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RdF-News
16.09.2019
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Hessisches FG: Keine Anwendung von § 3c Abs. 2 S. 1 auf Teilwertabschreibungen von Aktienanleihen

Hessisches FG, Gerichtsbescheid vom 27.12.201810 K 688/16, rkr.

ECLI: ECLI:DE:FGHE:2018:1227.10K688.16.00

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Teilwertabschreibung auf eine Aktienanleihe § 3c Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr 2012 maßgeblichen Fassung unterfällt.

Die Klägerin ist eine A, die einen B betreibt. Komplementärin ist die C, Kommanditisten sind Herr D und Herr E. Die Komplementärin hat keine Einlage geleistet. Die Klägerin hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Juni bis zum 31. Mai des jeweiligen Folgejahres. Sie ermittelt ihre Einkünfte durch Betriebsvermögensvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG.

In ihrem Jahresabschluss zum 31.05.2012 wies die Klägerin Wertberichtigungen auf im Umlaufvermögen gehaltene Wertpapiere i.H.v. 256.602,75 € aus. Die Klägerin veräußerte am 14.07.2011 eine Aktienanleihe der F, G, über nominal 450.000 € zum Kurswert von 84 %, nämlich 378.000 €, (Bl. 201 Fallheft II), die sie am 17.01.2011 zum Nominalwert von 450.000 € erworben hatte (Bl. 211 Fallheft II). Den daraus resultierenden Verlust von 72.000 € erfasste sie dementsprechend in ihrem Jahresabschluss (Bl. 164 Fallheft I, Bl. 207 Fallheft II). Im Gegenzug erwarb sie ebenfalls am 14.07.2011 eine Aktienanleihe der F, H, im Nennwert von 450.000 € zum Kurswert von 84 %, also auch 378.000 € (Bl. 204 Fallheft II). Basiswert war die Aktie der Firma I. Maßgeblicher Basiskurs zum Bewertungsstichtag 17.07.2012 waren 20,53 € je Aktie. Der Zinssatz betrug 7,4 %. Die Aktienanleihe war zum 20.07.2012 endfällig. Während sich der Kurswert der J-Aktie zum Zeitpunkt des Anleihekaufs auf 20,89 € je Aktie belief, fiel der Aktienkurs in der Folgezeit. Am 31.05.2012 belief sich der Börsenschlusswert auf 12,10 € je Aktie; im Zeitpunkt der Endfälligkeit 20.07.2012 betrug der Börsenschlusswert nur noch 10,60 € je Aktie. Im Hinblick auf die Entwicklung des Börsenkurses übte die F als Emittentin der Aktienanleihe ihr Tilgungswahlrecht aus und lieferte zum 20.07.2012 18.090 Aktien der I zum Kurswert von 10,525 € je Aktie an die Klägerin (Bl. 195 Fallheft II). Der Wert der Aktien belief sich auf insgesamt 190.397,25 €. Im Vorgriff auf diese Abwicklung der Aktienanleihe bei Endfälligkeit nahm die Klägerin zum Bilanzstichtag 31.05.2012 die weitere Wertberichtigung auf Wertpapiere i.H.v. 187.602,75 € (378.000 € abzgl. 190.397,25 €) vor (Bl. 207 Fallheft II) vor. Die Zinserträge aus dieser Anleihe beliefen sich auf 27.700 € (Bl. 25 Feststellungsakten).

Der Bescheid für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und der Bescheid für 2012 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 19.04.2014 ergingen erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

Mit Prüfungsanordnung vom 08.01.2015 ordnete der Beklagte eine abgekürzte Außenprüfung bei der Klägerin für das Streitjahr 2012 an. Im Rahmen der Außenprüfung ging der Prüfer auch der steuerlichen Behandlung der Aktienanleihe nach. Nach Erörterungen mit dem Steuerberater der Klägerin kam er in seinem Betriebsprüfungsbericht vom 11.06.2015 (Bl. 15 ff. Sonderband für Betriebsprüfungsberichte) unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Teilwertabschreibung von 187.602,75 € auf die am 14.07.2011 erworbene Aktienanleihe, H, um 28.491,75 € zu kürzen sei. Für die Ermittlung der Teilwertabschreibung sei der höhere Börsenschlusskurs zum Bilanzstichtag 31.05.2012 maßgeblich und nicht der niedrigere Kurswert von 20.07.2012. Auf die danach zulässige Teilwertabschreibung i.H.v. 159.111 € finde das Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG Anwendung, so dass sich nur noch 95.466,60 € gewinnmindernd auswirkten. Der Jahresabschluss zum 31.05.2012 sei demgemäß unter anderem außerbilanziell um 63.644,40 € gewinnerhöhend zu berichtigen (vergleiche Tz. 15, 19 Betriebsprüfungsbericht, Bl. 17 f., 19 Sonderband für Betriebsprüfungsberichte).

Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Außenprüfung an und setzte die Ergebnisse des Betriebsprüfungsberichts mit dem gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Feststellungsbescheid vom 24.08.2015 und dem ebenfalls gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom 24.08.2015 um. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 26.08.2015 Einspruch ein (Bl. 15 ff. Feststellungsakten). Die Klägerin rügte die Anwendung des § 3c Abs. 2 EStG auf die Teilwertabschreibung auf die Aktienanleihe. Mit seinen Einspruchsentscheidungen vom 10.03.2016 (Bl. 39 ff. Feststellungsakten; Bl. 8 ff. Gewerbesteuerakten) wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

Der Beklagte vertrat weiterhin die Auffassung, dass ein hinreichender wirtschaftlicher Veranlassungszusammenhang im Sinn von § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zwischen der Teilwertabschreibung auf die Anleihe und - möglichen - späteren Dividendeneinnahmen bzw. Veräußerungs- oder Entnahmegewinnen aus dem Aktienpaket vorläge. Der Gesetzestext belege, dass ein zeitlicher Zusammenhang nicht erforderlich sei, da die Abzugsbeschränkung auch greife, wenn unbekannt sei, ob zukünftig überhaupt Einnahmen anfielen.

Es sei auch kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang erforderlich. Das Urteil des BFH IV R 49/11 belege, dass der BFH bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Zusammenhangs den Weg des Wirtschaftsguts bis zur endgültigen steuerlichen Verwertung verfolge. Dabei sei jeder Aufwand separat auf den Veranlassungszusammenhang hin zu prüfen. Wirtschaftlich sei eine Aktienanleihe so ausgestaltet, dass ein Wechsel der Besteuerungsart innerhalb der Zugehörigkeit des Anlageprodukts zum Betriebsvermögen einkalkuliert sei. Demgemäß sei bei der Aktienanleihe die Teilwertabschreibung auf den Erhalt des Aktienpakets gerichtet. Die Teilwertabschreibung sei alleine vom Wert der unterlegten Aktie abhängig und erfolge, weil die Andienung des Aktienpakets absehbar sei.

Ebenso wenig sei der Veranlassungszusammenhang unterbrochen worden. Es lägen kein Verkauf der Anleihe und eine zeitgleiche Anschaffung der Aktie vor, auch nicht im Rahmen eines Tausches. Die Klägerin habe seit Zeichnung der Anleihe keinen Einfluss auf eine mögliche Andienung der Aktien bei Endfälligkeit gehabt.

Das Ergebnis entspreche auch Sinn und Zweck des Teilabzugsverbots gemäß § 3c EStG. Es handele sich dabei um ein Element des Teileinkünfteverfahrens, um inkongruente Begünstigungen zu vermeiden. Das sei etwa der Fall, wenn bei einer Kurserhöhung nach Andienung der Aktien die Steuerersparnis aus der voll abzugsfähigen Teilwertabschreibung den tatsächlichen Kapitalabfluss übersteige.

Die Gegenargumente der Klägerin überzeugten nicht.

Das Urteil des BFH X R 9/10 sei nicht einschlägig. Der Sachverhalt sei nicht vergleichbar, weil dort neben der originären Beteiligung ein eigenständiges Wirtschaftsgut (Darlehen) existierte. Das sei im hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht der Fall, weil das Aktienpaket aus der Anleihe hervorgegangen sei. Das Urteil belege zudem, dass der BFH die Frage nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang zukunftsorientiert beurteile.

Die Klägerin argumentiere auch unzutreffend damit, dass die Teilwertabschreibung nicht getätigt worden sei, um spätere Einkünfte nach § 3 Nr. 40 EStG zu erzielen. Die Teilwertabschreibung sei vielmehr erfolgt, weil später Einkünfte nach § 3 Nr. 40 EStG erzielt werden mussten und die Klägerin sich dem habe nicht entziehen können. Teilwertabschreibung und Andienung der Aktien beruhten beide auf dem Sinken des Aktienkurses der unterlegten Aktie. Damit hätten aber beide Folgen dieselbe Ursache und stünden in ihrer Entstehung im unmittelbaren Zusammenhang. Damit seien auch die Rechtsfolgen einheitlich zu ziehen.

Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass im Zeitpunkt der Teilwertabschreibung noch keine Aktien im Betriebsvermögen gehalten worden seien und der Anwendungsbereich des § 3c EStG somit nicht eröffnet sei. Der zeitliche Rahmen könne nicht derartig eng gezogen werden, weil andernfalls z.B. auch die Anschaffungskosten von Anteilen an Körperschaften nicht betroffen wären, da die Anschaffungskosten in aller Regel vor der Anschaffung geleistet worden seien. Beginn und Ende der Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG und § 3c EStG könnten nicht exakt und ausschließlich zeitlich bestimmt werden.

Soweit die Klägerin begehre, im Gegenzug auch die Zinserträge aus der Anleihe vor Andienung dem Teileinkünfteverfahren zu unterwerfen, sei dem nicht zu entsprechen, denn während der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen könne sich auch der wirtschaftliche Zusammenhang innerhalb der Besteuerung eines Wirtschaftsgutes ändern.

Mit ihrer Klage vom 08.04.2016 begehrt die Klägerin weiterhin, die Teilwertabschreibung auf die Aktienanleihe zu 100% gewinnmindernd zu berücksichtigen. Nach Ansicht der Klägerin sind Einlösung der Aktienanleihe und Erhalt der Aktien als Veräußerung der Anleihe und Anschaffung der Aktien zu würdigen. Die jeweiligen Wirtschaftsgüter und die damit im Zusammenhang stehenden Einnahmen und Ausgaben seien getrennt zu betrachten. Ein wirtschaftsgutübergreifender wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe nicht, so dass Erträge und Aufwendungen aus der Aktienanleihe voll steuerpflichtig seien, während Einnahmen und Aufwendungen aus den Aktien dem Teileinkünfteverfahren unterlägen. Im Einzelnen führt die Klägerin dazu in ihrem Schreiben vom 21.06.2016 (Bl. 45 ff. Finanzgerichtsakten) aus: Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG sei die Einlösung bzw. Rückzahlung der Aktienanleihe als Veräußerung zu behandeln, so dass hier zwei eigenständige Wirtschaftsgüter vorlägen. Die Zinserträge aus der Anleihe stellten Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar, für die das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG nicht gelte. Damit könne auch § 3c EStG keine Anwendung finden. Erst die am 20.07.2012 erworbenen Aktien unterlägen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 3 Nr. 40 EStG dem Teileinkünfteverfahren, mit der Konsequenz, dass Verluste nach dem 20.07.2012 nach § 3c EStG nur teilweise steuerwirksam würden. Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehe kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Teilwertabschreibung auf die Anleihe und möglichen zukünftigen Dividendenerträgen aus den Aktien. Der Beklagte stelle in Übereinstimmung mit der Auffassung der Verwaltung und der Rechtsprechung auf den so genannten Veranlassungszusammenhang ab, wie er sich grundsätzlich aus § 4 Abs. 4 EStG und § 9 Abs. 1 EStG ergebe. Laut BMF-Schreiben zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens in der steuerlichen Gewinnermittlung stünden Aufwendungen und Erträge im Veranlassungszusammenhang, wenn Aufwendungen mit (zukünftig) zu erwartenden Erträgen zusammenhingen. Dieser Auffassung sei der BFH in seiner Rechtsprechung grundsätzlich gefolgt, entscheidend sei danach aber, aus welchen Gründen der Steuerpflichtige die Aufwendungen vorgenommen habe sowie, welche Einkunftsart im Vordergrund stehe und damit unter Umständen Beziehungen zu anderen Einnahmearten verdränge. § 3 Nr. 40 EStG solle eine inkongruente Besteuerung ausschließen.

Im vorliegenden Fall seien die Aufwendungen nicht freiwillig getätigt worden. Vielmehr habe ein Wertverlust der Aktienanleihe vorgelegen. Beim Erwerb der Anleihe habe die weit über dem Marktniveau liegende Verzinsung im Vordergrund gestanden. Diese habe das Risiko des Kursverlustes und damit einer Rückzahlung des Anleihebetrags durch Aktienübertragung, was der Klägerin durchaus bewusst gewesen sei, kompensiert. Beim Erwerb der Aktienanleihe habe alleine die Erzielung vollständig steuerpflichtiger Zinseinkünfte im Vordergrund gestanden, wie auch der Erwerb und die Abwicklung zuvor erworbener Aktienanleihen belege. Unter Berufung auf das Urteil des BFH IV R 49/11 gehe der Beklagte zu Unrecht von einem Veranlassungszusammenhang zwischen der Teilwertabschreibung und später möglichen Dividendenerträgen aus. Die Einlösung der Aktie stelle einen Veräußerungstatbestand dar. In diesem Zeitpunkt sei die steuerliche Erfassung von Aufwendungen zu beurteilen. Bis zu diesem Zeitpunkt seien voll steuerpflichtige Einkünfte erzielt worden.

Damit sei die steuerliche Behandlung der Aktien irrelevant, § 3 Nr. 40 EStG und § 3c EStG seien nicht anwendbar.

Soweit der Beklagte von einem möglichen Wechsel des Veranlassungszusammenhangs während der Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen ausgehe, schließe das Vorhandensein zweier unterschiedlicher Wirtschaftsgüter dies aus. Wenn der Beklagte darauf verweise, dass die Aktienanleihe so ausgestaltet gewesen sei, dass ein Wechsel der Besteuerungsart während der Zugehörigkeit der Anleihe zum Betriebsvermögen einzukalkulieren sei, stehe dem die kurze Laufzeit der Aktienanleihe von einem Jahr entgegen; in diesem Zeitraum habe die Klägerin voll steuerpflichtige Erträge erzielt.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Bescheid für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sowie den Bescheid für 2012 über den Gewerbesteuermessbetrag, beide vom 24.08.2015, in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 10.03.2016 dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. der Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. 269.022,69 € um die Kürzung der vorgenommenen Teilwertabschreibung i.H.v. 63.644,40 € auf 205.378,29 € reduziert werden und der Gewerbesteuermessbetrag mit 6.328 € festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsverfahren und in seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er aus, der nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerbefreiten Betriebsvermögensmehrungen sei im Sinn eines Veranlassungszusammenhangs zu verstehen. Bei der Beurteilung, ob ein Veranlassungszusammenhang bestehe, sei im Rahmen einer wertenden Betrachtung maßgebend, aus welchen Gründen der Steuerpflichtige die Aufwendungen tätige. Aufwendungen seien der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund stehe und die Beziehungen zu anderen Einkunftsarten verdränge. Im zu entscheidenden Fall sei die Teilwertabschreibung nur erfolgt, weil der Emittent der Aktienanleihe sich für eine Tilgung durch Übertragung von Aktien entschieden habe. Auslösendes Moment sei damit die Kenntnis der Klägerin über den Erhalt von Aktien, aus denen gemäß § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerbefreite Einnahmen erzielt würden. Diese Einnahmeart stehe im Vordergrund. Die Vornahme der Teilwertabschreibung werde ausschließlich durch den späteren Erhalt der Aktien ausgelöst und auch zu einem Zeitpunkt vorgenommen, zu dem feststehe, dass Aktien ausgegeben werden. Damit sei der erforderliche Veranlassungszusammenhang für eine Anwendung des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG gegeben.

Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung ein Band Feststellungsakten, ein Band Gewerbesteuerakten, ein Band Bilanzheft, ein Sonderband Betriebsprüfungsberichte sowie 2 Bände Fallheft I, II der Betriebsprüfung vor.

Aus den Gründen

 

I. Der Senat entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung.

 

II. Die Klage ist begründet. Die angegriffenen Verwaltungsakte verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat die Teilwertabschreibung auf die Aktienanleihe der F, H, zu Unrecht unter Berufung auf § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nur mit 60 % berücksichtigt.

 

1) Die Klägerin hat die fragliche Aktienanleihe als einheitliches Wirtschaftsgut angesehen und in der Bilanz zum 31.05.2012, § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG, als Umlaufvermögen erfasst. Der Beklagte hat gegen diese bilanzielle Behandlung der Aktienanleihe keine Einwände erhoben. Der Senat erachtet diesen Bilanzansatz ebenfalls für zutreffend.

Aktienanleihen sind börsennotierte Inhaberschuldverschreibungen mit einem Tilgungswahlrecht des Emittenten bei Endfälligkeit. Es handelt sich um festverzinsliche Wertpapiere. Am Ende der Laufzeit steht dem Anleger grundsätzlich wie bei regulären festverzinslichen Anleihen auch der Nominalbetrag zu. Wenn jedoch zu einem festgelegten Stichtag am Ende der Laufzeit der Basiswert der unterlegten Aktie einen bestimmten Wert unterschreitet, besitzt der Emittent das Recht, anstelle des Nominalbetrags eine vertraglich festgelegte Anzahl der unterlegten Aktie zu liefern. Als Ausgleich für dieses eingegangene Risiko erhält der Anleger - wie die Klägerin im hier zu entscheidenden Fall - einen deutlich über dem Marktzins liegenden Anleihezins. Finanzökonomisch setzt sich die Aktienanleihe aus einer Anleihe und einer Verkaufsoption auf Aktien zusammen, die nur einheitlich gehandelt werden können. Die Aktienanleihe wird deshalb zu den so genannten echten strukturierten Finanzinstrumenten gerechnet (vgl. etwa Haisch in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 Rz. 1085, 1087).

Die Bilanzierung der Aktienanleihe ist gesetzlich weder im Handelsrecht noch im Steuerrecht geregelt; Rechtsprechung und Finanzverwaltung haben sich dazu - soweit ersichtlich - bisher nicht eindeutig geäußert. In der Literatur ist die bilanzielle Erfassung der Aktienanleihe umstritten. Während die so genannte Trennungstheorie (z.B. ausführlich Rau, DStR 2006, 627 ff. und DStR 2014, 2201, 2203, 2205; weiterhin Neumann-Tomm in Lademann, EStG, § 5 Rz. 852) die Kombination von festverzinslicher Schuldverschreibung und Optionsrecht betont und zwei Wirtschaftsgüter bilanziert, ist nach der so genannten Einheitstheorie (z.B. Scherrer, DStR 1999, 1205; Häuselmann/Wagner BB 2002, 2431, 2434 f.; Haisch in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 Rz. 1091; Kowanda, DStR 2017, 2403) von einem einheitlichen Wirtschaftsgut „Aktienanleihe“ auszugehen und auch nur ein Wirtschaftsgut zu bilanzieren.

Der Senat erachtet die bilanzielle Erfassung eines einheitlichen Wirtschaftsgutes für zutreffend. Im Fall der Aktienanleihe handelt es sich um ein einheitliches Schuldverhältnis, das der Trennung in zwei Wirtschaftsgüter entgegensteht (ebenso etwa Haisch in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 Rz. 1087; Hachmeister/Glaser in Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann; Handbuch des Jahresabschlusses, Finanzanlagevermögen nach HGB und EStG, Rz. 60 ff., 61d; Danz/Kieninger/Patzner in Zerey, Finanzderivate, § 41 Steuerrecht, Rz. 101). Zugleich wird damit erreicht, dass die Aktienanleihe einheitlich im Betriebsvermögen und im Privatvermögen (dafür FG Düsseldorf, Urteil vom 16.04.2013 13 K 2328/12 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2013, 1217, Rz. 27) als ein Wirtschaftsgut behandelt wird (dazu ebenfalls Haisch in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 Rz. 1087).

 

2) Die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung auf die Aktienanleihe zum Bilanzstichtag 31.05.2012 gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG lagen, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist, vor.

Der Wert einer über dem Bilanzstichtag gehaltenen Aktienanleihe als börsennotiertes Wertpapier wird maßgeblich durch den Kurswert der unterlegten Aktie bestimmt, wenn dieser Kurswert sinkt (Kowanda, DStR 2017, 2403, 2405). Aus der Sicht des Anlegers „droht“ dann bei Endfälligkeit nämlich die Aktienlieferung. Anders als bei festverzinslichen Wertpapieren (dazu BFH, Urteil vom 08.06.2011 I R 98/10, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2012, 176; Urteil vom 18.04.2018 I R 37/16, BFHE 261, 166 [BB 2018, 1711 m. BB-Komm. Kleinmanns]) ist bei der Aktienanleihe dann die Möglichkeit einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung nicht ausgeschlossen (Kowanda, DStR 2017, 2403, 2405; Korn/Strahl in EStG-eKommentar, § 6 Rz. 349; Carlé/Halm, KÖSDI 2000, 12415, 12423; Dreyer/Herrmann, BB 2001, 705, 707).

Aufgrund der negativen Entwicklung des Börsenkurses der unterlegten J-Aktie, der Kurswert der Aktie war bis zum 31.05.2012 um gut 42,08 % gesunken, und aufgrund der zeitlichen Nähe zur Endfälligkeit der Aktienanleihe sind die Beteiligten zu Recht von einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung der Aktienanleihe im Sinn von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ausgegangen.

Betriebsprüfer und Beklagter haben bei der Ermittlung der Höhe der Teilwertabschreibung zutreffend den Kurswert zum 31.05.2012 und nicht den Kurswert bei Endfälligkeit zugrunde gelegt. Dies hat die Klägerin in ihrer Klage auch nicht mehr in Zweifel gezogen.

 

3) Die danach zulässige Teilwertabschreibung von 159.111 € ist allerdings entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG um 40 % zu kürzen. Die Voraussetzung des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG liegen nicht vor.

Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen oder mit Vergütungen nach § 3 Nr. 40a EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zu 60 % abgezogen werden. Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Gemäß § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG ist für die Anwendung des Satzes 1 die Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 40 EStG oder von Vergütungen i.S. § 3 Nr. 40a EStG ausreichend. Aus dem Wortlaut des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ergibt sich zudem, dass ein rechtlicher Zusammenhang nicht erforderlich ist und - im Gegensatz zu § 3c Abs. 1 EStG -auch ein nur mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang für das Eingreifen des Abzugsverbots ausreicht (z.B. BFH, Urteil vom 28.02.2013 IV R 49/11, BStBl II 2013, 802).

Nach dem Normzweck des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG sollen allerdings (nur) solche Ausgaben lediglich anteilig berücksichtigt werden, die mit nach § 3 Nr. 40 EStG ebenfalls nur anteilig besteuerten Einnahmen in Zusammenhang stehen, um eine inkongruente Begünstigung auszuschließen. Die Norm bezweckt also nur, dass bei steuerbefreiten Einnahmen kein doppelter steuerlicher Vorteil durch den zusätzlichen Abzug von mit diesen Einnahmen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt wird. Dementsprechend greift das Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG nicht ein, soweit Aufwendungen vorrangig durch voll steuerpflichtige Einnahmen veranlasst und daher bei der Ermittlung entsprechend voll steuerpflichtiger Einkünfte als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Denn in diesem Fall kommt es nicht zu einer Doppelbegünstigung durch (teilweise) steuerfreie Einnahmen und gleichwohl (voll) abzugsfähige Aufwendungen (BFH in BStBl II 2013, 802 [BFH 28.02.2013 - IV R 49/11]).

Die Voraussetzung für eine Anwendung des § 3c Abs. 2 S. 1 EStG liegen nach Auffassung des Senats nicht vor. Der Beklagte überdehnt den Anwendungsbereich der Norm, wenn er mit seiner wertenden Betrachtung einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Teilwertabschreibung auf die Aktienanleihe und möglichen späteren Einnahmen aus der Aktie gemäß § 3 Nr. 40 EStG bejaht. Die Teilwertabschreibung ist vielmehr durch (vorrangig) voll steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst. Einkünfte aus einer Aktienanleihe unterfallen nicht § 3 Nr. 40 EStG; Aktienanleihen zählen insbesondere nicht zu „Anteilen an Kapitalgesellschaften“ im Sinn von § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG (Tormöhlen in Korn, EStG, § 3 Nr. 40 Rz. 24 ; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 63; § 15 EStG Rz. 1566). Bis zur Ausübung des Tilgungswahlrechts durch die Emittenten war der Klägerin nur das Wirtschaftsgut „Aktienanleihe“ zuzurechnen. Sie war auch nicht bereits wirtschaftliche Eigentümerin der später als Tilgungsleistung gelieferten Aktien. Entsprechend dem Charakter der Aktienanleihe als so genannte Hochzinsanleihe stand die Erzielung über dem normalen Marktzins liegender Zinseinkünfte im Vordergrund. Auch wenn der Erwerber einer Aktienanleihe sich des Risikos bewusst ist, dass er unter Umständen statt des eingesetzten Kapitals nur Aktien im geringeren Nominalwert zurückerhält, so geht es ihm vorrangig doch um die Zinseinkünfte aus dem festverzinslichen Wertpapier. Er geht im Ergebnis kein anderes, höheres Risiko ein als ein Darlehensgeber, der einem Schuldner mit schlechter Bonität ein Darlehen gegen einen risikogerechten Zins einräumt.

Gegen die Anwendung des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG spricht zudem folgende Überlegung. Hätte die Klägerin im Falle einer positiven Entwicklung der unterlegten Aktie die Anleihe vor Endfälligkeit zu einem Wert über ihren eigenen Anschaffungskosten veräußert, so hätte sie den daraus erzielten Gewinn in vollem Umfang versteuern müssen (Scherrer, DStR 1999, 1205,1208). Wenn aber Substanzgewinne aus einer Wertsteigerung oder Veräußerung eines im Betriebsvermögen gehaltenen Wirtschaftsguts voll steuerpflichtig sind, kann umgekehrt das Teilabzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nicht Substanzverluste bei diesen Wirtschaftsgütern erfassen (zu diesem Überlegungsansatz im Zusammenhang mit Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen etwa BFH in BStBl II 2013, 802 [BFH 28.02.2013 - IV R 49/11] zu § 3c Abs. 2 vor Einführung der Sätze 2-6 in der für Wirtschaftsjahre ab dem 31.12.2014 geltenden Fassung des EStG). § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG ist folglich auf Teilwertabschreibungen auf eine Aktienanleihe nicht anzuwenden (ohne nähere Begründung ebenso auch Kowanda, DStR 2017, 2403; 2406; Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 4 Rz. 144).

III. Die Errechnung der festzustellenden bzw. festzusetzenden Beträge wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

 

 

 

 

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