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RdF-News
30.10.2015
RdF-News
FG Münster: Steuerliche Berücksichtigung eines erhöhten Rücknahmekurses einer Anleihe

FG Münster, Urteil vom 30.6.2015 – 13 K 984/13 K,G

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Passivierung einer Verbindlichkeit bzw. einer Rückstellung im Streitjahr 2007.

Die Klägerin ist als börsennotierte Konzern-Obergesellschaft im Bereich … international tätig. Sie ist als Obergesellschaft auch verantwortlich für die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel für sämtliche Konzerngesellschaften.

Am …2004 gab die Klägerin als Emittentin eine Anleihe in Höhe von insgesamt … EUR aus, die am Kapitalmarkt platziert und börsentäglich gehandelt wurde (ISIN: … / Common Code: … / WKN: …). Die Schuldtitel waren gegenüber anderen Verbindlichkeiten der Klägerin untergeordnet, sollten aber späteren untergeordneten Verbindlichkeiten der Klägerin im Rang vorgehen („Senior Subordinated Notes“). Sie waren mit 9,75 % verzinst. Die Schuldtitel sollten am …2011 zurückgezahlt werden. Sie unterlagen dem Recht des Staates … .

Der Anleihevertrag („Indenture“), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, sah die Auszahlung und Abwicklung u.a. über einen Treuhänder („Trustee“), nämlich die Y., England, sowie über eine Zahlstelle („Paying Agent“), nämlich die englische Niederlassung der Bank, vor. Mehrere Tochtergesellschaften der Klägerin fungierten als Gewährsgeber („Guarantors“). Art. 3 des Anleihevertrags sah die folgende Möglichkeit einer frühzeitigen Rücknahme der Schuldtitel vor:

                            „Abschnitt 3.01.              Rücknahmerecht. …

                            Abschnitt 3.02.              Mitteilungen an Treuhänder. …

                            Abschnitt 3.04.              Rücknahmemitteilung. …

                            Abschnitt 3.05.              Hinterlegung des Rücknahmekurses. …“

Zudem enthielten die einzelnen ausgegebenen Schuldtitel („Notes“) Bestimmungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. In Nr. 6 (c) der Schuldtitel war geregelt, dass im Falle einer frühzeitigen Rücknahme des Schuldtitels am oder nach dem …2008 der Rücknahmekurs im Jahr 2008 104,875 %, im Jahr 2009 102,438 % und im Jahr 2010 und danach 100,000 % betrage.

In einer Aufsichtsratssitzung der Klägerin vom …2007 erläuterte der damalige Finanzvorstand der Klägerin, V., Überlegungen zur Refinanzierung der Anleihe. Er teilte mit, eine Kündigungsmöglichkeit bestehe erstmals zum …2008. Der Vorstand halte ein Schuldscheindarlehen für die beste Refinanzierungsmöglichkeit. Weiter ergibt sich aus dem Protokoll über die Aufsichtsratssitzung, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird:

              „V. unterstreicht, für die Neufinanzierung sei eine Zustimmung des Bankenkonsortiums im syndizierten Kredit erforderlich, da dieses auf den strukturellen Vorrang der Bankenfinanzierung verzichten müsste.“

Am ...2007 fasste der Vorstand der Klägerin einstimmig den folgenden Beschluss:

              „Der Vorstand der Z. Aktiengesellschaft beschließt, den am … 2004 emittierten Bond mit einem Volumen von … EUR Nennwert zum nächstmöglichen Rückzahlungstermin … 2008 nach Möglichkeit in voller Höhe abzulösen.

              Die Festlegung der Modalitäten und der genauen Rückzahlungsbedingungen erfolgt durch einen gesonderten Vorstandsbeschluss.“

In einer Bankensitzung vom …2008, an der Vertreter von insgesamt … Banken teilnahmen, erläuterte der damalige Finanzvorstand der Klägerin, die Anleihe solle vorzeitig zum ersten Kündigungszeitpunkt im … 2008 refinanziert werden. Zur Refinanzierung sei ein Schuldscheindarlehen i.H.v. … EUR im Rahmen eines Umfinanzierungskonzepts geplant. Den anwesenden Bankenvertretern wurde ein Zeitraum von vier Wochen für die Zustimmung zu dem Finanzierungsantrag eingeräumt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Bankensitzung verwiesen.

In ihrer am ….2008 auf den 31.12.2007 aufgestellten Bilanz erhöhte die Klägerin den Ansatz der Anleihe unter den Verbindlichkeiten ergebniswirksam von zuvor … EUR (Stand 31.12.2006) auf … EUR. Die Erhöhung um … EUR entsprach 4,875 % von … EUR.

Nach Aufstellung der Bilanz erklärte der Vorstandsvorsitzende der Klägerin in seiner Rede … am …2008 laut Pressemitteilung u.a.:

              „Die Z.-Anleihe startete am …2007 mit einem Kurs von … Euro; am Jahresende waren es … Euro (…2007). Derzeit liegt der Kurs bei … Euro (…2008). Wir planen, die mit 9,75 % verzinste Anleihe zum erstmöglichen Termin am … 2008 vorzeitig abzulösen.“

Zur Refinanzierung dieser Ablösung führte die Klägerin mit verschiedenen Banken weitere Verhandlungen über die Begebung eines Schuldscheindarlehens über … EUR. Nach einem „Schreiben“ vom …2008 übertrug die Klägerin einer Gruppe von … Banken als „Joint Lead Manager“ ein Mandat für die Arrangierung der Transaktion. Die endgültige Auszahlung war für den …2008 geplant. Wegen der Einzelheiten wird auf das „Schreiben“ verwiesen.

Mit Schreiben vom …2008 teilte die Klägerin gem. Abschnitt 3.01 des Anleihevertrags dem Treuhänder der Anleihe, der Y., mit, sie werde alle Schuldtitel im Wert von … EUR zum …2008 zurücknehmen. Der Rücknahmekurs betrage 1.048,75 EUR pro 1.000,- EUR Schuldtitel zzgl. aufgelaufener Zinsen. Zudem bat die Klägerin den Treuhänder, die Rücknahmemitteilung der Klägerin nach Abschnitt 3.04 des Anleihevertrags an die Inhaber der Schuldtitel zu übermitteln. Die Rücknahmemitteilung wurde sodann mit Datum vom …2008 an die Inhaber der Schuldtitel übersandt. Zum Fälligkeitstag zahlte die Klägerin die Schuldtitel an deren Inhaber zurück.

Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C. führte im Jahr 2011 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin u.a. für das Streitjahr 2007 durch. Im Prüfungsbericht vom …2011 vertraten die Prüfer unter Tz. 2.3.6 des Berichts die Auffassung, die „Vorfälligkeitsentschädigung“ i.H.v. … EUR für die Anleihe könne nicht als Verbindlichkeit im Jahr 2007 gebucht werden. Daher sei der Gewinn – vorbehaltlich einer Erhöhung der Steuerrückstellungen – entsprechend zu erhöhen.

Denn im Jahr 2007 hätten nur interne Absichtsäußerungen der Klägerin vorgelegen, nach denen angedacht gewesen sei, die Anleihe im … 2008 vorzeitig zurückzunehmen. Dies reiche jedoch nicht aus, eine Verbindlichkeit in Höhe des dann fällig werdenden Aufgeldes zum 31.12.2007 zu erfassen. Denn die Verbindlichkeit sei zum Bilanzstichtag noch nicht entstanden, es handle sich nicht um eine „gewisse Verbindlichkeit“. Der Vorstandsbeschluss vom …2007 führe nicht zu einer Entstehung dieser Verbindlichkeit. Denn für die Umfinanzierung der Anleihe sei die Zustimmung von zwei fremden Vertragsparteien erforderlich gewesen, nämlich die Zustimmung der Banken für die Neufinanzierung und die Zustimmung der Banken für die laufende Anleihe, wegen derer auf Sicherheiten verzichtet werden musste. Die dritte Vertragspartei, der Treuhänder bzw. die Inhaber der Schuldtitel, seien aufgrund vertraglicher Vereinbarungen lediglich passiv beteiligt gewesen. Die Möglichkeit einer Neufinanzierung sei jedoch erst im Rahmen einer Bankensitzung am …2008 den dort anwesenden Vertretern einer Vielzahl von Banken vorgetragen worden. Wann konkrete Verhandlungen und entsprechende Angebote vorgelegt worden seien, sei nicht bekannt. Noch … am ….2008 sei lediglich von einer Absicht gesprochen worden und auch Fachmedien („Handelsblatt“; Finanzportal „Gevestor“) hätten noch weit im Jahr 2008 die Anleihe publizistisch behandelt und das Halten / Erwerben empfohlen. Dies mache deutlich, dass die vorzeitige Rücknahme erst zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 2008 öffentlich bekannt und rechtsverbindlich geworden sei. Bis zum Bilanzstichtag 31.12.2007 habe lediglich eine Absichtserklärung vorgelegen, deren Nichteinhaltung ohne jegliche Folgen für das Management geblieben wäre. Die Gläubiger hätten hingegen keine Leistung der Klägerin erzwingen können und aus der Absichtserklärung habe sich auch keine wirtschaftliche Belastung für die Klägerin ergeben.

Aus den vorgenannten Gründen sei – so die Prüfer – auch der Ansatz einer ungewissen Verbindlichkeit nicht möglich. Es fehle an der wirtschaftlichen Verursachung zum Bilanzstichtag.

Auch unter Teilwertgesichtspunkten könne ein Ansatz der Verbindlichkeit zum 31.12.2007 nicht erfolgen. Denn der Ansatz einer Verbindlichkeit über dem Nennwert sei nur dann möglich, wenn die Erhöhung der Verbindlichkeit von Dauer sei. Zwar habe die Klägerin die Verbindlichkeit in ihrer Bilanz mit einem Mehrbetrag von 4,875 % über dem Nennwert zum Ansatz gebracht. Der Börsenkurs der Anleihe (WKN: … / ISIN: …) habe jedoch bereits am …2008 mit 98,2 % unter dem Nennwert von 100 gelegen, so dass die für den Ansatz der erhöhten Verbindlichkeit erforderliche dauernde Werterhöhung nicht gegeben sei.

Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfer an und erließ am 20.12.2011 gemäß § 164 Abs. 2 AO einen Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid, mit dem er die Körperschaftsteuer auf … EUR festsetzte. Darüber hinaus erließ er an demselben Tag gemäß § 164 Abs. 2 AO einen Bescheid zum 31.12.2007 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG –, womit er das steuerliche Einlagekonto mit --- Euro und das durch Umwandlung von Rücklagen entstandene Nennkapital mit 0,- Euro feststellte. Den Gewerbesteuermessbetrag 2007 setzte er gemäß § 164 Abs. 2 AO mit Bescheid vom 20.12.2011 auf … EUR fest. Zugleich hob er in allen Bescheiden den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 19.1.2012 Einsprüche ein.

Zur Begründung führt sie aus, entgegen den Ausführungen im Prüfungsbericht handle es sich bei der streitigen Verbindlichkeit nicht um eine „Vorfälligkeitsentschädigung“, sondern um die Erhöhung des Rückzahlungsbetrags der Unternehmensanleihe bei einer einseitig durch den Schuldner erklärbaren vorzeitigen Rückzahlung der Anleihe.

Der Betrag von … EUR sei zu Recht im Jahr 2007 als Verbindlichkeit gebucht worden, da die Zahlungsverpflichtung für die Klägerin wirtschaftlich im Jahr 2007 entstanden und aufgrund der Regelungen im Anleihevertrag auch der Höhe nach eindeutig zu ermitteln gewesen sei. Denn der Vorstand der Klägerin habe bereits im … 2007, also vor Ende des Streitjahres, seinen Willen dokumentiert, die Anleihe vorzeitig zurückzunehmen. Da es sich um ein einseitiges Kündigungsrecht handle, genüge dieser Vorstandsbeschluss als wertbegründendes Ereignis. Der Vorstand habe die Klägerin hierdurch gebunden, die Anleihe zum erhöhten Betrag zurückzuzahlen. Diese Bindung sei vor dem Bilanzstichtag 31.12.2007 entstanden und sei auch bis zur Aufstellung der Handels- und Steuerbilanz nicht entfallen. Vielmehr sei der Vorstandsbeschluss nach seiner Fassung umgesetzt und durchgeführt worden. Die Formulierung „nach Möglichkeit in voller Höhe abzulösen“ im Vorstandsbeschluss stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Denn die anschließenden Refinanzierungsgespräche mit den Banken hätten insoweit einen wertaufhellenden Charakter, weil sich hierdurch ergeben habe, dass die Anleihe mit ihrem gesamten Nennwert habe abgelöst werden sollen.

Durch diesen Vorstandsbeschluss sei die Verbindlichkeit unzweifelhaft wirtschaftlich verursacht worden; nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – genüge die wirtschaftliche Verursachung aber für die Passivierung (BFH-Urteile vom 23.9.1969 I R 22/66, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 97, 164, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 1970, 104; vom 28.4.1971 I R 39, 40/70, BFHE 102, 270, BStBl. II 1971, 601). Die Betriebsprüfung könne nicht argumentieren, zum Bilanzstichtag sei noch die Refinanzierung ungewiss gewesen. Denn dass eine anderweitige Refinanzierung für die Klägerin am Markt ohne weiteres möglich gewesen sei, zeige sich durch die deutlich verbesserten Konditionen der Refinanzierung und das seinerzeit insgesamt positive, zinsgünstige Marktumfeld. Weiterhin treffe es nicht zu, wie die Betriebsprüfung meine, dass eine fehlende Rechtsverbindlichkeit der Rückzahlungsverpflichtung die Passivierung verhindere. Denn nach der Rechtsprechung des BFH sei der bilanzielle Ausweis einer Verbindlichkeit nur dann abzulehnen, wenn aufgrund besonderer Gründe ausgeschlossen erscheine, dass der Gläubiger jemals Kenntnis von seinem Recht erlange (BFH-Urteil vom 22.11.1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359). Anhaltspunkte für eine derartige Annahme lägen im Streitfall jedoch nicht vor. Vielmehr sei die Einforderung der Rückzahlungsbeträge seitens der Gläubiger bereits zum 31.12.2007 zu erwarten gewesen aufgrund des Vorstandsbeschlusses und sei so lange zu bilanzieren, wie die ihr zu Grunde liegende Rechtsgrundlage (hier Anleihevertrag nebst Vorstandsbeschluss) nicht aufgehoben oder geändert werde (BFH-Urteil vom 17.11.1987 VIII R 348/82, BFHE 152, 226, BStBl II 1988, 430).

Darüber hinaus sei auch eine dauernde Teilwerterhöhung der Verbindlichkeit zum 31.12.2007 anzunehmen unter dem Gesichtspunkt des strengen Höchstwertprinzips für die Bewertung von Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Satz 2 und Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG –. Denn durch die optionale Rückzahlungsverpflichtung komme zum Ausdruck, dass nicht der Börsenkurs, sondern der ursprüngliche Nennbetrag nebst Zuschlag zu entrichten gewesen sei. Ein unter dem Ausgabepreis liegender Kurswert zum …2008, wie die Betriebsprüfung meine, sei damit irrelevant. Diese Teilwertüberlegungen würde auch ein fiktiver Erwerber des gesamten Betriebs zum Stichtag 31.12.2007 in seine Wertfindung einbeziehen; ein fiktiver Kaufpreis würde sich dann unter Betrachtung des als wahrscheinlich anzusehenden Risikos mindern.

Die gleichen Überlegungen müssten im Ergebnis auch für die Bildung und Bewertung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gelten. So müsse etwa nach H 5.7 Abs. 9 der Einkommensteuerrichtlinien – EStR – 2008 eine Rückstellung gebildet werden, wenn künftig Leistungen aufgrund eines Sozialplans fällig würden und der Betriebsrat über die geplante Betriebsänderungen unterrichtet worden sei; auch hier sei der Betriebsrat kein externes, sondern ein unternehmensinternes Gremium, bei dem jederzeit die Möglichkeit bestehe, die Betriebsänderungspläne zu widerrufen (ebenso Weber-Grellet in Schmidt, EStG, § 5 Rz. 550, Stichwort „Sozialplan“). Übertragen auf den Streitfall seien diese Voraussetzungen erfüllt, da bis zur Bilanzaufstellung der Vorstand der Klägerin einen einstimmigen Beschluss über die vorzeitige Rückführung gefasst habe und sowohl der Aufsichtsrat als auch das Bankenkonsortium informiert worden seien. Die Zustimmung der Banken oder des Aufsichtsrates sei nicht notwendig gewesen. Hiermit habe sich über das erforderliche Maß hinaus eine wirtschaftliche Verursachung manifestiert. Damit sei auch mit einer ernstlichen Inanspruchnahme zu rechnen gewesen, so dass eine Rückstellungsbildung gerechtfertigt wäre.

Sofern der Beklagte aber den Einsprüchen nicht abhelfe, müsse er zumindest im Rahmen des Gewerbesteuermessbescheids 2007 die Entgelte für Dauerschulden um … EUR vermindern, da diese bislang als solche Entgelte behandelt worden seien.

Mit Einspruchsentscheidung vom 25.2.2013 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag 2007 auf … EUR herab. Hiermit half er dem Einwand, der streitige Betrag sei nicht bei den Entgelten für Dauerschulden gemäß § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes – GewStG – zu berücksichtigen, ab. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück.

Ebenso wies er mit Einspruchsentscheidung vom 25.2.2013 die Einsprüche gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2007 und den Bescheid zum 31.12.2007 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG als unbegründet zurück.

Dies begründete er damit, bei dem Vorstandsbeschluss habe es sich nicht um ein wertbegründendes Ereignis gehandelt, sondern nur um eine „zukunftsbezogene Aussage“. Die Rücknahme der Anleihe sei erst durch die Rücknahmemitteilung nach Abschnitt 3 des Anleihevertrags verbindlich geworden. Diese Mitteilung sei erst am …2008 gegenüber dem Treuhänder der Anleihe, der Y., erfolgt. Zum Bilanzstichtag 31.12.2007 hätten die Inhaber der Schuldtitel hingegen keine Kenntnis von der geplanten Rückzahlung im … 2008 gehabt. Die Erhöhung der Verbindlichkeit sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu erwarten gewesen. Die einseitige Rückführungsmöglichkeit entsprechend dem Anleihevertrag führe weder zu einer rechtlichen noch zu einer wirtschaftlichen Verursachung und sei auch für die Bewertung der Verbindlichkeit unmaßgeblich.

Daher sei auch eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nicht zulässig. Es fehle an der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme, weil allein durch den Vorstandsbeschluss keine faktische Verpflichtung der Klägerin entstanden sei und die Refinanzierung nicht gesichert gewesen sei.

Selbst wenn eine Verbindlichkeit oder eine Rückstellung in der streitigen Höhe zum 31.12.2007 zu passivieren gewesen wäre, wäre diese zum gleichen Stichtag durch einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in der gleichen Höhe zu kompensieren gewesen. Denn die erhöhten Ausgaben bezögen sich auf eine Zeit nach dem Abschlussstichtag; ihnen stünde eine noch nicht erbrachte, zeitraumbezogene Gegenleistung gegenüber, hier die Duldung der frühzeitigen Rücknahme der Schuldtitel.

Daraufhin hat die Klägerin am 26.3.2013 Klage erhoben, mit der sie ihren Vortrag wiederholt und vertieft. Die Klage bezieht sich nur auf den Körperschaftsteuerbescheid und den Gewerbesteuermessbescheid für 2007, nicht hingegen auf die Feststellungen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 KStG.

Die Klägerin trägt vor, bereits seit Februar 2007 habe ihre Finanzabteilung die Rücknahmemöglichkeiten der Anleihe geprüft. Hierzu habe die frühere Leitung ihrer Fachabteilung Finanzen, E., zugleich heutiger Finanzvorstand, am …2007 einen Vermerk über eine mögliche Umstellung der Konzernfinanzierung erstellt. Auf dieser Grundlage seien bereits ab Anfang … 2007 erste Gespräche mit den kreditgebenden Banken über die Umsetzung einer anderweitigen Finanzierung geführt worden. So sei es zu mehreren Einzelgesprächen mit verschiedenen Banken im Zeitraum von … bis … 2007 gekommen. Dies ergebe sich aus einem Vermerk von E. vom …2007. Gleichzeitig seien die finanziellen Auswirkungen einer Umfinanzierung von der Finanzabteilung analysiert worden. Nach den Berechnungen seien – trotz hoher Transaktionskosten für die Alt- und die Neufinanzierung – aufgrund eines zu erwartenden um mehr als 2 Prozentpunkte geringeren Zinssatzes deutliche Einsparungen bei den Finanzierungsaufwendungen zu erwarten gewesen, und zwar im Saldo von über …  EUR bis zum …2011. Auf dieser Grundlage habe ein umfangreicher Prozess der internen Willensbildung unter Einbeziehung der damaligen Vorstandsmitglieder stattgefunden. Der Aufsichtsrat der Klägerin sei dann in seiner Sitzung vom …2007 vom damaligen Finanzvorstand über die Pläne informiert worden. Nachdem die Pläne im Aufsichtsrat Zustimmung gefunden hätten, sei es zu dem Vorstandsbeschluss vom …2007 gekommen. Dieser Beschluss des Gesamtvorstands sei wichtig gewesen, um gegenüber den finanzierenden Banken auf einer gefestigten Position über die Konditionen der Umfinanzierung verhandeln zu können. Noch vor Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2007 seien die kreditgebenden Banken auf der turnusmäßigen Bankensitzung am …2008 informiert worden. Nach Aufstellung des Jahresabschlusses für 2007 am …2008 sei der genannte Vorstandsbeschluss … am …2008 bekannt gegeben worden. Zur Rücknahme der Schuldtitel seien entsprechend den vertraglichen Regelungen am …2008 der Treuhänder informiert und am …2008 die Rücknahmemitteilungen an die Inhaber versandt worden. Die Rückzahlung sei durch zwei Schuldscheindarlehen mit einem Volumen von insgesamt … EUR finanziert worden, die zum 6-Monats-ERUIBOR zzgl. eines Aufschlags von 4,75 % verzinst gewesen seien. Hierdurch seien die Zinsaufwendungen mittel- und langfristig erheblich gesenkt worden.

Rechtlich handle es sich, anders als der Beklagte meine, nicht um den Ansatz einer neuen Verbindlichkeit, sondern um die Bewertung einer bestehenden Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag. Durch die Ausübung des Rücknahmerechts nach dem Anleihevertrag habe sich der Rücknahmewert der Anleihe erhöht. Denn der – nach intensiver interner Vorbereitung gefasste – Vorstandsbeschluss habe die Verwaltung der Klägerin gebunden und sei von dieser umzusetzen gewesen. Sofern von dem Vorstandsbeschluss eigenmächtig abgewichen oder er fahrlässig nicht zeitgerecht umgesetzt worden wäre, hätten sich die verantwortlichen Personen gegenüber der Klägerin schadenersatzpflichtig gemacht. Dasselbe hätte sich im Falle einer Aufhebung des Vorstandsbeschlusses ergeben. Denn angesichts der erheblichen Zinseinsparungen sei ein anderer Beschluss als der vom Vorstand gefasste wirtschaftlich nicht vertretbar gewesen. Der Vorstand hätte sich pflichtwidrig verhalten, wenn er die Möglichkeit der Umfinanzierung unter den gegebenen Umständen des niedrigeren Zinsniveaus nicht umgesetzt hätte. Damit sei der Teilwert der Verbindlichkeit über den Nominalwert angestiegen.

An dieser Würdigung ändere auch der Vorbehalt der erfolgreichen Refinanzierung der Anleiherücknahme nichts. Der Vorstandsbeschluss sei bei verständiger Würdigung so zu verstehen gewesen, dass er unter der auflösenden Bedingung der erfolgreichen Verhandlung mit den Banken gestanden habe. Aufgrund der Vorverhandlungen sei ein Scheitern dieser Verhandlungen jedoch als äußerst unwahrscheinlich anzusehen gewesen. Da auch bis zur Bilanzaufstellung keine Veränderungen der Rahmenbedingungen eingetreten seien, sei von einer Umsetzung des Vorstandsbeschlusses und damit von einer dauerhaften Werterhöhung der Verbindlichkeiten auszugehen gewesen.

Hilfsweise sei vom Ansatz einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten auszugehen. Die erhöhte Rückzahlungsverpflichtung sei bereits im Streitjahr wirtschaftlich verursacht worden, weil der sorgfältig vorbereitete Vorstandsbeschluss rechtlich verbindlich gewesen sei und festgelegt habe, dass eine Rückzahlung der Anleihe erfolgen solle. Die Ausübung des Rücknahmerechts der Schuldtitel sei vor diesem Hintergrund lediglich ein wirtschaftlich unwesentliches Tatbestandsmerkmal gewesen. Unter Teilwertüberlegungen hätte daher auch ein fiktiver Erwerber des gesamten Betriebs die Erhöhung der Rückzahlungsverpflichtung in die Wertfindung einbezogen. Im Übrigen genüge es für die Rückstellungsbildung, wenn die Verbindlichkeit lediglich verursacht worden sein könnte und mit der ernstlichen Inanspruchnahme zu rechnen sei. Dies sei vor dem Hintergrund des Vorstandsbeschlusses und der zu erwartenden deutlichen Zinsersparnis jedenfalls anzunehmen. Allein die Möglichkeit, sich aus einer Verbindlichkeit entziehen zu können, wie der Beklagte meine, gehöre nicht zum Beurteilungskriterium für Rückstellungen, da dies dem Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs – HGB – entgegenstehe (ebenso Weber-Grellet in Schmidt, EStG, § 5 Rz. 385).

Anders als der Beklagte meine, sei die erhöhte Verbindlichkeit bzw. die Rückstellung auch nicht durch einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten zu kompensieren. Denn durch einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten werde u.a. auch die Einbuchung von entstandenen, fälligen, aber noch nicht durch Zahlung ausgeglichen Verbindlichkeiten abgebildet. Im Streitfall mangele es jedoch bereits an der Fälligkeit der Verbindlichkeit, da diese erst nach Ausübung des Rücknahmerechts eingetreten sei.

Die Klägerin beantragt,

              unter Änderung des Körperschaftsteuer- und des Gewerbesteuermessbescheids 2007 jeweils vom 20.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 25.02.2013 die Körperschaftsteuer auf … EUR und den Gewerbesteuermessbetrag auf … EUR festzusetzen,

hilfsweise

              die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung.

Nach seiner Auffassung könnten auch die im Klageverfahren erstmals vorgelegten Unterlagen über die interne Willensbildung der Klägerin im Vorfeld der Umfinanzierung zu keiner anderen rechtlichen Würdigung führen. Denn weder die internen Überlegungen noch der Vorstandsbeschluss führe zu einer Erhöhung der Rückzahlungsverpflichtung aus der Anleihe, solange die Rücknahme nicht gegenüber den Inhabern der Schuldtitel erklärt worden sei. Vielmehr könnten Vorstandsbeschlüsse jederzeit korrigiert oder widerrufen werden, sofern es wirtschaftlich erforderlich oder aus anderen Gründen angeraten erscheine; sie hätten daher keine Bindungswirkung nach außen.

Auch das „Schreiben“ der … Banken vom …2008 zeige, dass bei Aufstellung der Bilanz die Refinanzierung der Anleihe noch nicht geklärt gewesen sei.

Der Senat hat am 30.6.2015 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Verhandlung Bezug genommen.

Aus den Gründen

56        Die Klage ist unbegründet.

57        I.

58        Die angefochtenen Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide vom 20.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 25.2.2013, die verfahrensrechtlich zulässigerweise gem. § 164 Abs. 2 AO erlassen wurden, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

59        1)              Zum Bilanzstichtag 31.12.2007 war die Verbindlichkeit aus der Anleihe nicht mit … EUR, sondern mit … EUR zu passivieren. Eine ergebniswirksame Erhöhung der Verbindlichkeit um … EUR durfte im Streitjahr nicht erfolgen.

60        a)              Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung – GoB – auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich u.a. aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. HGB. Sie werden für Kapitalgesellschaften ergänzt durch die Bestimmungen der §§ 264 ff. HGB. Zu den handelsrechtlichen GoB gehört die Pflicht des Kaufmanns, in seiner Bilanz für den Schluss eines Geschäftsjahres seine Verbindlichkeiten (Schulden) vollständig auszuweisen (§ 240 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB). Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind bei der Bewertung alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 12.12.2012 I B 27/12, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2013, 545).

61        Bei der steuerlichen Bewertung sind Verbindlichkeiten von Kapitalgesellschaften gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 6 Nr. 3 Satz 1 EStG unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des § 6 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 Prozent abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind – wie im Streitfall – u.a. Verbindlichkeiten, die verzinslich sind. Gem. § 6 Nr. 2 Satz 1 EStG sind bestimmte Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden Wert, vermindert um Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge, anzusetzen. Ist der Teilwert (§ 6 Nr. 1 Satz 3 EStG) auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so kann gem. § 6 Nr. 2 Satz 2 EStG dieser angesetzt werden.

62        Für Verbindlichkeiten bedeutet dies, dass sie grundsätzlich mit ihrem Nennwert, gegebenenfalls mit dem höheren Teilwert anzusetzen sind (BFH-Urteil vom 22.11.1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322; BStBl II 1989, 359; Kulosa in Schmidt, EStG, § 6 Rz. 441). Teilwert ist gem. § 6 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Für den Ansatz eines höheren Teilwerts ist bei Verbindlichkeiten eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung erforderlich; ein höherer Teilwert kann also nur dann angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertveränderung höher ist als der ursprüngliche Rückzahlungsbetrag (BFH-Urteile vom 23.4.2009 IV R 62/06, BFHE 224, 564, BStBl II 2009, 778; vom 22.11.1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322; BStBl II 1989, 359).

63        b)              Die Klägerin hat die Verbindlichkeit auf Rückzahlung der Anleihe in ihrer Bilanz in nicht zu beanstandender Weise zunächst (zum 31.12.2006) mit dem Nennwert in Höhe von … EUR bilanziert.

64        Der Klägerin ist hierbei darin zuzustimmen, dass sich der von ihr begehrte Ansatz eines erhöhten Rückzahlungskurses zum 31.12.2007 nicht nach den Regeln über den Ansatz einer neuen Verbindlichkeit richtet, sondern danach, ob sich die bestehende Verbindlichkeit in Höhe von … EUR erhöht hat. Es kommt im Streitfall also nur auf die Bewertung der Verbindlichkeit gem. § 6 Nr. 3 Satz 1 EStG zum 31.12.2007 an.

65        Denn Abschnitt 3.01 des Anleihevertrags ermöglichte es dem Emittenten, „alle oder einen Teil der Schuldtitel zu den Bestimmungen und zu den Rücknahmekursen, die in dem Schuldtitel dargelegt sind, zurücknehmen“. In den Schuldtiteln war geregelt, dass im Falle einer frühzeitigen Rücknahme des Schuldtitels am oder nach dem …2008 der Rücknahmekurs im Jahr 2008 104,875 %, im Jahr 2009 102,438 % und im Jahr 2010 und danach 100,000 % betrage. Die Klägerin übte ihr Rücknahmerecht so aus, dass der Rücknahmekurs des Jahres 2008 anzuwenden war. Aus den zitierten Bestimmungen des Anleihevertrags und der Schuldtitel ist zu folgern, dass sich als Rechtsfolge der Rücknahme lediglich der Rücknahmekurs veränderte, nicht hingegen eine neue Verbindlichkeit – etwa eine „Vorfälligkeitsentschädigung“, wie im Betriebsprüfungsbericht formuliert – entstand.

66        Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage der wirtschaftlichen Verursachung nicht bedeutsam, da die wirtschaftliche Verursachung lediglich zu der – hier anzunehmenden – Passivierungspflicht führt, aus der wirtschaftlichen Verursachung aber keine Folgerungen für die Bewertung der Verbindlichkeit gezogen werden können.

67        c)              Im Streitfall ist die Verbindlichkeit aus dem Anleihevertrag zum 31.12.2007 weiterhin mit ihrem Nennwert zu passivieren, nicht mit einem höheren Teilwert.

68        aa)              Anders als die Betriebsprüfung meinte, ist der Ansatz eines höheren Teilwerts allerdings nicht deshalb zu versagen, weil die (spätere) Werterhöhung nicht dauerhaft gewesen wäre. Denn aufgrund der Ausübung des Rücknahmerechts veränderte sich der Rücknahmekurs endgültig und damit dauerhaft. Er war auch nicht – wie die Betriebsprüfung meinte – von seinem Börsenkurs abhängig, sondern Abschnitt 3.01 des Anleihevertrags sah eine Rücknahme zu den Rücknahmekursen entsprechend der Schuldtitel und unabhängig von dem jeweiligen Börsenkurs vor.

69        bb)              Die Verbindlichkeit ist im Streitfall jedoch mit ihrem Nennwert in Höhe von … EUR zu passivieren, weil sich der Teilwert zum Bilanzstichtag nicht erhöht hat.

70        Eine solche Teilwerterhöhung zum 31.12.2007 ergab sich nicht aus der Ausübung des Rücknahmerechts durch die Klägerin nach Abschnitt 3.01 des Anleihevertrags. Denn gemäß Abschnitt 3.02 und 3.04 des Anleihevertrags waren für die Ausübung des Rücknahmerechts eine Mitteilung an den Treuhänder und Rücknahmemitteilungen an die Inhaber der Schuldtitel erforderlich. Diese erfolgten jedoch erst mit Schreiben vom …2008 bzw. ...2008, also erst nach dem Bilanzstichtag. Sie konnten auf die Bewertung der Verbindlichkeit zum Bilanzstichtag 31.12.2007 keinen Einfluss haben.

71        Eine – zumindest bilanziell zu beachtende – Ausübung des Rücknahmerechts ergab sich auch nicht aus dem Vorstandsbeschluss vom ...2007. Denn die Klägerin war durch diesen Vorstandsbeschluss nicht gebunden, die Anleihe vorzeitig zurückzuzahlen. Es handelte sich lediglich um einen intern gefassten und noch nicht nach außen umgesetzten Vorstandsbeschluss, der jederzeit rückgängig gemacht oder geändert werden konnte. Die für die Ausübung des Rücknahmerechts nach Abschnitt 3.01 ff des Anleihevertrags erforderlichen Voraussetzungen sind allein durch den Vorstandsbeschluss nicht geschaffen worden. Die hierzu erforderlichen Mitteilungen an den Treuhänder und an die Inhaber der Schuldtitel fehlten am Bilanzstichtag noch. Im Nachgang des Vorstandsbeschlusses vom ...2007 war es vielmehr der Sphäre der Klägerin überlassen, ob dieser Beschluss umgesetzt würde oder nicht. Zudem waren in dem Beschluss, worauf sein Wortlaut ausdrücklich hinweist, auch „die Festlegung der Modalitäten und der genauen Rückzahlungsbedingungen“ noch nicht enthalten, sondern einem weiteren Vorstandsbeschluss vorbehalten.

72        Bei der Bestimmung des Teilwerts ist weiter zu berücksichtigen, dass gemäß § 6 Nr. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Nr. 1 Satz 3 EStG der Teilwert derjenige Betrag ist, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Ein Erwerber des ganzen Betriebs wäre jedoch durch einen lediglich intern gefassten und nach außen nicht umgesetzten Vorstandsbeschluss nicht gebunden, sondern könnte diesen durch seine gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten ändern. Aus dieser Änderungsmöglichkeit ist zu schließen, dass ein Erwerber des ganzen Betriebs der Existenz eines noch nicht nach außen umgesetzten Vorstandsbeschlusses keine für die Bewertung eines Wirtschaftsguts wertbildende Bedeutung beimessen würde.

73        Daher kann die Klägerin nicht argumentieren, aufgrund des lediglich einseitigen Kündigungsrechts genüge dieser Vorstandsbeschluss als wertbegründendes Ereignis, das eine Teilwerterhöhung rechtfertigen könnte, weil sich der Vorstand hierdurch gebunden habe, die Anleihe zum erhöhten Betrag zurückzuzahlen. Ohne eine tatsächliche Kündigung im Außenverhältnis konnte es nämlich zu einer solchen Bindung, die Einfluss auf die Bewertung hätte haben können, nicht kommen.

74        Deshalb kommt es – anders als die Klägerin meint – auch nicht darauf an, ob die verantwortlichen Personen im Falle einer Aufhebung des Vorstandsbeschlusses oder einer Nichtumsetzung gegebenenfalls nach aktienrechtlichen Maßstäben schadensersatzpflichtig gewesen wären, weil ein anderer Beschluss als der vom Vorstand gefasste wirtschaftlich nicht vertretbar gewesen wäre. Eine hypothetische Schadensersatzpflicht beschränkt sich nämlich auf das Innenverhältnis der Klägerin. Für die Bewertung einer Verbindlichkeit aus der Sicht eines gedachten Erwerbers des ganzen Betriebs kommt es aber allein auf das Außenverhältnis zum Gläubiger an. Gegenüber den Gläubigern war am Bilanzstichtag jedoch das Rücknahmerecht noch nicht ausgeübt. Daher kann hieraus keine Teilwerterhöhung der Verbindlichkeit abgeleitet werden.

75        cc)              Ein gegenüber dem Nennwert höherer Teilwert hat sich im Streitfall auch nicht erst nach dem Bilanzstichtag aus wertaufhellenden Tatsachen ergeben.

76        Wertaufhellende Tatsachen können noch in einem bestimmten zeitlichen Rahmen nach dem Bilanzstichtag berücksichtigt werden, und zwar zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses (sog. Wertaufhellungszeitraum, vgl. BFH-Beschluss vom 12.12.2012 I B 27/12, BFH/NV 2013, 545). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind als "wertaufhellend" aber nur solche Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar wurden (BFH-Beschluss vom 12.12.2012 I B 27/12, BFH/NV 2013, 545; BFH-Urteil vom 4.4.1973 I R 130/71, BFHE 109, 55, BStBl II 1973, 485).

77        Wertaufhellende Tatsachen liegen im Streitfall jedoch nicht vor, weil diejenigen Tatsachen, aus denen sich die Erhöhung des Rücknahmekurses ergaben, nämlich die Rücknahmemitteilungen an den Treuhänder und an die Inhaber der Schuldtitel, erst nach Aufstellung der Bilanz am ...2008 eintraten, und zwar am ...2008 bzw. ...2008. Die Bankensitzung vom .2008 führte hingegen nicht zu einer Rücknahme der Schuldtitel und damit zu einer Erhöhung des Rücknahmekurses, sondern hatte auf das Außenverhältnis zu den Inhabern der Schuldtitel keinen Einfluss.

78        Es sind keine Tatsachen erkennbar, die am Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und erst nach dem Bilanzstichtag bekannt oder erkennbar wurden. Solche Tatsachen sind von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.

79        2)              Die Klägerin kann für den um… EUR erhöhten Rücknahmekurs der Schuldtitel auch keine Rückstellung im Streitjahr bilden.

80        a)              Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Die daraus folgende Passivierungspflicht gehört zu den GoB und gilt gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz (z.B. BFH-Urteile vom 19.8.2002 VIII R 30/01, BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131; vom 25.3.2004 IV R 35/02, BFHE 206, 25, BStBl II 2006, 644; vom 8.9.2011 IV R 5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122).

81        Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Der Schuldner muss ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen, und die Geltendmachung der Verpflichtung muss nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich sein (ständige Rspr., z.B. BFH-Urteile vom 17.12.1998 IV R 21/97, BFHE 187, 552, BStBl II 2000, 116; vom 8.9.2011 IV R 5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122). Zudem muss die ungewisse Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht oder rechtlich entstanden sein (BFH-Urteil vom 8.9.2011 IV R 5/09, BFHE 235, 241, BStBl II 2012, 122 mit näheren Ausführungen zur wirtschaftlichen Verursachung).

82        Darüber hinaus muss der Gläubiger grundsätzlich seinen Anspruch gegen den Schuldner – den Steuerpflichtigen – kennen (BFH-Urteil vom 11.12.2001 VIII R 34/99, BFH/NV 2002, 486; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, § 5 Rz. 379). Deshalb hat der BFH z.B. bei Schadenersatzansprüchen eine Inanspruchnahme des Schuldners erst dann für wahrscheinlich und damit für passivierbar gehalten, wenn die den Anspruch begründenden Tatsachen entdeckt und dem Geschädigten bekannt geworden sind oder dies doch unmittelbar bevorsteht (BFH-Urteile vom 3.7.1991 X R 163-164/87, BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802; vom 2.10.1992 III R 54/91, BFHE 169, 423, BStBl II 1993, 153; vom 11.12.2001 VIII R 34/99, BFH/NV 2002, 486). Aus dem Erfordernis der Kenntnis des Schuldners folgt weiterhin, dass eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten eine Verpflichtung gegenüber einem anderen, also eine (Außen-) Verpflichtung voraussetzt (BFH-Urteile vom 12.12.1990 I R 153/86, BFHE 163, 146, BStBl II 1991, 479, unter II.A.6. der Gründe; vom 29.11.2007 IV R 62/05, BFHE 220, 85, BStBl II 2008, 557 unter II.2.b der Gründe). Bestehen mangels Außenverpflichtung keine (ungewissen) Verpflichtungen gegenüber einem anderen, kommt handelsrechtlich nur noch eine Aufwandsrückstellung in Betracht in den in § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 sowie Abs. 2 HGB abschließend aufgezählten Fällen, die im Streitfall aber nicht vorliegen.

83        b)              Im Streitfall lagen diese Voraussetzungen nicht vor. Eine ungewisse Verbindlichkeit war weder wirtschaftlich verursacht noch rechtlich entstanden, da sie den Gläubigern nicht bekannt war. Denn die nach dem Anleihevertrag für die Ausübung des Rücknahmerechts erforderlichen Mitteilungen an den Treuhänder und an die Inhaber der Schuldtitel erfolgten erst mit Schreiben vom …2008 bzw. ...2008, also erst nach dem Bilanzstichtag.

84        Darüber hinaus kommt die Bildung einer Rückstellung für den um … EUR erhöhten Rücknahmekurs der Schuldtitel auch deshalb nicht in Betracht, weil es sich hierbei wie beschrieben nicht um eine neue Verbindlichkeit handelt, sondern lediglich um die Bewertung einer bestehenden Verbindlichkeit. Jedoch kann eine Rückstellung dafür, dass eine Verbindlichkeit zukünftig gemäß § 6 Nr. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Nr. 1 Satz 3 EStG mit einem höheren Teilwert angesetzt werden soll, nicht gebildet werden.

85        Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg argumentieren, der Sachverhalt sei vergleichbar mit Leistungen aufgrund eines Sozialplans nach H 5.7 Abs. 9 EStR, wonach allein die Unterrichtung des Betriebsrats für die Bildung der Rückstellung genüge und der Betriebsrat kein externes, sondern ein unternehmensinternes Gremium sei.

86        Denn der dem H 5.7 Abs. 9 EStR zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Gem. H 5.7 Abs. 9 Satz 1 EStR sind Rückstellungen für Leistungen auf Grund eines Sozialplans nach den §§ 111, 112 des Betriebsverfassungsgesetzes – BetrVerfG – (sog. Betriebsänderungen wie z.B. Einschränkung und Stilllegung des Betriebs, Verlegung, Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder Spaltung von Betrieben etc.) im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt zulässig, in dem der Unternehmer den Betriebsrat über die geplante Betriebsänderung unterrichtet hat.

87        Der Betriebsrat ist jedoch nach dem BetrVerfG dasjenige Gremium, das die Interessen der Arbeitnehmer vertritt. Wird ein Sozialplan aufgestellt und entstehen hieraus ungewisse Verbindlichkeiten, so ist durch die Unterrichtung des Betriebsrats bereits die Vertretung der Arbeitnehmer und damit der Gläubiger des Sozialplans informiert. Aufgrund dieser Information der Gläubigervertretung erscheint die Bildung einer Rückstellung zumindest vertretbar. Die Frage, ob sich der Senat der in H 5.7 Abs. 9 Satz 1 EStR formulierten Rechtsauffassung anschließen könnte, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

88        3)              Demnach kommt es auf die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zur Kompensation einer erhöhten Verbindlichkeit oder einer Rückstellung zu bilden ist, nicht an. Denn weder eine erhöhte Verbindlichkeit noch eine Rückstellung ist zu passivieren.

89        4)              Der Beklagte hat in seiner Einspruchsentscheidung über den Gewerbesteuermessbescheid in nicht zu beanstandender Weise den Gewerbesteuermessbetrag 2007 auf … EUR herabgesetzt. Denn da der streitige Betrag im Jahr 2007 nicht als (Zins) Verbindlichkeit zu erfassen ist, konnte er nicht bei den Entgelten für Dauerschulden gemäß § 8 Nr. 1 GewStG berücksichtigt werden.

90        II.

91        Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.

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