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RdF-News
30.10.2015
RdF-News
FG Düsseldorf: Verfall von Finanzinstrumenten ist steuerlich zu berücksichtigen

FG Düsseldorf, Urteil vom 25.2.2015 – 15 K 4038/13 E,F

Aus den Gründen

2          Die Beteiligten streiten über die steuerliche Einordnung sog. Kursdifferenzerträge und von Verlusten aus sog. Knock-Out-Optionen.

3          Die Kläger erklärten in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2006 und 2007) u. a. Kapitalerträge des Klägers aus verschiedenen bei der A-Bank geführten Wertpapieren.

4          Die Erträgnisaufstellung 2006 der A-Bank weist auf Seiten 4, 5 unter dem 26.05.2006 drei „inl. Kursdifferenzerträge“ aus den Papieren „LBW16V Landesbank B“ auf von 204 EUR, 170 EUR und 140 EUR (Summe 514 EUR) mit dem Zusatz „KAP 6“. Daneben sind zu diesen Papieren „Stückzinserträge“ aufgelistet. Auf S. 9 der Bescheinigung ist der Betrag von 514 EUR bezeichnet als „inl. Kursdifferenzerträge“ / „Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG“. Seite 10 enthält den Hinweis, dass es sich um zinsabschlagsteuerpflichtige Erträge nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG (in der damaligen Fassung) aus Verkauf oder Einlösung (KAP Zeile 6 bzw. Zeile 32) handele. Seite 1 enthält die Belehrung, dass in der Jahresbescheinigung die Kapitalerträge gemäß § 20 EStG für die Anlagen KAP und AUS aufgeführt seien und darüber hinaus die privaten Veräußerungsgeschäfte gemäß § 23 EStG, welche in die Anlage SO einflössen.

5          Der Kläger nahm die Eintragung in der Anlage KAP für das Streitjahr 2006 unter Hinweis auf die von ihm erstellte „Tabelle 4“ vor; dort hatte er die aufgelisteten Beträge hinsichtlich der „Einnahmen Typ Bank 4“ gemindert um 514 EUR. Die Anlage SO hatte er unter Verweis auf eine „Tabelle 5“ ausgefüllt, deren Gesamtbetrag der Einnahmen er erhöht hatte um 514 EUR.

6          Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2006 mit Bescheid vom 06.03.2008 (ebenso mit Änderungsbescheiden vom 30.09.2008 und 11.12.2008; zudem entsprechende Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006) fest und erläuterte, dass die Zinsen von 514 EUR aus Kursdifferenzgeschäften der „Bank 4“ den Einkünften aus Kapitalvermögen hinzugerechnet und bei den Einkünften aus Termingeschäften entsprechend nicht zugerechnet worden seien. Intern hatte er am 07.02.2008 vermerkt, es könne nicht ohne detaillierte Nachweise angenommen werden, dass die Erträge aus Kursdifferenzgeschäften, die von der Bank als Kapitalerträge ausgewiesen seien, in den erklärten Einkünften aus Termin- bzw. Veräußerungsgeschäften enthalten seien.

7          Darüber hinaus erklärte der Kläger für die Streitjahre 2006 und 2007 in den Anlagen SO für verschiedene Wertpapiere Beträge von zs. ./. 2.136,53 EUR (2006) und zs. ./. 609 EUR (2007), deren Einzelbeträge A-Bank in den Erträgnisaufstellungen unter der Rubrik „private Veräußerungsgeschäfte“ Depotausgängen zugeordnet hatte. Die sich daraus ergebenden Verluste erkannte der Beklagte indes 8   Mit der Einspruchsentscheidung vom 23.10.2013 verwarf der Beklagte den Einspruch gegen den Bescheid vom 11.12.2008 als unzulässig und wies den Einspruch gegen den Bescheid vom 06.03.2008 als unbegründet zurück. Der Beklagte verwies darauf, dass die Jahresbescheinigung der A-Bank den Betrag von 514 EUR ausdrücklich als Einnahmen aus Kapitalvermögen ausweise und der Anlage KAP, Zeile 6, zuordne (als Zinsen), ihn nicht dagegen auf ein privates Veräußerungsgeschäft beziehe. Die Verluste aus den ungeklärten Depotausgängen seien unbeachtlich; das Verfallenlassen einer Knock-Out-Option sei steuerlich nicht relevant.

9          Mit der Klage machen die Kläger weiterhin Folgendes geltend:

10        Der Betrag von 514 EUR betr. Kursdifferenzgeschäften für das Streitjahr 2006 sei von der Bank fälschlich den Zinseinnahmen zugerechnet worden; die Bescheinigung der A-Bank sei insoweit fehlerhaft. Die Zinsen seien demnach zu hoch angesetzt. Stattdessen sei der Betrag den Einkünften aus § 23 EStG zuzuordnen. Da Letzteres hier erfolgt sei, führe der fehlerhafte zusätzliche Ansatz von 514 EUR als Zinseinnahmen zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung.

11        Bei den vom Beklagten nicht anerkannten Verlusten aus Knock-Out-Optionen handele es sich um bedingte Termingeschäfte. Maßgebend nach § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG sei allein die Beendigung des Geschäftes; dies könne auch durch ein bloßes Nichtausüben der Option erfolgen. Der Beklagte verkenne mathematische Grundsätze, halte sich nicht an die Gesetzesfassung des § 23 EStG und ignoriere zudem die Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 26.09.2012 IX R 50/09 und IX R 12/11.

12        Das Gericht hat die A-Bank mit Verfügung vom 20.10.2014 um Auskunft zur Einordnung der „Kursdifferenzbeträge“ von 514 EUR gebeten; der Kläger mache geltend, es handele sich um Einkünfte nach § 23 EStG statt § 20 EStG, da andernfalls Kursgewinne aus Anleihegeschäften doppelt erfasst würden. Die A-Bank hat dazu am 12.11.2014 Folgendes mitgeteilt: Der Betrag von 514 EUR betreffe reine Kursgewinne. Er sei in der Jahressteuerbescheinigung in der Gesamtsumme von 893,73 EUR enthalten. In der Jahresbescheinigung seien für diese Wertpapiere LBW16V Kursgewinne unter Berücksichtigung der Spesen mit 401,57 EUR ausgewiesen. Wie in der Jahresbescheinigung erläutert, sei die Versteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20; Anlage KAP) gegenüber der Versteuerung als privates Veräußerungsgeschäft (§ 23, Anlage SO) vorrangig. Sofern in der Einkommensteuererklärung Beides angegeben sei, liege eine Doppelbesteuerung vor, die ggf. zu korrigieren sei. Zur Frage der Einordnung der „Depotausgänge“ hat A-Bank in der o. a. Auskunft mitgeteilt, es lägen die Wertpapiertypen „Optionsschein und Zertifikat“ zugrunde, die gemäß BMF-Schreiben vom 27.11.2001 (IV C 3 – S 2256 – 265/01) als Termingeschäft gälten.

13        Der Kläger sieht sich durch die o. a. Auskunft im Kern bestätigt. Der Betrag von 514 EUR sei indes allein nach § 23 EStG zu beurteilen, wie sich aus den eingereichten Belegen ergebe.

14        Die Kläger beantragen,

15        den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 11.12.2008 sowie die Bescheide zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 vom 11.12.2008 und auf den 31.12.2007 vom 01.03.2012, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 23.10.2013, dahin zu ändern, dass für 2006 die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 514 EUR gemindert werden sowie für 2006 bzw. 2007 die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften erhöht werden um 2.136,53 EUR bzw. 609 EUR.

16        Der Beklagte beantragt,

17        die Klagen abzuweisen.

18        Der Beklagte verbleibt bei seiner bisherigen Auffassung. Die von den Klägern angeführten BFH-Urteile zu wertlos gewordenen Optionen seien nicht einschlägig, weil es hier um Knock-Out-Geschäfte gehe; für solche sei nach dem (früheren) BFH-Beschluss vom 24.04.2012 IX B 154/10 ein Verfallsverlust nicht berücksichtigungsfähig. Die dortigen Grundsätze seien nach den BMF-Weisungen vom 27.03.2013 auch weiterhin anzuwenden. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass er einen einzelnen ungeklärten Depotausgang von 239,95 EUR versehentlich als Verlust angesetzt habe.

19        Die Klage ist überwiegend begründet.

20        Die angefochtenen Bescheide sind im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig und verletzen die Kläger insoweit in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-).

21        Der Beklagte hat die Kursgewinne von 514 EUR im Streitjahr 2006 zu Unrecht nicht nur der Einkunftsart § 20 EStG zugeordnet, sondern in Höhe eines Teilbetrages von 401,57 EUR zusätzlich als Einkünfte i. s. des § 23 EStG erfasst; letztere ist vorliegend wegen Doppelerfassung rückgängig zu machen.

22        Die Erträgnisaufstellung (S. 4, 5) der A-Bank differenziert hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Wertpapiere LBW16V wie folgt: „Stückzinsertrag (KAP 6): 379,73 EUR“ und „Kursdifferenzerträge (KAP 6): 514,00 EUR“. Nach Auskunft der A-Bank vom 12.11.2014 handelt es sich insoweit um „reine Kursgewinne“ in der Summe von 893,73 EUR - bezeichnet als Einnahmen nach § 20 EStG. Das entspricht zugleich der Jahressteuerbescheinigung betr. 893,73 EUR und ebenso der Jahresbescheinigung S. 2 (893,73 EUR Einnahmen aus verzinslichen Wertpapieren, einschl. Stückzinsen, Zeile 6 Anlage KAP). Das Gericht hat – auch unter Berücksichtigung des übrigen Akteninhalts - keinen Anlass, an dieser von der Bank mehrfach getroffenen und auf gerichtliche Anfrage nochmals bekräftigten Einordnung als Einkünfte i. S. von § 20 EStG zu zweifeln.

23        Zugleich sind auf S. 18, 19 der Jahresbescheinigung für dieselben Papiere (LBW16V) „Ergebnisse“ (Verkaufserlös abzgl. Anschaffungskosten abzgl. Aufwendungen) von zusammen 401,57 EUR ausgewiesen und, einzutragen in der Anlage SO, als privates Veräußerungsgeschäft i. S. von § 23 EStG zugeordnet. Der Begriff der „Spesen“ lt. Auskunft der A-Bank erfasst nicht nur die „Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft (nur Transaktionskosten)“ lt. S. 18, 19 (diese addieren sich mit 26,30 EUR + 18,28 EUR + 15,23 EUR auf lediglich 59,81 EUR), sondern weitere Aufwendungen (zumal der Betrag von 514 EUR als Einnahmen abzgl. 59,81 EUR Transaktionskosten nicht den Betrag von 401,57 EUR ergibt). Spesen sind ohnehin nicht lediglich „Transaktionskosten“.

24        A-Bank hat zutreffend, nämlich dem Subsidiaritätsprinzip des § 23 Abs. 2 EStG entsprechend, ergänzt, dass bei einer Doppelzuordnung zu § 20 EStG und zu § 23 EStG diejenige zu § 20 EStG vorrangig sei. Demnach verbleibt es hier bei dem Ansatz der Kapitaleinkünfte nach § 20 EStG (Einnahmen 514 EUR; „Spesen“ von 59,81 EUR bereits über den Werbungskostenpauschbetrag erfasst). Die Doppelerfassung – der Ansatz der Einkünfte, allerdings nur mit 401,57 EUR, als solche nach § 23 EStG – entfällt.

25        Die Verluste aus den bedingten Termingeschäften sind in vollem Umfang anzuerkennen.

26        Der Erwerb und Verfall der den „ungeklärten Depotausgängen“ (lt. Erträgnisaufstellungen der A-Bank) zugrunde liegenden Wertpapiere erfüllt den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a. F. (Streitjahre 2006, 2007).

27        Nach dieser Vorschrift gehören zu den privaten Veräußerungsgeschäften i. S. von § 22 Nr. 2 EStG Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich erhält, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung nicht mehr als ein Jahr beträgt; Optionsscheine gelten als Termingeschäft.

28        Mit dem Erwerb der sog. Knock-Out-Optionen, um die es sich hier nach auch zwischen den Beteiligten unstreitiger Auffassung handelt, ist der Kläger ein derartiges Termingeschäft eingegangen. Dies stellt ein sog. bedingtes Termingeschäft dar in Gestalt eines „Optionsscheins und Zertifikat“, das lt. BMF-Schreiben vom 27.11.2001 (Bundessteuerblatt –BStBl- I 2001, 986) als Termingeschäft i. S. von §§ 20, 22, 23 EStG gilt (so auch die Auskunft der A-Bank vom 12.11.2014).

29        Der Kläger hat durch das Verfallenlassen der Optionsscheine das Termingeschäft i. S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG „beendet“, auch wenn er tatsächlich keinen Differenzausgleich oder sonstigen Vorteil erlangt hat. Dies entspricht der neueren Rechtsprechung des BFH. Das Gericht hat mit (den vom Kläger zutreffend angeführten) Urteilen vom 26.09.2012 IX R 50/09, BStBl II 2013, 231) und IX R 12/11 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV- 2013, 28) entschieden, dass das (bloße) Verfallenlassen einen steuerpflichtigen Beendigungstatbestand darstellt. Das Termingeschäft (Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil) werde – so der BFH überzeugend – auch dann steuerbar beendet, wenn ein durch das Basisgeschäft indizierter negativer Differenzausgleich durch Nichtausüben der (wertlosen) Forderung aus dem Termingeschäft vermieden werde. Denn das Gesetz verlange vom Steuerpflichtigen kein wirtschaftlich sinnloses Verhalten, sondern besteuere ihn nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese sei aber um die aufgewandten Optionsprämien gemindert, einerlei, ob es tatsächlich zu einem steuerbaren negativen Differenzausgleich komme oder ob ein solcher von vornherein vermieden werde, indem – als wirtschaftlich einzig sinnvolles Verhalten – die Option nicht ausgeübt werde.

30        Soweit sich hier der Beklagte für seine – den Steuerabzug versagende gegenteilige – Ansicht auf den BFH-Beschluss vom 24.04.2012 IX B 154/10 (BStBl II 2012, 454) beruft, vermag dies nicht zu überzeugen. Dieser Beschluss betrifft zwar den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der im Veranlagungszeitraum 2006 geltenden Fassung  und enthält – in damaligem Festhalten an der früheren BFH-Rechtsprechung – den Grundsatz, dass Erwerbsaufwendungen für verfallene Termingeschäfte ohne steuerrechtliche Bedeutung seien. Der BFH hat indes mit den o. a. Urteilen vom 26.09.2012 seine Rechtsprechung „fortentwickelt“ (so ausdrücklich IX R 50/09, BStBl II 2013, 231 im vorletzten Absatz) und ergänzt, er könne dem BMF, sofern dessen Schreiben vom 27.11.2001 (BStBl I 2001, 986) abweichend zu verstehen sei, nicht folgen. Der hiesige Senat schließt sich dem an. Entsprechend hat das hiesige Gericht auch mit Urteil vom 27.06.2014 1 K 3740/13 E (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG- 2014, 1580) entschieden; die hierzu anhängige Revision IX R 49/14 ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da dies das Streitjahr 2010 betrifft  – nach Einführung der sog. Abgeltungssteuer zum 01.01.2009 und der damit möglicherweise verbundenen geänderten Reichweite des Begriffs der Aufwendungen. Diese Auffassung hat das FG Düsseldorf auch mit Urteil vom 26.02.2014 7 K 2180/13 E (EFG 2014, 2027) vertreten (Revision VIII R 45/14; ebenfalls betreffend den Zeitraum nach Einführung der Abgeltungssteuer). Dem BMF-Schreiben vom 27.03.2013 (BStBl I 2013, 403), nach dem die Grundsätze des BFH-Beschlusses vom 24.04.2012 (IX B 154/10, BStBl II 2012, 454) trotz zwischenzeitlichen Urteils vom 26.09.2012 (IX R 50/09, BStBl II 2013, 231) jedenfalls betr. Aufwendungen für ein Knock-Out-Zertifikat weiter anwendbar seien, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

31        Die Übertragung der Berechnung der Steuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

32        Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

33        Gründe für eine Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 FGO bestehen nicht; der Senat stützt sich mit der vorliegenden Entscheidung auf die aktuelle Rechtsprechung des BFH.

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