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RdF-News
14.09.2011
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OLG Köln: Aufklärungspflicht der Bank bei Eigengeschäften

OLG Köln, Urteil vom 4.5.2011 - 13 U 165/10, I-13 U 165/10

Sachverhalt

I. Die Klägerin begehrt mit der Klage den Ersatz des Schadens, der ihr durch den Abschluss eines von der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) angeratenen Wertpapiergeschäftes entstanden ist.

Nach einer Beratung durch die Mitarbeiterin U der Beklagten erwarb die Klägerin im Februar 2007 nach näherer Maßgabe der als Anlage K 2 zur Klageschrift vorgelegten Bestätigung der Beklagten 22 Global Champions ZT07 Zertifikate (WKN: AOMJHE) der Lehman Brothers Treasury CO. B.V., einer niederländischen Tochtergesellschaft der US-Investmentbank Lehman Brothers, zu einem Gesamtbetrag von 22.000 €. Diese Zertifikate sind nach der Insolvenz der Muttergesellschaft wertlos.

Die Klägerin legt der Beklagten Aufklärungsversäumnisse zur Last. Die Beklagte habe weder anleger- noch anlagegerecht beraten, da sie, die Klägerin, weder über die Funktionsweise und die Risiken dieser Form der Vermögensanlage informiert noch auf ein mögliches Totalverlustrisiko hingewiesen worden sei. Zudem habe die Beklagte Provisionen erhalten, über die und das daraus resultierende Eigeninteresse am Vertrieb der Wertpapiere sie hätte aufklären müssen.

Das Landgericht, auf dessen Entscheidung wegen der tatsächlichen Feststellungen, der dort gestellten Anträge und der Einzelheiten der rechtlichen Würdigung Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), hat die Beklagte zur Rückzahlung des Anlagebetrages abzüglich der an die Klägerin ausgeschütteten Bonuszahlung von 1.925 € sowie zum Ersatz ebenfalls geltend gemachter, vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten - jeweils Zug-um-Zug gegen Rückgewähr der Zertifikate - mit der Begründung verurteilt, dass die Beklagte jedenfalls ihre Verpflichtung zur Offenlegung der - unstreitig erhaltenen - Vertriebsprovision von 3,5 % verletzt habe und anzunehmen sei, dass die Klägerin bei genügender Aufklärung die Papiere nach der von der Beklagten nicht widerlegten Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht erworben habe. Lediglich den Ersatz entgangenen Gewinns in Form von fiktiven Anlagezinsen könne die Klägerin mangels ausreichenden Sachvortrags dazu nicht verlangen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags ihr Ziel der Abweisung der Klage weiter. Sie ist insbesondere der Auffassung, bei richtiger Bewertung handele es sich bei ihrer Rechtsbeziehung zur Klägerin nicht um ein Kommissions-, sondern - weil sie die von ihr zuvor von der Emittentin erworbenen Zertifikate wie ein Fachhändler zu einem festen Preis verkauft habe - um ein Festpreisgeschäft, in dessen Rahmen Aufklärungspflichten über die von ihr erzielte Gewinnmarge nicht bestünden. Selbst wenn man dies aber anders sehe, sei die Verpflichtung durch die auf der Rückseite der Wertpapierabrechnungen erteilten Informationen in ausreichender Weise erfüllt. Jedenfalls fehle es aber entgegen der Auffassung des Landgerichts an der erforderlichen Kausalität einer etwaigen Aufklärungspflichtverletzung. Es sei lebensnah, anzunehmen, dass die Klägerin die Zertifikate mit Rücksicht auf die Qualität der Beratung auch dann erworben habe, wenn sie von der geringen Marge der Beklagten Kenntnis gehabt habe. Das zeige auch das Anlageverhalten ihrer Kunden im Allgemeinen: Nach Versendung einer allgemeinen Kundeninformation über die von ihr bei derartigen Geschäften erzielten Erträge im September 2007 habe sich das Volumen ihrer Zertifikatgeschäfte nicht nennenswert verändert, seit Beginn des Jahres 2008 seien sogar - trotz der Finanzkrise - erhebliche Zuwächse in diesem Geschäftsbereich zu verzeichnen.

Auf den Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 23.2.2011 - wegen dessen Inhalt auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 240 R GA) verwiesen wird - hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.3.2011 näher zu den Umständen des Zustandekommens der Vertragsbeziehung der Parteien vorgetragen: Sie ist der Auffassung, dass sich daraus für die Klägerin unzweifelhaft ergeben habe, dass sie - die Beklagte - nicht als Kommissionärin, sondern als Verkäuferin der Zertifikate aufgetreten sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags und bestreitet insbesondere, von der Beklagten bzw. ihrer Mitarbeiterin U in irgendeiner Weise darüber unterrichtet worden zu sein, dass die Zertifikate im Wege eines Festpreisgeschäftes von der Beklagten veräußert werden sollten und dass sie - die Beklagte - daraus Erträge erziele, die bereits im Kaufpreis enthalten seien. Sie sei von der Beklagten lediglich - wenn auch nach Maßgabe ihres erstinstanzlichen Sachvortrags unzureichend - über das Zertifikat als solches beraten worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Aus den Gründen

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass die Beklagte ihre gegenüber der Klägerin bestehenden Pflichten schuldhaft verletzt hat.

1. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist.

Nach der Rechtsprechung hängen Inhalt und Umfang der Beratungspflichten von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein (ständige Rspr., vgl. BGH NJW 2006, 2041 = WM 2006, 851 Rn. 12; BGHZ 178, 149 = NJW 2008, 3700). Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft. Der Anlageberater hat außerdem zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welche Anlageziele der Kunde verfolgt (grundlegend BGHZ 123, 126, 128). Darüber hinaus ist der Berater verpflichtet, das beabsichtigte Anlagegeschäft im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse und Ziele des Anlegers zu bewerten und zu beurteilen. In Bezug auf den Anlagegegenstand hat sich die Beratung auf die jeweiligen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die Anlageentscheidung eine wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den allgemeinen (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsen- bzw. Kapitalmarkts) und den speziellen Anlagerisiken, welche sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. Mit dem Beratungsvertrag übernimmt die Bank auch die Pflicht, eine allein am Kundeninteresse ausgerichtete Empfehlung abzugeben. Sie muss daher Interessenkollisionen, die das Beratungsziel in Frage stellen und die Kundeninteressen gefährden, vermeiden bzw. diese offen legen. Dieser zivilrechtliche Grundsatz ist aufsichtsrechtlich für den Bereich der dem Wertpapierhandelsgesetz unterfallenden Geschäfte in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG normiert (BGH BGHZ 170, 226; WM 2009, 405; WM 2010, 1694; WM 2011, 682).

2. Diese Verpflichtung hat die Beklagte im vorliegenden Fall dadurch verletzt, dass sie die Klägerin über die von ihr aus dem streitgegenständlichen Rechtsgeschäft unstreitig erzielten Erträge und den damit verbundenen Interessenkonflikt im Unklaren gelassen hat.

a. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa WM 2007, 487; WM 2009, 405; WM 2009, 1274) muss eine Bank, die einem Anleger den Erwerb bestimmter Anlageprodukte empfiehlt, diesen ungefragt darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe sie umsatzabhängige Rückvergütungen vom Anbieter des Produkts erhält. Die Aufklärung über derartige Rückvergütungen ist notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank offen zu legen; sie ist nicht auf den Anwendungsbereich des WpHG beschränkt, sondern - weil sie sich aus dem zivilrechtlich allgemein anerkannten Grundsatz der Vermeidung von vertragswidrigen Interessenkonflikten ergibt - zwar aufsichtsrechtlich für den Bereich des Wertpapierhandels normiert worden, beansprucht aber auch für Fälle außerhalb diese Bereiches Geltung (vgl. KK-WpHG/Möllers § 31 Rdn. 23 m.w.Nachw.; auch Palandt, Kommentar zum BGB, 70. Auflage 2011, § 654 Rdn. 4). Erst durch die Aufklärung wird der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen (vgl. Assmann/Schneider/Koller, WpHG 4. Aufl. § 31 Rdn. 74; a.A. Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar 3. Aufl. § 31 WpHG Rdn. 27) und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient.

b. Ob diese Rechtsprechung - wie das Landgericht unter Hinweis auf den zivilrechtlich allgemein anerkannten Grundsatz der Vermeidung von Interessenkonflikten angenommen hat - ohne weiteres auf jeden Erwerb/Vertrieb einer Kapitalanlage und damit auch auf Zertifikate zu übertragen ist, erscheint dem Senat zwar zweifelhaft: Werden Zertifikate - wie im Streitfall von der Beklagten behauptet - im Wege des Festpreisgeschäfts vertrieben, d.h. verkauft die beratende Bank die von ihr zuvor vom Emittenten zu einem geringeren Preis erworbenen Wertpapiere zu einem höheren Betrag aus ihrem eigenen Bestand an den Kunden, muss dieser angesichts des bei einem Verkauf auf der Hand liegenden Gewinnerzielungsinteresses der Bank über die reine Gewinnmarge grundsätzlich nicht aufgeklärt werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.10.2010 - 19 U 127/120; OLG Hamburg, BB 2010, 1098; in Bezug auf Eigenprodukte der Bank (Zinsswaps) auch BGH WM 2011, 682).

Im vorliegenden Fall kann jedoch offen bleiben, ob die Klägerin die Zertifikate von der Beklagten im Wege eines Festpreis- oder Eigengeschäftes erworben hat oder ob die Beklagte insoweit auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages als Kommissionärin für die Klägerin gehandelt hat, denn auch bei Annahme eines Festpreisgeschäftes hat die Beklagte ihre Aufklärungspflicht gegenüber der Klägerin verletzt:

aa) Bei Vorliegen eines Kommissionsgeschäftes - welches bei Aufträgen zum Kauf von Wertpapieren den Regelfall darstellt (vgl. BGH NJW-RR 02, 1344, 1345) und wofür der Inhalt der von der Beklagten zitierten (S. 11 der Klageerwiderung - Bl. 49 GA), mit dem behaupteten Festpreisgeschäft nicht ohne weiteres in Einklang zu bringenden Broschüre "Informationen zum Wertpapiergeschäft" (danach ist die Vergütung der Bank bei Eigenzertifikaten im Festpreis enthalten, während sie bei - wie hier - Fremdzertifikaten vom jeweiligen Emittenten für ihre Dienst- und Beratungsleistungen u.a. eine einmalige Vertriebsprovision von bis zu 3,5% erhält) ebenso spricht wie die der Klägerin erteilte, eine Auftragsausführung und einen Ausführungspreis an der Frankfurter Börse ausweisende und damit selbst nach dem Vortrag der Beklagten (S. 10 der Klageerwiderung - Bl. 48 GA) bis auf die fehlende Berechnung einer Ausführungsprovision einem Kommissionsgeschäft entsprechende Wertpapierabrechnung vom 6.2.2007 (Anlage K 2 zur Klageschrift) - war die Beklagte nach den Grundsätzen der oben unter a) angeführten Kick-back-Rechtsprechung des BGH verpflichtet, über die Höhe an sie vom Emittenten gezahlter (Vertriebs)provisionen (hier: 3,5%) aufzuklären. Die von der Beklagten in diesem Kontext zitierte Entscheidung des BGH vom 27.10.2009 (XI ZR 338/08 - WM 09, 2306 ff., Tz. 31), wonach aufklärungspflichtige Rückvergütungen nur vorliegen, wenn Teile der vom Kunden über die Bank an die Fondsgesellschaft gezahlten Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren hinter dem Rücken des Kunden umsatzabhängig an die Bank zurückfließen, steht einer Aufklärungspflicht nicht entgegen. Der BGH hat insoweit mit Beschluss vom 9.3.2011 (XI ZR 191/10) ausdrücklich klargestellt, dass sich die Aufklärungspflicht der beratenden Bank nicht auf Ausgabeaufschläge und Verwaltungsgebühren beschränkt, sondern auch auf ohne Wissen des Kunden umsatzabhängig an sie gezahlte Vertriebsprovisionen erstreckt.

bb) Geht man demgegenüber mit der Beklagten davon aus, dass sie die Zertifikate aus ihrem eigenen Bestand im Wege eines Festpreisgeschäftes an die Klägerin verkauft hat und nimmt weiter an, dass die Beklagte mit der einmaligen Vertriebsprovision lediglich ihre Gewinnmarge realisiert hat, mag sie zwar - wie oben dargelegt - nicht nach den Grundsätzen der sog. Kick-back Rechtsprechung verpflichtet gewesen sein, die Klägerin über die Höhe dieser Marge aufzuklären. Eine so weitgehende, auch die (Höhe der) Gewinnmarge aus einem Wertpapierverkauf umfassende Aufklärungspflicht der Bank ist dieser, die Vermittlung von Kapitalanlagen durch die beratende Bank und nicht einen Wertpapierkauf betreffenden Rechtsprechung (BGHZ 170, 226, 234 ff.; WM 09, 405 und 1274) nicht zu entnehmen.

3. Nach Auffassung des Senats oblag es der Beklagten in diesem Fall aber, die Klägerin unmissverständlich zumindest auf ihre - neben der Beraterrolle bestehende - Verkäufereigenschaft und den daraus folgenden Interessenkonflikt hinzuweisen. Dass ein Verkäufer - und damit auch ein Kreditinstitut in dieser Funktion - mit dem Verkauf von Produkten Gewinne erzielt und sich insoweit in einem offenkundigen Interessenkonflikt befindet, kann einer Aufklärungspflicht dann nicht entgegen gehalten werden, wenn der Kunde - anders als bei der Empfehlung von Eigenprodukten der Bank, bei denen das Eigeninteresse der Bank offensichtlich ist (vgl. BGH WM 11, 682; 10, 885) - diesen Sachverhalt nicht kennt und er das Kreditinstitut hinsichtlich des ihm empfohlenen Fremdprodukts als neutralen, allein den Kundeninteressen verpflichteten Berater ansieht. Nur bei einer - für die gebotene Aufklärung allerdings auch ausreichenden - Offenlegung des Umstands, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande kommt, kann der Kunde das mit dem Verkauf von Produkten typischerweise verbundene Umsatzinteresse der ihn beratenden Bank erkennen (vgl. auch OLG Karlsruhe WM 11, 353, 355 unter Hinweis auf BGH WM 02, 1687).

4. Die danach im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erforderliche Offenlegung der - unterstellten - Verkäufereigenschaft der Beklagten lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Die Beklagte hat - auch auf den ausdrücklichen Hinweis des Senats im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.2.2011 - im Rahmen der ihr jedenfalls obliegenden sekundären Darlegungslast mit Schriftsatz vom 15.3.2011 nicht schlüssig vorgetragen, der Klägerin gegenüber ausreichend deutlich gemacht zu haben, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um ein Eigen- oder Festpreisgeschäft handelt und die Klägerin die Zertifikate unmittelbar von der Beklagten als Verkäuferin erwirbt.

Was ihr Vorbringen zum Verlauf des Beratungsgesprächs mit der Klägerin im Februar 2007 angeht, erschöpft es sich darin, dass in dem fraglichen Gespräch von einem - festen - Kaufpreis und von Erträgen der Beklagten "aus dem Verkauf" die Rede gewesen sei. Allein daraus kann ein durchschnittlicher Anleger aber nicht hinreichend sicher ableiten, dass im konkreten Fall gerade die ihn beratende Bank der Verkäufer ist und nicht der Emittent. Die Tatsache, dass die Zertifikate - durch den Anleger oder die Bank - überhaupt in irgendeiner Form "gekauft" werden müssen bzw. "verkauft" werden, besagt noch nichts zu der Frage, ob es gerade die Bank ist, die die Verkäuferrolle einnimmt. Die von der Beklagten vorgetragenen Erklärungen ihrer Mitarbeiterin U konnten sich aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Klägerin daher auch auf einen Kauf der Zertifikate vom Emittenten - mit der Bank als Kommissionär - beziehen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, dass sich beide Parteien "geeinigt" hätten, "dass die Beklagte verpflichtet" sei, "die Zertifikate zu dem vereinbarten Kaufpreis zu übertragen". Dabei handelt es sich um nicht mehr als die Wiedergabe der nach dem Gesetz (§ 433 BGB) erforderlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Kaufvertrages, ohne dass deutlich wird, inwieweit dem entsprechende Erklärungen der handelnden Personen zugrunde gelegen haben und inwieweit der Klägerin die sich daraus ergebenden rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen bewusst gewesen sind. Dem durchschnittlichen Anleger dürften diese rechtlichen Differenzierungen regelmäßig nicht klar sein; aus der Vereinbarung eines festen Preises kann er ohnehin nicht zuverlässig schließen, dass ihm damit die Bank als Verkäuferin mit Eigeninteressen gegenüber tritt. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als die Beklagte ihren Vortrag - soweit man ihn nach dem Vorstehenden überhaupt als ausreichend für das Zustandekommen eines Festpreisgeschäftes zu verstehen hat - selbst relativiert hat ("Selbst wenn die Zeugin U aufgrund mangelnder Rechtskenntnis davon ausgegangen wäre, dass die Zertifikate im Wege eines Kommissionsgeschäftes verkauft werden...").

Auch der sonstige Vortrag der Beklagten und die der Klägerin erteilte Wertpapierabrechnung vom 6.2.2007 (Anlage K 2) reichen für die Annahme einer Offenlegung ihrer Verkäufereigenschaft nicht aus: Soweit es in der von der Beklagten zitierten Broschüre "Informationen zum Wertpapiergeschäft" (Bl. 49 GA) heißt, dass der Kunde fremde Zertifikate zu einem festen Preis unmittelbar von der Bank erwirbt (Kaufvertrag), ist das schon deshalb ohne Belang, weil diese Broschüre sämtlichen Kunden - also auch der Klägerin - nach dem Vorbringen der Beklagten (Bl. 49, 73 GA) erst im September 2007, also rund sieben Monate nach Vertragsschluss übersandt wurde und deshalb die erforderliche Aufklärung nicht - rechtzeitig - bewirken konnte. Dass der Klägerin die Broschüre - spätestens - bei Vertragsschluss vorlag, behauptet die Beklagte nicht. Gleiches gilt für die der Klägerin erst nach Vertragsschluss erteilte Wertpapierabrechnung vom 6.2.2007 - soweit sich aus der fehlenden Berechnung einer Ausführungsprovision und der Überschrift "Kauf von Wertpapieren" überhaupt ein tragfähiger Hinweis auf die Verkäuferrolle - gerade - der Beklagten herleiten lässt. Dass die Klägerin bei Vertragsschluss aus anderen Gründen davon ausgegangen sein könnte, die Beklagte stehe ihr als Verkäuferin gegenüber, ist nicht ersichtlich.

Schließlich hat die Beklagte das vorliegend zu beurteilende Rechtsgeschäft noch im Rahmen der Berufungsbegründung (dort S. 9; GA 168) im Zusammenhang mit Ausführungen zur Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung für die Anlageentscheidung der Klägerin als "Geschäftsbesorgungsvertrag" qualifiziert.

c. Eine ausreichende - für die Offenlegung des Interessenkonflikts erst recht genügende - Aufklärung der Klägerin über die von der Beklagten aus dem Geschäft erzielten Erträge (mindestens also die 3,5 %ige Vertriebsprovision) ist nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt ebenfalls nicht erfolgt.

aa) Dies ergibt sich - was die Provisionshinweise in der der Klägerin erst Monate nach dem streitgegenständlichen Rechtsgeschäft zugänglich gemachten Broschüre "Informationen zum Wertpapiergeschäft" oder etwaige Hinweise auf der Rückseite der Wertpapierabrechnung betrifft - ohne weiteres aus den vorstehenden Ausführungen.

bb) Dass die Klägerin über die fraglichen Erträge mündlich und vor dem Erwerb der Zertifikate unterrichtet worden sei, hat die Beklagte erstmals im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 15.3.2011 (GA 246 ff.) behauptet. Dieser Vortrag ist allerdings - nachdem die Klägerin ihn ausdrücklich bestritten hat (Schriftsatz vom 6.4.2011 - GA 256 ff.) - verspätet und damit prozessual unbeachtlich (§ 531 Abs. 2 ZPO). Er widerspricht überdies dem gesamten Vorbringen der Beklagten in erster Instanz und im Rahmen ihres Berufungsvorbringens bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 23.2.2011. Bereits im Rahmen der Klageerwiderung hat die Beklagte den Inhalt des mit der Klägerin geführten Beratungsgesprächs aus ihrer Sicht - einschließlich der Behauptung einer ausdrücklichen, umfassenden und detaillierten Aufklärung über die Funktionsweise und aller mit der Anlage verbundenen Risiken - ausführlich geschildert, ohne dabei eine Unterrichtung der Klägerin über die erzielten Erträge zu erwähnen. Vielmehr heißt es in dem maßgeblichen Zusammenhang (S. 17 der Klageerwiderung - GA 55) lediglich, dass sich ein Hinweis auf die Erträge "auf der Rückseite der Wertpapierabrechnung" befunden und die Klägerin hiergegen keine Einwendungen erhoben habe. Daraus - und aus dem gleichlautenden Vorbringen in der Berufungsbegründung und schließlich dem Vortrag der Beklagten zu einer angeblichen Unterrichtung der Klägerin durch die erwähnten "Informationen zum Wertpapiergeschäft" - konnte nur der Schluss gezogen werden, dass eine darüber hinausgehende mündliche Information der Klägerin gerade nicht behauptet werden sollte. Dass der Vortrag der Beklagten in diesem Sinne zu verstehen war, ergibt sich schließlich auch daraus, dass sie selbst eine rechtliche Verpflichtung zur Offenlegung ihrer Erträge mehrfach ausdrücklich in Abrede gestellt hat (S. 38 der Klageerwiderung - GA 76; S. 4 ff. der Berufungsbegründung - GA 163 ff).

Der Vortrag im Schriftsatz vom 15.3.2011, die Klägerin sei von der Beraterin U ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte aus dem Verkauf der Zertifikate Erträge erzielt, war der Beklagten auch nicht nachgelassen. Der Beklagten sollte - auf der Grundlage ihres vorstehenden, in der mündlichen Verhandlung erörterten und eine mündliche Aufklärung der Klägerin über erzielte Erträge/Provisionen gerade ausschließenden Sachvortrags - vielmehr nur Gelegenheit gegeben werden, dazu vorzutragen, ob und gegebenenfalls auf welche Weise sie zumindest ihre Verkäuferrolle gegenüber der Klägerin offen gelegt hat. Die ihr damit eingeräumte Möglichkeit, zu einem bislang nicht problematisierten rechtlichen Gesichtspunkt auch in tatsächlicher Hinsicht vorzutragen, berechtigt die Beklagte indessen nicht dazu, einen völlig neuen und ihrem bisherigen Vorbringen eklatant widersprechenden Sachvortrag in den Rechtsstreit einzuführen.

In diesem Zusammenhang geht schließlich auch der Hinweis der Beklagten (Schriftsatz vom 23.3.2011 - Bl. 290 GA) auf die Entscheidung des BGH vom 16.12.2010 (III ZR 127/10 - WM 11, 526, 527) fehl, wonach dem Anleger bei Kenntnis einer an den Anlageberater gezahlten Provision ohne Nachfrage keine näheren Angaben hierzu gemacht werden müssen. Abgesehen davon, dass die Klägerin im Streitfall nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt gerade keine Kenntnis von den Erträgen der Beklagten hatte, betrifft die Entscheidung des III. Zivilsenats des BGH die Aufklärungspflichten eines freien Anlageberaters und nicht diejenigen einer Bank.

3. Da die Pflichtverletzung der Beklagten somit objektiv feststeht, wird ihr Verschulden gemäß § 280 Abs.1 S.2 BGB vermutet.

Dies gilt aufgrund der Entscheidung des BGH vom 29.6.2010 (NJW 10, 2339) nicht nur für den Fall, dass die Beklagte im Streitfall als Kommissionärin auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrages für die Klägerin tätig geworden ist, sondern auch bei Annahme eines Festpreisgeschäftes. Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, sie habe zum Zeitpunkt der Beratung im Februar 2007 davon ausgehen dürfen, über das Erzielen von Erträgen aus Festpreisgeschäften der vorliegenden Art nicht aufklären zu müssen, da eine entsprechende Verpflichtung frühestens seit der zum damaligen Zeitpunkt aber noch nicht veröffentlichten Entscheidung des BGH vom 19.12.2006 diskutiert worden sei, vermag dies weder das Eingreifen der - gesetzlichen - Vermutung in Frage zu stellen noch ihre Widerlegung zu begründen. Die Pflichtverletzung der Beklagten liegt - ein Festpreisgeschäft unterstellt - nicht darin, der Klägerin ihre daraus erzielten Erträge - die Gewinnmarge - nicht offenbart zu haben, sondern darin, dass sie nicht auf ihre "Doppelrolle" als Beraterin und Verkäuferin hingewiesen hat. Gerade diese "Doppelrolle" kennzeichnet - für die Beklagte erkennbar - den aufklärungspflichtigen Konflikt zwischen der Verpflichtung zur Wahrung des Kundeninteresses einerseits und der Verfolgung ihres - legitimen - Umsatzinteresses andererseits. Für die Annahme eines unvermeidbaren, auch fahrlässiges Verhalten ausschließenden Rechtsirrtums der Beklagten ist angesichts dessen kein Raum. Das gilt umso mehr, als Nr. 4.3 Abs. 5 S. 1 der Richtlinie des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel vom 26.5.1997 (BAnz 1997, 6586) bei Festpreisgeschäften eine Verpflichtung der Bank zu einem Hinweis auf das Zustandekommen eines Kaufvertrages ausdrücklich vorsieht (vgl. dazu BGH NJW-RR 02, 1345).

4. Die mangelnde Aufklärung über die an die Beklagte geflossenen Provisionen war kausal für die Anlageentscheidung der Klägerin. Dies folgt aus der für die Klägerin sprechenden, grundsätzlich für alle Aufklärungsfehler eines Anlageberaters geltenden tatsächlichen Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (BGH NJW-RR 2007, 1329; WM 2009, 274; WM 2009, 789; WM 2009, 1274; WM 2011, 682; Stackmann, NJW 2009, 3265/68; anders, aber unzutreffend Veit, WM 2009, 2193/2201 sowie Herresthal ZBB 2009, 348/61), die die Beklagte nicht hat widerlegen können. Soweit sie erstinstanzlich auf spätere Anlagegeschäfte der Klägerin verwiesen hat, ist dies aus den bereits vom Landgericht angeführten Gründen, auf die der Senat zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug nimmt, nicht geeignet, die Vermutung zu widerlegen. Ebenso wenig kann aus dem (nach der Behauptung der Beklagten trotz zwischenzeitlicher Information über Erträge unveränderten) Anlageverhalten einer Vielzahl anderer Anleger ein Rückschluss darauf gezogen werden, wie sich speziell die Klägerin bei einer rechtzeitigen und inhaltlich zureichenden Unterrichtung über die Vergütung der Beklagten oder deren Verkäuferfunktion verhalten hätte. Schließlich reicht auch eine - von der Beklagten behauptete - allgemeine Kenntnis des typischen Anlegers davon, dass eine Bank ihre Beratungsleistungen im Allgemeinen nicht unentgeltlich erbringe, schon deshalb nicht aus, die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zu widerlegen, weil die Bank bei - wie auch im Streitfall (vgl. Anlage K 2) - Verwahrung der vom Kunden erworbenen Wertpapiere im Depot regelmäßig Depotgebühren erhebt und der Kunde mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon ausgehen kann, dass sich die Bank hierdurch ihre Dienstleistung vergüten lässt.

5. Was den Umfang des danach bestehenden Schadensersatzanspruchs der Klägerin angeht, nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug. Die Klägerin kann verlangen, so gestellt zu werden, als wären die Zertifikate im Februar 2007 nicht erworben worden. Das führt zu einem Rückzahlungsanspruch der Klägerin in der im Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung genannten Höhe nebst Verzugszinsen Zug-um-Zug gegen Abtretung der Rechte an den streitgegenständlichen Wertpapieren sowie einem Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision im Hinblick auf die in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte unterschiedlich beurteilte (vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. vom 1.12.2010 - 17 U 3/10; OLG Karlsruhe a.a.O.) und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht abschließend geklärte Frage zu, inwieweit die Bank bei der Beratung von Anlegern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertpapieren im Wege eines Festpreisgeschäfte zur Offenlegung ihrer Rolle als Verkäuferin verpflichtet ist.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.075 €

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