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RdF-News
14.05.2018
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LG Tübingen: Zur Wirksamkeit von AGB einer Bank zur Einführung von Negativzinsen gegenüber Verbrauchern

LG Tübingen, Urteil vom 26.1.2018 – 4 O 187/17

Volltext des Urteils: RdFL2018-166-1

unter www.rdf-online.de

Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank, mit denen bei Sicht-, Termin- und Festgeldeinlagen im Verhältnis zu Verbrauchern Negativzinsen eingeführt werden, sind dann nach § 307 BGB unwirksam, wenn davon auch Altverträge erfasst werden, die ohne eine Entgeltpflicht des Kunden geschlossen wurden.

BGB § 307; UKlaG § 1

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Der Kläger ist ein in der Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG geführter gemeinnütziger Verbraucherschutzverein. Er verlangt von der beklagten Bank im Rechtsverkehr mit Verbrauchern für unterschiedliche Einlagengeschäfte die Unterlassung der Verwendung eines Preisaushangs mit Negativverzinsung.

Die Beklagte verwendete im Zeitraum zwischen dem 17.05.2017 und dem 26.06.2017 einen Preisaushang, in dem u.a. die Negativverzinsung bei Einlagengeschäften geregelt war. Die Beklagte wurde vom Kläger abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Sie teilte daraufhin mit, dass die Klauseln zwischenzeitlich wieder geändert seien. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte nicht abgegeben.

Die Unterlassungsklage des Klägers hatte Erfolg.

Aus den Gründen

A. ... Die von der Beklagten in der Vergangenheit im Wege eines Preisaushangs verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind im Rechtsverkehr mit Verbrauchern unwirksam, woraus sich ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt (§ 1 UKlaG).

I. Die Klage ist zulässig.

1. Das Landgericht Tübingen ist nach § 5 UKlaG, § 1 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem ausschließlichen Gerichtsstand des § 6 Abs. 1 S. 1 UKlaG. Die gewerbliche Niederlassung der Beklagten liegt im Bezirk des Landgerichts Tübingen.

2. Der Kläger ist nach §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 UKlaG klagebefugt. Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG (vgl. BGH NJW-RR 2014, 476; BGH WRP 2014, 319; BGH NJW 2013, 593; BGH NJW 2008, 2495).

3. Der Einwand der Beklagten, der Antrag sei in Bezug auf die begehrte Versagung der Verwendung inhaltsgleicher Klauseln zu unbestimmt, geht fehl. Der Antrag orientiert sich an § 9 Nr. 3 UKlaG, wonach die Urteilsformel bei begründeten Klagen auch das Gebot zu enthalten hat, die Verwendung oder Empfehlung inhaltsgleicher Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu unterlassen. Zulässiger Streitgegenstand einer Verbandsklage ist jede inhaltlich selbständige Klausel in der vom Anspruchsgegner konkret verwendeten Fassung zusammen mit dem dazugehörigen Lebenssachverhalt (BGH NJW 1993, 2052), sodass der Antrag zulässig ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

II. Zum Antrag Ziff. I:

Unwirksam ist der zwischen dem 17.05.2017 und 26.06.2017 verwendete Preisaushang der Beklagten mit Negativverzinsung zum VR-FlexGeld (1.), zum VR-KündigungsGeld (2.) und zum VR-TerminGeld bzw. VR-AnlageGeld (3.). Bei diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist ein Verstoß gegen § 307 Abs. 3 S.1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB zu bejahen, weil sie in Bezug auf Verträge, die bereits vor Änderung der Produktinformationen zum 16.01.2017 geschlossen wurden (Altverträge), von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Vorschriften abweichen und zudem als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen sind.

1. VR-FlexGeld

Unwirksamkeit des Preisaushangs mit Negativverzinsung zum VR-FlexGeld

Der Preisaushang zum VR-FlexGeld, der im Zusammenwirken mit der von der Beklagten verwendeten Zinsanpassungsklausel zu betrachten ist, ist unwirksam.

Einlageform VR-FlexGeld: als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag zu klassifizierende Sichteinlage

a) Bei der Einlageform VR-FlexGeld handelt es sich um ein unbefristetes Tagesgeldkonto mit täglicher Verfügungsmöglichkeit ohne Kündigungsfrist mit einer variablen Staffelverzinsung, welches nicht für den direkten Zahlungsverkehr geeignet ist …  Sie ist eine Sichteinlage, welche üblicherweise als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag gemäß § 700 Abs. 1 BGB klassifiziert wird (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 700 Rn.1; Peterek in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 8. Teil, E. Spargeschäft, Anm. 8.21). Dies gilt jedenfalls für Altverträge, die vor dem 16.01.2017 geschlossen wurden und bei denen sich die Beklagte keine Negativverzinsung vorbehalten hat. Danach finden bei Geld die Vorschriften über den Darlehensvertrag gemäß § 488 BGB Anwendung.

Der Preisaushang enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen, …

b) Der am 17.05.2017 durch die Beklagte veröffentlichte Preisaushang … enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Preisaushang ist für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und wird vom Verwender, der Beklagten, gestellt. Im Verhältnis eines Unternehmers zu einem Verbraucher genügt die Verwendungsabsicht, wenn also diese Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung gedacht sind. Hier sollte der Preisaushang sogar auf eine Vielzahl von Verträgen Anwendung finden. Unerheblich ist, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt Negativzinsen verlangt hat (vgl. BGH WM 2014, 1325 zum Preisaushang). Die Beklagte hat das Vorliegen von AGB nicht streitig gestellt.

c) Als Preisabrede ist die Vereinbarung einer negativen Verzinsung für Neuverträge der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich entzogen.

§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Hierunter fallen weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung (BGH NJW 2010, 150; BGH NJW-RR 2015, 181), da die Vertragsparteien nach dem im bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei regeln können (BGH MDR 2012, 983). Dies gilt nicht für Preisnebenabreden, die sich - wie insbesondere Preis- und Zahlungsmodifikationen - mittelbar auf den Preis auswirken, an deren Stelle aber bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGH NJW 2009, 3570; BGH NJW 2014, 2078). Um Preisnebenabreden handelt es sich bei Klauseln, die keine echte (Gegen-)Leistung zum Gegenstand haben, sondern mit denen der Klauselverwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten auf den Kunden abwälzen will, die der Verwender im eigenen Interesse erbringt (BGH NJW 2014, 2420; BGH NJW 2013, 995).

Im vorliegenden Fall liegt keine Preisnebenabrede, sondern eine echte Preisabrede vor. So ist bei einem Sparvertrag die Zahlung von Zinsen als Preisabrede anzusehen, nämlich als Hauptleistungspflicht des Schuldners gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. BGH NJW 2010, 1742; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 307 Rn. 46). Nichts anderes kann bei einem unregelmäßigen Verwahrvertrag im Falle der Vereinbarung eines Entgelts des Einlegers in Form einer negativen Verzinsung gelten.

… die in Bezug auf Altverträge von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Vorschriften abweichen …

d) Der Preisaushang zum VR-FlexGeld verstößt aber gegen § 307 Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB, weil das Klauselwerk der Beklagten es ermöglicht, auch bei vor dem 16.01.2017 zustande gekommenen Verträgen Negativzinsen zu verlangen und damit in einer Weise von den für diese Verträge geltenden gesetzlichen Regelungen abweicht, die mit deren wesentlichen Grundgedanken nicht vereinbar ist.

Wegen des Verweises in § 700 Abs. 1 S. 1 BGB finden bei Altverträgen über Tagesgelder die Regelungen zum Darlehensvertrag Anwendung. Das Darlehensrecht kennt keine Entgeltpflicht für den Darlehensgeber. Davon abweichend hat die Beklagte durch den Preisaushang mit Negativverzinsung im Zusammenspiel mit der im Tatbestand wiedergegebenen Zinsanpassungsklausel auch bei Verträgen, die vor dem 16.01.2017 abgeschlossen wurden, eine Entgeltpflicht für Bankkunden begründet. Dadurch hat sie nachträglich in das Gefüge der Hauptleistungspflichten eingegriffen, was einseitig im Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zulässig ist.

Richtig ist zwar, dass eine gesetzliche Definition des Zinses fehlt und dass dieser nach dem Gesetz nicht auf ein positives Vorzeichen festgelegt ist. Unter dem Darlehenszins wird allgemein die „gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige, in Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs“ verstanden (BGH WM 2014, 1224; Canaris, NJW 1978, 1891). Eine Aussage dazu, ob die „Vergütung“ des Kapitalgebrauchs zwingend positiv zu sein hat, kann der Definition nicht klar entnommen werden.

Dennoch bewirkt der Übergang von einer positiven bzw. einer Nullverzinsung hin zu einem Negativzins bei Altverträgen über Sichteinlagen - und darauf ist entscheidend abzustellen - eine Änderung des Vertragscharakters hin zu einer Umkehr der Zahlungspflichten. Denn durch eine negative Verzinsung wird der Bankkunde entgegen § 488 BGB verpflichtet, der Bank (neben der Zurverfügungstellung der vereinbarten Summe) zusätzlich ein Entgelt zu entrichten.

Die Statuierung einer Negativverzinsung im Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Basis einer Zinsanpassungsklausel, die - wie hier - auch laufende Verträge erfasst, hält die Kammer bei Sichteinlagen für unwirksam (so zutreffend Tröger in ifo Schnelldienst, ifo Institut, Ausgabe 2/2015, S. 11 ff.). Sie bewegt sich nicht mehr im Rahmen des billigen Ermessens nach § 315 BGB. Das Leistungsbestimmungsrecht setzt die prinzipielle Einigung der Beteiligten über die Begründung einer konkretisierungsbedürftigen Leistungspflicht voraus. Die im Regelfall darlehensrechtliche Typologie des Einlagengeschäfts bedingt, dass die Depositen nehmende Bank die Verzinsung der Einlagen als Entgelt für die Finanzierungsleistung des Kunden schuldet. Der Einleger ist demgegenüber regelmäßig gerade nicht zu einer selbständigen Vergütung der Verwahrungsleistung der Bank verpflichtet. Mit negativen Zinsen in Altverträgen erhebt die Bank deshalb faktisch ein Entgelt für eine von ihr im Rahmen des unregelmäßigen Verwahrvertrages ohnehin geschuldete bzw. im Darlehensvertrag überhaupt nicht zu erbringende Leistung, welches im einvernehmlich festgelegten Pflichtenprogramm der Einlagebeziehung nicht vorgesehen ist und daher nicht Teil der essentialia negotii des ursprünglich geschlossenen Altvertrages war. In früheren Versionen der Informationsblätter war, wie die Beklagte im Termin vom 08.12.2017 eingeräumt hat, der Hinweis auf eine Negativverzinsung noch nicht enthalten.

Eine andere Betrachtung ist nicht deswegen geboten, weil in den Produktinformationen der Beklagten auch schon vor dem 16.01.2017 von einer variablen Verzinsung die Rede war. Dadurch wurde der Bank nicht die Berechtigung eingeräumt, ein Entgelt für Einlagen zu verlangen (§§ 133, 157 BGB). Schon nach dem Wortlaut der Klausel verbietet sich eine solche Interpretation, weil eine Entgeltpflicht nicht mit einer Verzinsung gleichgesetzt werden kann. Aber auch vom Sinn und Zweck der Klausel ist eine solche Berechtigung abzulehnen: Bei einem unregelmäßigen Verwahrungsvertrag bezieht sich die Verzinsung immer nur auf die Pflichtenlage der Bank (§§ 700 Abs. 1 S. 1 , 688 BGB), nicht auf diejenige des Bankkunden. Jedenfalls ist die Klausel unklar i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB. Diese Unklarheit gehen zu Lasten des Klauselverwenders (BGH NJW 2013, 291).

… und als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen sind

e) Ferner stellt der Preisaushang mit der Zinsanpassungsmöglichkeit bei vor dem 16.01.2017 begründeten Sichteinlagen eine überraschende Klausel dar, § 305c Abs. 1 BGB.

Mit einem Übergang von positiven/neutralen Zinsen zu Negativzinsen bei schon abgeschlossenen Verträgen über Sichteinlagen rechnet der Verbraucher nicht und muss damit auch nicht rechnen. Vielmehr hat der Verbraucher den Vertrag in der Vorstellung abgeschlossen, entweder eine geringe oder im schlechtesten Fall gar keine Verzinsung seiner Einlage zur erhalten. Hingegen ist die Heranziehung zu Negativzinsen im Sichteinlagengeschäft atypisch, weil sie der Pflichtenlage bei unregelmäßigen Verwahrungsverträgen - wie bereits dargelegt worden ist - widerspricht.

f) Bei dieser Betrachtung kann dahinstehen, ob darüber hinaus ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (BGH NJW 2014, 1658; BGH NJW 2016, 1575) oder eine unangemessene Benachteiligung entgegen dem Gebot von Treu und Glauben gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB anzunehmen ist.

Der Unterlassungsanspruch erstreckt sich auf die gesamte Zinsanpassungsklausel

g) Weil der Preisaushang Altverträge nicht von der Negativverzinsung ausnimmt, erstreckt sich der Unterlassungsanspruch des Klägers auf die gesamte Klausel bzgl. VR-FlexGeld. Wegen des Verbots geltungserhaltender Reduktion (BGH NJW 2005, 1774; BGH WM 2010, 1861) scheidet die Rückführung der Klausel auf einen zulässigen Inhalt aus.

h) Mit der vorliegenden Entscheidung wird der Beklagten im Übrigen keineswegs dauerhaft die Einführung von Negativzinsen untersagt …

2. VR - KündigungsGeld

Sowohl die Klausel zum VR-KündigungsGeld …

Die Klausel zum VR-KündigungsGeld teilt das Schicksal der Klausel zum VR-FlexGeld.

a) Das VR-KündigungsGeld ist eine Termineinlage ab 25.000,00 EUR mit einer Kündigungsfrist von 90 Tagen. Nach dem Produktinformationsblatt (Anlage B 5) ist der Zinssatz variabel. Die Beklagte hat sich das Recht vorbehalten, den Zins während der Vertragslaufzeit anzupassen (dort § 6). Die Zinsanpassungsklausel entspricht der Regelung unter Ziff. 6. zur Verzinsung beim VR-FlexGeld (Anlage B 2).

Typischerweise dienen Einlagengeschäfte den Banken regelmäßig zur Ansammlung von Kapital als Grundlage des Aktivgeschäfts. Verträge mit positiver Verzinsung über eine Festgeldanlage werden von der Rechtsprechung als Darlehensverträge i.S.v. § 488 BGB behandelt (BGHZ 131, 60 (63); BGH NJW-RR 2009, 979).

b) Da der Preisaushang im Zusammenspiel mit der zitierten Zinsanpassungsklausel es der Beklagten in gleicher Weise wie beim VR-FlexGeld ermöglichen, einseitig nachträglich den Vertragscharakter von Altverträgen mit positiver oder ohne Verzinsung zu ändern, indem ein Entgelt vom Bankkunden verlangt wird, welches ursprünglich nicht vereinbart war, so dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im Ergebnis zu wesentlichen Abweichungen von Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen beim Darlehensvertrag bzw. beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag führen, ist auch beim VR-KündigungsGeld von einem Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auszugehen. Außerdem liegt eine überraschende Klausel vor (§ 305c Abs. 1 BGB). Zur Begründung kann auf die vorstehenden Überlegungen zum VR-FlexGeld Bezug genommen werden.

3. VR-Termingeld/VR-AnlageGeld

… als auch die Klausel zum VR-Termingeld teilen das Schicksal der der Klausel zum VR-FlexGeld

Auch insoweit hat der Unterlassungsantrag des Klägers Erfolg.

a) Das Produkt VR-TerminGeld/VR-AnlageGeld stellt eine zeitlich befristete Festgeldeinlage dar mit unterschiedlicher Laufzeit, für welche vor Vertragsabschluss die Zinshöhe für die gesamte Laufzeit zwischen der Bank und dem Kunden fest vereinbart wird (vgl. dazu die Anlagen B 3 und B 4). Das VR-AnlageGeld unterscheidet sich vom VR-TerminGeld mit einer Mindestlaufzeit von 180 Tagen nur dadurch, dass die Laufzeit 1 Jahr beträgt.

Bei Verträgen mit positiver oder ohne Verzinsung schuldet der Bankkunde der Beklagten kein Entgelt für die Einlage.

b) Der Preisaushang der Beklagten zu VR-Termingeld bzw. VR-AnlageGeld, der ebenfalls allgemeine Geschäftsbedingungen enthält, ist nach der Methode der kundenfeindlichsten Auslegung (BGH NJW 2013, 291; BGH NJW 2009, 2051; BGH NJW 2008, 2172) dahin zu interpretieren, dass er nicht nur für Neuverträge gilt (§§ 133, 157 BGB).

Zwar handelt es sich bei dem Produkt VR-TerminGeld bzw. VR-AnlageGeld, wie bereits dargestellt worden ist, um eine zeitlich befristete Festgeldeinlage, die dadurch gekennzeichnet ist, dass bereits vor Vertragsabschluss die Zinshöhe für die gesamte Laufzeit zwischen der Bank und dem Kunden fest vereinbart wird.

Jedoch verlängern sich Termingelder bis zu einem Jahr nach Ziff. 3 des Produktinformationsblattes zu dem dann geltenden Zinssatz (positiv oder negativ) um die gleiche Laufzeit, sofern der Kunde der Bank keine andere Weisung erteilt. Danach kann es sein, dass Altverträge über Termingelder mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr, die mit oder ohne Verzinsung vereinbart und - u.U. mehrfach - prolongiert worden sind, mit Negativzinsen gemäß dem Preisaushang vom 17.05.2017 belegt werden. Somit besteht die Möglichkeit, dass die Beklagte auch bei Altverträgen über Termingelder von ihren Kunden ein Entgelt für ihre Leistungen erhebt, die ohne eine derartige Entgeltpflicht geschlossen wurden. In diesem Fall würde wie beim VR-FlexGeld und beim VR-KündigungsGeld nachträglich in unzulässiger Weise durch AGB in das Gefüge der Hauptleistungspflichten eingegriffen.

Insoweit enthält der Preisaushang auch beim VR-TerminGeld bzw. VR-AnlageGeld eine von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichende Bestimmung (§ 307 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB).

c) Der beanstandete Preisaushang nimmt Altverträge mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr nicht aus und ist, weil eine geltungserhaltende Reduktion gleichfalls ausscheidet, insgesamt unzulässig. Zwar gelten die obigen Überlegungen nicht für Verträge, die mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr geschlossen wurden, da es insoweit an einer Prolongationsvereinbarung fehlt. Eine solche Differenzierung lässt sich der im Preisaushang für diese Anlageform vorgesehene Zinsregelung jedoch nicht entnehmen.

Diese unterscheidet nur den für eine bestimmte Anlagezeit gültigen Zins, nicht jedoch danach, ob es sich um einen prolongierten oder einen neuen Vertrag handelt. Die Zinsregelung zum VR-TerminGeld bzw. VR-AnlageGeld ist als eine AGB zu betrachten.

d) Die Kammer hält den Preisaushang hinsichtlich dieser Verträge überdies für überraschend gemäß § 305c Abs. 1 BGB.

Die für einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben

4. Die für einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor. Aus der vertraglichen Einbeziehung der AGB in der Vergangenheit resultiert die tatsächliche Vermutung ihrer zukünftigen Verwendung und ihrer Anwendung bei der Vertragsdurchführung (vgl. BGH NJW 1992, 1108; BGH NJW-RR 2001, 485; BGH NJW 2002, 2386). An die Widerlegung dieser Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1987, 3251). Diese sind hier nicht erfüllt. Die Beklagte hält die Klauseln im Preisaushang mit Negativverzinsung für zulässig und hat daher die für eine Widerlegung regelmäßig erforderliche Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert, was die Vermutung nicht entkräften kann (BGH VersR 2012, 1149).

II. Zum Antrag Ziff. II.:

Die Androhung von Ordnungsgeld im Falle der Zuwiderhandlung findet ihre Rechtsgrundlage in § 890 ZPO.

B. …

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