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RdF-News
16.05.2022
RdF-News
LG Hamburg: Frühere Anlageberatung wirkt fort und begründet Auklärungspflicht über neue Umstände

LG Hamburg, Urteil vom 8.11.2021 – 322 O 96/21

ECLI:DE:LGHH:2021:1108.322O96.21.00

Volltext des Urteils: RdFL2022-144-1

Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unzureichender Anlageberatung in Anspruch.

Die Klägerin zeichnete unter Mitwirkung der Beklagten am 29. November 2016 bei der P. G. V.- und V.-GmbH Kauf- und Verwaltungsverträge über Container (Anl. K 9). Die Gesellschaft wurde insolvent.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe sie nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Kapitalanlage aufgeklärt. Die Beklagte sei deswegen verpflichtet, ihr den insoweit entstandenen Schaden zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie die Klage in der Hauptsache in Höhe von € 4.486,24 für erledigt erklärt hat,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 49.187,74 nebst Zinsen in Höhe von   5 %-Punkten über den Basiszinssatz seit dem 21. November 2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der verbleibenden Rechte aus dem Vergleich mit dem Insolvenzverwalter Dr. J. über die Höhe der anerkannten Forderung im Insolvenzverfahren über die P. G. V.- und V.-GmbH (..., AG M.) in Bezug auf die streitgegenständlichen Verträge Nr.... und Nr.... vom 29. November 2016,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen wirtschaftlichen und steuerlichen Nachteilen, insbesondere einer Rückzahlung der erhaltenen Mieten freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus den streitgegenständlichen P. Containerkaufverträgen Nr.... und Nr.... vom 29. November 2016 resultieren und die ohne Abschluss dieser Verträge nicht eingetreten wären,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.194,72 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. November 2020 zu zahlen (außergerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in einer Höhe von 1,5 Geschäftsgebühr),

4. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die Klägerin sei durch frühere Beratungen über die Kapitalanlage aufgeklärt worden. Ein Wunsch nach einer erneuten Beratung habe es vor Abschluss der vorliegenden Geschäfte nicht gegeben.

Wegen des übrigen Vortrages der Parteien wird auf die zur Akte gelangten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist begründet aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der vertraglichen Auskunftspflicht.

Zwischen der Beklagten und der Klägerin ist ein konkludenter Auskunftsvertrag zustande gekommen. Das gilt sowohl, wenn man von dem Vortrag der Klägerin ausgeht, wonach zu den vorliegenden Geschäften eine Beratung stattgefunden hat, als auch wenn man mit dem Beklagtenvortrag davon ausgeht, dass die Klägerin vor der hier streitgegenständlichen Kapitalanlage nicht den Wunsch nach einer Beratung geäußert hat und dementsprechend auch keine stattgefunden hat.

Denn die Beklagte trägt selbst vor, dass die Klägerin durch frühere Beratung mit Sohn und Ehemann über die Kapitalanlage aufgeklärt worden sei. Die Beklagte musste daher davon ausgehen, dass die Klägerin die Beteiligung auf der Grundlage der behaupteten früheren Beratung zeichnete. Die Beklagte hätte deshalb überprüfen müssen, ob der Inhalt ihrer früheren Beratung weiter gelten würde. Dazu hätte gehört, zu prüfen, ob es neue relevante Informationen über die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken gab. Insbesondere hätte die Beklagte sich über die eingeschränkten Bestätigungsvermerke in den Jahresabschlüssen der P. G. V.- und V.-GmbH informieren und die entsprechenden Informationen an die Klägerin weitergeben müssen. Die Kammer folgt insoweit den rechtlichen Überlegungen des Landgerichts München I in der als Anlage K 40 zur Akte gereichten Entscheidung. Diese Verpflichtung hat die Beklagte verletzt.

Nach der Vermutung des aufklärungspflichtigen Verhaltens ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Kapitalanlage bei ordnungsgemäßer Information nicht gezeichnet hätte.

Die Beklagte ist verpflichtet, den der Klägerin entstandenen Schaden in Höhe des Anlagebetrages von € 58.290,00 abzüglich erhaltener Zahlungen von € 4.486,24 und Ausschüttungen in Höhe von € 3.159,66 und € 1.456,36 zu ersetzen.

Der Klagantrag zu 2. ist gemäß § 256 ZPO zulässig. Der Antrag ist auch begründet. Zur näheren Begründung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Zinsen auf die zugesprochene Hauptforderung stehen der Klägerin gemäß §§ 286, 288 Abs, 1 BGB zu.

Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten aus denselben Gründen wie auf den Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Hauptforderung. Die Klägerin durfte die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur vorprozessualen Rechtsverfolgung angesichts des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache für erforderlich halten.

Zinsen auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten stehen der Klägerin gemäß § 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB ab Rechtshängigkeit im ausgeurteilten Umfang zu.

Soweit die Klägerin den Rechtsstreit einseitig in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, ist dies dahin auszulegen, dass die Erledigung festgestellt werden soll.

Dieser Teil der Klage ist zulässig und begründet. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die Klage auch in dem für erledigt erklärten Teil begründet. Die Erledigung ist durch Zahlung des Insolvenzverwalters nach Rechtshängigkeit eingetreten.

Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.

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