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RdF-News
11.09.2023
RdF-News
BGH: (Prospekt-)Haftungsrisiko für Altgesellschafter geschlossener Fonds wegen Prospekthaftung i. w. S. nicht gebannt

BGH, Beschluss vom 27.6.2023 – II ZR 57/21

ECLI:DE:BGH:2023:270623BIIZR57.21.0

Volltext des Beschlusses: RdFL2023-230-1

Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass nach der vorläufigen rechtlichen Bewertung des Senats eine Haftung der Beklagten zu 1 als geschäftsführende Kommanditistin der Fondsgesellschaft unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Vertragsschluss in Betracht kommt.

a) Der Senat beabsichtigt, an seiner Rechtsprechung festzuhalten, nach der im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff.

BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung eine Haftung der Altgesellschafter wegen Verletzung von Aufklärungspflichten gemäß § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2,§ 311 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen wird (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 31).

b) Die mit dem Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) geschaffenen spezialgesetzlichen Aufklärungspflichten und das mit ihnen verbundene Haftungsregime rechtfertigen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs allerdings eine Neuausrichtung der nach der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats bestehenden allgemeinen Aufklärungspflichten der Altgesellschafter. Eine vorvertragliche Aufklärungspflicht trifft danach nur noch solche Altgesellschafter, die entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen. Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter. Altgesellschafter tragen die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Beteiligungsinteressenten aber nicht allein deswegen, weil ihr Alleingesellschafter aufgrund eines von der Fondsgesellschaft erteilten Auftrags den Vertrieb der Beteiligungen übernommen hat. Eine personelle Verflechtung eines Altgesellschafters mit der Vertriebsgesellschaft begründet ebenfalls keine Verantwortung für den Vertrieb.

c) Nach der vorläufigen Bewertung des Senats kommt im vorliegenden Fall daher eine Haftung der Beklagten zu 1 als geschäftsführende Kommanditistin in Betracht, nicht aber eine Haftung der Beklagten zu 2. Der Beklagten zu 1 obliegt nach dem Prospekt (Anlage K 3 S. 92, 100) und dem dort wiedergegebenen Gesellschaftsvertrag (§ 7 Abs. 1, Anlage K 3 S. 143) die Geschäftsführung der Fondsgesellschaft, die den Vertriebsauftrag an die H. GmbH erteilt hat. Die Beklagte zu 2 ist zwar persönlich haftende Gesellschafterin der Fondsgesellschaft, allerdings von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Der Umstand, dass die Alleingesellschafterin der Beklagten zu 2, die H.  GmbH, den Vertrieb der Beteiligungen übernommen hat, begründet ebenso wenig eine Verantwortung für den Vertrieb, wie eine mögliche personelle Verflechtung der Beklagten zu 2 mit der H. GmbH.

2. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Anfrage mitgeteilt, dass seine Rechtsprechung, nach der die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB ausschließt (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff.; Beschluss vom 14. Juni 2022 - XI ZR 395/21, WM 2022, 1679 Rn. 7; Beschluss vom 13. Dezember 2022 - XI ZB 10/21, ZIP 2023, 595 Rn. 12), einer an die Vertriebsverantwortung anknüpfenden Haftung der Altgesellschafter gemäß § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten nicht entgegensteht.

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