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RdF-News
16.09.2014
RdF-News
FG Düsseldorf: „Ewige“ Hybridanleihen fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a. F.

FG Düsseldorf, Urteil vom 31.8.2012 – 3 K 4554/11, Rev. eingelegt (Az. BFH VIII R 70/13)

Sachverhalt

Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus der Veräußerung von Wertpapieren.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2005 von dem „X Bank …“ Wertpapiere, zum Nennwert von insgesamt 100.000,- Euro. Ebenfalls im Jahr 2005 erwarb sie von der „Y …“ Wertpapiere, zum Nennwert von insgesamt 200.000,- Euro.

Bei beiden Wertpapiertypen handelt es sich um Schuldverschreibungen mit unendlicher Laufzeit. Die Emittenten haben das Recht, die Schuldverschreibungen zu von ihnen bestimmten Zeitpunkten zu kündigen und (vorbehaltlich der Genehmigung der Versicherungsaufsicht) zurückzuzahlen. Ob und wann die Kündigung ausgeübt wird, steht im freien Ermessen der Emittenten. Ein Kündigungsrecht des Anlegers besteht nicht.

Die Schuldverschreibung der X Bank bietet nach den Emissionsbedingungen für die ersten fünf Jahre eine feste Verzinsung (Kupon) von 6 % p.a. Danach wird sie mit dem Vierfachen der Differenz zwischen dem 10-Jahres Euro Swapsatz und dem 2-Jahres Euro Swapsatz zum jeweiligen Fixing verzinst, wobei die minimale Verzinsung 3,5 % p.a. und die maximale Verzinsung 10,00 % p.a. entspricht.

Die Schuldverschreibung der Y wird nach den Emissionsbedingungen für den Zeitraum 25. Januar 2005 bis 24. Januar 2009 mit einem festen Satz von 5 % p.a. verzinst. Ab dem 25. Januar 2009 wird sie ebenfalls mit dem Vierfachen der Differenz zwischen dem 10-Jahres Euro Swapsatz und dem 2-Jahres Euro Swapsatz verzinst. Die minimale Verzinsung beläuft sich auf 3,00 % p.a. und die maximale Verzinsung auf 10,00 % p.a.

Bei beiden Anlageformen sind die Kuponzahlungen − sowohl in der Festzinsphase als auch in der Phase der variablen Verzinsung − nicht-kumulativ (d.h. mit der Möglichkeit zum Kuponaufschub ohne Verpflichtung zur Nachzahlung) ausgestaltet. Die Kuponzahlungen sind zudem davon abhängig, dass die Eigenkapitalausstattung der Emittenten eine Ausschüttung erlaubt (vgl. hierzu z.B. S. 11f. der Y-Produktinformation, ESt-Akte). Die Verpflichtungen der Emittenten aus den Schuldverschreibungen sind laut den Emissionsprospekten tief nachrangig, d.h. sie gehen den Ansprüchen von allen nicht-nachrangigen Gläubigern sowie bestimmten nachrangigen Gläubigern im Rang nach. Die Verpflichtungen gehen dem Aktienkapital und sämtlichen Aktiengattungen der Emittenten im Rang vor.

Im Streitjahr 2008 veräußerte die Klägerin beide Anleihen und erzielte hierbei Verluste in Höhe von insgesamt ./. 121.000,- Euro (./. 32.500,- Euro aus der X Bank-Anleihe und ./. 89.000,00 Euro aus der Y-Anleihe, vgl. Bl. 11 der Erträgnisaufstellung vom 11.02.2009).

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2008 machte die Klägerin einen Verlust von ./. 80.043,- Euro als negative Kapitaleinkünfte (Anlage KAP Zeile 32) geltend. Diesen Verlust berechnete sie wie folgt:

 

Zinsen aus ausländischen Anleihen

23.926,65 Euro

Seite 9 Erträgnisaufstellung

Erträge aus ausländischen Investmentanteilen

17.531,20 Euro

Seite 11 Erträgnisaufstellung

Zwischensumme

41.457,85 Euro

 

Negative Marktrendite

./. 121.500,00 Euro

Seite 15 Erträgnisaufstellung

Summe

./. 80.042,15 Euro

 

Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 21.01.2010 erkannte das Finanzamt (FA) den Verlust zunächst teilweise, nämlich in Höhe von ./. 66.146,00 Euro, an. Diesen Verlust errechnete das FA, indem es dem geltend gemachten Verlust von ./. 80.042,15 Euro eine auf das Wertpapier … entfallende Ertragsthesaurierung von 13.895,40 (Seite 11, Erträgnisaufstellung) hinzurechnete. In den Erläuterungen zum Bescheid forderte das FA die Klägerin auf, zur Ermittlung der Emissionsrenditen die Emissionsprospekte einzureichen.

Die (steuerlich vertretene) Klägerin reichte am 02.07.2010 die Emissionsbedingungen der Y-Schuldverschreibung beim FA ein.

Daraufhin änderte das FA die Einkommensteuerfestsetzung 2008 mit Einkommensteuerbescheid vom 29.09.2010 ab und brachte bei den Kapitaleinkünften der Klägerin einen Betrag von 41.457,85 Euro in Ansatz.

Zur Begründung führte das FA aus, die negative Marktrendite in Höhe von insgesamt ./. 121.500,00 Euro sei nicht zu berücksichtigen. Bei den Schuldverschreibungen handele es sich ausweislich der Emissionsbedingungen um variabel verzinsliche Anleihen (sog. Floater). Bei derartigen Wertpapieren könne laut Urteil des Bundesfinanzhofs −BFH− vom 20.11.2006 VIII R 97/02 (BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555) klar zwischen der Ertrags- und der Vermögensebene unterschieden werden. Bei dieser Sachlage fehle es an einer Voraussetzung zur Geltendmachung der negativen Marktrenditen.

Gegen den Änderungsbescheid vom 29.09.2010 legte die Klägerin am 21.10.2010 Einspruch ein.

Zur Begründung führte sie aus, der dem BFH-Urteil vom 20.11.2006 VIII R 97/02 a.a.O. zugrundeliegende Sachverhalt sei mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar. Im Gegensatz zum dortigen Sachverhalt seien bei den Schuldverschreibungen der Y und der X Bank keine festen Laufzeiten vereinbart worden. Darüber hinaus sei die Verzinsung nach Ablauf der anfänglichen fünf- bzw. sechsjährigen Festverzinsungsphasen für die weitere Laufzeit von zwei variablen Größen abhängig. Aufgrund der unbegrenzten Laufzeit und der über weite Strecken bestehenden variablen Verzinsung sei bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen keine Emissionsrendite ermittelbar gewesen. Die festgelegten Mindest- bzw. Höchstverzinsungen begrenzten lediglich einen Korridor, innerhalb dessen sich die Verzinsungen bewegen könnten. Aus diesem Grund gelte gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Marktrendite, d.h. der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, als Kapitalertrag.

Das FA verblieb indes – nach Abstimmung mit der Oberfinanzdirektion– sowie unter Hinweis auf das Urteil des 15. Senats des Finanzgerichts Düsseldorf vom 15.12.2010 (15 K 2640/09 E, n.v.) bei seiner Auffassung. Es teilte der Klägerin mit Verfügung vom 29.06.2011 mit, bei den streitgegenständlichen Schuldverschreibungen handele es sich reine Spekulationspapiere, da im Zeitpunkt der Emission weder die Kapitalrückzahlung noch die Zahlung eines Entgelts sicher gewesen seien. Derartige Spekulationspapiere seien bis 2008 nicht vom Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG erfasst, sondern gehörten zu den Geschäften, deren Erträge nur unter den (vorliegend nicht erfüllten) Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerbar seien. Die Sicherheit der Kapitalrückzahlung scheitere an der Eigenschaft der Schuldverschreibungen als Nachranganleihen. Wegen der Nachrangigkeit seien die Papiere so ausgestaltet, dass das eingeworbene Fremdkapital bankaufsichtsrechtlich Eigenkapital gleichstehe. Ebenfalls unsicher sei die Zahlung der Zinsen oder eines sonstigen Entgelts. Die laufenden Zahlungen seien davon abhängig, dass die Emittenten ausschüttungsfähige Gewinne in einem Ausmaß hätten, das eine Zahlung auf die Vorzugszertifikate und gewisse gleichrangige Instrumente erlaube. Falle die Zahlung der X Bank oder der Y aus, entfalle auch die komplette Zinszahlung bei den Anleihen. Daher sei nicht einmal der Kupon sicher – auch nicht während der Festzinsphase, denn er hänge von einem unsicheren Ereignis, der Dividendenzahlung der Emittentin, ab.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29.11.2011 wies das FA den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Unter Hinweis darauf, dass der steuerbare Bereich der Kapitaleinkünfte nicht berührt sei, ließ der Beklagte die bislang aus den Anleihen erklärten Einnahmen sowie damit im Zusammenhang stehende Werbungskosten unberücksichtigt. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2008 auf 96.301,00 Euro fest.

Hiergegen richtet sich die am 28.12.2011 erhobene Klage.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Sie macht insbesondere geltend, dass im Streitfall die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG erfüllt seien. Denn da die Schuldverschreibungen zunächst feste und später variable Verzinsungen beinhalteten, sei ein Entgelt i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG für die Überlassung des Kapitals zugesagt. Auch sei die Rückzahlung von jeweils 100 % des Kapitals zugesagt, wobei allerdings der Zeitpunkt der Rückzahlung von einer Entscheidung des Emittenten abhängig sei. Zahle der Emittent das Kapital zurück, habe er es in voller Höhe zurückzuzahlen. Soweit der Beklagte meine, die Anleihen erfüllten deshalb nicht die Tatbestandsmerkmale des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, weil die laufenden Zinszahlungen davon abhängig seien, dass die Emittenten über ausreichende Mittel verfügten, sei diese Auffassung weder vom Gesetzeswortlaut noch von der hierzu ergangenen Rechtsprechung gedeckt. Das Gleiche gelte hinsichtlich der Annahme, die Sicherheit der Kapitalrückzahlung sei aufgrund der Nachrangigkeit der Schuldverschreibung nicht gewährleistet. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift müsse die Zahlung von Entgelten für die Kapitalüberlassung oder die Rückzahlung des Kapitalvermögens lediglich „zugesagt“ sein. Hierunter sei bei verständiger Würdigung zu verstehen, dass die Emittenten zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet seien; nicht erforderlich sei, dass die Erfüllung der Leistungspflicht im Zeitpunkt der Fälligkeit der Entgeltszahlungen tatsächlich gewährleistet sei. Die Verzinsung oder die Kapitalrückzahlung müssten lediglich zugesagt oder gewährt worden sein. Der Umstand, dass die Rückzahlung einer Kapitalforderung durch eine Insolvenz des Schuldners beeinträchtigt werde, sei jeglicher Kapitalüberlassung auf Zeit immanent. Abgesehen davon sei es im Streitfall äußerst unwahrscheinlich, dass einer der beiden Emittenten insolvent werde.

Handele es sich danach um eine Kapitalforderung i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG, berechne sich der Kapitalertrag nicht nach der Emissionsrendite, sondern nach dem Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb des Wertpapiers und den Einnahmen aus der Veräußerung bzw. der Rückzahlung des Papiers. Zwar würden so unter Umständen auch realisierte Kursschwankungen der Wertpapiere in die Besteuerung nach § 20 EStG einfließen. Jedoch habe die gesetzliche Regelung bewusst in Kauf genommen, dass sich Wertveränderungen auf der Vermögensebene auch steuerlich niederschlagen. Nach der Regelung in § 20 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 EStG sei im Fall der Veräußerung von Schuldverschreibungen als Ertrag die Marktrendite anzusetzen, wenn die Wertpapiere – wie hier − keine Emissionsrendite hätten. Unter dem Begriff Emissionsrendite sei laut BFH-Urteil vom 24.10.2000 VIII R 28/99 (BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97) die von dem Emittenten bei Begebung der Anleihe von vornherein zugesagte Rendite zu verstehen, die bei Endfälligkeit mit Sicherheit (mindestens) erreicht werden könne. Im vorliegenden Fall sei eine solche Emissionsrendite nicht ermittelbar, weil die Verzinsung nach den jeweiligen Emissionsbedingungen nach Ablauf der Festverzinsungsphase von künftigen ungewissen Ereignissen abhängig sei.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 29.09.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2011 aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor:

Soweit die Klägerin ausgeführt habe, die Zinszahlungen seien während der Festzinsphase dem Grunde und der Höhe nach sicher, sei dies nicht zutreffend. Die Zinszahlungen seien daran geknüpft, dass die Eigenkapitalausstattung der Y bzw. der X Bank eine Ausschüttung erlaube bzw. die Emittenten eine Dividende zahlten. Darüber hinaus sei der Zinszahlungszeitpunkt nicht-kumulativ ausgestaltet; ausweislich der Emissionsbedingungen seien die Emittenten in bestimmten Fällen sogar daran gehindert, einen vollen oder auch nur teilweisen Kupon zu zahlen. Bei Nichtzahlung oder einer nur teilweisen Zahlung entfalle der Anspruch der Gläubiger auf den nicht gezahlten Betrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 29.09.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung −FGO−).

Der Beklagte hat die steuermindernde Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten negativen Marktrendite der streitgegenständlichen Wertpapiere zu Recht versagt.

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Nach dem Gesetzeswortlaut liegen auch dann steuerpflichtige Kapitalerträge vor, wenn die Kapitalrückzahlung zugesagt ist, aber die Zahlung eines Entgelts dem Grunde und der Höhe nach ungewiss ist (Alternative 1) oder die Kapitalrückzahlung nicht zugesagt ist, aber dem Gläubiger für die Kapitalüberlassung ein Entgelt zugesagt oder gewährt wird, wobei die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängen kann (Alternative 2). Ist nicht zumindest eine der beiden Tatbestandsvarianten erfüllt, liegt eine nicht steuerbare Vermögensanlage spekulativen Charakters vor. Mit den Tatbestandsvarianten des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG hat der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung getragen, dass Entgeltzahlung und Rückzahlung des Kapitals wirtschaftlich austauschbar sind. Eine Verlagerung des Unsicherheitselements vom Entgelt auf die Rückzahlung soll deshalb für die Besteuerung des Kapitalertrags ohne Bedeutung sein. Eine Vermeidung der an sich gebotenen Steuerpflicht kann jedoch in einer rein spekulativen Anlage mit völlig unsicherem Rückfluss von Geldmitteln nicht gesehen werden. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu ausdrücklich, dass Kapitalforderungen dann nicht zu einem steuerbaren Ertrag i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führen, wenn sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch der Ertrag unsicher sind (BTDrucks. 12/6078, S. 122 und 12/6856, S. 25). Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 2 EStG ist deshalb teleologisch dahin zu reduzieren, dass Erträge aus Kapitalforderungen nur dann vorliegen, wenn entweder die Kapitalrückzahlung oder die Höhe eines (Mindest-)Entgelts im Vorhinein sicher feststehen Auch die Tatbestandsvariante der Alternative 2 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (zwar nicht zugesagt, aber tatsächlich gewährt) erfasst lediglich solche Fälle, in denen ohne eine ausdrückliche Zusage die Leistung eines Entgelts aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung der Kapitalforderung von vorneherein, d.h. bereits im Zeitpunkt der Emission, sicher ist (BFH-Urteil vom 04.12.2007 VIII R 53/05, BFHE 219, 339, BStBl II 2008, 563; vgl. auch Stuhrmann in Blümich, EStG, § 20 Rdnr. 293a; Dötsch in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rdnr. O 77, 78).

Demnach fielen Finanzprodukte, bei denen sowohl die Kapitalrückzahlung als auch die Zahlung eines Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängen, bis einschließlich 2008 nicht in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG, sondern gehörten zu den Geschäften, deren Erträge nur unter den − vorliegend unstreitig nicht erfüllten − Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerbar waren.

Liegen dagegen die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG vor, führt die Veräußerung oder Abtretung derartiger Kapitalforderungen unter den Voraussetzungen von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zu Einnahmen aus Kapitalvermögen. Insoweit bedarf es eines Rückgriffs auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, da Gewinne aus der Veräußerung oder Abtretung sonstiger Kapitalforderungen keine Erträge i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind. Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ergänzt insoweit die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, setzt andererseits jedoch das Vorliegen einer Kapitalforderung i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG voraus (BFH-Urteil vom 04.12.2007 VIII R 53/05 a.a.O., vgl. auch Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 20 Rdnr. 175).

Nach diesen Grundsätzen erfüllen die streitigen Schuldverschreibungen nach Auffassung des Senats nicht die Voraussetzungen einer sonstigen Kapitalforderung i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG. Es handelt sich um reine Spekulationspapiere, deren Erträge insgesamt nicht steuerbar sind, da bei Emission weder die Kapitalrückzahlung noch die Zahlung eines Entgelts für die Überlassung sicher waren. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Veräußerungsverlust handelt es sich damit um einen nicht steuerbaren Verlust auf der Vermögensebene.

Die Sicherheit der Kapitalrückzahlung scheitert insbesondere an der Eigenschaft der Schuldverschreibungen als Nachranganleihen. Nach den Emissionsbedingungen stellen beide Schuldverschreibungen tief nachrangige Verbindlichkeiten dar, so dass im Falle der Insolvenz der Emittenten die Schuldverschreibungen nur dann zurückgezahlt werden, wenn zuvor alle nicht-nachrangigen und bestimmte nachrangige Verbindlichkeiten vollumfänglich bedient worden sind. Damit tragen jene Gläubiger ein deutlich höheres Kreditrisiko als die der erstrangigen Verbindlichkeiten, denn der Teil der Verluste, der durch das Eigenkapital nicht mehr gedeckt ist, wird zunächst von ihnen allein getragen. Erst Verluste, die auch die nachrangigen Verbindlichkeiten aufzehren, beeinträchtigen auch die Erfüllung der erstrangigen Verbindlichkeiten. Die streitgegenständlichen Schuldverschreibungen sind daher sehr stark dem Eigenkapital angenähert. Diese Beurteilung ergibt sich auch aus der unendlichen Laufzeit der Papiere in Verbindung mit dem Umstand, dass die Gläubiger kein Recht haben, die Rückzahlung des überlassenen Kapitals zu verlangen. Wie beim Eigenkapital stehen die gewonnenen Mittel den Emittenten damit permanent zur Verfügung. Lediglich im Falle einer − von Seiten der Anleger nicht beeinflussbaren − Kündigung durch die Emittenten kommt es zur Rückzahlung der Anleihe.

Ebenfalls unsicher ist die Zahlung von Zinsen oder eines sonstigen Entgelts.

Die Zinszahlungen sind ausweislich der Emissionsbedingungen beider Papiere − wie der Klägervertreter auf Befragen des Senats in der mündlichen Verhandlung erläutert hat − daran geknüpft, dass die Eigenkapitalausstattung der Emittenten eine Ausschüttung ermöglicht bzw. dass eine Dividende gezahlt wird. Fällt diese Zahlung aus, entfällt auch die Zinszahlung aus der Anleihe. Die laufenden Zahlungen sind daher im Ergebnis davon abhängig, dass die Emittenten ausschüttungsfähige Gewinne in einer Höhe haben, die eine Zahlung an sämtliche vorrangige und bestimmte gleichrangige Anleger erlaubt. Die Zahlungen sind dabei kumulativ aufschiebbar, so dass Kuponzahlungen ohne eine Verpflichtung zur Nachzahlung und ohne zeitliche Begrenzung (ggf. bis zum Gebrauch des Kündigungsrechts durch den Emittenten) verschoben werden oder gar ganz ausfallen können, ohne dass dies als Ausfall gewertet wird. In bestimmten Fällen sind die Emittenten ausweislich der Emissionsbedingungen sogar daran gehindert, einen Kupon zu zahlen. Zu Recht weist der Beklagte daher darauf hin, dass nicht einmal während der Festzinsphase die Kuponzahlungen sicher sind. Im Ergebnis stehen die Gläubiger der vorliegenden Schuldverschreibungen damit deutlich schlechter als bei regulären Anleihen, bei denen das überlassene Kapital dem Unternehmen nur für eine bestimmte Zeit zur Verfügung steht und die Zinszahlungen zu vorab festgelegten Terminen zu leisten sind.

Die Voraussetzungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG liegen daher nicht vor. Da somit der steuerbare Bereich der Kapitaleinkünfte nicht berührt ist, entfällt bereits aus diesem Grund der geltend gemachte Veräußerungsverlust. Die Frage einer steuermindernden Berücksichtigung der negativen Marktrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG stellt sich vorliegend daher nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO liegen nach Auffassung des Senats nicht vor.

 

 

 

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