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RdF-News
12.02.2024
RdF-News
FG Köln: Zeitliche Anwendbarkeit der Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG

FG Köln, Urteil vom 21.6.2023 – 2 K 1315/13, NZB eingelegt (Az. BFH I B 31/23)

ECLI:DE:FGK:2023:0621.2K1315.13.00

RdF-Online: RdFL2024-77-1

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Die Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG ist zugunsten der Steuerpflichtigen rückwirkend in allen offenen Fällen anzuwenden.

2. Dem Steuerpflichtige ist nach § 50d Abs. 3 EStG n.F. ausdrücklich für den gesamten Anwendungsbereich ein Gegenbeweis möglich.

3. Der in § 50d Abs. 3 EStG n.F. vorgesehene Motivtest (sog. principal-purpose-Test) führt für die Klägerin zu dem Ergebnis, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Dies ergibt sich aus den Verhältnissen der Unternehmensgruppe, der die Klägerin angehört, insbesondere unter Berücksichtigung organisatorischer, wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Merkmale sowie Strukturen und Strategien dieser Gruppe.

 

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG zusteht. Dabei sind zwei Anträge streitbefangen, die die Jahre 2010 und 2011 betreffen. Im zwischenzeitlich zweiten Rechtsgang streiten die Beteiligten nur noch über die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG.

Die Klägerin ist eine am ... 2008 gegründete, auf Zypern ansässige Kapitalgesellschaft. Ihr Geschäftszweck ist, Beteiligungen an Unternehmen der Touristik- und Schifffahrtsbranche für eine gewisse Dauer als strategischer oder finanzieller Investor zu erwerben und zu halten. Sie ist im Hinblick auf ihre Beteiligungen nicht selbst geschäftsleitend tätig. Die Managementleistungen werden vielmehr von einem nahestehenden Unternehmen, der in Zypern ansässigen F Co. Ltd., wahrgenommen. Die Klägerin verfügt über keine eigene physische Präsenz, sondern nutzt die Räumlichkeiten der F Co. Ltd.

Bereits im ... 2008 hielt die Klägerin ... K-Aktien, was einem Anteil von ca. 11 % des Grundkapitals der in Deutschland ansässigen K AG entsprach. Im Jahr 2009 zeichnete sie ... Stück Wandelanleihen des Typs ... an der K AG. Der Nennbetrag je Wandelschuldverschreibung betrug ... €. In gleicher Höhe wurde eine Teilschuldverschreibung durch die K AG ausgegeben. Die Wandelschuldverschreibung wurde mit 5,5 % p.a. verzinst. Die Beteiligungshöhe an der K AG belief sich in den Jahren 2010 und 2011 auf ca. 15 %. Hintergrund der Beteiligung war nach einem Schreiben der Klägerin an die Mitaktionäre im Jahr ..., dass die K AG das Unternehmen X kontrolliert. X wurde als ein gut geführtes Unternehmen mit einer bedeutenden strategischen Position im europäischen Markt für ...schifffahrt, einem ausgezeichneten Entwicklungspotential und einer sehr gut etablierten Marke angesehen (vgl. Schreiben der Klägerin an die Aktionäre der K AG aus ..., Bl. 101 ff. der Verwaltungsakte des Beklagten, -VA-).

2010, im ersten Streitjahr, verfügte die Klägerin über keine Tochtergesellschaft, im zweiten Streitjahr war sie zu 100 % an der Y Verwaltungsgesellschaft mbH beteiligt (vgl. im zweiten Rechtsgang vorgelegte Bilanzunterlagen, Bl. 371 ff. eFG-Akte).

Die Anteile an der Klägerin wurden zu 100 % von der in Liberia ansässigen D S.A. gehalten. Auch diese Gesellschaft verfügte über keine Substanz.

Die Anteile an der D S.A. wurden zu 100 % von der in Zypern ansässigen C Ltd. gehalten. Auch diese Gesellschaft verfügte über keine physische Präsenz, sondern nutzte die Räumlichkeiten ihrer Schwestergesellschaft, der F Co. Ltd. Die C Ltd. war nicht selbst operativ tätig und verfügte über keine eigenen Arbeitnehmer. Sie war mittelbar und unmittelbar an verschiedenen Unternehmen beteiligt und übte bis zum Beginn des Streitjahres 2010 in geringem Umfang Finanzierungsfunktionen aus. Sie war gegenüber ihren Tochtergesellschaften nicht selbst geschäftsleitend tätig. Die Geschäftsleitungsfunktion in Bezug auf ihre Tochtergesellschaften wurde ebenfalls von der F Co. Ltd. wahrgenommen.

Die F Co. Ltd. ist wirtschaftlich tätig. Sie verfügt über eigene Büroräume und Personal. Die Büroräume sind mit den erforderlichen Arbeitseinrichtungen und den notwendigen Kommunikationsgeräten ausgestattet. Zu den von ihr ausgeübten Management-Dienstleistungen gehören insbesondere die Koordination und Verwaltung von Schiffsversicherungen und entsprechenden Policen, Schadensersatzansprüchen, Abgaben und Gebühren für Schiffe sowie die laufende Buchführung. Sie stellt zudem für die C Ltd. sowie für deren Tochtergesellschaften die Geschäftsführer. Nach dem Vortrag der Klägerin hat die F Co. Ltd. zu diesem Zweck in Zypern insgesamt 14 Personen angestellt, von denen sich drei Personen um kaufmännische Angelegenheiten der entsprechenden Tochtergesellschaften kümmern. Die Einnahmen der F Co. Ltd. beliefen sich z.B. im Jahr 2010 auf ... US$, der Jahresüberschuss 2010 betrug ... US$ (vgl. Statement of Comprehensive Income, Bl. 287 VA)

Anteilseigner der C Ltd. war zu 0,01 % die in Liberia ansässige A Ltd., die über alle Stimmrechtsanteile verfügte. Der verbleibende Anteil von 99,99 % wurde von der in Panama registrierten B Inc. gehalten.

Die Struktur der Unternehmensgruppe stellte sich wie folgt dar:

Die Klägerin erzielte aus den Wandelanleihen der K AG in den Streitjahren 2010 und 2011 Kapitalerträge.

Zum ersten Zinstermin nach dem Erwerb der Wandelanleihen, dem 17. Mai 2010, wurden auf den Bruttozufluss i.H.v. ...€ insgesamt ... € (= 26,375 %) Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag einbehalten. Zum zweiten Zinstermin nach Limitierung der K-Wandelanleihe, dem 17. Mai 2011, hielt die Klägerin noch ... Stück der Wandelanleihen. Auf diese erhielt die Klägerin zum Zinstermin 2011 Zinsen in Höhe von brutto ... €. Auf diesen Betrag wurden insgesamt ... € (= 26,375 %) Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt.

Die beantragte teilweise Erstattung der deutschen im Jahr 2010 einbehaltenen Abzugsteuern vom Kapitalertrag i.H.v. ... € (= 16,375 % des Bruttozuflusses) sowie der für 2011 einbehaltenen Steuerabzugsbeträge i.H.v. ... € (= 16,375 % des Bruttozuflusses) lehnte der Beklagte mit Bescheiden vom 13. September 2012 (für 2010) und vom 23. August 2012 (für 2011) unter Berufung auf § 50d Abs. 3 EStG ab.

Die gegen beide Bescheide fristgemäß eingelegten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidungen jeweils vom 28. März 2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer hiergegen fristgemäß erhobenen Klage trug die Klägerin vor, dass die streitigen Zinsen nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen würden. Die erhaltenen Zinsen aus der Wandelanleihe der K AG stellten Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar. Sie könnten nur dann der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, wenn die Voraussetzungen der insoweit einzig einschlägigen Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchstabe aa) EStG erfüllt wären, wenn also die dort vorgesehenen Sicherungen gegeben wären, was jedoch nicht der Fall sei.

Selbst wenn eine beschränkte Steuerpflicht gegeben sein sollte, würde gleichwohl ein Erstattungsanspruch bestehen. Denn gemäß Art. 11 Abs. 2 des DBA-Zypern würde Deutschland ein maximaler Quellensteuerabzug i.H.v. 10 % zustehen.

Die Erstattung der Kapitalertragsteuer sei auch nicht nach § 50d Abs. 3 EStG ausgeschlossen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1-3 EStG könnten alternativ auch durch eine Gesellschaft, die auf einer höheren Ebene beteiligt sei, erfüllt werden.

Die Voraussetzungen der Nr. 1 seien erfüllt, da für ihre Zwischenschaltung politische Gründe vorgelegen hätten. Ihre Muttergesellschaft sei die liberianische D S.A. Auch nach Ende des Bürgerkrieges sei die Sicherheitslage in Liberia weiterhin fragil. Sie, die Klägerin, investiere nicht nur in Wandelanleihen der K AG, man halte gleichzeitig seit ... auch 15 % des Grundkapitals der K AG. Vor dem Hintergrund der innenpolitischen Sicherheitslage in Liberia sei es 2008 erforderlich gewesen, diese Investitionen in einer Rechtsform zu halten, die durch eine stabilere innenpolitische Lage geschützt sei, was zu ihrer Einschaltung in Zypern geführt habe.

Ihre aktive wirtschaftliche Tätigkeit erbringe sie, da ihr die Management-Tätigkeit der F Co. Ltd. zuzurechnen sei, weil sie mit dieser einen Managementvertrag geschlossen habe. Insoweit nahm sie Bezug auf das Urteil des BFH vom 24. August 2011 (I R 46/10).

Überdies wies sie darauf hin, dass § 50d Abs. 3 EStG in der im Streitfall anzuwendenden Fassung europarechtswidrig sei. Die Merkmale der ihr übergeordneten Gesellschaften bzw. der F Co. Ltd., mit der sie einen Managementvertrag geschlossen habe, seien ihr zuzurechnen.

Demgegenüber trug der Beklagte im ersten Rechtsgang vor, dass bezüglich der beschränkten Steuerpflicht der streitigen Einnahmen keine Zweifel bestehen würden. Diese Frage könne auch nicht im laufenden Klageverfahren behandelt werden. Denn die Entscheidungen über die beschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 49 EStG falle nicht in seine Verantwortlichkeit.

Die Regelung des Art. 11 Abs. 1 DBA-Zypern spreche das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der Einkünfte erzielenden Person (hier: Zypern) zu. Art. 11 Abs. 2 DBA-Zypern eröffne dem Quellenstaat jedoch ebenfalls ein eingeschränktes Besteuerungsrecht in Höhe von max. 10 % des Bruttobetrages der Zinsen.

Mit Blick auf § 50d Abs. 3 EStG sei der Erstattungsanspruch indes vollständig ausgeschlossen. Anzuwenden sei dabei die Gesetzesfassung von 2012.

Weder die Klägerin noch die ihr übergeordneten Gesellschaften würden eine eigenwirtschaftliche Aktivität im Sinne des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG erbringen. Dabei komme es für die Beurteilung einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit gemäß § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG nur auf die Verhältnisse der beantragenden Gesellschaft an. Da die Klägerin selbst davon ausgehe, ausschließlich vermögensverwaltend tätig zu sein, komme eine vom Gesetz vorgesehene Freistellung der Quote für unschädliche Erträge nicht in Betracht. Gleiches gelte für alle ihr übergeordneten Gesellschaften.

Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe (sicherheitspolitische Erwägungen) für ihre Zwischenschaltung gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG würden nicht überzeugen. Die der Klägerin zugerechneten immateriellen Wirtschaftsgüter würden von Banken innerhalb der EU verwahrt. Der Verweis auf die Sicherheitslage in Liberia vermöge auch nicht zu erklären, aus welchem Grund der D S.A. zumindest zwei weitere Stufen mit Kapitalgesellschaften in Zypern, Liberia und Panama nachgeschaltet worden seien.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch nicht über eine physische Präsenz gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG verfüge.

Mit Urteil vom 23. Januar 2019 gab der erkennende Senat der Klage statt. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erlass der begehrten Freistellungsbescheide gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. Art. 11 DBA-Zypern zu. Für die zu Grunde liegenden Erträge bestehe im Inland eine beschränkte Steuerpflicht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 a) EStG. Aus Art. 11 DBA-Zypern folge die Reduzierung der Quellensteuer auf 10 %. Der begehrten Freistellung und Erstattung stehe § 50d Abs. 3 EStG nicht entgegen, da dieser im Lichte des Europarechts einschränkend auszulegen sei. Dabei sei § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des JStG 2007 (vom 13. Dezember 2006, BGBl. 2006, 2878) anzuwenden. § 50d Abs. 3 EStG in der Fassung des BeitrRLUmsG vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I 2011, 2592) finde in den Streitjahren (noch) keine Anwendung.

Der BFH hat auf die Revision des Beklagten am 10. November 2021 dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im erstinstanzlichen Urteil sei zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen worden, dass die Erträge aus der Wandelanleihe in Deutschland gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 a) EStG a.F. der beschränkten Steuerpflicht unterlägen und dass die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. i.V.m. dem DBA Zypern grundsätzlich vorlägen. Die Annahme, einem Erstattungsanspruch stehe die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG nicht entgegen, werde jedoch nicht durch hinreichende tatsächliche Feststellungen getragen. Überdies sei während des Revisionsverfahrens mit dem AbzStEntModG vom 2. Juni 2021 der Tatbestand des § 50d Abs. 3 EStG rückwirkend neu gefasst und um eine gesetzliche Gegenbeweismöglichkeit ergänzt worden, für deren Prüfung weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich seien (wegen weiterer Einzelheiten vgl. Urteil vom 10. November 2021, I R 27/19, Bl. 241 ff. eFG-Akte).

Hieraufhin trägt die Klägerin ergänzend vor, dass § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F., der rückwirkend zur Anwendung gelange, eine sog. persönliche Entlastungsberechtigung normiere, die mit der sachlichen Entlastungsberechtigung durch ein „und“ verknüpft sei. Daher bestehe die Quellensteuerentlastung vollumfänglich, sobald diese persönliche Entlastungsberechtigung vorliege. Im Streitfall sei diese gegeben, weil zwei in Großbritannien ansässige natürliche Personen durch die Verfassung einer ausländischen Vermögensmasse begünstigt seien und ihnen ebenfalls eine Quellensteuerentlastung zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten. Im vorliegenden Fall habe eine sehr wohlhabende, in Großbritannien steuerlich ansässige natürliche Person, Herr P, am ... zwei Trusts („C1 No. 1 TRUST“ und „C2 No. 2 TRUST“) nach dem Recht von Jersey errichtet, um die Versorgung seiner beiden Kinder(geboren ...) für die Zukunft sicherzustellen. Die von den Gruppengesellschaften erzielten Einkünfte flössen über die Beteiligungskette nach oben und verblieben schließlich in diesen beiden Trusts. Begünstigte (sog. Beneficaries) dieser Trusts seien die Kinder, Trustee sei die Gesellschaft M Limited, Jersey. Geleitet und überwacht werde das gesamte Trust-Konstrukt von der W (Jersey) Limited. Hierbei handele es sich um eine von der Jersey Financial Services Commission als Aufsichtsbehörde anerkannte und regulierte Gesellschaft. Der Trustee, die M Limited, halte vorliegend die Beteiligungen an der B Inc. sowie an der A Ltd., die wiederum über die Beteiligungskette indirekt die Anteile an ihr, der Klägerin hielten, treuhänderisch zugunsten der beiden Kinder. Dem Trustee stehe dieses Vermögen nicht zu, er sei nicht der wirtschaftlich Berechtigte im steuerlichen Sinne. Er wache vielmehr treuhänderisch zugunsten der begünstigten Kinder über die Verwendung des Vermögens. Graphisch lasse sich die Beteiligungsstruktur in den Streitjahren 2010 und 2011 wie folgt darstellen:

Stand: 5. Oktober 2010:

Die M Limited sei zwar die ultimativ letzte Gesellschaft in der Beteiligungskette, gleichwohl könne es sich bei ihr nicht um den maßgeblich „Beteiligten" i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG n.F. handeln. Zwar sei grundsätzlich der Anteilseigner gemeint, nach dem Sinn und Zweck indes nur der wirtschaftlich berechtigte Anteilseigner. Insofern werde der Entlastungsanspruch vorliegend auf den hypothetischen Entlastungsanspruch der sonstigen begünstigten Personen gestützt, die mit der Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG n.F. in das Gesetz aufgenommen worden seien. Dabei handele es sich um alle Personen, denen die Einkünfte der ausländischen Einheit aufgrund ihrer Statuten letztlich zugutekämen (dazu Loschelder in Schmidt, EStG, § 50d Rn. 20). Der Wortlaut der Vorschrift sei weit gefasst und verlange lediglich eine statutarische Begünstigung (siehe Grotherr, DStR 2021,1321,1323). Eine solche sei vorliegend in Bezug auf die Kinder gegeben, die für steuerliche Zwecke in Großbritannien ansässig seien (vgl. Schreiben von W vom 20. Juni 2022, Seite 2; vgl. Bl. 267 f. eFG-Akte). Bei einem unmittelbaren Bezug durch die Kinder stünde Deutschland infolge der Regelung in Art. 11 Abs. 1 DBA-Großbritannien gar kein Besteuerungsrecht zu, da sie über einen weitergehenden Erstattungsanspruch verfügten. Aus diesem Grund könne § 50d Abs. 3 EStG n.F. vorliegend nicht zur Anwendung gelangen.

Bereits für § 50d Abs. 3 ESG a.F. sei von der Verwaltung vertreten worden, dass die persönliche Entlastungsberechtigung im Zweifel bis zum letzten Glied in der Kette zu prüfen sei. Es sei nicht ersichtlich, warum dies bei der Neufassung der Norm anders sein solle, zumal der Gesetzgeber darauf verzichtet habe, die erforderliche Beteiligung durch Einfügung des Wortes unmittelbar zu qualifizieren.

Überdies gelinge der Klägerin auch der in § 50d Abs. 3 EStG n.F. vorgesehene Entlastungsbeweis. Keiner ihrer Hauptzwecke sei die Erlangung eines steuerlichen Vorteils. Trusts seien in Großbritannien ein rechtlich zulässiges und seit Jahrhunderten anerkanntes Rechtskonstrukt, das einerseits die dauerhafte und unwiderrufliche Widmung des Vermögens zum Versorgungszweck sicherstelle und andererseits durch die Einschaltung des Trustees gewährleiste, dass der Begünstigte das Vermögen nicht vorschnell verbrauchen könne.

Hinsichtlich der von den Trusts gehaltenen Unternehmensgruppe sei festzuhalten, dass ausschließlich Jurisdiktionen vertreten seien, die im Bereich der Schifffahrt eine jahrzehntelange Tradition aufwiesen. Das Rechtssystem der Staaten Zypern, Panama, Jersey und Liberia beruhe zudem auf den Grundsätzen des englischen Common Law und biete einen vertrauten und verlässlichen Rahmen für die gesamte Unternehmensgruppe. Zudem bestehe ein großer Teil der Aktivitäten im Schifffahrtsbereich, in dem sog. Einschiffs-Gesellschaften die Regel seien, die über das Halten des Schiffes hinaus keine weiteren Tätigkeiten ausübten. Z.B. notwendige Managementtätigkeiten würden von einer anderen Gesellschaft – gleichzeitig für eine Mehrzahl von Einschiffs-Gesellschaften – wahrgenommen. Gleiches gelte bei ihr als reiner Beteiligungsgesellschaft. Ihr Geschäftsbetrieb sei für das K-Investment in tatsächlicher Hinsicht absolut ausreichend. Für die Vereinnahmung der Zahlungen sei es betriebswirtschaftlicher Unsinn, Personal einzustellen. In der vorliegenden Unternehmensgruppe sei die Gesellschaft „F Co. Limited“ im Jahr 1986 in Zypern gegründet worden, um (Management-)Funktionen effektiv zu bündeln. Steuervorteile sollten hierdurch nicht generiert werden.

Den Anforderungen des sog. Motivtests werde Genüge getan. Die Trusts erfüllten übergeordnete Zwecke der Nachfolgeplanung. Der betriebswirtschaftliche Zweck der Klägerin sei das nennenswerte K-Investment. Dieser Zweck werde vorliegend erfüllt. Dieses Investment sei nur eines von vielen Investments. Steuerliche Überlegungen stünden bei all diesen maritimen Investments nicht im Vordergrund.

Insgesamt sei zu betonen, dass die Gruppe Einkünfte aus einer breiten Palette operativer Tätigkeiten erziele, von denen die wichtigsten die Anlage in verschiedene Investmentfonds in den USA und Europa, die Anlage in Aktien und Anleihen in den nordischen Ländern sowie weltweit, die Vereinnahmung von Dividenden von in Norwegen notierten Aktiengesellschaften und die Erzielung von Zinsen auf ihre Bankeinlagen sei. Das vergleichsweise hohe Investment in die deutsche K AG belege die Seriosität dieser Aktivitäten.

Abschließend sei zur Frage der Europarechtskonformität des § 50d Abs. 3 EStG n.F. in dogmatischer Hinsicht zu beachten, dass die Rechtsprechung des EuGH zum Missbrauch bzw. zur notwendigen Substanz in Inbound- und Outbound-Fällen nicht konsistent sei. So sei es in der Rechtsache Cadbury Schweppes (Outbound) um die Vergabe eines konzerninternen Darlehens gegangen. Zur Vergabe von Darlehen sei kein Personal nötig, die Anforderungen an die Substanz bzw. die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit seien also denkbar gering gewesen. Die Rechtsprechung zu den Durchleitungsgesellschaften (lnbound) stehe damit nicht im Einklang. Denn ob und in welcher Form in der Rechtsache Cadbury Schweppes die ausländische Gesellschaft, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen habe, die Mittel ihrerseits weitergegeben habe, habe keine Rolle gespielt.

Zu den auf Nachfrage des Gerichts vorgelegten Bilanzen und Jahresabschlüssen für die Jahre 2010 und 2011 (vgl. Bl. 371 ff. eFG-Akte) sei ergänzend zu berücksichtigen, dass die Klägerin eine zentrale Investmentgesellschaft des Konzerns gewesen sei. Der Konzern habe, wie bereits dargestellt, letztlich der Versorgung von Familienmitgliedern gedient. Die Klägerin habe vor, in und nach den Streitjahren zinstragende Investments und Anteile an Kapitalgesellschaften in unterschiedlichem Umfang gehalten. Der Erfolg hierbei sei schwankend gewesen.

Sie habe zuletzt am 13. Dezember 2008 eine Gewinnausschüttung vorgenommen und auch ansonsten keine Mittel, z.B. in Form von Zinsen, weitergeleitet. Danach habe sie sämtliche vereinnahmten Erträge, auch diejenigen aus dem Investment in der K AG, dazu verwendet, Verluste aus anderen Investments zu decken. Es sei vor allem in Reedereigeschäfte und Schiffsinvestments investiert worden und damit in einem Markt, der jahrelang schwierig gewesen sei. Bis heute seien noch immer hohe Verluste vorhanden. Zur Deckung dieser Verluste habe sie konzernintern Darlehen aufgenommen.

Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich Einnahmen im Jahr 2010 i.H.v. ... US$ (net profit for the Year) sowie i.H.v. ... US$ (other comprehensive income for the year). Nach Verrechnung mit zuvor vorhandenen Verlusten beliefen sich die negativen Beträge auf ... US$ sowie auf ... US$. Im Jahr 2011 betrugen die Einnahmen ... US$ (net profit for the Year) sowie ... US$ (other comprehensive income for the year). Nach Verrechnung mit den Vorjahreswerten beliefen sich die negativen Beträge auf ... US$ sowie auf ... US$. Das Gesellschafterkonto belief sich zum 31.12.2010 auf einen Betrag i.H.v. ... US$, zum 31.12.2011 auf ... US$. Dieser Betrag war zinsfrei sowie ohne festes Rückzahlungsdatum. Betriebliche Aufwendungen fielen im Jahr 2010 i.H.v. ... US$ an und setzten sich insbesondere aus Anwaltskosten, Buchhaltungsgebühren, Depotgebühren, sonstigen Honoraren und Kosten für Abschlussprüfer zusammen. 2011 betrug die Summe ... US$; die Reduzierung im Vergleich zu dem im Jahr 2010 angefallenen Betrag resultierte insbesondere aus einer Rückzahlung sonstiger Honorare i.H.v. ... US$.

Schließlich teilt die Klägerin mit, dass sie im Jahr 2017 sämtliche Investments veräußert habe und seitdem ruhend sei. Zudem sei inzwischen seit dem 12. August 2016 nicht mehr die D S.A. ihre unmittelbare Muttergesellschaft, sondern die C Ltd.

Die Klägerin beantragt,

1)      den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. August 2012 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 28. März 2013 für das Streitjahr 2011 zu verpflichten, einen Freistellungsbescheid bezüglich Kapitalertragsteuer inkl. SolZ i.H.v. ... € (= 16,375 %; d.h. KapESt (15 %) i.H.v. ... € zzgl. SolZ i.H.v. ... €) zu erlassen und die Kapitalertragsteuer nebst SolZ entsprechend zu erstatten;

2)      den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. September 2012 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 28. März 2013 für das Streitjahr 2010 zu verpflichten, einen Freistellungsbescheid bezüglich Kapitalertragsteuer inkl. SolZ i.H.v. ... € (= 16,375 %; d.h. KapESt (15 %) i.H.v. ... € zzgl. SolZ i.H.v. ... €) zu erlassen und die Kapitalertragsteuer in antragsgemäßer Höhe zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Er weist darauf hin, dass die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin im zweiten Rechtsgang die Einschätzung des BFH in seinem Urteil vom 10. November 2021 bestätige, dass in der vorliegend betroffenen Beteiligungskette die Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG a.F. gegeben seien. Denn sie beurteile die vorliegende Sachverhaltskonstellation ausschließlich unter den gesetzlichen Vorgaben von § 50d Abs. 3 EStG in der Fassung des AbzStEntlModG vom 9. Juni 2021 (n.F.).

Der Tatbestand des § 50d Abs. 3 EStG n.F. sei erfüllt. So sei weder eine persönliche Entlastungsberechtigung gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG n.F. noch eine sachliche Entlastungsberechtigung gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG n.F. gegeben.

Die Neufassung der Norm schließe die Freistellung einer ausländischen Gesellschaft aus, insoweit

„1. Personen an ihr beteiligt oder durch die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung begünstigt sind, denen dieser Anspruch nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, …“

Maßgebend für die Anwendung der Norm seien vorliegend die Verhältnisse im unmittelbaren Umfeld der Klägerin. Alleinige Anteilseignerin der Klägerin sei eine in Liberia ansässige Kapitalgesellschaft, die sich nicht auf das DBA Zypern berufen könne. Allein aus diesem Grund sei bereits die persönliche Entlastungsberechtigung zu verneinen. Überdies sehe das DBA Liberia für die vorliegend relevanten Kapitalerträge eine Quellensteuerreduktion auf 20 % vor, Art. 11 Abs. 2 DBA Liberia. Bei einer unmittelbaren Erzielung der Kapitalerträge wären die anzuwendenden Freistellungsregelungen mithin ungünstiger. Auch ein Blick zu einer höheren Beteiligungsstufe führe zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis. Die Anteilseignerin der Muttergesellschaft der Klägerin sei zwar wiederum in Zypern ansässig, erfülle aber ihrerseits als Gesellschaft ohne eigene Wirtschaftstätigkeit weder die persönlichen noch sachlichen Entlastungsvoraussetzungen. Ihre Anteilseigner wiederum seien in Liberia bzw. Panama ansässig, die auf einer weiteren Ebene involvierten Trusts seien in Jersey ansässig. Weder mit Panama noch mit Jersey habe Deutschland ein DBA abgeschlossen, so dass die abgeführte Kapitalertragsteuer bei unmittelbarem Zufluss abgeltend wirke (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG).

Anders als nach Auffassung der Klägerin fehle es auch an einer sachlichen Entlastungsberechtigung. Unstreitig übe die Klägerin keine wirtschaftlichen Aktivitäten aus und sie verfüge über keinerlei eigene Mittel, die sie dazu befähigen könnten. Sie fungiere nach seiner Auffassung als reine, vom EuGH als „missbräuchliche Gestaltung“ bewertete Durchleitungsgesellschaft (vgl. EuGH-Urteile vom 26. Februar 2019, C‑115/16, C-116/6, C-118/16, C-299/16).

Schließlich habe die Klägerin auch nicht nachgewiesen, dass die gewählte Gestaltung auf außersteuerlichen Erwägungen beruhe (sog. Motivtest). Der BFH halte für diesen Prüfungsschritt in seinem Rückverweisungsbeschluss neben einer „umfassenden Prüfung der betreffenden Konzernverhältnisse, die sich auf Gesichtspunkte wie die organisatorischen, wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Merkmale“ bezögen, auch eine nähere Befassung mit der Gesamt-Konzernstrategie und den Funktionen, die der Klägerin sowie der Gesellschaft „F“ darin zukämen, für unerlässlich. Der darauf zielende Vortrag der Klägerin erfülle diese Vorgaben des BFH nicht. Denn entgegen der Forderungen des BFH in seinem Rückverweisungsbeschluss habe sich die Klägerin nicht selbst, sondern die Trusts „als Mittel der Nachfolgeplanung insbesondere bei großen Vermögen“ ins Zentrum ihrer Betrachtung gestellt. Es fehle eine deutliche Klärung der Frage, welche außersteuerlichen Zwecke mit dem hier betroffenen offensichtlich unabhängigen Konzernstrang verfolgt würden, durch den Zinserträge eines nicht zum Konzern gehörigen deutschen Unternehmens durch eine kompliziert verschachtelte Gesellschaftskette aus funktionslosen Unternehmen, über drei Kontinente zwei in Jersey ansässigen Trusts zugeführt werden sollten.

Soweit die Klägerin schließlich auf Anforderung des Gerichts die die Streitjahre betreffenden Bilanzen vorgelegt habe, verdeutlichten diese lediglich, in welchem Umfang die substanzlose Klägerin für weitere Geschäfte als Durchleitungsgesellschaft herangezogen worden sei. Sie klärten nicht die vom BFH in seinem Rückverweisungsbeschluss als klärungsbedürftig erkannte Frage, welchem Zweck die hier gewählte komplizierte Aneinanderreihung von substanzlosen Durchleitungsgesellschaften in verschiedenen Staaten diene.

Mit Schreiben vom 26. Mai 2023 wies die zuständige Berichterstatterin die Beteiligten ergänzend auf Sachverhaltsdetails hin, die für die Frage der sachlichen Entlastungsberechtigung bzw. des gem. § 50d Abs. 3 EStG n.F. erforderlichen Motivtests von Relevanz sein könnten (vgl. Bl. 467 ff. eFG Akte):

I. Die Klage ist begründet.

Die Ablehnungsbescheide vom 23. August 2012 (bzgl. 2011) und vom 13. September 2012 (bzgl. 2010) sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen jeweils vom 28. März 2013 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

Die Ablehnung des Erlasses der beiden Freistellungsbescheide und der Erstattung durch den Beklagten ist rechtswidrig i.S.d. § 101 Satz 1 FGO. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten Freistellungsbescheide nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zu.

1. Nach § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Schuldner der Kapitalerträge i.S.d. § 43 EStG auch dann zur Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der gesetzlich vorgesehenen Kapitalertragsteuer (§ 43 EStG) verpflichtet, wenn die Vergütung nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht oder nur mit einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden kann.

2. Dies setzt indes voraus, dass die streitigen Kapitalerträge der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Besteht keine beschränkte Steuerpflicht, ist ein Erstattungsanspruch gemäß § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG ausgeschlossen.

Bezüglich der vorliegend zu Grunde liegenden Erträge aus Wandelanleihen besteht für die streitigen Jahre 2010 und 2011 im Inland eine beschränkte Steuerpflicht. Auf diese Kapitalerträge ist § 49 Abs. 1 Nr. 5 a) letzter Halbsatz EStG anzuwenden (vgl. im Einzelnen Urteil im ersten Rechtsgang vom 23. Januar 2019, bestätigt durch BFH-Urteil vom 10. November 2021 – I R 27/19).

3. Die von der Klägerin begehrte Erstattung der Kapitalertragsteuer bis auf einen Quellensteuersatz i.H.v. 10 % findet im Streitfall ihre Rechtsgrundlage in § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. Art. 11 DBA-Zypern (vgl. im Einzelnen Urteil im ersten Rechtsgang vom 23. Januar 2019, bestätigt durch BFH-Urteil vom 10. November 2021 – I R 27/19). Eine Steuerbefreiung gemäß § 43b EStG kommt nicht in Betracht.

4. Der Erstattung steht nicht § 50d Abs. 3 EStG entgegen. Dies folgt aus dem in der Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG nunmehr ausdrücklich vorgesehenen Motivtest (§ 50d Abs. 3 EStG i.d.F des AbzStEntModG vom 2. Juni 2021, BGBl. I 2021, 1259 - § 50d Abs. 3 EStG n.F.), so dass im Ergebnis nicht mehr entschieden werden muss, ob auch § 50d Abs. 3 EStG a.F., von dessen Nichtanwendbarkeit der erkennende Senat im ersten Rechtsgang ausgegangen war, einer Erstattung ebenfalls nicht entgegenstehen würde.

a) Gemäß § 50d Abs. 3 EStG n.F. besteht kein Anspruch auf Entlastung von der Kapitalertragsteuer, soweit

1. Personen an der Gesellschaft beteiligt oder durch die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung begünstigt sind, denen dieser Anspruch nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und

2. die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit dieser Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse aufweist; das Erzielen der Einkünfte, deren Weiterleitung an beteiligte oder begünstigte Personen sowie eine Tätigkeit, soweit sie mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgeübt wird, gelten nicht als Wirtschaftstätigkeit.

Satz 1 findet keine Anwendung, soweit die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist, oder wenn mit der Hauptgattung der Anteile an ihr ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet. § 42 der Abgabenordnung bleibt unberührt.

§ 50d Abs. 3 EStG n.F. sieht mithin die Überprüfung

-          einer fehlenden persönlichen Entlastungsberechtigung und

-          einer fehlenden sachlichen Entlastungsberechtigung sowie

-          eines Motivtests (sogenannter principal-purpose-Test) oder eines Börsentests vor.

§ 50d Abs. 3 EStG n.F. ist gemäß § 52 Abs. 47b EStG i.d.F. des AbzStEntModG in allen offenen Fällen anzuwenden, es sei denn, § 50d Abs. 3 EStG in der Fassung, die zu dem Zeitpunkt galt, in dem die Einkünfte zugeflossen sind, steht dem Anspruch auf Entlastung nicht entgegen.

Die Anwendbarkeit von § 50d Abs. 3 EStG a.F. ist vorliegend fraglich. Insbesondere äußerte der BFH in seinem Urteil vom 10. November 2021 erhebliche Zweifel, ob die vom erkennenden Senat für die Einschränkung des § 50d Abs. 3 EStG a.F. herangezogene, zu Dividenden ergangene Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteile Deister Holding und Juhler Holding vom 20. Dezember 2017 - C-504/16 und C-613/16, IStR 2018, 197; EuGH-Beschluss GS vom 14. Juni 2018 - C-440/17, IStR 2018, 543) ohne Weiteres auf die im Streitfall in Rede stehenden Zinsen übertragen werden kann.

Das Ergebnis einer Überprüfung von § 50d Abs. 3 EStG a.F. kann indes offenbleiben. Denn die Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG enthält nunmehr ausdrücklich für den gesamten Anwendungsbereich dieser Vorschrift die Möglichkeit eines Gegenbeweises, unabhängig von der Verletzung unionsrechtlicher Grundfreiheiten im jeweiligen Einzelfall (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2021, I R 27/19). Dieser Gegenbeweis ist jedenfalls als von der Klägerin geführt anzusehen.

b) Hinsichtlich der gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG n.F. vorzunehmenden Überprüfung deuten wesentliche Umstände auf ein Fehlen sowohl der persönlichen als auch der sachlichen Entlastungsberechtigung der Klägerin hin. Insbesondere spielt die mittelbare wirtschaftliche Begünstigung in Großbritannien ansässiger natürlicher Personen (P1 und P2) zugunsten der persönlichen Entlastungsberechtigung keine ausschlaggebende Rolle, da die Beteiligungskette überwiegend substanzlose Gesellschaften in außereuropäischen Jurisdiktionen wie Panama und Jersey einschließt, mit denen Deutschland kein DBA geschlossen hat und zudem die Trusts, deren Begünstigte die natürlichen Personen sind, ebenfalls in Jersey ansässig sind. Eine mittelbare Überprüfung der persönlichen Entlastungsberechtigung auf jeder Stufe der Beteiligungskette hätte daher im Ergebnis wenig Erfolgsaussichten, selbst wenn die Vergünstigung nicht auf derselben Rechtsgrundlage beruhen müsste (vgl. die Ausführungen zur Überprüfung in der Beteiligungskette: Schönfeld/Erdem IStR 2021, 189).

Mit Blick auf die sachliche Entlastungsberechtigung ist zugunsten der Klägerin zwar insbesondere durch ihr versuchtes Einwirken auf die K AG bzw. die Mitaktionäre der K‑AG eine Wirtschaftstätigkeit feststellbar, die über eine schädliche passive Beteiligungsverwaltung hinausgehen dürfte (vgl. die zu dieser Voraussetzung unter Abgrenzung zu sog. Durchleitungsgesellschaften entwickelten Grundsätze: Urteil des FG Köln vom 16. Februar 2022, 2 K 1483/19, EFG 2022, 1607; vgl. Gesetzentwurf vom 17. März 2021, BT-Drs. 19/27632, 60). Auch hat die Übertragung wesentlicher Geschäftstätigkeiten auf Dritte, z.B. mittels Managementverträgen, keine alleinige Bedeutung mehr für das Nichtvorliegen eines angemessen eingerichteten Geschäftsbetriebs (vgl. Lampert in BeckOK EStG, § 50d EStG, Rz. 166, 175; Loschelder in Schmidt, 42. Aufl. 2023, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. 23; Grotherr, GmbHR 2021, 478, 484 mit Verweis auf die Begründung in BT-Drucks. 19/27632, 59). Angesichts eines vollständig fehlenden eigenen Geschäftsbetriebs und der auch in der Neufassung für die sachliche Entlastungsberechtigung vorgesehenen Fokussierung auf die Verhältnisse der den Entlastungsanspruch geltend machenden Körperschaft (vgl. nur Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50d EStG Rz. 361 ff.), ist das Vorliegen dieser Entlastungsberechtigung jedoch ebenfalls problematisch.

Letztlich kann die Frage dieser Entlastungsberechtigungen zugunsten der Klägerin vorliegend offen bleiben, da jedenfalls der Gegenbeweis gemäß § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG n.F. als geführt anzusehen ist.

c) Der in § 50d Abs. 3 EStG n.F. vorgesehene Motivtest (sog. principal-purpose-Test) führt für die Klägerin bei Berücksichtigung des im zweiten Rechtsgang ergänzten sowie richtiggestellten Sachverhalts zu dem Ergebnis, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Dies ergibt sich aus den Verhältnissen der Unternehmensgruppe, der die Klägerin angehört, insbesondere unter Berücksichtigung organisatorischer, wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Merkmale sowie Strukturen und Strategien dieser Gruppe. Anders als im Rahmen der sachlichen Entlastungsberechtigung gemäß § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG n.F. ist für den Gegenbeweis die Einbeziehung der Konzernverhältnisse möglich (vgl. Gesetzentwurf vom 17. März 2021, BT-Drs. 19/27632, 60; Loschelder in Schmidt, 42. Aufl. 2023, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. 28; Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 50d EStG Rz. 566 ff.), wobei eine umfassende Würdigung sämtlicher rechtlicher und tatsächlicher Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist. Bei dieser Würdigung sind der Unternehmensgruppe auch unternehmerische Beurteilungsspielräume zuzugestehen (vgl. Loschelder in Schmidt, 42. Aufl. 2023, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. 28).

Bei der näheren Befassung mit der Gesamt-Konzernstrategie und den Funktionen, die der Klägerin sowie der F Co. Ltd darin zukommen, ist tragender Ausgangspunkt, dass die Unternehmensgruppe der internationalen Schifffahrtsbranche zuzurechnen ist und insbesondere Investitionen in der internationalen ...schifffahrt getätigt wurden. Gesellschaften der Unternehmensgruppe befanden sich vorrangig auf Zypern und in Liberia sowie in Jersey. Hierbei handelt es sich um in dieser Branche übliche Destinationen, die zudem über ein vergleichbares Rechtssystem verfügen. Insbesondere sog. Einschiffs-Gesellschaften befinden sich häufig in diesen Ländern, wobei bei der Wahl dieser Länder nach der Kenntnis des Senats regelmäßig außersteuerliche Gründe im Vordergrund stehen (wie z.B. das für die Besatzung des Schiffes geltende Arbeitsrecht; Haftungsgründe). Durchaus üblich ist in dieser Branche zudem die Funktionsaufteilung auf mehrere Gesellschaften. Die sog. Einschiffs-Gesellschaften verfügen i.d.R. lediglich über das ...schiff, während sämtliche Managementtätigkeiten durch eine andere Konzerngesellschaft – einheitlich für mehrere (Schiffs-)Gesellschaften – ausgeübt werden. Diese Aufgabe hat in der Konzerngruppe der Klägerin die F Co. Ltd inne und übt sie bereits seit dem Jahr 1986 innerhalb der Gruppe aus. Dabei verfügte die Gesellschaft nicht nur über jahrelange Erfahrung, sondern erwirtschaftete mit einem Personalstamm von ca. 14 Personen sowie einem entsprechend sachlich ausgestatteten Geschäftsbetrieb im Streitjahr 2010 Einnahmen i.H.v. ... US$. Wie bereits im ersten Rechtsgang durch den erkennenden Senat festgestellt, handelt es sich bei dieser Gesellschaft um eine im gleichen Staat ansässige, über jeden Missbrauchszweifel erhabene Schwestergesellschaft.

Mit Blick auf diese Struktur erscheint es zwar nicht zwingend, aber zumindest nicht ungewöhnlich, die Klägerin, der – nach ihrem im zweiten Rechtsgang klarstellenden Vortrag – die Funktion einer zentralen Investmentgesellschaft in der Gruppe zukam, ebenfalls auf Zypern anzusiedeln und hinsichtlich der Managementaufgaben auf die bereits seit Jahrzehnten etablierte Konzerngesellschaft, F Co. Ltd, zurückzugreifen. Dass ihre Anteile von der in Liberia ansässigen Gesellschaft D gehalten wurden, die wiederum eine 100 %ige Tochtergesellschaft der auf Zypern ansässigen Gesellschaft C Ltd. war, kann dabei vernachlässigt werden, auch wenn die Zwischenschaltung der liberianischen Gesellschaft zwischen zwei zypriotische Gesellschaften überflüssig erscheint. Zumindest ist es aus außersteuerlichen Gründen nachvollziehbar, Investmenttätigkeiten im Hinblick auf die auch in den Streitjahren noch feststellbaren Auswirkungen der Bürgerkriege nicht unmittelbar bei einer Gesellschaft in Liberia anzusiedeln, sondern hierfür ein stabileres Umfeld auszuwählen.

Von wesentlicher Relevanz für die Struktur und die Strategie in der Unternehmensgruppe ist zudem, dass die Klägerin in größerem Umfang Investitionen, auch in den Streitjahren, getätigt hat, als dies nach ihrem Vortrag im ersten Rechtsgang der Fall zu sein schien, als sie unter Verweis auf den Umfang des K-Investments weitere Investitionen gänzlich ausschloss. Anders, als möglicherweise aus ihrem Vortrag geschlossen werden konnte, diente sie auch nicht nur schlicht zur Weiterleitung aus dem K-Investment erhaltener Zinsen und Dividenden. Jedenfalls interpretierte der Beklagte die Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 23. Januar 2019 dergestalt, dass sie zeitnah nach Erhalt der streitgegenständlichen Zinsen diese im Beteiligungsstrang weitergeleitet habe und dadurch Züge einer sogenannten Durchleitungsgesellschaft getragen habe (vgl. Schreiben des Beklagten im Revisionsverfahren vom 16. August 2019, BFH-Akte, Bl. 54 ff.). Angesichts der nunmehr im zweiten Rechtsgang auf Anforderung des Gerichts vorgelegten Jahresabschlüsse und Bilanzen sowie des ergänzenden Informationsschreibens der F Co. Ltd vom 11. Mai 2023 (vgl. Bl. 371 ff., 393 eFG-Akte) ist festzustellen, dass die Klägerin in den Streitjahren keine Mittel, weder in Form von Dividenden noch in Form von Zinsen, in der Unternehmensgruppe weiter „nach oben“ geleitet hat. Insbesondere die Verbindlichkeiten gegenüber der D S.A. i.H.v. ... US$ (2010) und i.H.v. ... US$ (2011) verursachten keine Zinsen (vgl. Report and Financial Statements 2010 und 2011, Bl. 371 ff. eFG-Akte). Ihre Einnahmen, u.a. aus dem streitgegenständlichen K-Investment, hat die Klägerin zum Ausgleich von Verlusten aus anderen Investments eingesetzt. Keinesfalls ist sie daher als klassische Durchleitungsgesellschaft im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (vgl. EuGH-Urteil vom 26. Februar 2019, C-116/16, C-117/16, T-Danmark u. Y-Denmark, IStR 2019, 266) zu qualifizieren. Überdies ergibt sich aus den inzwischen vorliegenden Bilanzen und dem Vortrag der Klägerin im zweiten Rechtsgang, dass sie weitere Investitionen getätigt und im zweiten Streitjahr zudem über eine 100 %-ige, in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft verfügt hat, von der sie im Jahr 2011 Dividenden i.H.v. ... US$ bezogen hat (vgl. Report and Financial Statements 2011, Bl. 395 ff. eFG-Akte).

Mit Blick auf die Strukturen und Strategien in der Unternehmensgruppe ist schließlich von wesentlicher Bedeutung, dass Herr P hinter der Unternehmensgruppe steht. Herr P ist ein aus ... stammender, nach dem Vortrag der Klägerin..., der die Unternehmensgruppe in zwei in Jersey gegründete Trusts eingebracht hat, die der Versorgung seiner in Jersey ansässigen Kinder als sog. Beneficaries dienen sollen. Auf ihn sowie seinen langjährigen Geschäftspartner Herrn V geht letztlich das K-Investment zurück, mit dem die Klägerin nicht lediglich Beteiligungseinkünfte und Zinsen generieren sollte, sondern ihre Beteiligung an der K AG, die in den Streitjahren 15 % betrug, dazu benutzt hat, aktiv auf die Geschäftsstrategie der K AG Einfluss zu nehmen. Augenfällig geht dies aus einem Schreiben der Klägerin an die Mitaktionäre der K AG aus ... hervor. Hierin informierte die Klägerin die anderen Aktionäre über den Hintergrund ihres Investments in der K AG. Maßgeblicher Beweggrund für ihr Investment war danach das zur K AG gehörende Unternehmen X, ein Unternehmen mit einer bedeutenden strategischen Position im europäischen Markt für ...schifffahrt, bei dem die Klägerin erhebliches Potential erkannt hatte. Mit dem Ziel, gestaltend eingreifen zu können, schlug die Klägerin vor, Herrn P sowie seinen langjährigen Geschäftspartner, Herrn V, auf der ordentlichen Hauptversammlung am ... in den Aufsichtsrat zu wählen. Ein entsprechender Beschluss wurde nicht gefasst, ca. ... % der Aktionäre stimmten gegen den Vorschlag in der Hauptversammlung (vgl. z.B. Zeit-online vom ..., https://www.zeit.de/online).

Gleichzeitig enthielt das Schreiben an die Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung Informationen über bereits von ihr durchgeführtes strategisches Engagement. So sei die Klägerin im ... und im ... bereits an Vorstand und Aufsichtsrat der K AG herangetreten, um ... zu verhindern und stattdessen ... zu erreichen. Dadurch könne zugunsten aller K‑Aktionäre der wahre Wert von X freigesetzt werden.

Bekräftigt wird diese Strategie z.B. durch einen im Manager-Magazin am ... anlässlich des ... erschienenen Artikels (vgl. ...):

 „...

Angesichts dieser stichhaltigen außersteuerlichen Gründe aus dem Bereich der Konzernstruktur und -strategie ist der Klägerin der Nachweis gelungen, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist, so dass § 50d Abs. 3 EStG n.F. ihren Erstattungsanspruch nicht ausschließt.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.

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