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RdF-News
12.02.2024
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EuGH: Pflicht zur OGAW-Prospektanpassung bei Änderung „wesentlicher Angaben“

EuGH (Erste Kammer), Urteil vom 20. 10. 2022 – C-473/20; Invest Fund Management AD gegen Komisia za finansov nadzor

ECLI:EU:C:2022:804

Volltext des Urteils: RdFL2024-64-1

Tenor

1. Art. 72 der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in der durch die Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die in Anhang I Schema A dieser Richtlinie vorgesehenen Angaben über eine Verwaltungsgesellschaft, die der Prospekt nach Art. 69 Abs. 2 der Richtlinie mindestens enthalten muss, unter den Begriff „Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt“ im Sinne von Art. 72 der Richtlinie fallen, so dass sie auf dem neuesten Stand zu halten sind.

2. Art. 99a Buchst. r der Richtlinie 2009/65 in der durch die Richtlinie 2014/91 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der gegen eine Verwaltungsgesellschaft, die nicht innerhalb der in dieser nationalen Regelung festgelegten Frist die in den Art. 68 bis 82 dieser Richtlinie vorgesehene verpflichtende Aktualisierung des Prospekts mehrerer Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren vorgenommen hat, wegen jedes dieser Organismen eine verwaltungsrechtliche Sanktion verhängt werden kann, obwohl die Änderung, die in diesen Prospekten vorzunehmen gewesen wäre, einzig die Zusammensetzung eines Organs der Verwaltungsgesellschaft betrifft, vorausgesetzt, die verwaltungsrechtliche Sanktion ist wirksam, abschreckend und verhältnismäßig.

Aus den Gründen

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 69 Abs. 2, Art. 72 und Art. 99a Buchst. r der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. 2009, L 302, S. 32) in der durch die Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 (ABl. 2014, L 257, S. 186) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2009/65).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Invest Fund Management“ AD (im Folgenden: IFM) und der Komisia za finansov nadzor (Kommission für Finanzaufsicht, Bulgarien, im Folgenden: KFN) wegen einer Geldbuße, die gegen IFM verhängt wurde, da sie der Verpflichtung zur Aktualisierung des Prospekts eines von ihr verwalteten Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) nicht nachgekommen war.

Unionsrecht

3 Die Erwägungsgründe 3, 4, 15, 58, 59, 61 und 69 der Richtlinie 2009/65 sehen vor:

„(3) Die nationalen Rechtsvorschriften über die Organismen für gemeinsame Anlagen sollten koordiniert werden, um eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen auf Gemeinschaftsebene zu erreichen und gleichzeitig einen wirksameren und einheitlicheren Schutz der Anteilinhaber sicherzustellen. Eine derartige Koordinierung erleichtert die Beseitigung der Beschränkungen des freien Verkehrs für Anteile von OGAW in der Gemeinschaft.

(4) Im Hinblick auf die vorstehend genannten Ziele ist es wünschenswert, für die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen OGAW gemeinsame Mindestregelungen für die Zulassung, Aufsicht, Struktur, Geschäftstätigkeit sowie hinsichtlich der zu veröffentlichenden Informationen festzulegen. …

(15) Ein Herkunftsmitgliedstaat sollte grundsätzlich auch strengere Vorschriften als die in dieser Richtlinie festgelegten erlassen können, insbesondere hinsichtlich der Zulassungsbedingungen, der Aufsichtsanforderungen und der Vorschriften für die Offenlegung und den Prospekt. …

(58) Die Mitgliedstaaten sollten eindeutig zwischen Marketing-Anzeigen und den in dieser Richtlinie vorgeschriebenen obligatorischen Informationen für die Anleger unterscheiden. Zu den obligatorischen Angaben gehören die wesentlichen Informationen für den Anleger, der Prospekt sowie die Jahres- und Halbjahresberichte.

(59) Die wesentlichen Informationen für den Anleger sollten den Anlegern kostenlos und rechtzeitig vor der Zeichnung des OGAW als eigenständiges Dokument geliefert werden, damit sie eine fundierte Anlageentscheidung treffen können. Diese wesentlichen Informationen für den Anleger sollten ausschließlich Angaben enthalten, die für solche Entscheidungen wesentlich sind. Aus inhaltlicher Sicht sollten die wesentlichen Informationen für den Anleger vollständig harmonisiert werden, um einen angemessenen Anlegerschutz und eine gute Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Die wesentlichen Informationen für den Anleger sollten in einem kurzen Format dargestellt werden. Ein einziges Dokument beschränkten Umfangs, in dem die Informationen in einer bestimmten Abfolge dargestellt werden, ist optimal geeignet, um die für Kleinanleger wichtige Klarheit und Einfachheit zu gewährleisten, und dürfte nützliche, für die Anlageentscheidung relevante Vergleiche zulassen, insbesondere der Kosten und des Risikoprofils. …

(61) Die wesentlichen Informationen für den Anleger sollten für alle OGAW erstellt werden. Je nach Vertriebsmethode (Direktverkauf oder Verkauf über einen Intermediär) sollten die Verwaltungsgesellschaften oder, sofern zutreffend, die Investmentgesellschaften den entsprechenden Stellen die wesentlichen Informationen für den Anleger zur Verfügung stellen. …

(69) Die Befugnisse der zuständigen Behörden müssen stärker aneinander angeglichen werden, um in sämtlichen Mitgliedstaaten die gleiche Durchsetzung dieser Richtlinie zu erreichen. Ein gemeinsamer Mindestkatalog von Befugnissen, die mit den im Rahmen anderer Rechtsvorschriften der Gemeinschaft im Bereich der Finanzdienstleistungen auf die zuständigen Behörden übertragenen Befugnissen vereinbar sind, sollte eine wirksame Überwachung garantieren. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten Regeln für Sanktionen festlegen, die strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Sanktionen beinhalten können, sowie verwaltungstechnische Maßnahmen vorsehen, die bei Verstößen gegen diese Richtlinie zu verhängen sind. Die Mitgliedstaaten sollten außerdem alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass diese Sanktionen durchgesetzt werden.“

4 Art. 1 Abs. 7 dieser Richtlinie bestimmt:

„Unbeschadet dieses Kapitels können die Mitgliedstaaten die in ihrem Gebiet niedergelassenen OGAW strengeren Vorschriften als den in dieser Richtlinie vorgesehenen sowie zusätzlichen Vorschriften unterwerfen, vorausgesetzt, dass diese Vorschriften allgemein gelten und nicht dieser Richtlinie widersprechen.“

5 Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und s der Richtlinie 2009/65 sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck …

b) ‚Verwaltungsgesellschaft‘ eine Gesellschaft, deren reguläre Geschäftstätigkeit in der Verwaltung von in der Form eines Investmentfonds oder einer Investmentgesellschaft konstituierten OGAW besteht (gemeinsame Portfolioverwaltung von OGAW); …

s) ‚Leitungsorgan‘ das Organ, das in einer Verwaltungsgesellschaft, einer Investmentgesellschaft oder einer Verwahrstelle die Letztentscheidungsbefugnis besitzt und die Aufsichts- und Führungsfunktion bzw. bei Trennung der beiden Funktionen die Führungsfunktion wahrnimmt. Hat die Verwaltungsgesellschaft, die Investmentgesellschaft oder die Verwahrstelle gemäß dem nationalen Recht mehrere verschiedene Organe mit bestimmten Funktionen eingerichtet, so gelten die in dieser Richtlinie festgelegten an das Leitungsorgan oder das Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion gerichteten Anforderungen auch oder stattdessen für diejenigen Mitglieder anderer Organe der Verwaltungsgesellschaft, der Investmentgesellschaft oder der Verwahrstelle, denen die maßgebenden nationalen Rechtsvorschriften die entsprechenden Befugnisse zuweisen; …“

6 In Art. 68 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie heißt es:

„Die Verwaltungsgesellschaft – für jeden der von ihr verwalteten Investmentfonds – und die Investmentgesellschaft veröffentlichen folgende Unterlagen:

a) einen Prospekt“.

7 Art. 69 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/65 bestimmt:

„(1) Der Prospekt enthält die Angaben, die erforderlich sind, damit sich die Anleger über die ihnen vorgeschlagene Anlage und vor allem über die damit verbundenen Risiken ein fundiertes Urteil bilden können.

Der Prospekt muss – unabhängig von der Art der Instrumente, in die investiert wird, – eine eindeutige und leicht verständliche Erläuterung des Risikoprofils des Fonds enthalten.

Der Prospekt enthält entweder

a) die Einzelheiten der aktuellen Vergütungspolitik, darunter eine Beschreibung darüber, wie die Vergütung und die sonstigen Zuwendungen berechnet werden, und die Identität der für die Zuteilung der Vergütung und sonstigen Zuwendungen zuständigen Personen, einschließlich der Zusammensetzung des Vergütungsausschusses, falls es einen solchen Ausschuss gibt, oder

b) eine Zusammenfassung der Vergütungspolitik und eine Erklärung darüber, dass die Einzelheiten der aktuellen Vergütungspolitik, darunter eine Beschreibung, wie die Vergütung und die sonstigen Zuwendungen berechnet werden, und die Identität der für die Zuteilung der Vergütung und sonstigen Zuwendungen zuständigen Personen, einschließlich der Zusammensetzung des Vergütungsausschusses, falls es einen solchen Ausschuss gibt, über eine Website zugänglich sind, einschließlich der Angabe dieser Website, und dass auf Anfrage kostenlos eine Papierversion zur Verfügung gestellt wird.

(2) Der Prospekt muss mindestens die Angaben enthalten, die in Schema A von Anhang I vorgesehen sind, soweit diese Angaben nicht bereits in den Vertragsbedingungen des Investmentfonds oder in der Satzung der Investmentgesellschaft enthalten sind, die dem Prospekt gemäß Art. 71 Abs. 1 als Anhang beizufügen sind.“

8 Art. 71 der Richtlinie 2009/65 sieht vor:

„(1) Die Vertragsbedingungen oder die Satzung der Investmentgesellschaft sind Bestandteil des Prospekts und diesem beizufügen.

(2) Die in Abs. 1 genannten Dokumente brauchen dem Prospekt jedoch nicht beigefügt zu werden, wenn der Anleger davon unterrichtet wird, dass er auf Verlangen diese Dokumente erhalten oder auf Anfrage erfahren kann, an welcher Stelle er sie in jedem Mitgliedstaat, in dem die Anteile vertrieben werden, einsehen kann.“

9 Art. 72 dieser Richtlinie lautet:

„Die Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt werden auf dem neuesten Stand gehalten.“

10 Art. 74 der Richtlinie bestimmt:

„OGAW übermitteln den zuständigen Behörden ihres Herkunftsmitgliedstaats ihren Prospekt und dessen Änderungen sowie ihre Jahres- und Halbjahresberichte. Auf Anfrage stellen die OGAW diese Unterlagen den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats der Verwaltungsgesellschaft zur Verfügung.“

11 Art. 75 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/65 sieht vor:

„(1) Der Prospekt sowie der zuletzt veröffentlichte Jahres- und Halbjahresbericht werden dem Anleger auf Verlangen kostenlos zur Verfügung gestellt.

(2) Der Prospekt kann auf einem dauerhaften Datenträger oder über eine Website zur Verfügung gestellt werden. Eine Papierfassung wird den Anlegern auf Verlangen kostenlos zur Verfügung gestellt.“

12 In Art. 78 Abs. 1 bis 3 und 5 dieser Richtlinie heißt es:

„(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Investmentgesellschaft und für jeden Investmentfonds, den sie verwaltet, eine Verwaltungsgesellschaft ein kurzes Dokument mit wesentlichen Informationen für den Anleger erstellt. Dieses Dokument wird in der vorliegenden Richtlinie als ‚wesentliche Informationen für den Anleger‘ bezeichnet. Der Ausdruck ‚wesentliche Informationen für den Anleger‘ wird in diesem Dokument klar und deutlich in einer der in Art. 94 Abs. 1 Buchstabe b genannten Sprachen erwähnt.

(2) Die wesentlichen Informationen für den Anleger enthalten sinnvolle Angaben zu den wesentlichen Merkmalen des betreffenden OGAW und sollen die Anleger in die Lage versetzen, Art und Risiken des angebotenen Anlageprodukts zu verstehen und auf dieser Grundlage eine fundierte Anlageentscheidung zu treffen.

(3) Die wesentlichen Informationen für den Anleger enthalten Angaben zu folgenden wesentlichen Elementen des betreffenden OGAW:

a) Identität des OGAW und der zuständigen Behörde des OGAW,

b) eine kurze Beschreibung der Anlageziele und der Anlagestrategie,

c) Darstellung der bisherigen Wertentwicklung oder gegebenenfalls Performance-Szenarien,

d) Kosten und Gebühren, und

e) Risiko-/Renditeprofil der Anlage, einschließlich angemessener Hinweise auf die mit der Anlage in den betreffenden OGAW verbundenen Risiken und entsprechenden Warnhinweisen.

Diese wesentlichen Elemente muss der Anleger verstehen können, ohne dass hierfür zusätzliche Dokumente herangezogen werden müssen. …

(5) Die wesentlichen Informationen für den Anleger sind kurz zu halten und in allgemein verständlicher Sprache abzufassen. Sie werden in einem einheitlichen Format erstellt, um Vergleiche zu ermöglichen, und in einer Weise präsentiert, die für Kleinanleger aller Voraussicht nach verständlich ist.“

13 Art. 79 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die wesentlichen Informationen für den Anleger sind vorvertragliche Informationen. Sie müssen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Sie müssen mit den einschlägigen Teilen des Prospekts übereinstimmen.“

14 Art. 82 der Richtlinie sieht vor:

„(1) Die OGAW übermitteln den zuständigen Behörden ihres Herkunftsmitgliedstaats die wesentlichen Informationen für den Anleger und alle einschlägigen Änderungen.

(2) Die zentralen Elemente der wesentlichen Informationen für den Anleger müssen stets auf dem neuesten Stand sein.“

15 In Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 und Abs. 6 der Richtlinie 2009/65 heißt es:

„(1) Unbeschadet der Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Behörden nach Art. 98 und des Rechts der Mitgliedstaaten, strafrechtliche Sanktionen vorzusehen und zu verhängen, legen die Mitgliedstaaten Vorschriften für verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere Verwaltungsmaßnahmen fest, die Gesellschaften und Personen bei Verstößen gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie auferlegt werden, und ergreifen sämtliche Maßnahmen, die zur Durchführung dieser Sanktionen und Maßnahmen erforderlich sind. …

Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und anderen Verwaltungsmaßnahmen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. …

(6) Nach Maßgabe des nationalen Rechts stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und anderen Verwaltungsmaßnahmen, die angewandt werden können, in allen in Abs. 1 genannten Fällen mindestens Folgendes umfassen: …

e) im Falle juristischer Personen maximale Geldbußen von mindestens 5 000 000 [Euro] oder in den Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, der entsprechende Wert in der Landeswährung am 17. September 2014 oder bis zu 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes der juristischen Person entsprechend dem letzten verfügbaren durch das Leitungsorgan genehmigten Abschluss; …

g) als eine Alternative zu den Buchstaben e und f maximale Geldbußen in mindestens zweifacher Höhe des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, auch wenn dieser Betrag über die unter den Buchstaben e und f genannten Höchstbeträge hinausgeht.“

16 Art. 99a dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie Sanktionen vor, insbesondere wenn …

r) eine Investmentgesellschaft oder für jeden von ihr verwalteten Investmentfonds eine Verwaltungsgesellschaft es wiederholt versäumen, den in den innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Art. 68 bis 82 auferlegten Pflichten zur Unterrichtung der Anleger nachzukommen; …“

17 Anhang I der Richtlinie enthält zwei Schemata (A und B). Das Schema A besteht aus einer Tabelle mit drei Spalten, deren zweite Spalte folgende Informationen enthält:

„1. Informationen über die Verwaltungsgesellschaft mit einem Hinweis darauf, ob die Verwaltungsgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist als im Herkunftsmitgliedstaat des OGAW …

1.8. Name und Funktion der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane. Angabe der Hauptfunktionen, die diese Personen außerhalb der Gesellschaft ausüben, wenn sie für diese von Bedeutung sind …“

Bulgarisches Recht

18 Art. 1 des Zakon za deynostta na kolektivnite investitsionni shemi i na drugi predpriyatiya za kolektivno investirane (Gesetz über die Tätigkeit von Organismen für gemeinsame Anlagen und von anderen Unternehmen für gemeinsame Anlagen, DV Nr. 77) vom 4. Oktober 2011 in der für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung (im Folgenden: OGA-Gesetz) sieht vor:

„Dieses Gesetz regelt

1. die Tätigkeit der Organismen für gemeinsame Anlagen und der Verwaltungsgesellschaften;

2. die Tätigkeit anderer Unternehmen für gemeinsame Anlagen; …“

19 Art. 56 Abs. 1 des OGA-Gesetzes bestimmt, dass bei jeder Änderung der im Prospekt des Organismus für gemeinsame Anlagen enthaltenen Angaben von wesentlicher Bedeutung der Prospekt innerhalb einer 14‑tägigen Frist ab dem Eintritt der Änderung zu aktualisieren und der KFN innerhalb dieser Frist vorzulegen ist.

20 In Art. 273 dieses Gesetzes heißt es:

„(1) Wer einen Verstoß gegen folgende Vorschriften begeht oder einen solchen zulässt: …

10. … Art. 56 Abs. 1 [dieses Gesetzes] wird mit einem Bußgeld in Höhe von 4 000 bis 5 000 000 Lewa (BGN) [etwa 2 000 bis 2 500 000 Euro] bestraft; …

(5) Bei Verstößen nach Abs. 1 durch juristische Personen oder Einzelunternehmen wird eine finanzielle Sanktion in folgender Höhe verhängt: …

10. bei Verstößen nach Abs. 1 Nr. 10 – von 10 000 bis zu 5 000 000 BGN [etwa 5 000 bis 2 500 000 Euro], bei einem wiederholten Verstoß – von 20 000 bis zu 10 000 000 BGN [etwa 10 000 bis 5 000 000 Euro].“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

21 IFM ist eine Aktiengesellschaft bulgarischen Rechts mit Sitz in Sofia (Bulgarien), die über eine Zulassung zur Ausübung der Tätigkeit einer Verwaltungsgesellschaft im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/65 verfügt und in das von der KFN geführte Register eingetragen ist. IFM leitet und verwaltet fünf separate OGAW.

22 Im Rahmen einer Überprüfung stellte die KFN fest, dass sich die Zusammensetzung des Vorstands der IFM am 28. August 2019 durch die Aufnahme von zwei neuen, nicht geschäftsführenden Mitgliedern geändert hatte, was im bulgarischen Handelsregister eingetragen worden war. Den neuen Mitgliedern wurden im Vorstand der IFM keine Führungsaufgaben anvertraut.

23 Die KFN vertrat die Auffassung, dass IFM die Prospekte aller fünf von ihr verwalteten OGAW innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 14‑tägigen Frist, also spätestens bis zum 11. September 2019, auf den neuesten Stand hätte bringen müssen. Da die Aktualisierung erst am 17. Oktober 2019 erfolgt war, verhängte die KFN mittels fünf Bescheiden Geldbußen in Höhe von jeweils 10 000 BGN (etwa 5 000 Euro) gegen IFM.

24 IFM focht diese Bescheide vor dem vorlegenden Gericht an. Das Ausgangsverfahren betrifft eines dieser fünf Verfahren. IFM macht zum einen geltend, dass die Angaben zur Änderung der Zusammensetzung des Vorstands einer Verwaltungsgesellschaft keine „Angaben von wesentlicher Bedeutung“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 des OGA-Gesetzes darstellten, die zu einer fristgerechten Aktualisierung der OGAW-Prospekte verpflichteten, da die neu gewählten Mitglieder des Vorstands keine geschäftsführenden Tätigkeiten innehätten und keinerlei Führungsaufgaben wahrnähmen. Zum anderen sei die Verhängung der fünf Geldbußen rechtswidrig, da gegebenenfalls nur ein Verstoß vorliege.

25 Die KFN trägt ihrerseits vor, dass jede Änderung der personellen Zusammensetzung des Vorstands einer Verwaltungsgesellschaft eine Änderung von „Angaben von wesentlicher Bedeutung“ darstelle, da diese Information Teil des erforderlichen Mindestinhalts der Prospekte und deren Aktualisierung damit verpflichtend sei. Außerdem sei die Verhängung der fünf separaten Geldbußen nicht rechtswidrig erfolgt, da in Bezug auf jeden der fünf von IFM verwalteten OGAW ein Verstoß festgestellt worden sei.

26 Unter diesen Umständen hat der Sofiyski rayonen sad (Rayongericht Sofia, Bulgarien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: …

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

27 Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 72 der Richtlinie 2009/65 dahin auszulegen ist, dass die in Anhang I Schema A dieser Richtlinie vorgesehenen Angaben zu einer Verwaltungsgesellschaft, die nach Art. 69 Abs. 2 der Richtlinie zu den Angaben gehören, die der Prospekt mindestens enthalten muss, vom Begriff „Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt“ im Sinne von Art. 72 der Richtlinie umfasst sind, so dass sie auf dem neuesten Stand zu halten sind.

28 Zunächst ist festzustellen, dass die Richtlinie 2009/65 keine Definition des Begriffs „Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt“ enthält.

29 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteil vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima [Strafpunkte], C‑439/19, EU:C:2021:504 = RIW 2022, 77, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30 Im vorliegenden Fall verweist die Richtlinie 2009/65 hinsichtlich der Tragweite des Begriffs „Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt“ im Sinne ihres Art. 72 nicht auf die nationalen Rechtsordnungen, so dass dieser Begriff in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen ist, zumal sich, wie vom Generalanwalt in Nr. 31 der Schlussanträge dargetan, aus dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/65 ergibt, dass diese die nationalen Rechtsvorschriften über diese Organismen so koordinieren soll, dass zum einen in der Union eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen erreicht und zum anderen ein wirksamerer und einheitlicherer Schutz der Anteilinhaber sichergestellt wird.

31 Da der Begriff „Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt“, wie Rn. 28 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, in der Richtlinie 2009/65 nicht definiert wird, ist er entsprechend dem Sinn der ihn bildenden Worte nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang er verwendet wird und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden, zu der er gehört (Urteil vom 28. Oktober 2021, Magistrat der Stadt Wien [Feldhamster – II]), C‑357/20, EU:C:2021:881, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32 Was erstens den Sinn des Begriffs „wesentlich“ nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch betrifft, so bezeichnet dieses Adjektiv eine unentbehrliche Angabe, im Gegensatz zu einer zusätzlichen oder nebensächlichen Angabe.

33 Als Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt sind folglich die Angaben anzusehen, die für die Erfüllung der Funktion des Dokuments unentbehrlich sind.

34 Was zweitens den Kontext betrifft, in den sich Art. 72 der Richtlinie 2009/65 einfügt, ist festzustellen, dass er zu Kapitel IX Abschnitt 1 („Veröffentlichung des Prospekts und der periodischen Berichte“) dieser Richtlinie gehört, das die Verpflichtungen betreffend die Information der Anleger festlegt, und dass er unmittelbar auf Bestimmungen folgt, die festlegen, welche Informationen der Prospekt enthalten muss (insbesondere Art. 69 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie), worauf der Generalanwalt in Nr. 33 seiner Schlussanträge hingewiesen hat.

35 Insbesondere ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Prospekt nach Art. 69 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/65 die Angaben, die erforderlich sind, damit sich die Anleger über die ihnen vorgeschlagene Anlage und vor allem über die damit verbundenen Risiken ein fundiertes Urteil bilden können, sowie – unabhängig von der Art der Instrumente, in die investiert wird, – eine eindeutige und leicht verständliche Erläuterung des Risikoprofils des Fonds zu enthalten hat.

36 Zudem muss der Prospekt gemäß Art. 69 Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Richtlinie bestimmte Angaben zur Vergütungspolitik enthalten.

37 Somit ergibt sich aus einer Zusammenschau von Art. 69 Abs. 1 und Art. 72 der Richtlinie 2009/65, dass im Sinne der letztgenannten Bestimmung die Angaben „von wesentlicher Bedeutung“ sind, die für die Anleger unentbehrlich sind, um sich über die ihnen vorgeschlagene Anlage und vor allem über die damit verbundenen Risiken ein fundiertes Urteil bilden zu können.

38 Schließlich bestimmt Art. 69 Abs. 2 der Richtlinie 2009/65, dass der Prospekt mindestens die Angaben enthalten muss, die in Anhang I Schema A dieser Richtlinie vorgesehen sind, soweit diese Angaben nicht bereits in den Vertragsbedingungen des Investmentfonds oder in der Satzung der Investmentgesellschaft enthalten sind, die dem Prospekt gemäß Art. 71 Abs. 1 dieser Richtlinie als Anhang beizufügen sind. Es handelt sich dabei um Informationen über den Investmentfonds, über die Verwaltungsgesellschaft und die Investmentgesellschaft, um Angaben über die Verwahrstelle, Angaben über die externen Beratungsfirmen oder Anlageberater, um Angaben über die Maßnahmen, die getroffen worden sind, um die Zahlungen an die Anteilinhaber, den Rückkauf oder die Rücknahme der Anteile sowie die Verbreitung der Informationen über den OGAW vorzunehmen, sowie um bestimmte weitere Anlageinformationen bzw. wirtschaftliche Informationen.

39 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 34 und 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, zeigt die Verwendung des Wortes „mindestens“ in dieser Bestimmung, dass es sich bei den Angaben, auf die sich Anhang I Schema A der Richtlinie 2009/65 bezieht, nach dem Willen des Gesetzgebers um die Informationen handelt, die der Prospekt mindestens enthalten muss. Dazu zählen gemäß Nr. 1.8 dieses Schemas Name und Funktion der Mitglieder der Verwaltungs‑, Leitungs- und Aufsichtsorgane sowie die Hauptfunktionen, die diese Personen außerhalb der Gesellschaft ausüben, wenn sie für diese von Bedeutung sind.

40 Da die in Schema A aufgelisteten Angaben in den Augen des Unionsgesetzgebers somit für die Erfüllung der Funktion des Prospekts – die darin besteht, es den Anlegern zu ermöglichen, sich über die ihnen vorgeschlagene Anlage ein fundiertes Urteil zu bilden – unentbehrlich sind, ist davon auszugehen, dass diese Angaben vom Begriff „Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt“ im Sinne von Art. 72 der Richtlinie 2009/65 umfasst sind.

41 Außerdem hat der Unionsgesetzgeber hinsichtlich dieser unentbehrlichen Angaben weder nach Maßgabe ihrer Bedeutung für den Anleger noch anhand eines anderen Kriteriums eine Rangordnung festgelegt.

42 Die im Wesentlichen in den schriftlichen Erklärungen von IFM sowie der deutschen, der luxemburgischen und der polnischen Regierung vertretene Annahme, dass im Sinne von Art. 72 der Richtlinie 2009/65 nur bestimmte dieser unentbehrlichen Angaben „wesentlich“ seien, wie etwa die, die geeignet seien, die wirtschaftlichen Interessen der Anleger wesentlich zu beeinträchtigen oder ihre Anlageentscheidungen zu beeinflussen, oder auch die Angaben, die für die Anleger besonders wichtig seien, um die mit den ihnen vorgeschlagenen Anlagen verbundenen Risiken einschätzen zu können, liefe daher der Entscheidung des Unionsgesetzgebers zuwider, allen in Art. 69 Abs. 2 der Richtlinie 2009/65 genannten Angaben einen gleichwertigen zwingenden Charakter zu verleihen.

43 Drittens geht in Bezug auf die mit der Richtlinie 2009/65 verfolgten Ziele aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervor, dass diese Richtlinie zur leichteren Beseitigung der Beschränkungen des freien Verkehrs für Anteile von OGAW in der Union die nationalen Rechtsvorschriften über die Organismen für gemeinsame Anlagen koordinieren soll, so dass zum einen die Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen innerhalb der Union angeglichen und zum anderen ein wirksamerer und einheitlicherer Schutz der Anteilinhaber sichergestellt werden. Im Hinblick auf die vorstehend genannten Ziele legt die Richtlinie gemeinsame Mindestregelungen für die Zulassung, Aufsicht, Struktur, Geschäftstätigkeit sowie hinsichtlich der von den OGAW zu veröffentlichenden Informationen fest.

44 Zunächst steht außer Zweifel, dass eine nach ihrer Änderung unverzügliche Aktualisierung der Angaben, deren Aufnahme in den Prospekt oder in die Dokumente, die integraler Bestandteil des Prospekts sind, unentbehrlich ist, dem Ziel des Anlegerschutzes dient, da eine solche verpflichtende Aktualisierung den Anlegern die Verlässlichkeit der in diesem Prospekt enthaltenen Angaben garantiert.

45 Eine solche Auslegung ist auch mit dem in Rn. 43 des vorliegenden Urteils genannten Ziel vereinbar, die Beseitigung der Beschränkungen des freien Verkehrs für Anteile von OGAW zu erleichtern und innerhalb der Union die Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen anzugleichen. Die für OGAW und Verwaltungsgesellschaften unabhängig von ihrem Herkunfts- oder Sitzmitgliedstaat einheitlich geltende Pflicht zur Aktualisierung der Angaben, deren Aufnahme in den Prospekt unentbehrlich ist, trägt nämlich zu einer Beseitigung der Beschränkungen und zu einer Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen bei.

46 Das Vorbringen der deutschen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen – dem sich IFM und die luxemburgische Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof angeschlossen haben –, das im Wesentlichen darin besteht, dass die Tragweite von Art. 72 der Richtlinie 2009/65 unter Berücksichtigung von deren Art. 78 zu bestimmen sei, der das Dokument „wesentliche Informationen für den Anleger“ betreffe, das von Investmentgesellschaften und Verwaltungsgesellschaften zu erstellen sei, so dass nur die Angaben als Angaben „von wesentlicher Bedeutung“ im Sinne von Art. 72 der Richtlinie 2009/65 zu verstehen seien, die von Art. 78 der Richtlinie umfasst seien, vermag die in Rn. 40 dieses Urteils dargelegte Schlussfolgerung nicht in Frage zu stellen.

47 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 78 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2009/65 erläutert, welche Art von Informationen als „wesentliche Informationen für den Anleger“ anzusehen sind, nämlich sinnvolle Angaben zu den wesentlichen Merkmalen des betreffenden OGAW, wobei Art. 78 Abs. 3 dieser Richtlinie darüber hinaus eine Reihe von Informationen nennt, die „wesentliche Elemente des betreffenden OGAW“ darstellen und als solche in dem von dieser Bestimmung erfassten Dokument enthalten sein müssen. Art. 72 der Richtlinie 2009/65 betrifft jedoch nicht die wesentlichen Elemente des betreffenden OGAW, sondern Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt. Wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verwenden die Art. 72 und 78 der Richtlinie 2009/65 nicht denselben Begriff.

48 Außerdem sind die Art. 69, 72 und 78 der Richtlinie 2009/65 zwar alle Teil von Kapitel IX dieser Richtlinie, doch gehören die ersten beiden Artikel zu dessen Abschnitt 1 („Veröffentlichung des Prospekts und der periodischen Berichte“), während Art. 78 dieser Richtlinie Abschnitt 3 („Wesentliche Informationen für den Anleger“) dieses Kapitels zuzuordnen ist. Abschnitt 3 enthält Bestimmungen zu dem Dokument, das diese Informationen enthält, darunter Art. 82 der Richtlinie 2009/65, der diesen Abschnitt 3 mit der Verpflichtung abschließt, die wesentlichen Elemente der wesentlichen Informationen für den Anleger auf dem neuesten Stand zu halten.

49 Es besteht somit eine Parallele zwischen den Art. 72 und 82 der Richtlinie 2009/65, die jeweils eine – strenge getrennte – Verpflichtung vorsehen, zum einen den Prospekt und zum anderen die wesentlichen Informationen für den Anleger zu aktualisieren.

50 Wie der Generalanwalt in Nr. 42 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, liefern diese beiden Dokumente Informationen in unterschiedlichem Umfang. Bei den „wesentlichen Informationen für den Anleger“ handelt es sich um ein sehr kurzes Dokument mit standardisiertem Inhalt, das kostenlos und rechtzeitig vor der Zeichnung eines OGAW zur Verfügung gestellt wird und, wie den Erwägungsgründen 59 und 61 der Richtlinie 2009/65 zu entnehmen ist, den Vergleich verschiedener Vorschläge erleichtern soll, der gemäß Art. 78 Abs. 5 der Richtlinie 2009/65 insbesondere von Kleinanlegern durchgeführt wird. Der Prospekt hingegen richtet sich an alle Arten von Anlegern und enthält detailliertere und umfassendere Angaben.

51 Daraus folgt, dass eine Auslegung von Art. 72 der Richtlinie 2009/65 dahin, dass nur die wesentlichen Elemente des betreffenden OGAW im Sinne von Art. 78 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie Angaben von wesentlicher Bedeutung im Prospekt darstellen, darauf hinausliefe, zwei unterschiedliche Dokumente, nämlich die „wesentlichen Informationen für den Anleger“ und den Prospekt einander gleichzusetzen.

52 Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, … (s. Tenor, unter 1.).

Zur dritten Frage

53 In Anbetracht der Antwort auf die ersten beiden Fragen braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden.

Zur vierten Frage

54 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 99a Buchst. r der Richtlinie 2009/65 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der gegen eine Verwaltungsgesellschaft, die nicht innerhalb der in dieser nationalen Regelung festgelegten Frist die in den Art. 68 bis 82 dieser Richtlinie vorgesehene verpflichtende Aktualisierung des Prospekts mehrerer OGAW vorgenommen hat, wegen jedes dieser Organismen eine verwaltungsrechtliche Sanktion verhängt werden kann, obwohl die Änderung, die in diesen Prospekten vorzunehmen gewesen wäre, einzig die Zusammensetzung eines Organs der Verwaltungsgesellschaft betrifft.

55 Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 99a Buchst. r der Richtlinie 2009/65 die Mitgliedstaaten in ihren Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie Sanktionen vorsehen, insbesondere wenn eine Investmentgesellschaft oder für jeden von ihr verwalteten Investmentfonds eine Verwaltungsgesellschaft es wiederholt versäumt, den durch die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Art. 68 bis 82 dieser Richtlinie festgelegten Verpflichtungen betreffend die Information der Anleger nachzukommen.

56 Somit ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und speziell aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“, dass die Mitgliedstaaten zwar verpflichtet sind, Sanktionen für das in Art. 99a Buchst. r dieser Richtlinie angesprochene Verhalten vorzusehen, dass ihnen durch diese Bestimmung aber keineswegs untersagt wird, auch andere Verhaltensweisen zu ahnden.

57 Als Zweites wird diese Auslegung durch den Kontext dieser Bestimmung bestätigt. Nach Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2009/65 in Verbindung mit deren 69. Erwägungsgrund sind die Mitgliedstaaten nämlich unbeschadet ihres Rechts, strafrechtliche Sanktionen zu verhängen, verpflichtet, zum einen Vorschriften für verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere Verwaltungsmaßnahmen festzulegen, die Gesellschaften und Personen bei Verstößen gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht auferlegt werden, und zum anderen sämtliche Maßnahmen zu ergreifen, die zur Durchführung dieser Sanktionen und Maßnahmen erforderlich sind.

58 Außerdem ergibt sich aus Art. 1 Abs. 7 dieser Richtlinie im Licht ihres 15. Erwägungsgrundes, dass die Mitgliedstaaten strengere Vorschriften als die in dieser Richtlinie festgelegten erlassen können, insbesondere hinsichtlich der Vorschriften für die Offenlegung und den Prospekt, vorausgesetzt, dass diese strengeren Vorschriften allgemein gelten und nicht dieser Richtlinie widersprechen.

59 Mithin bewirkt die Richtlinie 2009/65, wie vom Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge ausgeführt, keine vollständige Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, so dass die Mitgliedstaaten die Sanktionen wählen können, die ihnen angemessen erscheinen.

60 Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße gegen die Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65 in nationales Recht auch für andere als die in Art. 99a Buchst. r dieser Richtlinie genannten Verhaltensweisen einführen können. Diese Sanktionen können auch strenger ausfallen als die in der Richtlinie 2009/65 vorgesehenen.

61 Allerdings ergibt sich aus Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 2009/65, dass die verwaltungsrechtlichen Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.

62 Die wörtliche Auslegung von Art. 99a Buchst. r der Richtlinie 2009/65, wie sie sich aus Rn. 56 des vorliegenden Urteils ergibt, steht auch im Einklang mit den durch diese Richtlinie verfolgten, in ihrem dritten Erwägungsgrund genannten Zielen, nämlich insbesondere einen wirksameren und einheitlicheren Schutz der Anteilinhaber sicherzustellen und so die Beseitigung der Beschränkungen des freien Verkehrs für Anteile von OGAW in der Union zu erleichtern.

63 Demnach kann eine nationale Regelung im Fall eines einheitlichen Versäumnisses, den in den innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Art. 68 bis 82 der Richtlinie 2009/65 auferlegten Pflichten zur Unterrichtung der Anleger nachzukommen, die Verhängung verwaltungsrechtlicher Sanktionen gegen eine Verwaltungsgesellschaft für jeden der von ihr verwalteten Investmentfonds vorsehen, sofern diese Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

64 Folglich ist auf die vierte Frage zu antworten, … (s. Tenor, unter 2.)

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