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RdF-News
17.05.2016
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FG Münster: Zur Erfassung von Erträgen aus argentinischen Staatsanleihen als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach der bis einschließlich 2008 geltenden Rechtslage

FG Münster, Urteil vom 21.10.2015 – 11 K 457/11 E

Sachverhalt

Streitig ist, ob (1.) Kapitalerträge, die der Kläger in den Jahren 2007 und 2008 aus argentinischen Staatsanleihen erzielt hat, der inländischen Einkommensteuer unterliegen und ob (2.) Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften im Jahr 2008 steuerlich berücksichtigungsfähig sind.

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren Zinsen aus von der Republik Argentinien begebenen Anleihen, die er Ende des Jahres 2006 erworben hatte. Die Zinserträge beliefen sich auf 18.931,00 EUR im Jahr 2007 und auf 30.177,00 EUR im Jahr 2008.

Bei den Anleihe handelte sich um sog. „GDP-Bonds" - die bisweilen auch als „BIP-Schuldverschreibungen“ bezeichnet werden - , deren Erträge von der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Republik Argentinien abhängig sind. Diese vom Kläger erworbenen Anleihen waren im Rahmen der Umschuldung der Republik Argentinien im Jahr 2005 begeben worden. Im Rahmen der Umschuldung wurden die bestehenden argentinischen Staatanleihen zunächst gegen sog. „EO-Units“ umgetauscht (WKN: A0DUDR, ISIN: XS0205540536). Bei diesen „EO-Units“ handelte es sich um Einheiten aus sog. „Par-Schuldverschreibungen“ und den hier in Rede stehenden „GDP-Bonds“. Bei den „Par-Schuldverschreibungen“ handelte es sich um Schuldverschreibungen, die eine halbjährliche Zinszahlung zu einem festgelegten Zinssatz sowie eine Kapitalrückzahlung in zwanzig Raten bis zum Ende der Laufzeit der Anleihe am 31.12.2038 vorsehen (vgl. Verkaufsprospekt vom 28.12.2004, Seite 50).

Die „GDP-Bonds“ begründen einen bedingten Anspruch auf eine zusätzliche Zahlung durch die Republik Argentinien. Die Zahlungen an die Inhaber der „GDP-Bonds“ erfolgen jährlich, allerdings nur, wenn das Bruttoinlandsprodukt Argentiniens eine festgelegte absolute Größe und im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr eine bestimmte relative Größe überschreitet; die Höhe der Zahlungen ist auf einen absoluten Betrag für die gesamte Laufzeit der „GDP-Bonds“ beschränkt. Die „GDP-Bonds“ weisen gemäß dem Verkaufsprospekt eine Laufzeit bis zum 15.12.2035 auf. Sie verfügen über einen lediglich fiktiven Nennwert; eine Kapitalrückzahlung zum Ende der Laufzeit der „GDP-Bonds“ ist nicht vorgesehen (wegen der weiteren Einzelheiten vgl. Prospekt vom 28.12.2004, Seite 54ff.).

Zum Verhältnis der „GDP-Bonds“ zu den „Par-Schuldverschreibungen“ ist in dem offiziellen Verkaufsprospekt vom 28.12.2004 Folgendes ausgeführt (Seite 54):

 „Jedes BIP-gebundene Wertpapier wird zunächst als einzelne Einheit mit dem zugrundeliegenden Par-, Discount oder Quasi-Par begeben werden. Für einen Zeitraum von 180 Tagen nach dem ersten Abrechnungstag werden BIP-gebundene Wertpapiere an die zugrundeliegenden Pars, Discounts oder Quasi-Pars gekoppelt bleiben und als eine einzelne Einheit gehandelt werden. Nach Ablauf dieses Zeitraums von 180 Tagen werden die BIP-gebundenen Wertpapiere und die zugrundeliegenden Pars, Discounts, und Quasi-Pars voneinander automatisch getrennt und keine einzelne Einheit mehr bilden. Danach werden die BIP-gebunden Wertpapiere unabhängig von den zugrundeliegenden Pars, Discounts oder Quasi-Pars gehandelt werden“

Die zunächst zusammengefassten „EO-Units“ wurden – wie in dem Verkaufsprospekt vorgesehen – im Jahr 2005 getrennt. Seitdem werden die „Par-Schuldverschreibungen“ unter der Wertpapierkennnummer A0DUDC (ISIN: XS0205537581) und die „GDP-Bonds“ unter der Wertpapierkennnummer A0DUDM (ISIN: XS0209139244) gehandelt. Der Kläger erwarb – nach der beschriebenen Trennung – die letztgenannten GDP-Bonds.

Die Einkommensteuererklärung für 2007 gab der Kläger am 12.02.2009 ab. Die Zinseinnahmen aus den „GDP-Bonds“ berücksichtigten die Kläger in der Einkommensteuererklärung nicht. Auch in der von den Klägern vorgelegten Jahresbescheinigung für 2007 der CortalConsors-Bank vom 14.01.2009 (Einkommensteuerakte Bl. 36ff.) waren die Zinseinnahmen nicht aufgeführt. Am 27.04.2009 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid für 2007, mit welchem die Einkommensteuer erklärungsgemäß auf 0,00 EUR festgesetzt wurde. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen wurden erklärungsgemäß mit ./. 1.062,00 EUR berücksichtigt. Nachdem der Kläger wegen eines im vorliegenden Klageverfahren unstreitigen Punktes Einspruch eingelegt hatte, erließ der Beklagte am 20.05.2009 einen geänderten Bescheid. Die Einkommensteuer wurde erneut auf 0,00 EUR festgesetzt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 10.02.2010 reichten die Kläger die Erklärung zur Einkommensteuer 2008 ein. Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen waren ausländische Kapitalerträge in Höhe von 30.177,68 EUR erfasst, die auch in der Jahresbescheinigung der CortalConsors-Bank aufgeführt waren (Bl. 148, 153). In den Erläuterungen zur Einkommensteuererklärung führten die Kläger aus, dass diese Zinseinnahmen ihres Erachtens steuerfrei seien. In der Einkommensteuererklärung für 2008 machte der Kläger außerdem Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 22.994.00 EUR geltend. Zum Nachweis der Verluste fügte der Kläger der Einkommensteuererklärung ein „Account Statement“ der X. Ltd., Neuseeland, bei. Ausweislich dieses Kontoauszugs hatte der Kläger bei Eröffnung des Kontos einen Betrag in Höhe von 100.000,00 Neuseeländischer Dollar (NZD) investiert; das Datum der Eröffnung des Kontos ist aus dem Kontoauszug nicht ersichtlich. Gemäß dem Kontoauszug wies das Konto zu Beginn des Jahres 2008 einen Bestand in Höhe von 115.259,00 NZD auf, der sich bis zum Ende des Jahres auf 70.026,53 NZD minderte (s. Einkommensteuerakte 2008, Bl. 198). Hieraus ergab sich nach den Berechnungen des Klägers ein Verlust für das Jahr 2008 in Höhe von umgerechnet 22.994,00 EUR.

In dem Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24.06.2010 behandelte der Beklagte die Einnahmen des Klägers aufgrund der argentinischen „GDP-Bonds“ entgegen der Auffassung der Kläger als steuerpflichtig. Der Beklagte berücksichtigte Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 30.442,00 EUR; dieser Betrag umfasste u.a. die im vorliegenden Klageverfahren streitigen Zinseinnahmen des Klägers aus den „GDP-Bonds“ in Höhe von 30.177,68 EUR. In dem Einkommensteuerbescheid für 2008 berücksichtigte der Beklagte weiterhin Einkünfte des Klägers aus sonstigen Veräußerungsgeschäften in Höhe von 46.415,00 EUR, die sich unter Berücksichtigung eines Verlustvortrags auf 22.052,00 EUR minderten. Die vom Kläger geltend gemachten Verluste aus dem Handelskonto bei der X. Ltd. erkannte der Beklagte nicht an. Der Kläger legte diesen Steuerbescheid fristgemäß Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte am 27.09.2010 einen geänderten Bescheid, der zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde; die Änderung betraf einen im vorliegenden Klageverfahren nicht streitbefangenen Punkt.

Der Kläger legte dem Beklagten nach entsprechender Aufforderung eine weitere von der CortalConsors-Bank ausgestellte Jahresbescheinigung 2007 vor, in welcher noch Einnahmen des Klägers aus den „GDP-Bonds“ in Höhe von 18.931,95 EUR ausgewiesen waren. Ausweislich der Bescheinigung ist ein Kapitalertragsteuerabzug hinsichtlich dieser Einnahmen indes nicht erfolgt. Am 25.11.2010 erließ der Beklagte einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2007, in welchem er zusätzliche Kapitaleinkünfte des Klägers in Höhe von 18.931,95 EUR berücksichtigte. Auch gegen diesen Bescheid legten die Kläger fristgemäß Einspruch ein.

Der Beklagte wies die Einsprüche der Kläger wegen der Einkommensteuer 2007 und 2008 mit jeweils gesonderter Einspruchsentscheidung vom 13.01.2011 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die am 11.02.2011 erhobene Klage.

Die Kläger sind der Auffassung, dass die Erträge aus den „GDP-Bonds“ (WKN: A0DUDM) nicht der Einkommensteuer unterliegen. Die Voraussetzungen der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung seien nicht erfüllt, da nach den Bedingungen der „GDP-Bonds“ weder die Rückzahlung des Kapitals noch die laufenden Entgelte gewiss seien. In den Verkaufsprospekt vom 28.12.2004 werde ausdrücklich ausgeführt, dass die GDP-Bonds „keinen Anspruch auf Kapital- oder Zinszahlungen, sondern […] ein Recht auf bestimmte Zahlungen [verbriefen], die von der Entwicklung des argentinischen Bruttoinlandsprodukts abhängen und auf dessen Grundlage festgelegt werden“. Dass die laufenden Zahlungen ungewiss seien, zeige sich schon daran, dass im Jahre 2010 keine Zahlungen auf die „GDP-Bonds“ erfolgt seien. Die Rechtsauffassung des Beklagten beruhe offensichtlich darauf, dass der Tausch der Alt-Anleihen (der „EO-Units“) gegen die „Par-Schulverschreibungen“ mit der „kostenlosen“ Begebung der „GDP-Bonds“ vermengt werde. Dies sei jedoch unzulässig.

Weiterhin begehren die Kläger für das Streitjahr 2008 die Berücksichtigung der Verluste in Höhe von 22.994,00 EUR, die der Kläger im Rahmen der Geschäfte mit der X. Ltd. erzielt habe. Es handele sich um Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Der Kläger habe einen Vertrag mit der X. Ltd. über die Einrichtung eines Handelskontos für Geldmarktgeschäfte abgeschlossen. Die X. Ltd. sei dabei bevollmächtigt worden, Handelsgeschäfte auf Rechnung des Klägers vorzunehmen. Der Anlagebetrag in Höhe von 100.000,00 NZD sei durch den Schwager des Klägers bei der Bank of New Zealand eingezahlt worden. Der Schwager habe Darlehensschulden bei dem Kläger gehabt; die Einzahlung bei der Bank of New Zealand habe der Tilgung dieser Darlehensschulden gedient.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte jeweils am 08.06.2011 und am 08.11.2012 einen aus anderen Gründen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2008 erlassen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 25.11.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13.01.2011 dergestalt zu ändern, dass die Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen um 18.931,00 € gemindert werden,

den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 08.11.2012 dergestalt zu ändern, dass die Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen um 30.177,00 € und die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vor Verrechnung von Verlustvorträgen um 22.994,00 € gemindert werden,

hilfsweise, im Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, bei den „GDP-Bonds“ handele es sich um reine Ertragsscheine. Die hieraus erzielten Erträge führten daher in voller Höhe zu steuerpflichtigen Einkünften.

Hinsichtlich der Verluste, die der Kläger aus den Handelsgeschäften der X. Ltd. geltend macht, habe der Kläger keine ausreichenden Nachweise dafür vorgelegt, dass tatsächlich dem Kläger zurechenbare Verluste entstanden seien.

Mit Schreiben des Gerichts vom 07.07.2015 ist der Kläger unter Setzung einer Ausschlussfrist gem. § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgefordert worden, dem Gericht folgende Unterlagen vorzulegen: (1.) alle Verträge mit der X. Ltd. sowie die von dieser erteilten Abrechnungen, (2.) alle weiteren Bank- bzw. Steuerbescheinigungen, die dem Kläger durch die X. Ltd. ausgestellt worden sind, (3.) einen Beleg über die Zahlung des Anlagebetrags an die X. Ltd. und (4.) geeignete Unterlagen zum Nachweis, dass die Zahlung an die X. Ltd. auf Rechnung des Klägers erfolgt ist.

Der Rechtsstreit ist am 16.10.2014 vor dem damaligen Berichterstatter erörtert und am 21.10.2015 vor dem Senat verhandelt worden. Auf die Protokolle des Erörterungstermins und der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

 

29        Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, soweit der Beklagte die Kapitalerträge des Klägers aus den argentinischen Staatsanleihen, den „GDP-Bonds“, der Einkommensteuer unterworfen hat, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Verluste des Klägers aus dem Kapitalanlagevertrag mit der X. Ltd. hat der Beklagte indes zu Recht nicht anerkannt.

 

30        I.

 

31        Die Klage ist insoweit begründet, als der Beklagte zu Unrecht die vom Kläger in den Jahren 2007 und 2008 vereinnahmten laufenden Erträgnisse aus den GDP-Bonds i. H. von 18.931 EUR bzw. 30.177 EUR nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt hat. Vielmehr hat der Kläger im Jahr 2006 nach dem Tausch der „EO-Units“ und der damit verbundenen Trennung in die „Par-Schuldverschreibungen“ und die „GDP-Bonds“ mit den „GDP-Bonds“ eine nicht steuerbare Vermögensanlage spekulativen Charakters erworben.

 

32        Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der in den Streitjahren 2007 und 2008 geltenden Fassung liegen dann steuerpflichtige Kapitalerträge vor, wenn die Kapitalrückzahlung zugesagt ist, aber die Zahlung eines Entgelts dem Grunde und der Höhe nach ungewiss ist (Alternative 1), oder die Kapitalrückzahlung nicht zugesagt ist, aber dem Gläubiger für die Kapitalüberlassung ein Entgelt zugesagt oder gewährt wird, wobei die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängen kann (Alternative 2; vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2007  VIII R 53/05, BStBl II 2008, 563).

 

33        Zwar erfordert es der Tatbestand der Alternative 1 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht, dass die Rückzahlung des gesamten überlassenen Geldbetrags zugesagt oder gewährt wird (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2007  VIII R 53/05, BStBl II 2008, 563). Vorliegend ist aber nach der Aufspaltung der zuvor ausgegebenen „EO-Units“ in die „Par-Schuldverschreibungen“ und in die hier in Rede stehenden „GDP-Bonds“ mit den „GDP-Bonds“ keine – auch keine der Höhe nach beschränkte – Kapitalrückzahlungsforderung des Klägers verbunden. Vielmehr verfallen die „GDP-Bonds“ spätestens am 15.12.2035 ersatzlos, ohne dass zuvor Rückzahlungen auf den nach der Aufspaltung (nur noch) fiktiven Nennwert an die Inhaber der „GDP-Bonds“ zu leisten sind.

 

34        Die Entgelte aus den „GDP-Bonds“ unterfallen auch nicht dem Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 2 EStG.

 

35        Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 2 EStG ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur dann vorliegen, wenn entweder die Kapitalrückzahlung oder die Höhe eines (Mindest-)Entgelts im Vorhinein sicher feststehen (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2007  VIII R 53/05, BStBl II 2008, 563).

 

36        Da die Erträge der GDP-Bonds von der Entwicklung des Bruttoinlandprodukts der Republik Argentinien abhängen und damit nicht im Vorhinein sicher feststanden, stand auch kein Mindestertrag aus den „GDP-Bonds“ im Zeitpunkt des Erwerbs dieser Wertpapiere durch den Kläger im Voraus fest.

 

37        Auch die Tatbestandsvariante der Alternative 2 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, nach der Erträge aus einer Kapitalforderung auch dann gegeben sind, wenn ein Entgelt zwar nicht zugesagt, aber tatsächlich gewährt worden ist, ist im Streitfall nicht erfüllt. Mit diesem Tatbestandsmerkmal werden lediglich solche Fälle erfasst, in denen ohne eine ausdrückliche Zusage die Leistung des Entgelts aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung der Kapitalforderung von vornherein, d.h. im Zeitpunkt der Emission, sicher ist (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2007  VIII R 53/05, BStBl II 2008, 563). Auch ein derartiges Entgelt stand im Streitfall nicht fest.

 

38        Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24.02.2015  (VIII R 54/12, BStBl II 2015, 693). In dem dortigen Fall hatte der BFH zu entscheiden, ob Gewinne aus der Veräußerung der „PAR-Schuldverschreibungen“ nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG als steuerpflichtige Einnahmen zu erfassen sind. Zwar hat der BFH in der vorgenannten Entscheidung unter Textziffer II. 2. a) bb) ausgeführt, die Zuordnung von Wertpapieren und Kapitalforderungen zu dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG beschriebenen Typus von Finanzinnovationen hänge von den Verhältnissen im Zeitpunkt der Emission ab, so dass dem Umstand, dass vor der Veräußerung der Par-Schuldverschreibungen diese von den "GDP-Bonds" abgetrennt worden seien, keine Bedeutung zukomme. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist dieser für den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG geltende Grundsatz im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auf den Streitfall indes nicht anwendbar.

 

39        Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt in der Gesamtschau ihrer oben dargestellten Regelungsalternativen, dass bei bestimmten Kapitalanlagen die Entgeltzahlung wirtschaftlich mit der Kapitalrückzahlung austauschbar ist und das Risiko vom Entgelt auf die Rückzahlung verlagert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2007  VIII R 53/05, BStBl II 2008, 563).

 

40        Vorliegend ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass der Kläger die hier in Rede stehenden „GDP-Bonds“ zeitlich erst nach deren Entstehen als eigenständige mit einer eigenen Wertpapierkennummer handelbare Wertpapiere als Vermögensanlagen mit einem ausschließlich spekulativen Charakter erworben hat. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Streitfall von dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 24.02.2014 (VIII R 54/12, BStBl II 2015, 693) zugrunde lag. In dem dortigen Fall hatte der Steuerpflichtige die ursprünglichen mit einer abweichenden Wertpapierkennummer ausgegebenen „EO-Units“, die zugleich einen Anspruch auf Kapitalrückzahlung und einen weiteren Anspruch auf einen garantierten Zins begründet haben, erworben. Über diese ursprünglich mit den EO-Units verbundenen und nach der Trennung auf die „PAR-Schuldverschreibungen“ übergegangenen Ansprüche konnte der Steuerpflichtige in dem vom BFH entschiedenen Fall auch nach der Aufspaltung der „EO-Units“ weiterhin verfügen bzw. diese Rechtsposition geltend machen. Demgegenüber ist der Kläger, der die ursprünglich ausgegebenen „EO-Units“ nicht erworben hatte, mit dem Erwerb der „GDP-Bonds“ weder Inhaber eines (teilweisen) Rückzahlungsanspruchs hinsichtlich des nur noch fiktiv ausgewiesene Nennbetrags noch Inhaber eines von vorneherein feststehenden Entgelts für die Überlassung des fiktiven Nennbetrags geworden. Damit ist zugleich ausgeschlossen, dass nach der Begebung der „GDP-Bonds“ eine feststehende Entgeltzahlung mit einer Mindestkapitalrückzahlung wirtschaftlich austauschbar ist, da das Risiko einer nur eventuellen Entgeltzahlung nicht auf die Rückzahlung eines nur fiktiven Nennkapitals verlagert worden ist.

 

41        II.

 

42        Die vom Kläger geltend gemachten Verluste aus dem Kapitalanlagevertrag mit der X. Ltd. im Streitjahr 2008 können nicht als Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG anerkannt werden.

 

43        Die steuerliche Berücksichtigung von privaten Veräußerungsgeschäften setzt nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG voraus, dass der Steuerpflichtige die dieser Norm unterfallenden Wirtschaftsgüter angeschafft und sodann innerhalb der normierten Frist wieder veräußert hat. Auch Fremdwährungsgeschäfte – wie sie jedenfalls nach Angaben des Klägers durchgeführt worden sein sollen – können grundsätzlich zu privaten Veräußerungsgewinnen bzw. -verlusten im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG führen.

 

44        Im vorliegenden Fall steht indes nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger tatsächlich die von ihm behaupteten Verluste aus dem Kapitalanlagevertrag mit der X. Ltd. erzielt hat. Die insoweit verbleibenden – sehr erheblichen – Zweifel gehen zu Lasten des Klägers, der nach den allgemeinen Regeln des finanzgerichtlichen Verfahrens die Feststellungslast für die steuermindernde Tatsache der erzielten Verluste trägt (vgl. nur z.B. BFH-Urteil vom 15.10.2014 II R 14/14, BStBl. II 2015, 405). Im vorliegenden Fall tritt hinzu, dass die vom Kläger behaupteten Währungsgeschäfte im Ausland – außerhalb des Geltungsbereichs der Abgabenordnung – durchgeführt worden sein sollen, so dass den Kläger gem. § 90 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO eine erweiterte Mitwirkungspflicht trifft.

 

45        Der Kläger hat dem Gericht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung folgende Dokumente vorgelegt:

 

46       

 

47        •Eine undatierte Bescheinigung der X. Ltd., New Zealand, die sich auf die Jahre 2007 bis 2010 erstreckt und die lediglich einen Quartalsendbestand ohne nähere Angaben zu den getätigten Geschäften ausweist („Account Statement“, Einkommensteuerakte 2008 Band V, Bl. 198).

 

48        •Eine auf den 30.04.2010 datierte Bescheinigung der X. Ltd., New Zealand, die sich auf die Jahre 2007 bis 2010 erstreckt und die den Quartalsendbeständen und die kumulierten Gewinnen/Verlusten enthält; Angaben zu den getätigten Geschäften sind nicht enthalten („Account Statement“ bzw. „Consolidated Account Statement“, Einkommensteuerakte 2008 Band VI Bl. 307-309).

 

49        •Eine auf den 05.04.2012 datierte Bescheinigung der X. Ltd., New Zealand, die sich auf die Jahre 2007 bis 2012 erstreckt und nach dem Muster der Bescheinigung vom 30.04.2010 aufgebaut ist (Gerichtsakte Bl. 101).

 

50        •Undatierte Bescheinigungen der X. Ltd., New Zealand, die sich auf das Jahr 2009 erstrecken (Gerichtsakte, Anlage zum Klägerschriftsatz vom 15.09.2015).

 

51        •Diverse mehrseitige tabellarische Aufstellungen von Handelsgeschäften, in denen allerdings als Inhaberin des Handelskontos nicht der Kläger oder die X. Ltd., sondern vielmehr die X., Inc., genannt ist.

 

52        Die Bescheinigungen der X. Ltd. erscheinen aufgrund ihrer höchst unprofessionellen Gestaltung und aufgrund des Fehlens zahlreicher geschäftsüblicher Informationen unglaubhaft. Die Bescheinigungen enthalten überwiegend keine näheren Informationen zum Anlagekonto wie insbesondere die Konto- bzw. Kundennummer des Klägers bei der X. Ltd. Es ist aus den Bescheinigungen nicht ersichtlich, bei welcher Bank das Handelskonto des Klägers geführt worden sein soll. Auch lassen die Bescheinigungen nicht erkennen, welche Handelsgeschäfte konkret durchgeführt worden sein sollen. Von den undatierten Bescheinigungen für das Jahr 2009 weist eine Bescheinigung nicht einmal den Namen des Klägers auf. Die Bestätigungen enthalten abgesehen von der Adresse der X. Ltd. – „…, …, … … Street, … …, New Zealand“ – keine weiteren Informationen zur Ausstellerin der Bescheinigung. Geschäftsübliche Angaben z.B. zu der Person des Geschäftsführers, zum zuständigen Registergericht, zur zuständigen Finanzaufsichtsbehörde und zur Steuernummer fehlen. Auch im Geschäftsverkehr übliche Angaben zu Kontaktdaten (insb. Telefon- und Faxnummern) fehlen in den Bescheinigungen. Während die vom Kläger vorgelegten Bestätigungen von der X. Ltd. mit Sitz in Neuseeland erstellt worden sind, ist das Anschreiben, welches der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, von folgender Gesellschaft erstellt: „X., Inc., … … , …, SC …“ (wobei SC offenbar für South Carolina, USA, steht). Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Bestätigung für den Kapitalanlagevertrag bei der neuseeländischen X. Ltd. von einer US-amerikanischen Gesellschaft desselben Namens ausgestellt werden sollte.

 

53        Die vorgelegten tabellarischen Aufstellungen erbringen ebenfalls nicht den Beweis dafür, dass Handelsgeschäfte auf Rechnung des Klägers getätigt worden sind. In den Aufstellungen ist als Kontoinhaber die „X., Inc.“ genannt; teils unter der Anschrift „… …, …, Nevada …, United States“. Diese Aufstellungen lassen nicht erkennen, dass die entsprechenden Handelskonten für den Kläger geführt worden sind, zumal als Inhaberin der Handelskonten nicht die X. Ltd. mit Sitz in Neuseeland benannt ist, die nach Angaben des Klägers seine Vertragspartnerin war, sondern eine namensgleiche Gesellschaft mit Geschäftssitz in Nevada, USA.

 

54        Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellen würde, dass die von der X. Ltd. bestätigten Fremdwährungsgeschäfte tatsächlich durchgeführt worden sind, hätte der Kläger nicht den Nachweis erbracht, dass die hieraus entstandenen Verluste tatsächlich ihm zuzurechnen sind. Ausweislich des „Consolidated Account Statement“ vom 30.04.2010 soll der Kläger im Jahr 2007 Gewinne erzielt haben. Diese Gewinne hat der Kläger indes nicht in seiner Einkommensteuererklärung für 2007 erklärt. Der Kläger handelt widersprüchlich, wenn er die Gewinne des Jahres 2007 nicht erklärt, die im Folgejahr 2008 entstandenen Verluste dann jedoch steuerlich geltend macht.

 

55        Die Herkunft der Geldmittel, die der Kläger der X. Ltd. zur Verfügung gestellt haben will, ist durch die Kläger ebenfalls nicht nachgewiesen. Der Betrag in Höhe von 100.000,00 NZD ist von einem Konto des Schwagers des Klägers, Herrn E. M., überwiesen worden. Zwar trägt der Kläger vor, dass die Überweisung zur Begleichung einer Darlehensschuld des Herrn E. M. gegenüber dem Kläger erfolgt ist. Auch diese Behauptung ist durch den Kläger indes nicht in hinreichender Weise nachgewiesen. Einen Darlehensvertrag hat der Kläger nicht vorlegt. Die vom Kläger mit Schreiben vom 15.09.2015 vorgelegten Kontoauszüge beweisen lediglich, dass er in den Jahren 2002 bis 2006 diverse Überweisungen nach Neuseeland getätigt hat, nicht jedoch, dass diesen Zahlungen eine Darlehensgewährung an Herrn E. M. zugrundeliegt. Als Verwendungszweck ist in den Überweisungen u.a. „Wedding“ und „Car“ angegeben; hierdurch wird der Beweis einer Darlehensgewährung nicht erbracht. Als Empfängerin ist in den Kontoauszügen im Übrigen nicht Herr E. M., sondern vielmehr Frau T. D. M. genannt. Insbesondere haben die Kläger nicht den Nachweis dafür erbracht, dass die behauptete Darlehnsrückzahlung durch die Anlage des Darlehnsbetrags auf Rechnung des Klägers erfolgt ist.

 

56        Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 07.07.2015 aufgefordert, alle Bank- oder Steuerbescheinigungen vorzulegen, die er im Zusammenhang mit den Kapitalanlagegeschäften der X. Ltd. erhalten hat. Dieser Aufforderung ist der Kläger nicht nachgekommen. Das Fehlen jeglicher offizieller Bank- oder Steuerbescheinigung begründet bereits für sich genommen erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger tatsächlich Kapitalanlagen im Ausland getätigt hat.

 

57        Das Gericht hat den Kläger mit Schreiben vom 07.07.2015 weiterhin aufgefordert, alle von der X. Ltd. erstellten Abrechnungen vorzulegen. Auch dieser Aufforderung ist der Kläger nicht nachgekommen. Nach Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die X. Ltd. dem Kläger eine jährliche Abrechnung erteilt. Auch diese Abrechnungen hat der Kläger dem Finanzgericht nicht vorgelegt. Der Umstand, dass der Kläger die nach seinen Angaben vorhandenen Bestätigungen dem Gericht trotz entsprechender Aufforderung nicht vorlegt, begründet ebenfalls erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der Finanzgeschäfte.

 

58        III.

 

59        Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Berechnung der Einkommensteuer wurde dem Beklagten nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen. Die Revision wird im Hinblick auf die streitige Rechtsfrage, ob die Einnahmen des Klägers aus den Argentinien-Anleihen der Einkommensteuer unterliegen, gem. § 115 Abs. 1 Nr. 2 FGO zugelassen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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