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RdF-News
18.11.2019
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FG Düsseldorf: Rechtliche Gestaltung im Zusammenhang mit Bondstripping kann rechtsmissbräuchlich sein

FG Düsseldorf, Urteil vom 29.3.20191 K 2163/16 E,F

ECLI:DE:FGD:2019:0329.1K2163.16E.F.00

Volltext des Urteils: RdFL2019-347-1

Sachverhalt

Streitig ist die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des sog. Bondstripping von im Privatvermögen gehaltenen Bundesanleihen mit anschließender Veräußerung der Zinsscheine an eine Bank und der Anleihemäntel an eine Kapitalgesellschaft im Sinne von § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG im zeitlichen Geltungsbereich der Abgeltungsteuer vor Einfügung von § 20 Abs. 2 Satz 4 und 5 sowie Abs. 4 Satz 8 und 9 EStG.

Der Kläger erwarb am 30.04.2013 die Bundesanleihe mit der ISIN „x1“ mit einer Laufzeit bis zum xx.xx.2040 zu einem Kaufpreis von 999.999,20 € (einschließlich gezahlter Stückzinsen in Höhe von 24.561,29 €) zugunsten seines Wertpapierdepots bei der Y-Bank und erteilte der Bank die Weisung, die Bundesanleihe in Anleihemantel und Zinsscheine zu trennen. Nach der Trennung veräußerte er die Zinsscheine am 07.05.2013 für insgesamt 624.833,91 € an eine Bank. Am 13.05.2013 veräußerte der Kläger den Anleihemantel für 328.836,30 € an die A-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger ist. Die Mittel zum Erwerb des Anleihemantels stellte der Kläger der GmbH darlehensweise zur Verfügung. Die A-GmbH ihrerseits veräußerte den Anleihemantel am 15.05.2013 zum Preis von 327.108,06 € weiter.

Außerdem erwarb der Kläger am 17.05.2013 die Bundesanleihe mit der ISIN „x2“ mit einer Laufzeit bis zum xx.xx.2039 zu einem Kaufpreis von 979.999,54 € (einschließlich gezahlter Stückzinsen in Höhe von 25.323,02 €) zugunsten seines Wertpapierdepots bei der Y-Bank und erteilte der Bank die Weisung, die Bundesanleihe in Anleihemantel und Zinsscheine zu trennen. Nach der Trennung veräußerte er die Zinsscheine am 23.05.2013 für insgesamt 589.159,72 € an eine Bank. Am 29.05.2013 veräußerte der Kläger den Anleihemantel für 356.165,96 € an die A-GmbH. Die Mittel zum Erwerb des Anleihemantels stellte der Kläger der GmbH darlehensweise zur Verfügung. Die A-GmbH ihrerseits veräußerte den Anleihemantel am 31.05.2013 zum Preis von 358.988,45 € weiter.

Die A-GmbH war mit Gesellschaftsvertrag vom xx.xx.2012 unter der Firma B-GmbH als sog. Vorratsgesellschaft gegründet worden. Am yy.yy.2012 erwarb der Kläger sämtliche Anteile der Gesellschaft, die daraufhin in A-GmbH umfirmierte. In der Zeit vom 06. bis 14.12.2012 und 17. bis 27.12.2012 führte der Kläger bereits zwei mit den vorliegend streitigen Transaktionen vergleichbare Geschäfte mit erheblich höheren Volumina durch (Kauf von Bundesanleihen zum Preis von 3.946.356,43 € bzw. 3.861.202,11 €; Veräußerung der Zinsscheine zum Preis von 2.648.427,18 € bzw. 2.276.867,87 €; Veräußerung der Anleihemäntel an die A-GmbH zum Preis von 1.360.614,45 € bzw. 1.467.333,51 €). …

In ihrer Einkommensteuererklärung 2013 erklärten die Kläger die Erlöse aus der Veräußerung der Zinsscheine (624.833,91 € + 589.159,72 €) als dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent (§ 32d Abs. 1 EStG) unterliegende Kapitaleinkünfte im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Die Anschaffungskosten der Bundesanleihen (ohne Stückzinsen = 1.930.114,43 €) ordneten sie in vollem Umfang den Anleihemänteln zu, so dass sich aus deren Veräußerung ein Verlust von ./. 1.245.112,17 € (685.002,26 ./. 1.930.114,43 €) ergab. Diesen Verlust erklärten die Kläger als gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG dem allgemeinen Einkommensteuertarif nach § 32a EStG unterfallenden und gemäß § 32d Abs. 2 Satz 2 EStG von der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG ausgenommenen Verlust.

Dem folgte der Beklagte zunächst mit Einkommensteuerbescheid 2013 und Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 vom 16.07.2015 und zuletzt mit geändertem  Einkommensteuerbescheid 2013 und Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 vom 05.04.2016.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung durch das FA für GKBP … vertrat die Prüferin die Auffassung, die vom Kläger gewählte Gestaltung – insbesondere die Zwischenschaltung der A-GmbH in die Veräußerung der Anleihemäntel – stelle einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 Abs. 2 AO dar. … Nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO entstehe der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstehe. Danach seien die Verluste aus der Veräußerung der Anleihemäntel lediglich mit den Gewinnen aus der Veräußerung der Zinsscheine sowie den weiteren positiven Einkünfte aus Kapitalvermögen verrechenbar.

Der Beklagte folgte dieser Auffassung mit geändertem Einkommensteuerbescheid 2013 und geändertem Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 vom 27.04.2016.

Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 21.06.2016, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, als unbegründet zurückwies.

Mit der hiergegen gerichteten Klage machen die Kläger geltend:

1. Die Generalklausel des § 42 Abs. 2 AO sei im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht anwendbar, weil sie durch die spezialgesetzliche Missbrauchsregelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG verdrängt werde. Nach der Gesetzesbegründung diene § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG der Verhinderung von Gestaltungen, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne z. B. in Form von Darlehenszinsen abgesaugt werden und so die Steuerbelastung auf den Abgeltungsteuersatz reduziert werde. Dementsprechend stelle § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG eine typisierende Regelung zur Verhinderung von Steuerumgehungen dar. Bei tatbestandlichem Eingreifen einer speziellen Missbrauchsverhinderungsvorschrift sperre die positive Spezialität den Rückgriff auf die Generalklausel. Mit der Veräußerung der Anleihemäntel an die A-GmbH habe der Kläger den Tatbestand der Missbrauchsverhinderungsvorschrift des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt, so dass allein dessen Rechtsfolgen maßgebend seien und ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 42 Abs. 2 AO ausscheide. Dies gelte auch, falls der Gesetzgeber zunächst nicht erkannt haben sollte, dass § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG auch zugunsten des Steuerpflichtigen wirken könne. Blieben durch eine typisierende Sondervorschrift Lücken im Besteuerungssystem oder ergäben sich aus Sicht des Gesetzgebers in Einzelfällen unerwünschte Ergebnisse, so seien diese nur durch gesetzliche Ergänzungen der Sondervorschrift und nicht durch einen Rückgriff auf § 42 AO vermeidbar.

2. Im Übrigen liege auch kein Missbrauch im Sinne des § 42 Abs. 2 AO vor. Insbesondere stelle die Zwischenschaltung der A-GmbH keine unangemessene rechtliche Gestaltung dar. Eine auf Dauer angelegte Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft sei nach der Rechtsprechung des BFH nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Steuerpflichtige alle sich daraus ergebenden Konsequenzen ziehe. Die Kapitalgesellschaft sei ein selbständiges, vom Gesellschafter zu trennendes Steuersubjekt, so dass ein Durchgriff durch diese Gesellschaft grundsätzlich nicht in Betracht komme. Es obliege auch der Entscheidung des Gesellschafters, den Umfang des unternehmerischen Tuns der Kapitalgesellschaft abzustecken. Die A-GmbH sei eine dauerhaft geschäftlich aktive Kapitalgesellschaft, deren vermögensverwaltende Tätigkeit – wie sich aus den vorgelegten Jahresabschlüssen zum 31.12.2012, 31.12.2013 und 31.12.2014 (…) ergebe – sich nicht auf den streitigen An- und Verkauf der Anleihemäntel beschränkt habe. Ihre Zwischenschaltung stelle daher keine unangemessene rechtliche Gestaltung dar.

3. Der Kläger habe auch keinen vom Gesetz nicht vorgesehenen Steuervorteil in Anspruch genommen. Denn eine Gestaltung zur Inanspruchnahme eines gesetzlich - bewusst oder auch nur unbewusst - vorgesehenen Steuervorteils sei kein Gestaltungsmissbrauch. Vorliegend verstoße der Steuervorteil des Klägers gegen keine gesetzliche Wertung; er sei vielmehr systemimmanent und damit vom Gesetz vorgesehen. Mit der Veräußerung der Anleihemäntel an die A-GmbH habe der Kläger gegen keine durch das Gesetz vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihm gesetzlich eingeräumten Verlustverrechnungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Die Ausschöpfung von Verlusten entspreche dem Grundsatz der Besteuerung

nach der Leistungsfähigkeit. Auch die Nichtanwendung der Verlustausgleichsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG sei kein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil, sondern entspreche der folgerichtigen Ausgestaltung der Regelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG.

Der Steuervorteil des Klägers bestehe vorliegend darin, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Zinsscheine nur dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent, der Verlust aus der Veräußerung der Anleihemäntel hingegen dem allgemeinen Einkommensteuertarif unterliege. Hierfür ursächlich sei die Entscheidung des Gesetzgebers, zwei unterschiedliche Steuertarife für die Einkünfte aus Kapitalvermögen vorzusehen. Vorteile aufgrund unterschiedlicher Steuersätze seien der Schedulenbesteuerung des § 32d EStG immanent und damit vom Gesetz vorgesehen. Wenn der Gesetzgeber anknüpfend an die zivilrechtliche Ausgestaltung typisierend unterschiedlich hohe Steuerlasten normiere, ermögliche er es dem Steuerpflichtigen, die Gestaltung zu wählen, mit der er möglichst wenig Steuern zahle. Ob der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe vorbringe, sei unerheblich.

Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG sei bereits deshalb unzulässig, weil eine etwaige Regelungslücke nicht planwidrig wäre. Vielmehr zeige die Entstehungsgeschichte dieser Norm, dass das Problem der Veräußerungsgeschäfte in Dreieckskonstellationen bereits im Gesetzgebungsverfahren zum JStG 2010 bekannt gewesen sei. Der Gesetzgeber habe es jedoch bis heute bewusst unterlassen, derartigen Gestaltungen durch eine Streichung des Verweises auf § 20 Abs. 6 EStG oder durch eine engere Fassung von §32 d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ihre steuerliche Wirkung zu nehmen. Um Bondstripping-Gestaltungen der vorliegenden Art zukünftig zu verhindern, habe der Gesetzgeber für nach dem 31.12.2016 erfoIgte Bondstripping-Vorgänge im Privatvermögen § 20 Abs. 2 Satz 4 und 5 EStG eingefügt, der den Trennungsvorgang als fiktiven Tausch behandele und zur Realisierung von stillen Reserven in der Bundesanleihe führe.

4. Für den Kläger habe auch die Möglichkeit bestanden, mit seinen Kapitalanlagen in Bundesanleihen einen Totalgewinn zu erzielen. Tatsächlich habe der Kläger bei einer vergleichbaren Kapitalanlage im Jahr 2012 einen Gewinn getätigt. Zudem zeige die Kursentwicklung der Anleihemäntel in der Vergangenheit, dass dies auch bei den im Jahr 2013 getätigten Kapitalanlagen realistisch möglich gewesen sei.

5. Da der Kläger die ungetrennten Bundesanleihen im steuerlichen Privatvermögen gehalten habe, komme eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf Anleihemantel und Zinsscheine nicht in Betracht (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2018 2 K 3874/15 F). Eine solche Aufteilung sei nur bei im Betriebsvermögen gehaltenen Bundesanleihen zulässig. Die Nichtzuordnung von Anschaffungskosten auf die Zinsscheine sei sachgerecht. Das Bondstripping sei kein Erwerbsvorgang für Zinsscheine einer Bundesanleihe. Der Erstverkäufer von Zinsscheinen erziele damit nur Einnahmen und keinen Veräußerungsgewinn. Erst mit dem Verkauf durch den Erstverkäufer an den Zweiterwerber wandele sich der Zinsanspruch aus der Schuldbuchforderung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG in eine Kapitalforderung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG um, so dass (erst) der Zweiterwerber Anschaffungskosten habe.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 27.04.2016 und den Bescheid vom 27.04.2016 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.06.2016, dahingehend zu ändern, dass

1. die Einkünfte des Ehemannes aus Kapitalvermögen, die dem progressiven Steuertarif unterliegen, für den Veranlagungszeitraum 2013 um 1.245.113.- € auf ./ 1.234.613.- € herabgesetzt werden,

2. im Gegenzug bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterfallen, für den Ehemann die Verluste aus Kapitalvermögen (ohne Veräußerung von Aktien) um 1.245.913.- €*(Wertangabe berichtigt: s. Ende des Entscheidungstextes) auf 45.438.- € verringert werden und

3. ein verbleibender, voll verrechenbarer Verlustvortrag gemäß § 10d Abs. 4 EStG für den Ehemann von 8.244.- € und für die Ehefrau von 1.756.- € festgestellt wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist der Ansicht, § 42 AO finde auf die vom Kläger gewählte Gestaltung Anwendung. § 42 Abs. 2 AO werde nicht durch § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr.1 EStG verdrängt, weil die vorliegende Sachverhaltsgestaltung nichts mit dem wirtschaftspolitischen Lenkungsziel des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu tun habe. Der Gesetzgeber habe durch § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG Gestaltungen verhindern wollen, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne — z. B. in Form von Darlehenszinsen — „abgesaugt" werden, um die Steuerbelastung auf den Abgeltungsteuersatz zu reduzieren (BT-Drs. 16/4841). Genau dieses Ergebnis der planwidrigen Ablösung der Anschaffungskosten aus dem Abgeltungsteuerbereich durch Steuersatzspreizung erziele der Kläger dadurch, dass er den einheitlichen Erwerbsvorgang durch das Bondstripping auf zwei steuerliche Ebenen verteile.

Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten liege vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt werde, die zur Erreichung des wirtschaftlichen Zieles unangemessen sei, der Steuerminderung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei. Eine rechtliche Gestaltung sei dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebrauche, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorlägen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wähle, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein solle. Vorliegend nenne der Kläger keinen außersteuerlichen Grund, weshalb er die Zinsscheine vom Stammrecht getrennt und dann veräußert habe, da es einen solchen auch nicht gebe. Zwar bleibe es dem Kläger grundsätzlich unbenommen, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass die steuerliche Belastung möglichst gering sei. Allerdings lasse sich sowohl aus der spezialgesetzlichen Missbrauchsvorschrift des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG als auch aus der jetzigen Regelung in § 3 Abs. 1a InvStG entnehmen, dass gerade dieser Vorteil vom Gesetzgeber nicht gewollt sei und insbesondere auch keine planmäßige Lücke darstelle. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger aus den Bondstripping-Geschäften keinen Überschuss erzielt habe. Selbst wenn ein solcher – wie der Kläger vortrage - erzielbar gewesen wäre, so seien auf der anderen Seite die durch die gewählte Konstruktion entstandenen steuerlichen Vorteile - Schaffung eines ausgleichsfähigen Verlustpotentiales von über 1.000.000.- €  - derart außerordentlich, dass selbst bei einer originär gewinnbringenden Anlage dieser Aspekt von untergeordneter Bedeutung und deshalb unbeachtlich sei.

Soweit das Gericht § 42 AO für nicht anwendbar halte, sei eine Aufteilung der Anschaffungskosten der Bundesanleihen auf die Zinsscheine und das Stammrecht vorzunehmen. Die davon abweichenden Verwaltungsanweisungen der OFD Düsseldorf (Verfügung vom 11.09.1998 S 2252 A — St 121—D) und der OFD Frankfurt (Verfügung vom 20.01.1997 S 2252 A — 46 — St II 32), nach denen die Anschaffungskosten in voller Höhe dem Stammrecht zuzurechnen seien, seien zur alten Rechtslage vor Einführung der Abgeltungsteuer ergangen und nicht mehr einschlägig. Bis zum Veranlagungszeitraum 2008 seien Wertzuwächse aus Kapitalanlagen grundsätzlich nicht von § 20 EStG a. F. erfasst worden, wohingegen Einnahmen aus der Veräußerung von Zinsscheinen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. in voller Höhe der Besteuerung unterlegen hätten. Ab 2009 gehörten auch die in § 20 Abs. 2 EStG genannten Veräußerungs- und Einlösungsvorgänge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG in der Fassung des UntStRefG 2008 vom 14.08.2007 seien nicht mehr die Einnahmen steuerpflichtig; Bemessungsgrundlage sei vielmehr der Gewinn aus der Veräußerung der Zinsscheine. Dies mache eine Aufteilung der Anschaffungskosten auf die getrennten Komponenten erforderlich, da diese wirtschaftlich an die Stelle der ungetrennten Anleihe treten. Da das EStG für die Ermittlung bzw. Aufteilung der Anschaffungskosten beim Bondstripping keine Regelung vorsehe, werde vorgeschlagen, entsprechend der Behandlung im betrieblichen Bereich nach der Gesamtwertmethode vorzugehen. Danach entfielen die Gesamtanschaffungskosten von 1.979.998.- € zu 1.265.777.- € auf die  Zinsscheine und zu 714.221.- € auf die Anleihemäntel.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 29.03.2019 haben die Kläger mit – nicht nachgelassenem – Schriftsatz vom 04.04.2019, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, ergänzend zur Rechtslage Stellung genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger eine Höherfestsetzung der Einkommensteuer 2013.

In derartigen Fällen fehlt es zwar regelmäßig an der nach § 40 Abs. 2 FGO erforderlichen Beschwer. Eine Klage ist aber gleichwohl zulässig, wenn der Steuerpflichtige sich durch die höhere Steuerfestsetzung in anderen Veranlagungszeiträumen Steuervorteile verspricht, die die für das Streitjahr festzusetzende Mehrsteuer übersteigen (BFH, Urteil vom 20.03.2017 X R 65/14, BStBl II 2017, 958 m.w.N.). So liegt es hier. Im Gegenzug zu der begehrten Erhöhung der dem Abgeltungsteuersatz unterliegenden Einkünfte um 1.245.113.- € im Streitjahr ergäbe sich eine Verringerung der dem allgemeinen Einkommensteuertarif unterliegenden Einkünfte um 1.245.113.- €, deren steuerliche Auswirkung sich im Wesentlichen aus einem vorzunehmenden Verlustrücktrag in das Jahr 2012 ergäbe und in diesem Veranlagungszeitraum zu einer Steuerminderung führen würde, die die in 2013 begehrte Steuererhöhung erheblich überstiege. Darüber hinaus ergibt sich eine Beschwer der Kläger auch aus § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG. Nach dieser Vorschrift sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. Für die der tariflichen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte wird mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist (BFH, Urteil vom 22.02.2018 VI R 17/16, BFH/NV 2018, 768 m.w.N.). Da das Begehren der Kläger auch auf die Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 gerichtet ist mit dem Ziel, voll verrechenbare Verlustvorträge festzustellen, ist er durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2013 insofern beschwert, als in diesem keine vortragsfähigen negativen Einkünfte, die unbeschränkt verrechenbar sind, berücksichtigt werden.

II. Die Klage ist aber unbegründet.

1. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von Zinsscheinen und Zinsforderungen durch den Inhaber oder ehemaligen Inhaber der Schuldverschreibung, wenn die dazugehörigen Schuldverschreibungen nicht mitveräußert werden. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des Abs. 1 Nr. 7. Hierzu gehören sonstige Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ist gemäß § 20 Abs. 4 und Abs. 6 EStG auch ein negativer Gewinn - ein Veräußerungsverlust – erfasst (BFH, Urteil vom 12.06.2018 VIII R 32/16, BFH/NV 2018, 1184).

Danach führen sowohl die isolierte Veräußerung der Zinsscheine (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) als auch die Veräußerung der Anleihemäntel (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) beim Kläger zu Einkünften aus Kapitalvermögen (z. B. Geurts in Bordewin/Brandt, EStG, § 20 Rn. 443 f.).

2. Die Einkommensteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen beträgt grundsätzlich 25 Prozent (Abgeltungsteuersatz, § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG). Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG jedoch nicht, wenn Kapitalerträge nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 Prozent an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist.

Danach unterliegt der Gewinn des Klägers aus der Veräußerung der Zinsscheine grundsätzlich dem Abgeltungsteuersatz, während der Gewinn aus der Veräußerung der Anleihemäntel an die A-GmbH grundsätzlich dem allgemeinen Steuertarif unterliegt.

3. Nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist Gewinn im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Der Begriff der Anschaffungskosten in § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG bestimmt sich nach dem handelsrechtlichen Anschaffungskostenbegriff. Denn der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB ist grundsätzlich allen Vorschriften des EStG zugrunde zu legen und jeweils gleich auszulegen (vgl. BFH, Urteil vom 11.07.2017 IX R 36/15, BStBl II 2019, 208 m.w.N.). Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB).

Der Senat teilt nicht die Auffassung der Kläger, dass im Fall des Bondstripping von im Privatvermögen gehaltenen Anleihen keine Aufteilung der ursprünglichen Anschaffungskosten der ungetrennten Anleihe auf den Anleihemantel und die Zinsscheine vorzunehmen sei, sondern diese allein dem Anleihemantel zuzurechnen seien. Vielmehr ist der Senat der Auffassung, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten im Fall des Bondstripping auch bei im Privatvermögen gehaltenen Anleihen im Verhältnis der jeweiligen Marktwerte auf den Anleihemantel und die Zinsscheine aufzuteilen sind.

a) Anschaffungskosten im Sinne des § 255 Abs. 1 HGB liegen entsprechend dem dieser Norm immanenten Surrogationsgedanken auch dann vor, wenn ein ursprünglich vom Steuerpflichtigen angeschaffter Vermögensgegenstand durch mehrere andere Vermögensgegenstände ersetzt wird und sich die auf den ursprünglich angeschafften Vermögensgegenstand entfallenden Anschaffungskosten anteilig in mehreren Ersatzvermögensgegenständen fortsetzen. Eine derartige Fortsetzung der ursprünglichen Anschaffungskosten in mehreren Vermögensgegenständen mit der Folge einer Aufteilung der ursprünglichen Anschaffungskosten auf die verschiedenen Vermögensgegenstände hat der BFH zum Beispiel angenommen im Fall einer Grundstücksteilung (BFH, Urteil vom 19.07.1983 VIII R 161/82, BStBl II 1984, 26) und im Fall der Ausgabe von Bezugsrechten oder von neuen Gesellschaftsrechten aufgrund einer Kapitalerhöhung, die wirtschaftlich zu einer Abspaltung der in den Stammaktien verkörperten Substanz und deshalb zu einer Abspaltung eines Teils der ursprünglichen Anschaffungskosten führt (BFH, Urteile vom 21.01.1999 IV R 27/97, BStBl II 1999, 638; vom 22.05.2003 IX R 9/00, BStBl II 2003, 712). Eine Abspaltung vom Wirtschaftsgut Grund und Boden hat der BFH darüber hinaus auch bei der Zuweisung der Milchreferenzmenge angenommen mit der Folge, dass die Anschaffungskosten für den Grund und Boden zum Teil auch der Milchreferenzmenge zuzuordnen sind (BFH, Urteile vom 25.11.1999 IV R 64/98, BStBl II 2003, 61; vom 24. August 2000 IV R 11/00, BStBl II 2003, 64 jeweils m.w.N.; ebenso zu Zuckerrübenlieferrechten BFH, Urteil vom 09.09.2010 IV R 2/10, BStBl II 2011, 171). Auch ohne dass es in diesen Fällen zu einem Eingriff in die Substanz des Grund und Bodens kommt, geht der BFH von einer Abspaltung und der Notwendigkeit der Aufteilung der Anschaffungskosten aus. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die ursprünglich mit dem Grund und Boden verbundene Befugnis zur Milcherzeugung und –vermarktung durch die Zuweisung der Milchreferenzmenge als eigenständiges Wirtschaftsgut rechtlich verselbständigt und dadurch zu einer entsprechenden Wertminderung des Grund und Bodens geführt hat. In vergleichbarer Weise führt die durch das Bondstripping ausgelöste rechtliche Verselbständigung der bisher in der ungetrennten Anleihe enthaltenen nicht realisierten zukünftigen Zinsansprüche zu eigenständigen Wirtschaftsgütern zu einer korrespondierenden Wertminderung des verbleibenden Anleihemantels, die – auch ohne Eingriff in die Substanz der Anleiheforderung – eine Aufteilung der Anschaffungskosten rechtfertigt.

b) Dementsprechend wird für im Betriebsvermögen gehaltene Anleihen – soweit ersichtlich – allgemein die Ansicht vertreten, dass nach dem Bondstripping eine Aufteilung der Anschaffungskosten der ungetrennten Anleihe auf den Anleihemantel und die Zinsscheine vorzunehmen ist (IDW Rechnungslegungshinweis: Handelsrechtliche Bilanzierung des Bondstripping –IDW RH BFA 1.001 vom 25.09.1998, überarbeitet und aktualisiert am 08.11.2011; Göttgens, WPg 1998, 567; Haisch/Bindl, CFlaw 2010, 319; Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 8. Aufl. 2017, § 246 Rn. 304; FG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2018 2 K 3874/25 F, EFG 2019, 505). Dies wird zutreffend damit begründet, dass die bisher nicht realisierten Zinsansprüche sich durch das Bondstripping in selbständig handelbare Wertpapiere in Gestalt von neuen Zero-Bonds wandeln und deshalb zu aktivieren sind. Da das Bondstripping erfolgsneutral ist, ist der bisherige Buchwert auf den Anleihemantel und die Zinsscheine aufzuteilen (vgl. Göttgens, WPg 1998, 567).

c) Nach Auffassung des Senats gebietet bereits der Umstand, dass der Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB grundsätzlich allen Vorschriften des EStG zugrunde zu legen und jeweils gleich auszulegen ist (vgl. BFH, Urteil vom 11.07.2017 IX R 36/15, BStBl II 2019, 208 m.w.N.) und insbesondere gleichermaßen im Bereich der Gewinneinkünfte wie im Bereich der Überschusseinkünfte gilt (BFH, Urteil vom 14.06.2012 VI R 89/10, BStBl II 2012, 835 m.w.N.), dass auch im Fall des Bondstripping von im Privatvermögen gehaltenen Anleihen eine Aufteilung der ursprünglichen Anschaffungskosten der ungetrennten Anleihe auf den Anleihemantel und die Zinsscheine vorzunehmen ist (ebenso Ronig, NWB 2015, 2223; a. A. Haisch/Bindl, CFlaw 2010, 319, Becker-Pennrich, FR 2017, 7; FG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2018 2 K 3874/25 F, EFG 2019, 505; für Zeiträume vor Einführung der Abgeltungsteuer auch OFD Frankfurt vom 20.01.1997 S 2252 A – 46 – St II 32 und OFD Düsseldorf vom 11.09.1998 S 2252 A – St 121-D).

d) Der Senat sieht auch keine Veranlassung, im zeitlichen Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer aus normspezifischen Gründen von dem vorgenannten Grundsatz abzuweichen und im Fall des Bondstripping bei im Privatvermögen gehaltenen Anleihen einen anderen Anschaffungskostenbegriff von Anleihemantel und Zinsscheinen zugrunde zu legen als bei im Betriebsvermögen gehaltenen Anleihen. Mit der Einführung der Abgeltungsteuer sollte eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden. Dafür wurde die traditionelle quellentheoretische Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben (BFH, Urteile vom 24.10.2017 VIII R 13/15, BFH/NV 2018, 280; vom 20.11.2018 VIII R 37/15, BFH/NV 2019, 450). Die Aufgabe der Trennung von Vermögens- und Ertragsebene im Bereich der Kapitaleinkünfte bewirkt eine Angleichung an die Besteuerung im betrieblichen Bereich. Gegebenenfalls unterschiedliche Besteuerungszeitpunkte bei Wertveränderungen von Kapitalanlagen im Privat- oder Betriebsvermögen beruhen auf dem in § 2 Abs. 2 EStG angelegten Dualismus der Einkünfteermittlungsmethoden und rechtfertigen nach Auffassung des Senats keine Abweichung vom einheitlichen Anschaffungskostenbegriff. Ob für Zeiträume vor Einführung der Abgeltungsteuer im Hinblick auf die damals bei Kapitaleinkünften erforderliche Unterscheidung von Vermögens- und Ertragsebene etwa anderes galt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

e) Nach dem vorstehend Gesagten sind die Anschaffungskosten der beiden im Streitjahr erworbenen ungetrennten Anleihen im Verhältnis der jeweiligen Marktwerte auf die Anleihemäntel und die Zinsscheine aufzuteilen. Da die Veräußerung von Anleihemänteln und Zinsscheinen nur wenige Tage nach der Trennung erfolgten, legt der Senat seiner Berechnung die jeweiligen Verkaufserlöse zugrunde. Danach ergibt sich folgende Berechnung:

 

Anleihe ISIN „x2“

 

Anschaffungskosten:

954.676,52 €

Verkaufserlös gesamt:

945.325,68 €

Verkaufserlös Zinsscheine:

589.159,72 € (62,324 %)

Verkaufserlös Anleihemantel:

356.165,96 € (37,676 %)

   

Verlust gesamt:

     9.350,84 €

Verlustanteil Zinsscheine:

     5.827,82 €

Verlustanteil Anleihemantel:

     3.523,02 €

 

Anleihe ISIN „x1“

 

Anschaffungskosten:

975.437,91 €

Verkaufserlös gesamt:

953.670,21 €

Verkaufserlös Zinsscheine:

624.833,91 € (65,519 %)

Verkaufserlös Anleihemantel:

328.836,30 € (34,481 %)

   

Verlust gesamt:

  21.767,70 €

Verlustanteil Zinsscheine:

  14.261,98 €

Verlustanteil Anleihemantel:

    7.505,72 €

   

Gesamtverlust Zinsscheine:

20.089,80 €

Gesamtverlust Anleihemäntel:

11.028,74 €

 

f) Unter Berücksichtigung dieser Berechnung ergäbe sich eine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2013 vom 27.04.2016 dergestalt, dass sich die dem allgemeinen Steuertarif unterfallenden Einkünfte um 11.028,74 € verringern und sich im Gegenzug die dem Abgeltungsteuertarif unterliegenden Einkünfte um 11.028,74 € erhöhen. Dies würde zu einer Minderung der mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom 27.04.2016 festgesetzten Steuer führen. Eine entsprechende Herabsetzung der Einkommensteuer 2013 kommt jedoch gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Da die Kläger – zulässigerweise - eine Höherfestsetzung der Einkommensteuer 2013 begehren, ist das Gericht an einer Herabsetzung der Einkommensteuer 2013 gehindert. Eine Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013 ergibt sich nicht. Daher erübrigt sich auch die Beantwortung der Frage, ob dieser vergleichsweise geringe Steuervorteil durch § 42 AO ausgeschlossen wird.

4. Die Klage wäre darüber hinaus auch dann abzuweisen, wenn man der Auffassung folgen würde, dass die ursprünglichen Anschaffungskosten der Anleihen nicht auf die Anleihemäntel und die Zinsscheine aufzuteilen wären, sondern mangels Substanzabspaltung (weiterhin) in vollem Umfang auf die Anleihemäntel entfielen. Unter dieser Prämisse läge ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne von § 42 AO vor.

a) Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne des § 42 AO ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Wann eine den Gestaltungsmissbrauch kennzeichnende unangemessene rechtliche Gestaltung vorliegt, entzieht sich einer allgemeinen Definition und lässt sich nur durch Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall feststellen. Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden (vgl. BFH, Urteile vom 08.03.2017 IX R 5/16, BStBl II 2017, 930; vom 12.06.2018 VIII R 32/16, BFH/NV 2018, 1184 jeweils m.w.N.).

b) Der Senat würdigt den vorstehend zu beurteilenden Sachverhalt dahingehend, dass der Erwerb der beiden stripbaren Bundesanleihen, die Trennung in Anleihemäntel und Zinsscheine, die anschließende separate Veräußerung der Anleihemäntel an die vom Kläger beherrschte A-GmbH und der Zinsscheine an die Bank sowie die Weiterveräußerung der Anleihemäntel durch die A-GmbH – dies alles in einem Zeitraum von nur 16 bzw. 15 Tagen und unter Inkaufnahme von Verlusten – keinen eigenen wirtschaftlichen Zweck hatten, sondern allein der Steuerminderung dienen sollten. Bezweckt war – entsprechend dem Klagebegehren – durch die Zuordnung der vollen Anschaffungskosten zum Anleihemantel hohe dem allgemeinen Steuertarif unterliegende und voll verrechenbare Verluste zu generieren, denen entsprechend hohe positive Einkünfte gegenüberstehen, die lediglich dem Abgeltung-steuersatz unterliegen. Gegen die Annahme, der Kläger habe mit dem Erwerb der stripbaren Bundesanleihen einen eigenen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, spricht nach Ansicht des Senats insbesondere, dass er die Anleihen nur relativ kurz gehalten und hieraus insgesamt Verluste erzielt hat.

c) Gesteht man dem Kläger gleichwohl zu, dass allein der Erwerb der stripbaren Bundesanleihen, die Trennung in Anleihemäntel und Zinsscheine und die anschließende Veräußerung sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen und dieses Verhalten für sich genommen nicht unangemessen ist und in seinem Belieben steht, so stellt jedoch die Zwischenschaltung der vom Kläger beherrschten A-GmbH in die Veräußerung der Anleihemäntel einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO dar. Diese Zwischenschaltung der A-GmbH diente keinem anderen Zweck, als die durch die Veräußerung der Anleihemäntel erzielten Verluste – anders als die dem Abgeltungsteuersatz unterliegenden positiven Einkünfte aus der Veräußerung der Zinsscheine – in den Anwendungsbereich der dem allgemeinen Steuertarif unterliegende Einkünfte zu verlagern. Zwar steht es einem Steuerpflichtigen frei, sein Wertpapiervermögen an eine von ihm beherrschte Kapitalgesellschaft zu veräußern und von dieser verwalten zu lassen. Im Streitfall ist jedoch davon auszugehen, dass die vom Kläger beherrschte A-GmbH die Anleihemäntel von vornherein nicht behalten, sondern diese umgehend weiterveräußern wollte. Hierfür spricht in erster Linie, dass die A-GmbH die Anleihemäntel tatsächlich jeweils nur zwei Tage nach dem Erwerb weiterveräußert hat. Hinzu kommt, dass die A-GmbH nicht über entsprechende liquide Mittel zum Erwerb der Anleihemäntel verfügte, sondern ihr diese vom Kläger darlehensweise zur Verfügung gestellt werden mussten. Ausweislich der insoweit geschlossenen Darlehensverträge vom 08.05. und 27.05.2013 waren die entsprechenden Darlehen spätestens am 30.06.2013 zurückzuzahlen. Auch daraus lässt sich ableiten, dass die A-GmbH nicht die Absicht hatte, die Anleihemäntel für einen längeren Zeitraum zu behalten.

d) Entgegen der Auffassung der Kläger wird die Anwendung der allgemeinen Missbrauchsnorm des § 42 Abs. 2 AO im Streitfall nicht durch die spezialgesetzliche Missbrauchsregelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG verdrängt.

Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Grundsätzlich hat § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG den Charakter einer spezialgesetzlichen Umgehungsvorschrift. Nach der Gesetzesbegründung dient die in dieser Norm geregelte Ausnahme von der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes der Verhinderung von Gestaltungen, bei denen aufgrund der Steuersatzspreizung betriebliche Gewinne z. B. in Form von Darlehenszinsen abgesaugt werden und so die Steuerbelastung auf den Abgeltungsteuersatz reduziert wird (BT-Drs. 16/4841, S. 60). Gleichwohl führt der Umstand, dass der Kläger mit der Veräußerung der Anleihemäntel an die A-GmbH die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG erfüllt, - unter der unter II. 4. dargelegten Prämisse - nicht zur Anwendung der Rechtsfolge, dass die entsprechenden Verluste dem allgemeinen Steuertarif unterliegen und von der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG ausgenommen sind. Die Unangemessenheit der vom Kläger gewählten Gestaltung liegt gerade darin, dass die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG im Wege einer nicht durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigten Zwischenschaltung der A-GmbH in die Veräußerung der Anleihemäntel erfolgt. Mit anderen Worten macht der Kläger von der spezialgesetzlichen Umgehungsvorschrift in einer Weise Gebrauch, die sich als Missbrauch der Missbrauchsvorschrift charakterisieren lässt (dazu Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO Rn. 20b und in Ubg 2008, 31, 34). Damit entfaltet § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG im Streitfall keine Sperrwirkung gegenüber § 42 Abs. 2 AO.

e) Nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Ohne die unangemessene Zwischenschaltung der A-GmbH unterfallen die Verluste aus der Veräußerung der Anleihemäntel der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG mit der Folge, dass der Kläger im Streitjahr der Abgeltungsteuer unterliegende negative Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt ./. 12.758.- € erzielt hat, die gemäß § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG in entsprechender Anwendung von § 10d EStG gesondert festzustellen sind. Dem entsprechen der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2013 vom 27.04.2016 und der Bescheid vom 27.04.2016 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2013.

III. Der nachgereichte Schriftsatz vom 04.04.2019 hat dem Senat keine Veranlassung gegeben, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Die Kläger haben keine Wiedereröffnung beantragt. Zudem erhält der nachgereichte Schriftsatz lediglich ergänzende und vertiefende Rechtsausführungen zu der bereits vorher sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung thematisierten Problematik der Zuordnung der Anschaffungskosten.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

V. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

(*) Am 21.06.2019 erging ein Berichtigungsbeschluss folgenden Inhalts:

Das Urteil vom 29.03.2019 wird dahingehend berichtigt, dass der im Klageantrag unter 2. enthaltene Betrag von „1.245.913.- €“ in „1.245.113.- €“ geändert wird.

Gründe:

Die Berichtigung beruht auf § 107 Abs. 1 FGO. Der Klageantrag enthielt einen Schreibfehler.

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