dass ein Verstoß zugleich eine unlautere Störung des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt darstellt (BGHZ 150, 343 = GRUR 2002, 825, 826 – Elektroarbeiten). Erlaubnisvorschriften, die bereits auf der Ebene des Marktzutritts wirken, haben eine solche Wirkung, wenn sie als Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten den Nachweis von Fachkenntnissen fordern (BGH GRUR 2002, 825, 826). Solche Normen haben eine Doppelwirkung für Zutritt und Marktverhalten, weil sie Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit der angebotenen Produkte sicherstellen (BGH WRP 2017, 69 Rn. 16 – Arbeitnehmerüberlassung). Entsprechend gilt dies, wenn an die Zuverlässigkeit und Sicherheit von Zahlungsleistungen besondere Anforderungen gestellt werden, wie dies vorliegend der Fall ist. Die Begründung zum ZAG-Entwurf stellt klar, dass die Vorschriften eine Verbesserung der Sicherheit bei der Zahlungsabwicklung aufstellen, etwa durch die Stärkung der Kundenauthentifizierung (BT-Drucks. 18/11495, S. 81) oder den Umstand, dass erlaubnispflichtige, aber auch erlaubnisfreie Zahlungsdienstleister unter das ZAG fallen (BT-Drucks. 18/11495, S. 103). Insoweit geht es dem ZAG darum, die Wettbewerbsgleichheit zwischen Zahlungsdienstleistern herzustellen. Gerade daher kann eine Marktzutrittsregelung zugleich Marktverhaltensregel sein (BGH WRP 2017, 69 Rn. 23 – Arbeitnehmerüberlassung).

c) Das Geschäftsmodell der Beklagten fällt im Ergebnis nicht unter die Erlaubnispflicht, so dass ein Verstoß gegen diese Regelung nicht vorliegt, auch wenn die Beklagte unstreitig über keine Erlaubnis verfügt.

aa) Die Parteien streiten im Ergebnis nicht mehr darüber, ob die Beklagte einen Zahlungsdienst im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 ZAG betreibt. Das Landgericht hat das Geschäftsmodell der Beklagten unter die Finanztransfergeschäfte eingeordnet (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ZAG). Finanztransfergeschäfte sind Dienste, bei denen ohne Einrichtung eines Zahlungskontosauf den Namen eines Zahlers oder eines Zahlungsempfängers ein Geldbetrag des Zahlers ausschließlich zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Zahlungsempfänger oder an einen anderen, im Namen des Zahlungsempfängers handelnden Zahlungsdienstleister entgegengenommen wird, oder bei dem der Geldbetrag im Namen des Zahlungsempfängers entgegengenommen und diesem verfügbar gemacht wird. Dagegen sind Akquisitionsgeschäfte im Sinne der Nr. 5 spezielle Fälle des Finanztransfergeschäfts (BT-Drucks. 18/11495, S. 106), die beim Bezahlen im Internet oder an Supermarktkassen dafür sorgen, dass ein Zahlbetrag vom Kunden an den Händler gerät. Aggregatoren und Subakquisitionen sollen nach der Begründung des Gesetzes ausdrücklich unter diese Form der Zahlungsdienste fallen (BT-Drucks. 18/11495, S. 106). Das Geschäftsmodell der Beklagten betrifft einen solchen Transfervorgang. Ob es aber um ein Finanztransfer- oder – näher liegend - ein Akquisitionsgeschäft geht, kann dahingestellt bleiben, denn in beiden Fällen ist das ZAG anwendbar.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Zahlungsabwicklung durch die Beklagte keine Finanzierungsfunktion, insbesondere nicht die Aufgabe hat, eine Vorfinanzierung von eingezogenen Geldern vor der Ausschüttung zu übernehmen, Einerseits sehen die AGB der Beklagten eine solche Vorfinanzierung nicht vor, andererseits ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich, dass eine Ausschüttung vor der Einziehung erfolgt. Dagegen wendet sich weder die Berufung der Klägerin noch besteht Anlass, dies anders zu beurteilen.

bb) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass eine Ausnahme von dem Erfordernis der Erlaubnis besteht, weil der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG erfüllt ist.

(1) Diese Frage kann entgegen der Ansicht der Beklagten auch vom entscheidenden Gericht beurteilt werden. Eine Bindung durch die feststellende Erklärung der BaFin besteht nicht. Zwar kam die BaFin in einem feststellenden Verwaltungsakt zu der Einschätzung, dass die Erlaubnispflicht nicht besteht. Diese Einschätzung wäre nur vorgreiflich, wenn die verwaltungsgerichtliche Prüfung vorrangig und bindend wäre. Der BGH hat allerdings wiederholt entschieden, dass die verwaltungsbehördliche und die wettbewerbsrechtliche Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften nebeneinanderstehen (BGHZ 163, 265, 270 – Atemtest I; GRUR 2006, 82 Rn. 15 – Betonstahl). Ein Marktverhalten kann erst dann nicht mehr lauterkeitsrechtlich beanstandet werden, wenn es durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde ausdrücklich erlaubt worden ist und dieser Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH GRUR 2019, 298 Rn. 24 – Uber Black II). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Zum einen wurde der Verwaltungsakt von der Klägerin durch Drittwiderspruch angegriffen, so dass die Möglichkeit besteht, dass die Behörde ihn korrigiert. Zum anderen fehlt es an einer ausdrücklichen behördlichen Erlaubnis. Die Behörde hat lediglich festgestellt, dass nach ihrer Einschätzung eine Erlaubnis für das Geschäftsmodell der Beklagten nicht erforderlich ist. Eine ausdrückliche Erlaubnis liegt darin gerade nicht. Auch entsteht durch die Feststellung kein Vertrauensschutz dergestalt, dass die Behörde ihre Einschätzung nicht mehr ändern kann, wenn sich die Umstände des Geschäftsmodells ändern oder zusätzliche Umstände vorgebracht werden, die eine andere Wertung des Tatsachenstoffs durch die Behörde ermöglichen.

(2) Eine Ausnahme nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG liegt vor.

(a) Das Landgericht hat die Beweislast zutreffend festgelegt, indem es der Klägerin zunächst auferlegt hat, darzulegen und zu beweisen, dass das streitgegenständliche Verhalten unter die Erlaubnispflicht fällt, während die Beklagte darzulegen hat, dass sie die Voraussetzungen der Erlaubnisnorm erfüllt.

(b) Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG ist ihren Voraussetzungen nach erfüllt. Die Beklagte betreibt einen elektronischen Kommunikationsdienst, bei welchem der Erwerb von digitalen Inhalten und Sprachdiensten mit der Zahlungsdienstleistung zusammenfällt. Die Zahlungsdienstleistung, also die Finanztransaktion oder –akquisition, ist untergeordneter Teil des Erwerbsvorgangs in Bezug auf Dienste oder Dienstleistung, die in der Zurverfügungstellung von Inhalten und Diensten bei gleichzeitiger Durchführung von Zahlungsvorgängen besteht. Die Begründung zu § 2 Abs. 1 ZAG gibt Aufschluss darüber, dass die Kombinationen von Zahlungs- und Inhaltsdienten unter die TK-Ausnahme der Nr. 11 a) fällt. Die Begründung formuliert wie folgt:

„Für die Abrechnung von Mehrwertdiensten unter der Bereichsausnahme ist gemäß den Vorgaben der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie erforderlich, dass der Anbieter des elektronischen Kommunikationsnetzes oder –dienstes für einen Teilnehmer des Netzes oder Dienstes elektronische Kommunikationsdienste erbringt und darüber hinaus auch die der Art nach unter Artikel 3 Buchstabe l bezeichneten Zahlungsvorgänge (zusätzlich) für andere Anbieter dieser Art bereitstellt. Die Zahlungsvorgänge müssen im Zusammenhang mit dem Erwerb von digitalen Inhalten und Sprachdiensten bereitgestellt werden.“ (BT-Drucks. 18/11495, S. 117).

Die Begründung nennt als Beispiele hierfür das Factoringmodell im Mobilfunk und das Finanztransfergeschäft des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ZAG, wenn es im Rahmen der Schwellenwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 11 ZAG erbracht wird. Zweck der Regelung ist zu verhindern, dass erlaubnisfrei erbrachte Zahlungsdienste sich zu allgemeinen Zahlungsvermittlungsdiensten ausweiten (Vgl. Erwägungsgrund 15 der Zweiten Zahlungsdienste-Richtlinie [EU] 2015/2366 v. 25.11.2015, EU-Abl. L 337/35).

Die Leistungsmodelle der Beklagten kombinieren jeweils Zahlungs- und Inhaltediensteleistungen über das gewählte Abtretungsmodell. Beim Direct Carrier Billing werden digitale und mobile Inhalte über die Telefonrechnung bezahlt, die Abwicklung dieser Leistungen erfolgt über die von der Beklagten bereitgestellte Plattform. Grundlage der Bezahlung sind Inhaltedienste. Beim Premium SMS Billing geht es um Nachrichten, also ebenfalls Inhalte oder jedenfalls Dienstleistungen, deren Abrechnung und Zahlung über die Beklagte abgewickelt werden. Beim Premium Voice Billing werden Servicenummern bereitgestellt, über deren Anruf Mehrwertdienste, wie Auskunftsdienste oder Abstimmungen in Rundfunksendungen, in Anspruch genommen und abgerechnet werden können. In allen Fällen fungiert die Beklagte als Aggregator, indem sie die Forderungen von Diensteanbietern und TK-Anbietern ankauft (Factoring-Modell) und deren Einziehung abwickelt. Im Ergebnis besteht die Leistung der Beklagten damit nicht nur in einer Zahlungsabwicklung, sondern über das Abtretungsmodell auch in einer Produktleistung. Das gilt sowohl für die einstufige Lösung, bei der die Beklagte alleine zwischen den genannten Diensten steht, wie auch für die mehrstufige Lösung, bei der weitere Aggregatoren in das Modell integriert sind. Daher wird nicht nur eine Zahlungsabwicklung vorgenommen, sondern es findet ein Handel mit Diensten und digitalen Gütern durch die Beklagte in der Rolle einer Zessionarin statt, so dass beim Endnutzer der Eindruck und die Wirkung eines „one-stop-shops“ entsteht. Genau diese Form von Leistung soll die Ausnahmebestimmung in § 2 Abs. 1 Nr. 11 a) ZAG erfassen. Die Klägerin hat diesem Punkt in der Berufungsschrift nicht mehr grundsätzlich widersprochen.

(c) Auch die Betragsgrenzen, welche die Ausnahmevorschrift vorsieht, werden eingehalten werden. Die Ausnahme gilt, wenn die Schwellenwerte von 50 Euro je Einzelzahlung und 300,- Euro kumuliert für jeden Teilnehmer nicht überschritten werden. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass diese Schwellenwerte technisch kontrolliert werden. Die Klägerin hat das nur allgemein bestritten, was das Landgericht richtigerweise nicht für genügend erachtet hat.

In der Berufungsinstanz rügt die Klägerin, dass das Landgericht in seiner Begründung eine unrichtige Subsumtion vorgenommen habe, indem es als „Teilnehmer“ zwar den Endnutzer angesehen, dabei aber übersehen habe, dass zwischen diesen und der Beklagten kein direkter Vertrag bestünden. Daher käme es nicht auf die Schwellenwerte im Verhältnis der Beklagten zu Endnutzern an, sondern „Teilnehmer“ seien die Anbieter von Leistungen, die gegenüber den Endnutzern abgerechnet würden. In diesem Verhältnis aber würden höhere Zahlungsflüsse stattfinden.

Doch hat das Landgericht ohne Not auf den Teilnehmerbegriff des TKG abgestellt. Das ZAG definiert den Teilnehmerbegriff zwar nicht, aus seiner Systematik folgt aber, dass die Schwellenwerte nicht auf das Verhältnis zwischen Diensteanbietern und Aggregatoren, sondern auf die Abrechnungsvorgänge beim Endnutzer bezogen sind. Die Ansicht der Klägerin, dass es denknotwendig ausgeschlossen sei, dass Leistungen gegenüber Endnutzern ohne direkten Vertrag erbracht würden, trifft für das Aggregatorengeschäft gerade nicht zu. Für dieses Geschäft typisch ist, dass über das Abtretungsmodell Leistungen bezahlt werden, die von Dritten erbracht, von der Beklagten aber abgerechnet werden. Wie auch sonst bei Abtretungslösungen bedarf es hierfür keiner direkten Vereinbarung zwischen Schuldner und Zessionar, der Zessionar tritt jeweils in die Stellung des direkten Vertragspartners ein. Dass es auf die Abrechnungsvorgänge gegenüber den Endnutzern im ZAG ankommt, zeigt zum einen die niedrigen Schwellenbeträge, zum anderen auch der Umstand, dass das ZAG durch seine Aufsichts- und Erlaubniserfordernisse Verbraucherschutzbelange, also Interessen des Endkunden schützen möchte. Daher hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend auf die Schwellenwerte abgestellt, die in diesem Verhältnis bestehen.

3. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten besteht nicht, weil die Abmahnung mangels Verstoßes nicht erforderlich war.

III.Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Ausle­gungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

Streitwert im Berufungsverfahren: 50.000,- €.

 

 

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