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RdF-News
13.09.2021
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EFTA-Gerichtshof: Öffentliches Angebot von Wertpapieren

EFTA-Gerichtshof, Urteil vom18.6.2021 – E-10/20, zwischen ADCADA Immobilien AG PCC in Konkurs und Finanzmarktaufsicht

Volltext des Urteils: RdFL2021-227-1

Gutachten

1. Ob ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere erteilt wurden, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung der Wertpapiere im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, zu entscheiden, ist im Einzelfall zu beurteilen.

Unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens handelt es sich – vorbehaltlich der Verifizierung durch die vorlegende Stelle – um ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2017/1129.

2. Es kann zur Beurteilung der Frage, ob ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2017/1129 vorliegt, relevant sein, wenn eine Mitteilung gewisse gut ersichtliche Hinweise enthält, dass weitere Informationen anderweitig eingeholt werden können und die vollständigen Anleihenbedingungen nicht online abrufbar und auch sonst nicht allgemein zugänglich sind. Enthält eine Mitteilung jedoch bereits ausreichende Informationen in Sinne von Artikel 2 Buchstabe d, ändert die Aufnahme solcher Aussagen oder die Tatsache, dass die vollständigen Anleihenbedingungen nicht online abrufbar und auch sonst nicht allgemein zugänglich sind, nichts an ihrer Einstufung als „öffentliches Angebot von Wertpapieren“.

3. Es ist im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2017/1129 von Bedeutung, dass ein Wertpapierangebot nur über Anfrage an Interessenten übermittelt wird, wobei zugleich sichergestellt ist, dass die Übermittlung nur an maximal 149 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, erfolgt. Um sich jedoch auf die Ausnahme gemäss Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b berufen zu können, muss sich das Wertpapierangebot an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat richten, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt. Der in dieser Bestimmung festgelegte Grenzwert kann nicht umgangen werden, indem das Angebot in einem EWR-Staat im Wege verschiedenartiger Medien verbreitet wird.

(Verordnung (EU) 2017/1129 – Anlegerschutz – Begriff „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ – Offenlegung von Informationen – Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts – Ausnahmen)

Aus den Gründen

I Rechtlicher Hintergrund

EWR-Recht

1          Die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. 2017 L 168, S. 12) (im Folgenden: Verordnung) wurde durch Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 84/2019 vom 29. März 2019 (ABl. 2019 L 235, S. 5) unter Nummer 29bd des Anhangs IX (Finanzdienstleistungen) in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR-Abkommen) aufgenommen. Norwegen, Island und Liechtenstein teilten das Bestehen verfassungsrechtlicher Anforderungen mit. Diese Anforderungen wurden bis 28. Juni 2019 erfüllt, und der Beschluss trat am 29. Juni 2019 in Kraft.

2          Erwägungsgrund 3 der Verordnung lautet:

Beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt ist die Offenlegung von Informationen für den Anlegerschutz von zentraler Bedeutung, da sie Informationsasymmetrien zwischen Anlegern und Emittenten beseitigt. Die Harmonisierung einer solchen Offenlegung ermöglicht die Einrichtung eines grenzüberschreitenden Pass-Mechanismus, der das wirksame Funktionieren des Binnenmarkts bei einem breiten Spektrum von Wertpapieren erleichtert.

3          Erwägungsgrund 7 der Verordnung lautet:

Ziel dieser Verordnung ist es, Anlegerschutz und Markteffizienz sicherzustellen und gleichzeitig den Kapitalbinnenmarkt zu stärken. Die Bereitstellung der Informationen, die je nach Art des Emittenten und der Wertpapiere notwendig sind, damit die Anleger eine fundierte Anlageentscheidung treffen können, stellt zusammen mit den Wohlverhaltensregeln den Anlegerschutz sicher. Darüber hinaus sind diese Informationen ein wirksames Mittel, um das Vertrauen in Wertpapiere zu erhöhen und so zur reibungslosen Funktionsweise und zur Entwicklung der Wertpapiermärkte beizutragen. Die geeignete Form zur Bereitstellung jener Informationen ist die Veröffentlichung eines Prospekts.

4          Erwägungsgrund 14 der Verordnung lautet:

Die bloße Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem MTF oder die Veröffentlichung von Geld- und Briefkursen ist nicht per se als öffentliches Angebot von Wertpapieren zu betrachten und unterliegt daher nicht der Pflicht zur Erstellung eines Prospekts gemäß dieser Verordnung. Ein Prospekt sollte nur dann verlangt werden, wenn diese Tätigkeiten mit einer Mitteilung einhergehen, die ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ gemäß dieser Verordnung darstellt, sollte ein Prospekt verlangt werden.

5          Erwägungsgrund 15 der Verordnung lautet:

Richtet sich ein Angebot von Wertpapieren ausschließlich an einen eingeschränkten Kreis von Anlegern, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, stellt die Erstellung eines Prospekts angesichts der geringen Zahl von Personen, an die sich das Angebot richtet, eine unverhältnismäßige Belastung dar, sodass kein Prospekt vorgeschrieben werden sollte. Dies würde beispielsweise für Angebote gelten, die sich an eine begrenzte Anzahl von Angehörigen der Familie oder von persönlichen Bekannten der Geschäftsführer eines Unternehmens richten.

6          Erwägungsgrund 22 der Verordnung lautet:

Werden Wertpapiere zugeteilt, ohne dass auf Seiten des Empfängers die Möglichkeit einer individuellen Entscheidung gegeben ist, einschließlich bei Wertpapierzuteilungen ohne Recht auf Ablehnung der Zuteilung oder bei automatischer Zuteilung nach der Entscheidung eines Gerichts, wie etwa einer Wertpapierzuteilung an bestehende Gläubiger im Zuge eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens, so sollte eine solche Zuteilung nicht als öffentliches Angebot von Wertpapieren gelten.

7          Absatz 1 und 4 von Artikel 1 der Verordnung, der die Überschrift „Gegenstand, Anwendungsbereich und Ausnahmen“ trägt, lauten auszugsweise:

(1) Diese Verordnung legt die Anforderungen an die Erstellung, Billigung und Verbreitung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt, der sich in einem Mitgliedstaat befindet oder dort betrieben wird, zu veröffentlichen ist, fest.

(4) Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gemäß Artikel 3 Absatz 1 findet keine Anwendung auf folgende Arten öffentlicher Angebote von Wertpapieren:

a) ein Wertpapierangebot, das sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet;

b) ein Wertpapierangebot, das sich an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro Mitgliedstaat richtet, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt;

c) ein Wertpapierangebot mit einer Mindeststückelung von 100 000 EUR;

d) ein Wertpapierangebot, das sich an Anleger richtet, die bei jedem gesonderten Angebot Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 100 000 EUR pro Anleger erwerben;

– 5 –

8          Artikel 2 der Verordnung, der die Überschrift „Begriffsbestimmungen“ trägt, lautet auszugsweise:

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

d) „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ eine Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden. Diese Definition gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre;

9          Absatz 1 von Artikel 3 der Verordnung, der die Überschrift „Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts und Ausnahmen“ trägt, lautet:

Unbeschadet des Artikels 1 Absatz 4 werden Wertpapiere in der Union nur nach vorheriger Veröffentlichung eines Prospekts gemäß dieser Verordnung öffentlich angeboten.

10        Die Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. 2003 L 345, S. 64) (im Folgenden: Richtlinie 2003/71/EG) wurde durch Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 73/2004 vom 8. Juni 2004 (ABl. 2004 L 349, S. 30) in Anhang IX (Finanzdienstleistungen) des EWR-Abkommens aufgenommen. Die Richtlinie 2003/71/EG wurde aufgehoben durch die Verordnung vom 21. Juli 2019.

Nationales Recht und Praxis

11        Absatz 1 von Artikel 9 des Gesetzes vom 10. Mai 2019 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2017/1129 vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist (LR 954.2) (im Folgenden: Durchführungsgesetz), der die Überschrift „Zuständige Behörde“ trägt, lautet:

Die FMA ist die für Liechtenstein zuständige Behörde nach Art. 31 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1129 und nimmt die einer zuständigen Behörde zugewiesenen – 6 –

Aufgaben und Befugnisse nach der Verordnung (EU) 2017/1129 und diesem Gesetz wahr.

12        Artikel 10 Absatz 2 des Durchführungsgesetzes lautet auszugsweise:

2) Die FMA ist insbesondere befugt:

f) ein öffentliches Angebot von Wertpapieren oder eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu untersagen, wenn sie feststellt, dass gegen die Verordnung (EU) 2017/1129 oder dieses Gesetz verstossen wurde, oder ein hinreichend begründeter Verdacht besteht, dass gegen diese Rechtsvorschriften verstossen würde;

i) den Umstand bekannt zu machen, dass ein Emittent, ein Anbieter oder eine die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragende Person seinen/ihren Verpflichtungen nicht nachkommt;

II Sachverhalt und Verfahren

13        Die Rechtssache vor der Beschwerdekommission der Finanzmarktaufsicht (im Folgenden: Beschwerdekommission) betrifft eine Beschwerde, die ADCADA gegen eine Entscheidung der Finanzmarktaufsicht (im Folgenden: FMA) vom 3. Juni 2020 eingelegt hat. In dieser Entscheidung wurde festgehalten, dass die von ADCADA in Liechtenstein ausgegebene Anleihe „adcada.money Festzins“ als öffentlich angeboten betrachtet wurde, und gleichzeitig wurde dieses öffentliche Angebot angesichts des Fehlens eines Prospekts untersagt (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

14        ADCADA ist eine Aktiengesellschaft nach liechtensteinischem Recht (Segmentierte Verbandsperson) mit Sitz in Ruggell, Liechtenstein. Sie ist Emittentin der Anleihen „adcada.money Festzins“ und „adcada.money Hypozins“.

15        Mit Schreiben vom 7. Januar 2021 informierte die Beschwerdekommission den Gerichtshof über die Eröffnung des Konkursverfahrens über ADCADA durch Beschluss des Fürstlichen Landgerichtes vom 4. Dezember 2020. In der Folge wurde der Firmenwortlaut von ADCADA in der gegenständlichen Rechtssache entsprechend ergänzt.

16        Das Angebot „adcada.money Festzins“ wurde auf der Website https://adcada.money/ wie folgt beworben:

17        Das Angebot „adcada.money Festzins“ wurde ausserdem auf der Website https://die.investments/ wie folgt beworben:

18        Ein Prospekt für das öffentliche Angebot der Anleihe „adcada.money Festzins“ wurde bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung durch die FMA nicht gebilligt. Ebenso wurde bis zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Notifikation eines Prospekts registriert.

19        In der angefochtenen Entscheidung stellte die FMA fest, dass ein öffentliches Angebot eines Wertpapiers vorliege. Die FMA hielt fest, dass grundsätzlich von einer weiten Auslegung der in Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung enthaltenen Begriffsbestimmung auszugehen sei, jedoch nicht jede Mitteilung ein öffentliches Angebot darstelle. Vielmehr müsse der Anleger, laut der FMA, in die Position versetzt werden, eine Anlageentscheidung treffen zu können. Die FMA war der Ansicht, dass dies der Fall sei, wenn ein Anleger nur mehr zustimmen müsse oder ein entsprechendes Kaufangebot aufgrund der Informationen in der Mitteilung abgeben könne. Dies bedinge auch eine konkrete Erwerbsmöglichkeit. Daher war eine Verknüpfung erforderlich zwischen der werbenden Mitteilung und der Erwerbsmöglichkeit. Die FMA vertrat die Ansicht, dass die Mitteilung ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen der Wertpapiere, d. h. die wesentlichen Konditionen des Wertpapiers, enthalten müsse. Diese umfassen zumindest Kaufgegenstand, Preis bzw. Preisrahmen, Dauer und Währung.

20        Die FMA gelangte zu dem Schluss, dass in der Beschreibung der Anleihe „adcada.money Festzins“ auf der Website https://adcada.money die relevanten Informationen – insbesondere der Mindestanlagebetrag, die Laufzeit und der Zinssatz – genannt wurden:

100 % erstrangige Unternehmensanlage

4,25 bis 5,50 % feste Zinsen pro Jahr

Ab 12 Monate Mindestlaufzeit

Vierteljährliche Zinszahlung

Anlage bereits ab 10 000 EUR möglich

Kein Agio

Keine Vermittlungsgebühren

21        In der angefochtenen Entscheidung hielt die FMA fest, dass auch eine Kontaktstelle genannt wurde. Dadurch war nach Auffassung der FMA die Verknüpfung zwischen der werbenden Mitteilung und der Erwerbsmöglichkeit gegeben. Die FMA war der Ansicht, dass der Anleger somit über einen Kauf entscheiden und sich an die Emittentin oder Schwester- bzw. Muttergesellschaften für die Abwicklung wenden könne. Zudem hielt die FMA fest, dass Informationen über die Anleihe „adcada.money Festzins“ ohne jegliche Beschränkung im Internet und insbesondere auf adcada.money und die.investments verfügbar seien, sodass sich das Angebot für die Anleihe an eine unbegrenzte Anzahl möglicher Anleger auch in Liechtenstein richtete. Daher stellte die FMA fest, dass die Voraussetzungen für die Berufung auf den Ausnahmetatbestand gemäss Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung nicht erfüllt werden. Es lag somit keine Ausnahme von der Pflicht zur Erstellung eines Prospekts vor, sodass ein solcher zu erstellen gewesen wäre. Entsprechend entschied die FMA, dass das öffentliche Angebot der Anleihe „adcada.money Festzins“ in Liechtenstein zu untersagen und der Umstand, dass ein Emittent seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, öffentlich bekannt zu machen war.

22        ADCADA erhob bei der Beschwerdekommission Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung. In dieser Beschwerde bestritt ADCADA das Vorliegen eines öffentlichen Angebots und berief sich zudem auf den Ausnahmetatbestand gemäss Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung.

23        Vor diesem Hintergrund entschied die Beschwerdekommission, das Verfahren zu unterbrechen und dem Gerichtshof Fragen für eine Gutachtenerstattung vorzulegen. Die Vorlage, datierend vom 29. Juli 2020, ging bei der Registratur des Gerichtshofes am 5. August 2020 ein.

24        Die folgenden Fragen wurden dem Gerichtshof vorgelegt:

1. Anhand welcher Kriterien ist zu beurteilen, ob im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere erteilt wurden, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden?

2. Ist es zur Beurteilung der Frage, ob ein öffentliches Angebot im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der erwähnten Verordnung vorliegt, von Bedeutung, wenn die Bewerbung mit dem gut ersichtlichen Hinweis „HIER INFORMIEREN“ bzw. ,,Unverbindlich informieren“ erfolgt und die vollständigen Anleihenbedingungen nicht online abrufbar und auch sonst nicht allgemein zugänglich sind?

3. Ist es im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b dieser Verordnung von Bedeutung, wenn der Anbieter durch geeignete Massnahmen sicherstellt, dass die vollständigen Anleihenbedingungen nur über Anfrage an Interessenten übermittelt werden, wobei zugleich sichergestellt ist, dass die Übermittlung nur an maximal 149 natürliche oder juristische Personen pro Mitgliedstaat, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, erfolgt?

4. Ist es im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b dieser Verordnung von Bedeutung, dass das Angebot in einem Mitgliedstaat im Wege verschiedenartiger Medien verbreitet wird? Für den Fall der Bejahung: Unter welchen Voraussetzungen ist das in verschiedenartigen Medien enthaltene Angebot als gemeinsames öffentliches Angebot desselben Wertpapiers anzusehen bzw. unter welchen Voraussetzungen liegt ein neues Angebot vor? Kann durch Aufteilung des Angebots auf verschiedene Medien erreicht werden, dass die Zahl von 150 natürlichen oder juristischen Personen pro Mitgliedstaat unterschritten wird?

25        Für eine ausführliche Darstellung des rechtlichen Hintergrunds, des Sachverhalts, des Verfahrens sowie der dem Gerichtshof vorgelegten Antwortvorschläge wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Auf die Stellungnahmen der Parteien wird im Folgenden nur insoweit eingegangen, wie es für die Begründung des Gerichtshofs erforderlich ist.

III Antwort des Gerichtshofs

Zur ersten Frage

26        Mit ihrer ersten Frage ersucht die vorlegende Stelle im Wesentlichen um Klärung, anhand welcher Kriterien zu beurteilen ist, ob im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere erteilt wurden, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden.

27        Wie aus Artikel 1 Absatz 1 dieser Verordnung hervorgeht, legt sie die Anforderungen an die Erstellung, Billigung und Verbreitung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem geregelten Markt, der sich in einem EWR-Staat befindet oder dort betrieben wird, zu veröffentlichen ist, fest. Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung werden Wertpapiere im EWR nur nach vorheriger Veröffentlichung eines Prospekts gemäss der Verordnung öffentlich angeboten.

28        Der Begriff „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ bezeichnet laut Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie eine Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden. Diese Definition gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre.

29        Aus dem Wortlaut dieser Begriffsbestimmung ist abzuleiten, dass der Begriff „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ in der Verordnung einer weiten Definition unterliegt (vgl. das Urteil in Almer Beheer und Daedalus Holding, C-441/12, EU:C:2014:2226, Randnr. 28).

30        Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das Ziel der Verordnung darin besteht, Anlegerschutz und Markteffizienz sicherzustellen und gleichzeitig den Kapitalbinnenmarkt zu stärken, wie in den Erwägungsgründen 3, 4 und 7 der Verordnung festgehalten (vgl. das Urteil in Almer Beheer und Daedalus Holding, oben erwähnt, Randnr. 31). Daraus folgt, dass der Schutz der Anleger und die reibungslose Funktionsweise sowie die Entwicklung der Märkte den Wesenskern der von der Verordnung verfolgten Ziele darstellen. Denn unter Berücksichtigung dieser Ziele soll die Veröffentlichung eines Prospekts zum einen die Anleger in die Lage versetzen, die mit dem öffentlichen Angebot von Wertpapieren und der Zulassung von Wertpapieren zum Handel verbundenen Risiken zu bewerten, so dass sie eine Entscheidung in Kenntnis der Sachlage treffen können, und zum anderen erreichen, dass das reibungslose Funktionieren der betroffenen Märkte nicht durch Unregelmässigkeiten behindert wird (vgl. das Urteil in Almer Beheer und Daedalus Holding, oben erwähnt, Randnr. 33).

31        Die Veröffentlichung eines Prospekts vor dem öffentlichen Angebot von Wertpapieren spielt nämlich eine entscheidende Rolle beim Anlegerschutz, da dieses Dokument den Anlegern genaue und vollständige Informationen über den Emittenten gibt und ihnen so grundsätzlich die Bewertung der Risiken des Geschäfts erlaubt (vgl. das Urteil in Almer Beheer und Daedalus Holding, oben erwähnt, Randnr. 38).

32        Die in Artikel 2 Buchstabe d enthaltene Definition des Begriffs „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ ist vor dem Hintergrund dieser Ziele auszulegen, die ein weites Verständnis des Wortlauts dieser Bestimmung stützen. Eine enge Auslegung des Begriffs „öffentliches Angebot von Wertpapieren“, die eine Einschränkung der Pflicht zur Erstellung eines Prospekts im Sinne der Verordnung bewirken würde, würde den Zielen der Verordnung zuwiderlaufen.

33        Die Definition des Begriffs „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ besteht aus zwei Elementen. Es muss eine Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise erfolgen und diese Mitteilung muss ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthalten, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden. Dieses zweite Element bringt zwei Implikationen mit sich. Erstens muss ein Mindestmass an Informationen kommuniziert werden, das im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d ausreichend ist, damit es sich um ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ handelt. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass sich dieses Mindestmass an Informationen auf die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere beziehen muss. Bei der Auslegung, was in diesem Zusammenhang ein Mindestmass an Informationen darstellt, muss auf die Ziele der Verordnung abgestellt werden. Zweitens muss es, wie in Erwägungsgrund 22 der Verordnung festgehalten, auf Seiten des Anlegers die Möglichkeit einer individuellen Entscheidung geben, da die Informationen den Anleger in die Lage versetzen müssen, „sich … zu entscheiden“.

34        Aus einer systematischen Auslegung der Verordnung folgt, dass das Mindestmass an Informationen, das erforderlich ist, um im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d ausreichend zu sein, zwangsläufig geringer sein muss als das Ausmass an Informationen, das in einem im Sinne der Verordnung erstellten Prospekt enthalten sein muss. Dies ist der Fall, da es sich um ein öffentliches Angebot von Wertpapieren handelt, das die in Artikel 3 Absatz 1 vorgesehene Pflicht zur vorherigen Veröffentlichung eines Prospekts auslöst. Andernfalls wäre die Untergliederung dieses Prozesses in zwei verschiedene Verfahrensschritte in der Verordnung redundant.

35        Wie von der Regierung Norwegens und der EFTA-Überwachungsbehörde hervorgehoben, geht aus den Gesetzesmaterialien zur Richtlinie 2003/71/EG, aus der die in Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung enthaltene Begriffsbestimmung abgeleitet ist, hervor, dass nicht beabsichtigt war, dass die Definition erfordern würde, dass das erforderliche Mindestmass an Informationen ausreicht, um bei der Annahme zum Abschluss eines Vertrags zu führen.

36        Hinsichtlich der Frage, was genau ein Mindestmass an Informationen darstellt, sieht Erwägungsgrund 14 der Verordnung vor, dass die blosse Zulassung von Wertpapieren zum Handel mit einem multilateralen Handelssystem (multilateral trading facility) oder die Veröffentlichung von Geld- und Briefkursen nicht per se als öffentliches Angebot von Wertpapieren zu betrachten ist und daher nicht der Pflicht zur Erstellung eines Prospekts gemäss der Verordnung unterliegt. In diesem Erwägungsgrund heisst es weiter, dass ein Prospekt nur dann verlangt werden sollte, wenn diese Tätigkeiten mit einer Mitteilung einhergehen, die ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ darstellt. Dementsprechend ist die blosse Veröffentlichung von Geld- und Briefkursen nicht zwangsläufig als Information ausreichend, um ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ darzustellen. Allerdings müssen bei der Bewertung auch die besonderen Umstände einer solchen Veröffentlichung berücksichtigt werden. Die Einbeziehung weiterer Informationen zusätzlich zu Geld- und Briefkursen kann zu der Feststellung führen, dass es sich um ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d handelt.

37        Wie jedoch von der Regierung Norwegens, der EFTA-Überwachungsbehörde und der Kommission erwähnt, wird die Beurteilung, was im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung „ausreichende Informationen“ sind, primär vom jeweiligen Sachverhalt und den Umständen abhängen.

38        Dem Antrag zufolge betrifft das Ausgangsverfahren werbende Mitteilungen für Anleihen, die im Internet für jedermann frei zugänglich waren und Informationen über den Mindestanlagebetrag, die mögliche Zinsspanne, die Mindestlaufzeit, die Häufigkeit der Zinszahlungen und anwendbare Gebühren enthielten.

39 Werbende Mitteilungen wie jene, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind, sind als „Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art“ zu betrachten. Es ist davon auszugehen, dass der Umfang der im Antrag auf Gutachtenerstattung beschriebenen Informationen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung ausreichende Informationen enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden. Unter solchen Umständen sind entsprechende werbende Mitteilungen – vorbehaltlich der Beurteilung, die die vorlegende Stelle anhand der in dieser Bestimmung festgehaltenen Kriterien vornehmen muss –, als „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ im Sinne der Verordnung zu betrachten.

40        Entsprechend muss die Antwort auf die erste Vorlagefrage lauten, dass die Frage, ob ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere vorliegen, um einen Anleger gemäss Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden, im Einzelfall zu beurteilen ist. Unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens handelt es sich – vorbehaltlich der Verifizierung durch die vorlegende Stelle – um ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung.

Zur zweiten Frage

41        Mit ihrer zweiten Frage ersucht die vorlegende Stelle im Wesentlichen um Klärung, ob es zur Beurteilung der Frage, ob ein öffentliches Angebot im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung vorliegt, von Bedeutung ist, wenn die werbende Mitteilung gewisse gut ersichtliche Hinweise enthält, dass weitere Informationen anderweitig eingeholt werden können und die vollständigen Anleihenbedingungen nicht online abrufbar und auch sonst nicht allgemein zugänglich sind.

42        Die Aufnahme von Aussagen wie „Hier informieren“ bzw. „Unverbindlich informieren“ kann für die Beurteilung, ob es sich um ein öffentliches Angebot von Wertpapieren handelt, grundsätzlich relevant sein. Enthält eine Mitteilung jedoch bereits ausreichende Informationen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung, ändert die Aufnahme solcher Aussagen nichts an ihrer Einstufung als „öffentliches Angebot von Wertpapieren“. Die Tatsache, dass die vollständigen Anleihenbedingungen nicht online abrufbar und auch sonst nicht allgemein zugänglich sind, kann nichts an der Einstufung einer Mitteilung als „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ ändern, wenn sie bereits ausreichende Informationen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d enthält.

43        Entsprechend muss die Antwort auf die zweite Frage lauten, dass es zur Beurteilung der Frage, ob ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Verordnung vorliegt, relevant sein kann, wenn eine Mitteilung gewisse gut ersichtliche Hinweise enthält, dass weitere Informationen anderweitig eingeholt werden können und die vollständigen Anleihenbedingungen nicht online abrufbar und auch sonst nicht allgemein zugänglich sind. Enthält eine Mitteilung jedoch bereits ausreichende Informationen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d, ändert die Aufnahme solcher Aussagen oder die Tatsache, dass die vollständigen Anleihenbedingungen nicht online abrufbar und auch sonst nicht allgemein zugänglich sind, nichts an ihrer Einstufung als „öffentliches Angebot von Wertpapieren“.

Zur dritten und vierten Frage

44        Mit ihrer dritten und vierten Frage ersucht die vorlegende Stelle um Klärung, ob es im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung von Bedeutung ist, wenn der Anbieter durch Massnahmen sicherstellt, dass die vollständigen Anleihenbedingungen nur über Anfrage an Interessenten übermittelt werden, wobei sichergestellt ist, dass die Übermittlung nur an maximal 149 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, erfolgt und dass das Angebot in einem EWR-Staat im Wege verschiedenartiger Medien verbreitet wird.

45        Aus Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung geht hervor, dass die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gemäss Artikel 3 Absatz 1 keine Anwendung auf ein Wertpapierangebot findet, das sich an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat richtet, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt.

46        Die Begründung für diese Ausnahme spiegelt sich in Erwägungsgrund 15 der Verordnung, wo es heisst: „Richtet sich ein Angebot von Wertpapieren ausschliesslich an einen eingeschränkten Kreis von Anlegern, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, stellt die Erstellung eines Prospekts eine unverhältnismässige Belastung dar, sodass kein Prospekt vorgeschrieben werden sollte.“ Als Beispiel für eine solche Situation sind in Erwägungsgrund 15 Angebote angeführt, die sich an eine begrenzte Anzahl von Angehörigen der Familie oder von persönlichen Bekannten der Geschäftsführer eines Unternehmens richten.

47        Nach ständiger Rechtsprechung sind Bestimmungen eines in das EWR-Abkommen aufgenommenen Rechtsakts, die von einem in diesem Rechtsakt aufgestellten allgemeinen Grundsatz abweichen, eng auszulegen. Ausnahmen sind eng auszulegen, damit allgemeine Regelungen nicht ausgehöhlt werden.

48        Folglich ist Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung, der eine Ausnahme von der allgemeinen Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts vor einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren nach Artikel 3 Absatz 1 darstellt, eng auszulegen.

49 Aus dem Wortlaut von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung lässt sich ableiten, dass sich ein Wertpapierangebot, wie von der Kommission ausgeführt, an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat richten muss, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, um sich auf diese Ausnahme berufen zu können. Wird daher ein Wertpapierangebot Interessenten nur über Anfrage übermittelt, wobei zugleich sichergestellt ist, dass die Übermittlung nur an maximal 149 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, erfolgt, ist dies grundsätzlich im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b von Bedeutung.

50        Unter Umständen, unter denen ein öffentliches Angebot von Wertpapieren im Internet für jedermann frei zugänglich veröffentlicht und beworben wurde, ist allerdings davon auszugehen, dass sich dieses Angebot im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung an eine unbegrenzte Anzahl möglicher Personen richtete. Somit ist es unter solchen Umständen nicht möglich, sich auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme zu berufen. Diese Schlussfolgerung wird weiter gestützt durch die Tatsache, dass die in Erwägungsgrund 15 der Verordnung enthaltenen Ausführungen auf eine solche Situation keine Anwendung finden.

51        Hinsichtlich der Frage, ob es im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung von Bedeutung ist, dass ein Angebot in einem EWR-Staat im Wege verschiedenartiger Medien verbreitet wird, ist eine dahingehende Auslegung dieser Bestimmung abzulehnen. Eine solche Auslegung würde nicht nur den in Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b definierten spezifischen Grenzwert seiner Substanz berauben, sondern auch das durch die Verordnung vorgesehene System empfindlich untergraben und die Umgehung der darin festgelegten Pflichten ermöglichen. Daher stünde eine solche Auslegung von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b nicht im Einklang mit den von der Verordnung verfolgten Zielen wie u.a. dem Anlegerschutz. Dementsprechend kann der Grenzwert gemäss Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b nicht umgangen werden, indem das Angebot in einem EWR-Staat im Wege verschiedenartiger Medien verbreitet wird.

52        In Anbetracht der obigen Ausführungen muss die Antwort auf die dritte und vierte Frage lauten, dass es im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung grundsätzlich von Bedeutung ist, dass ein Wertpapierangebot Interessenten nur über Anfrage übermittelt wird, wobei zugleich sichergestellt ist, dass die Übermittlung nur an maximal 149 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt, erfolgt. Um sich jedoch auf die Ausnahme gemäss Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe b der Verordnung berufen zu können, muss sich ein Wertpapierangebot an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat richten, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt. Der in dieser Bestimmung festgelegte Grenzwert kann nicht umgangen werden, indem das Angebot in einem EWR-Staat im Wege verschiedenartiger Medien verbreitet wird.

IV Kosten

53        Die Auslagen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, der Regierung Norwegens, der Regierung Deutschlands, der EFTA-Überwachungsbehörde und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Da es sich bei diesem Verfahren um einen Zwischenstreit in einem bei der vorlegenden Stelle anhängigen Rechtsstreit handelt, ist die Kostenentscheidung betreffend die Parteien dieses Verfahrens Sache dieser Stelle.

 

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