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RdF-News
11.05.2012
RdF-News
BVerfG: Rechtsprechung des BGH zu Rückvergütungen bestätigt









BVerfG, Beschluss  vom 08.12.2011 - Aktenzeichen 1 BvR 2514/11
(Vorinstanz: BGH vom
19.07.2011 - Aktenzeichen XI ZR 191/10; ) (Vorinstanz: BGH vom 09.03.2011 -
Aktenzeichen XI ZR 191/10;
) (Vorinstanz: OLG Celle vom
21.04.2010 - Aktenzeichen 3 U 202/09; )


Redaktionelle Leitsätze:
1.
Über Kapitalanlagen beratende Banken sind verpflichtet, die
Anleger über Rückvergütungen aufzuklären.
2.
Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens einer Bank
greift dann nicht ein, wenn eine pflichtgemäße Aufklärung beim Anleger einen
Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte, weil es vernünftigerweise nicht nur eine,
sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens gab.
3.
Die mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember
2006 begründete Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht einer beratenden Bank über
an sie verdeckt fließende Rückvergütungen enthält keine unter dem Gesichtspunkt
rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes bedenkliche
Rechtsprechungsänderung.

Redaktionelle Normenkette: GG
Art. 12
Abs. 1;
GG
Art. 3
Abs. 1;
ZPO
§ 543
Abs. 2
S. 1 Nr. 2
Fall 2;








Gründe
 






Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine zivilrechtliche
Auseinandersetzung über die Haftung der Beschwerdeführerin - einer Bank - aus
Anlageberatung wegen geltend gemachter Aufklärungspflichtverletzungen im
Zusammenhang mit sogenannten Rückvergütungen.
RN 1






I.
 






Auf Empfehlung der Beschwerdeführerin beteiligte sich der
Ehemann der Klägerin des Ausgangsverfahrens in den Jahren 2003 und 2004
treuhänderisch mit jeweils 25.000 € zuzüglich 5 % Agio an der "Film- und
Entertainment VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG" (im Folgenden: VIP 3) und an
der "Film- und Entertainment VIP Medienfonds 4 GmbH & Co. KG" (im Folgenden:
VIP 4). Gegenstand der beiden Fonds war die Finanzierung und Vermarktung von
Filmproduktionen.
RN 2






Die Verkaufsprospekte beider Fonds enthielten Angaben zu
Provisionen und vergleichbaren Vergütungen, die nicht in die Filmproduktion
fließen sollten. Im Prospekt zu VIP 3 wurden Kosten für die
Eigenkapitalvermittlung in Höhe von 8,9 % des Kommanditkapitals ausgewiesen. Der
Prospekt zu VIP 4 führte Kosten für die Eigenkapitalvermittlung in Höhe von 4,9
% des Kommanditkapitals, eine Platzierungsgarantiegebühr und eine
Finanzvermittlungsgebühr in Höhe von jeweils 2 % des Kommanditkapitals auf. Als
Empfängerin dieser Vergütungen und des Agios wurde in beiden Prospekten die "VIP
Beratung für Banken AG" benannt.
RN 3






Tatsächlich leitete die "VIP Beratung für Banken AG" beim VIP
3 Fonds 8,25 % und beim VIP 4 Fonds zwischen 8,45 % und 8,72 % der von ihr
vereinnahmten Provisionen an die Beschwerdeführerin als anlegerberatende Bank
weiter, ohne dass dies dem Ehemann der Klägerin offengelegt wurde.
RN 4






Im Ausgangsverfahren nahm die Klägerin aus abgetretenem Recht
die Beschwerdeführerin im Wege des Schadensersatzes auf Rückabwicklung der
Beteiligungen und des für die Finanzierung der Beteiligung an dem VIP 4 Fonds
aufgenommenen Darlehens in Anspruch. Sie stützte den Schadensersatzanspruch
unter anderem darauf, dass die Beschwerdeführerin ihren Ehemann - entgegen der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - nicht über die an sie geflossenen
Rückvergütungen aufgeklärt und damit einen bei der Anlageberatung bestehenden
Interessenkonflikt nicht offengelegt habe.
RN 5






Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht
verurteilte die Beschwerdeführerin hingegen im Wesentlichen antragsgemäß. Die
Beschwerdeführerin habe den Ehemann der Klägerin pflichtwidrig nicht darüber
aufgeklärt, dass ihr im Zusammenhang mit dem Vertrieb der beiden Fonds
Rückvergütungen in Höhe von 8,25 % (VIP 3) und 8,45 % bis 8,72 % (VIP 4) gewährt
worden seien. Es reiche nicht aus, in den Prospekten anzugeben, dass das Agio
und ein weiterer Teil des Beteiligungskapitals für die Eigenkapitalvermittlung
verwendet werde, weil sich daraus nicht ergebe, dass und in welcher Höhe gerade
die Beschwerdeführerin als beratende Bank an dieser Vergütung partizipiere.
Diese Aufklärungspflichtverletzung sei auch kausal für die Anlageentscheidung
geworden. Stehe die Aufklärungspflichtverletzung - wie hier - fest, streite für
den Anleger eine entsprechende Vermutung und der Aufklärungspflichtige müsse
beweisen, dass der Anleger die Anlage auch bei richtiger Aufklärung erworben
hätte. Die Beschwerdeführerin habe aber nichts Substantielles dazu vorgetragen,
ob und warum der Ehemann der Klägerin die Anlage auch bei richtiger Aufklärung
erworben hätte.
RN 6






Die vom Oberlandesgericht gemäß § 543
Abs. 2
Satz 1 Nr. 2
Fall 2 ZPO
zugelassene Revision der Beschwerdeführerin wies der Bundesgerichtshof nach
entsprechendem Hinweis (veröffentlicht in WM 2011, S. 925 ff.) im Beschlusswege
nach § 552a
ZPO
zurück (veröffentlicht in WM 2011, S. 1506 ff.). Ein Zulassungsgrund liege nicht
vor. Da das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu Recht angenommen habe, dass die Beschwerdeführerin den
Ehemann der Klägerin über die an sie geflossenen Rückvergütungen hätte aufklären
müssen, habe die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg. Die dagegen erhobene
Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin blieb ohne Erfolg (veröffentlicht in WM
2011, S. 1804).
RN 7






II.
 






Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer
verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12
Abs. 1,
Art. 101
Abs. 1
Satz 2 und Art. 103
Abs. 1
GG
und macht geltend:
RN 8






1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten sie in ihrem
Grundrecht aus Art. 12
Abs. 1
GG.
Die ihr vom Bundesgerichtshof auferlegte Aufklärungspflicht über die von ihr
vereinnahmten Provisionen beschränke ihre Berufsausübung. Dieser Eingriff sei
nicht zu rechtfertigen, weil er gegen den rechtstaatlich gebotenen Grundsatz des
Vertrauensschutzes verstoße (Art. 20
Abs. 3
GG).
RN 9






2. Der Bundesgerichtshof differenziere zudem in seiner
Rechtsprechung ohne sachlichen Grund und deshalb gegen Art. 3
Abs. 1
GG
verstoßend zwischen Innenprovisionen und Rückvergütungen. Während nach seiner
Rechtsprechung über Innenprovisionen ungefragt erst bei dem Überschreiten eines
Schwellenwertes von 15 % der Beteiligungssumme aufgeklärt werden müsse, sei die
beratende Bank bei Rückvergütungen stets - unabhängig von deren Höhe - zur
Offenlegung verpflichtet. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung
ergebe sich weiter daraus, dass die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für beratende Banken gelte und
nicht für freie, nicht bankgebundene Anlageberater. Zudem gehe der XI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in den angegriffenen Entscheidungen
hinsichtlich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden von einer
vollständigen Beweislastumkehr zugunsten des Anlegers aus. Dies stehe im
Widerspruch zur Rechtsprechung des III. Zivilsenats, der dem Anleger
hinsichtlich der Kausalität nur eine Beweiserleichterung zubillige und es dem
Anlageberater damit ermögliche, diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens
"zu entkräften", was offensichtlich weniger voraussetze als den vollen
Gegenbeweis. Für diese Ungleichbehandlung fehle ebenfalls eine sachliche
Rechtfertigung.
RN 10






3. Der Bundesgerichtshof habe ihr Recht auf den gesetzlichen
Richter (Art. 101
Abs. 1
Satz 2 GG)
verletzt, indem er es unterlassen habe, im Wege der Anrufung des Großen Senats
für Zivilsachen (§ 132
Abs. 2
GVG)
die sachlich nicht gerechtfertigten Unterschiede in der Rechtsprechung des III.
und des XI. Zivilsenats zur Aufklärungspflichtigkeit der Rückvergütungen und zu
den Beweisanforderungen hinsichtlich der Kausalität auszuräumen.
RN 11






4. Schließlich sei sie in ihrem Anspruch auf Gewährung
rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103
Abs. 1
GG).
Wäre - wie von ihr vorgetragen - zur Kenntnis genommen worden, dass nicht sie,
sondern der klagende Anleger die Grundlage der Vermutung darzulegen und zu
beweisen habe, dass es keine vernünftige Anlageentscheidungsalternative gegeben
habe, wäre die Klage wegen Beweisfälligkeit abzuweisen gewesen. Zudem habe das
Oberlandesgericht ihre Beweisantritte zur fehlenden Kausalität der
unterbliebenen Aufklärung über die Rückvergütungen verfahrensfehlerhaft als
unsubstantiiert gewertet und damit gehörswidrig übergangen. Soweit der
Bundesgerichtshof feststelle, dass die an sie - die Beschwerdeführerin -
gezahlten Provisionen bei VIP 4 zum Teil aus dem Agio geflossen seien,
widerspreche dies ihrem Vortrag. Die in den angegriffenen Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs getroffene Abgrenzung zwischen Innenprovisionen und
Rückvergütungen lasse eine von ihr - der Beschwerdeführerin - in Bezug genommene
kritische Anmerkung in einer Zeitschrift unberücksichtigt und verletze damit
ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Darüber hinaus habe das Oberlandesgericht
zur Frage der Rechtzeitigkeit der Prospektübergabe, die zwischen den Parteien
streitig gewesen sei, beweisbewehrten Vortrag übergangen. Schließlich habe ihr
der Bundesgerichtshof eine mündliche Verhandlung vorenthalten, indem er zu
Unrecht die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 552a
ZPO
für gegeben erachtet habe, und damit ebenfalls ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt.
RN 12






III.
 






Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung
anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§
93a
Abs. 2
Buchstabe a BVerfGG).
Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte und
grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a
Abs. 2
Buchstabe b BVerfGG),
weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22
<25 f.>). Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen
die als verletzt gerügten verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerin
verstoßen könnten, sind auf Grundlage des Vorbringens der Verfassungsbeschwerde
nicht ersichtlich.
RN 13






1. Die Beschwerdeführerin ist - auch eingedenk des
rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes - nicht in ihrer
Berufsausübungsfreiheit verletzt (Art. 12
Abs. 1
GG).
RN 14






a) Die mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember
2006 (XI
ZR 56/05
, BGHZ 170, 226
ff.) begründete Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht einer beratenden Bank über
an sie verdeckt fließende Rückvergütungen enthält keine Rechtsprechungsänderung,
die unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes (Art.
20
Abs. 3
GG)
bedenklich sein könnte. Es gab zuvor keine entgegenstehende höchstrichterliche
Rechtsprechung. Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof vielmehr eine
bereits angelegte Rechtsprechungslinie fortgeführt. Er verweist in einer der
angegriffenen Entscheidungen in diesem Zusammenhang auf seinen Beschluss vom 29.
Juni 2010, in dem er bereits nachvollziehbar dargelegt hat, dass es sich
insoweit um keine Änderung seiner Rechtsprechung handele (XI
ZR 308/09
, WM 2010, S. 1694 f.). Schon in den Jahren 1989 und 1990 hat der
Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen bei Warentermingeschäften verheimlichte
Kick-Back-Vereinbarungen zwischen Anlagevermittler und Broker zu Lasten des
Anlegers missbilligt, den Vermittler zur Herausgabe der Rückvergütungen an den
Anleger für verpflichtet gehalten und dem Berufungsgericht aufgegeben,
Schadensersatzansprüche nach § 823
Abs. 2
BGB
in Verbindung mit § 263
StGB
zu prüfen (Urteile vom 28. Februar 1989 - XI ZR 70/88 -, WM 1989, S. 1047
<1050 f.> und vom 6. Februar 1990 - XI
ZR 184/88
-, WM 1990, S. 462
<464>). Mit Urteil vom 19. Dezember 2000 (XI
ZR 349/99
, BGHZ 146, 235 ff.) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass
eine Bank gegenüber ihrem Kunden offenzulegen hat, wenn sie mit dessen
Vermögensverwalter vereinbart, diesen an den von ihr vereinnahmten Provisionen
und Depotgebühren des Kunden zu beteiligen. Dies wurde ausdrücklich damit
begründet, dass durch eine solche Gebührenteilungsvereinbarung für den
Vermögensverwalter ein Anreiz geschaffen werde, nicht allein das Interesse des
Kunden, sondern auch das eigene Interesse an einer möglichst hohen Vergütung zu
berücksichtigen. Über diese von ihr geschaffene Gefährdung des Kundeninteresses
habe die Bank ihren Kunden aufzuklären (vgl. BGHZ 146, 235
<239>).
RN 15






b) Soweit die Verfassungsbeschwerde beanstandet, dass der
Bundesgerichtshof in seinen nachfolgenden Entscheidungen die Aufklärungspflicht
über Rückvergütungen abweichend von seinen im Grundsatzurteil vom 19. Dezember
2006 aufgestellten Maßstäben nachträglich erweitert habe, ist dies unter dem
Gesichtpunkt des Vertrauensschutzes bereits deshalb unerheblich, weil die
Beschwerdeführerin für die hier in Rede stehenden Anlageberatungen in den Jahren
2003 und 2004 kein Vertrauen in den Fortbestand eines erst im Jahr 2006
ergangenen Urteils gesetzt haben kann.
RN 16






2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die
Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3
Abs. 1
GG.
RN 17






a) Soweit der Bundesgerichtshof die Aufklärungspflicht über
Rückvergütungen unabhängig vom Erreichen eines bestimmten Prozentsatzes der
Beteiligungssumme für gegeben erachtet, ist das durch den Zweck der
Aufklärungspflicht sachlich gerechtfertigt, einer Fehlvorstellung des Anlegers
über die Neutralität der Beratungsleistung zu begegnen. Die zur Rechtslage vor
dem 1. Juli 2005 vertretene Auffassung des Bundesgerichtshofs, im Prospekt eines
Fonds seien Angaben zu Innenprovisionen erst bei Überschreiten einer Schwelle
von 15 % des Beteiligungskapitals geschuldet (vgl. BGHZ 158, 110
<118 ff.>), verfolgte ersichtlich den - abweichenden - Zweck,
Fehlvorstellungen des Anlegers über die Werthaltigkeit und Rentabilität der
Anlage zu begegnen (zur Rechtslage ab dem 1. Juli 2005 vgl. § 8g
VerkaufsprospektG in Verbindung mit § 4 Satz 1
Nr. 12 Vermögensanlagen-VerkaufsprospektVO: "Der Verkaufsprospekt muss über die
Vermögensanlagen angeben: [...] in welcher Gesamthöhe Provisionen, insbesondere
Vermittlungsprovisionen oder vergleichbare Vergütungen, geleistet werden.").
RN 18






b) Die vom Bundesgerichtshof bei Rückvergütungen hinsichtlich
der Aufklärungsbedürftigkeit der Anleger zwischen der Beratung durch eine Bank
und durch einen freien, nicht an eine Bank gebundenen Anlageberater, der vom
Kunden selbst keine Provisionen erhält, vorgenommene Differenzierung (vgl. BGH,
Urteil vom 15. April 2010 - III
ZR 196/09
-, BGHZ 185, 185 <188 f.>; BGH, Urteil vom 3. März 2011 - III
ZR 170/10
-, WM 2011, S. 640 <641> Rn. 13 ff.) ist in
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der typischerweise
unterschiedlichen Erwartungshaltung der Kunden zu rechtfertigen. Das Abstellen
auf die typischerweise bestehende Erwartungshaltung eines Anlegers ist im Rahmen
der Festlegung von Aufklärungspflichten folgerichtig, weil eine Aufklärung nach
§ 242
BGB
nur dann geschuldet ist, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben und den im
Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten darf (vgl.
Grüneberg, in: Palandt, BGB,
70. Aufl. 2011, § 242
Rn. 37; in diesem Sinne auch BGH, Urteil vom 3. März 2011 - III
ZR 170/10
-, WM 2010, S. 640 <641> Rn. 18).
RN 19






c) Auch die Handhabung der Beweislastgrundsätze zur Kausalität
zwischen Pflichtverletzung und Schaden in den angegriffenen Entscheidungen ist
von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Auffassung, dass bereits die
Verletzung der Aufklärungspflicht zu einer Beweislastumkehr führt, so dass der
Aufklärungspflichtige - hier die Beschwerdeführerin - darlegen und beweisen
muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung
erworben hätte, er also bei erteiltem Hinweis nicht anders entschieden hätte,
entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil
vom 16. November 1993 - XI
ZR 214/92
-, BGHZ 124, 151
<159 ff.>; BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 - XI
ZR 586/07
-, WM 2009, S. 1274
<1276> Rn. 22; BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II
ZR 66/08
-, WM 2010, S. 972
<973 f.> Rn. 17 und 23). Das Vorbringen der Verfassungsbeschwerde, der
Bundesgerichtshof habe in den angegriffenen Entscheidungen verdrängt, dass der
III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Rechtsfolgen der
Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens eine andere Meinung vertrete, vermag
bereits deshalb keinen Verstoß gegen Art. 3
Abs. 1
GG
zu begründen, weil die in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung (vgl. BGH,
Urteil vom 9. Februar 2006 - III
ZR 20/05
-, WM 2006, S. 668
<671>) zu dieser Frage keine tragenden Ausführungen enthält.
RN 20






3. Die angegriffenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs
verletzen nicht die Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101
Abs. 1
Satz 2 GG).
Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132
Abs. 2
GVG,
die das Bundesverfassungsgericht auf eine willkürfreie Handhabung zu überprüfen
hat (vgl. BVerfGE 101, 331 <359 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des
Zweiten Senats vom 17. Juli 2007 - 2
BvR 1255/07
-, NStZ 2008, S. 39),
lagen nicht vor. Hinsichtlich der Aufklärungspflicht von Rückvergütungen besteht
keine Divergenz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Auch nach der
Rechtsprechung des III. Zivilsenats sind beratende Banken - wie die
Beschwerdeführerin - verpflichtet, über Rückvergütungen aufzuklären (vgl.
Urteile vom 15. April 2010 - III
ZR 196/09
-, BGHZ 185, 185 <187 f.> und vom 3. März 2011 - III
ZR 170/10
-, WM 2011, S. 640 <641> Rn. 15). Soweit der III. Zivilsenat
im Urteil vom 9. Februar 2006 (III
ZR 20/05
, WM 2006, S. 668
<671>) Zweifel geäußert hat, ob die Vermutung aufklärungsrichtigen
Verhaltens zu einer Beweislastumkehr führt, sind diese von der
Verfassungsbeschwerde in Bezug genommenen Ausführungen bereits deshalb nicht
geeignet, eine Vorlagepflicht auszulösen, weil diese Rechtsfrage in jenem Urteil
nicht tragend entschieden worden ist (vgl. BVerfGK 2, 213
<220>).
RN 21






4. Schließlich lässt sich dem Vorbringen der
Verfassungsbeschwerde auch nicht die Möglichkeit einer Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör (Art. 103
Abs. 1
GG)
entnehmen.
RN 22






a) Dies gilt zunächst, soweit die Beschwerdeführerin die
angebliche Verletzung von Art. 103
Abs. 1
GG
damit begründet, dass ihr Vortrag zur Beweislastverteilung im Rahmen der
Kausalitätsvermutung übergangen worden sei. Die Vermutung aufklärungsrichtigen
Verhaltens greift nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dannnichtein, wenn eine pflichtgemäße Aufklärung beim Anleger
einen Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte, weil es vernünftigerweise nicht nur
eine, sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens gab (vgl.
BGH, Urteil vom 7. Mai 2002 - XI
ZR 197/01
-, BGHZ 151, 5
<12>; BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - XI
ZR 178/03
-, BGHZ 160, 58
<66>; BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II
ZR 66/08
-, WM 2010, S. 972
<974>). Das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof haben hier
angenommen, dass die Darlegungs- und Beweislast für eine solche Ausnahme -
genauso wie für die Widerlegung der Vermutung - die Beschwerdeführerin treffe,
deren Aufklärungspflichtverletzung feststehe. Soweit die Beschwerdeführerin
meint, sich hinsichtlich der Frage der Darlegungs- und Beweislast für den im
Falle der pflichtgemäßen Anlageberatung ausgelösten Entscheidungskonflikt des
Anlegers auf abweichende, ihr günstige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bezogen zu haben, zeigt sie keine dahingehende Entscheidung auf.
RN 23






b) Die Rüge, das Oberlandesgericht habe Vorbringen der
Beschwerdeführerin verfahrensfehlerhaft als unsubstantiiert und als Vortrag "ins
Blaue hinein" gewertet und damit Beweisantritte gehörswidrig übergangen, genügt
nicht den Darlegungsanforderungen aus § 23
Abs. 1
Satz 2 Halbsatz 1, § 92
BVerfGG.
Die Beschwerdeführerin hat den Schriftsatz, in dem der angeblich übergangene
Vortrag enthalten gewesen sein soll, nicht vorgelegt, so dass eine
verfassungsrechtliche Überprüfung der Annahme des Oberlandesgerichts nicht
möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Mai
1998 - 1
BvR 329/98
-, NJW 1998, S. 2663
<2664>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Sentas vom 14. Mai
1999 - 2
BvR 684/99
-, [...] Rn. 5). Die Beschwerdeführerin hat auch nicht im
Einzelnen vorgetragen, wofür genau Beweis angetreten gewesen sein
soll.
RN 24






c) Auf das als übergangen gerügte Vorbringen zur Quelle der
Rückvergütungen kommt es nicht an, weil die Aufklärungspflicht nach den
angegriffenen Entscheidungen unabhängig davon besteht, ob die Rückvergütungen
aus dem Agio oder - wie die Beschwerdeführerin geltend macht - aus anderen offen
ausgewiesenen Vertriebsprovisionen geflossen sind. Auf angeblich übergangenem
Vorbringen zur Rechtzeitigkeit der Prospektübergabe für den Fonds VIP 3 können
die Entscheidungen nicht beruhen; diese Frage spielt für die selbständig
tragende Hauptbegründung der Aufklärungspflichtverletzung über Rückvergütungen
keine Rolle. Soweit die Verfassungsbeschwerde rügt, eine von der Revision in
Bezug genommene kritische Anmerkung im Schrifttum sei nicht zur Kenntnis
genommen worden, geht sie daran vorbei, dass der Bundesgerichtshof sich damit im
Beschluss über die Zurückweisung der Anhörungsrüge ausdrücklich
auseinandergesetzt hat.
RN 25






d) Der Bundesgerichtshof hat den Anspruch der
Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör auch nicht dadurch verletzt, dass er
ihr durch die Zurückweisung der Revision im Beschlusswege nach § 552a
ZPO
eine mündliche Verhandlung "vorenthalten" hat. Dass sich aus Art. 103
Abs. 1
GG
grundsätzlich kein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung ergibt (vgl. BVerfGE
36, 85
<87>; 89, 381 <391>) und sich der Gesetzgeber bei der Regelung des §
552a
ZPO
zulässigerweise dazu entschlossen hat, rechtliches Gehör in schriftlicher Form
zu gewähren (vgl. § 552a
Satz 2 i.V.m. § 522
Abs. 2
Satz 2 ZPO),
hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfG, Beschluss der
3. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2005 - 1
BvR 308/05
-, NJW 2005, S. 1485
<1486>). Diese schriftliche Anhörung hat im Ausgangsverfahren auch
stattgefunden. Soweit die Beschwerdeführerin einen Gehörsverstoß daraus ableiten
will, dass der Bundesgerichtshof zu Unrecht die tatbestandlichen Voraussetzungen
einer Entscheidung im Beschlusswege für gegeben erachtet habe, legt sie nicht
hinreichend dar, dass die Entscheidung auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruht.
Sie zeigt nicht auf, was sie im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem
Bundesgerichtshof in revisionsrechtlich zulässiger Weise (vgl. § 559
Abs. 1
ZPO)
noch weiter vorgetragen hätte (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten
Senats vom 23. Februar 2010 - 1
BvR 2736/08
-, NVwZ 2010, S. 512
<516> Rn. 57).
RN 26






Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
RN 27
 

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