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RdF-News
12.07.2012
RdF-News
OLG Frankfurt: Inlandsklage gegen ausländische Rating-Agentur

OLG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2011 - 21 U 23/11


LEITSATZ


Die örtliche und internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts für eine Schadensersatzklage gegen eine ausländische Rating-Agentur ist gegeben, wenn die Rating-Agentur über nicht unwesentliches Vermögen im Bezirk dieses Gerichts verfügt und die Klage ausreichenden Inlandsbezug aufweist.


Sachverhalt


I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, einer internationalen Ratingagentur, Schadensersatz wegen des Erwerbs von Zertifikaten, deren Emittent eine Tochtergesellschaft der im September 2008 zusammengebrochenen Lehman Bank war.


Der Kläger erwarb für 30.000 € im März 2008 Express-Zertifikate auf den DivDAX/DAX, deren Emittent die niederländische Lehman Brothers Treasury Co. B. V. war. Hierbei handelt es sich um eine Tochter- bzw. Enkelgesellschaft der Lehman Brothers Inc., New York, über deren Vermögen am 15. September 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Gleichwohl waren der Emittentin ebenso wie der Lehman Brothers Inc. im Emissionsprospekt durch die beklagte Ratingagentur eine Kreditwürdigkeit von A+ bescheinigt worden. Die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Emittentin erfolgte aufgrund eines zwischen der Beklagten und der Emittentin abgeschlossenen Vertrages, der dem Recht des Staates New York unterlag.


Der Kläger, dessen Wertpapiere aufgrund des Zusammenbruchs mittlerweile wertlos sind, hat behauptet, er habe seine Kaufentscheidung wesentlich auf die sich im Nachhinein als grob fehlerhaft herausstellende Einschätzung der Kreditwürdigkeit der Lehman Brothers Inc. und deren Tochtergesellschaft durch die Beklagte gestützt. Er hat ferner die Auffassung vertreten, bei dem Ratingvertrag zwischen der Beklagten und der Emittentin habe es sich um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gehandelt, wobei das Bestehen des Anspruchs sich nach deutschem Recht richte.


Ferner ist er der Meinung gewesen, das Landgericht Frankfurt am Main sei örtlich und international zuständig. Die Zuständigkeit ergebe sich aus § 23 ZPO ebenso wie aus §§ 17 und 21 ZPO.


Das Landgericht hat die Klage unter einer Anschrift in O1, die im Internetauftritt der Beklagten als Office bezeichnet wird und an der sich eine Schwestergesellschaft der Beklagten befindet, zugestellt. Sodann hat es eine gesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit des angerufenen Gerichts angeordnet (Bl. 116 d. A.).


Daraufhin hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragt,


auszusprechen, dass das Landgericht Frankfurt am Main zuständig sei.


Die Beklagte hat beantragt,


die Klage als unzulässig abzuweisen.


Sie ist der Auffassung, die Klage sei bereits nicht wirksam zugestellt worden. Überdies sei das Landgericht nicht zuständig.


Im Übrigen wird wegen des erstinstanzlichen Streitstandes auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.


Das Landgericht hat in der angegriffenen Entscheidung die Klage abgewiesen. Es fehle an der örtlichen und damit auch der internationalen Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main. Eine Zuständigkeit aus § 17 ZPO bestehe nicht, weil der Sitz der Gesellschaft sich in O2 und nicht in O1 befinde. Ebenso folge keine örtliche Zuständigkeit aus § 21 ZPO, da weder ersichtlich sei, dass die Beklagte unter der in der Klageschrift angegebenen Anschrift eine Niederlassung unterhalte, noch ein Bezug der Klage zu der Niederlassung bestehe. Schließlich ergebe sich die Zuständigkeit auch nicht aus § 23 ZPO. Denn hierfür sei über die Belegenheit von Vermögen hinaus auch ein hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits erforderlich, der hier aber nicht gegeben sei.


Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Zur Begründung seines Rechtsmittels führt er aus, das Landgericht habe zu Unrecht einen Inlandsbezug der Klage verneint. Dieser ergebe sich bereits daraus, dass er als klagender deutscher Staatsbürger - wie zwischen den Parteien unstreitig - seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnsitz im Inland habe. Überdies sei der Schaden in Deutschland eingetreten und die Beklagte habe das sie zur Haftung verpflichtende fehlerhafte Urteil über die Kreditwürdigkeit der Emittentin unter anderem in Deutschland verbreitet. Entsprechend unterliege der Rechtsstreit auch materiell deutschem Recht. Fehlerhaft sei zudem die Ansicht des Gerichts, die Beklagte unterhalte keine Niederlassung in O1. Schließlich habe das Landgericht nicht ohne Erhebung der von ihm angebotenen Beweise davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte nicht ebenfalls einen Sitz in O1 habe.


Der Kläger beantragt,


unter Abänderung des am 05.05.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Kläger und Berufungskläger 30.000 € Zug um Zug gegen Übertragung der am 5.5.2008 erworbenen Alpha Express-Zertifikate auf DivDAX/DAX der Lehmann Brothers Treasury Co. B.V. (WKN: ...) zu zahlen.


Hilfsweise für den Fall fehlender Entscheidungsreife beantragt der Kläger ferner,


das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main aufzuheben und den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.


Die Beklagte beantragt,


die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 2011, Az 2-13 O 111/10, zurückzuweisen.


Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.


Ergänzend wird auf die im Berufungsrechtzug von den Parteien wechselseitig eingereichten Schriftsätze sowie die ihnen beigefügten Anlagen Bezug genommen.


Aus den Gründen


II. Die zulässige Berufung ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die wirksam erhobene Klage zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Frankfurt am Main örtlich zuständig, woraus sich zugleich die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, ferner zu dem Ausspruch der Zulässigkeit der Klage in Form eines Zwischenurteils nach § 280 Abs. 2 ZPO sowie im Übrigen zur Zurückverweisung der Sache zwecks weitere Verhandlung und Entscheidung über die Begründetheit der Klage an das Landgericht gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.


1. Ob - wie erstinstanzlich zunächst noch von der Beklagten in Zweifel gezogen - die Klage wirksam gemäß § 178 ZPO zugestellt worden ist, kann dahingestellt bleiben. Denn die Beklagte hat sich auf die Klage insoweit rügelos eingelassen. Die unterbliebene Zustellung der Klage ist eine verzichtbare Norm im Sinne von § 295 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 294 Rdn. 3). Zudem kannte die Beklagte den Mangel, ist in der mündlichen Verhandlung erschienen und hat ausweislich des Verhandlungsprotokolls diesen Aspekt dennoch nicht ausdrücklich gerügt. Gleichsam ist dieser Punkt im Laufe des Verfahrens nicht näher thematisiert und insbesondere von der Beklagten nicht mehr zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht worden. Entsprechend kann auch nicht von einer konkludent erklärten Rüge in der mündlichen Verhandlung ausgegangen werden. Da es mithin an einer einseitigen prozessualen, gegenüber dem Gericht abzugebenden Willenserklärung, durch die die Partei ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten eindeutig zum Ausdruck bringt, dass sie sich mit dem Verfahrensverstoß nicht abfinden werde (vgl. Hk-ZPO/Saenger, 2. Aufl., § 295 Rdn. 13), fehlt, tritt die Rechtsfolge des § 295 ZPO ein. Die etwaige Verletzung der mangelnden Klagezustellung kann nicht mehr gerügt werden.


2. Die jedenfalls als wirksam zugestellt zu behandelnde Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht örtlich zuständig, woraus sich entsprechend die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt (vgl. dazu BGH, NJW 1999, 1395; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 1 Rdn. 18).


a) Zwar ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass eine örtliche Zuständigkeit nicht aus § 17 ZPO folgt. Für die Zuständigkeit nach § 17 ZPO ist nämlich maßgeblich, wo sich der Sitz der Beklagten befindet. Dies ist der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1364). Für die Bestimmung des Sitzes im Sinne von § 17 ZPO ist vorrangig der Satzungssitz in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. OLG München, NJW 1986, 2197, 2198; Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl., § 17 Rdn.9). Der Satzungssitz der Beklagten liegt unstreitig in O2. Allerdings kann bei umfassender Verwaltungskonzentration im Inland trotz abweichender Satzung ein Sitz im Inland begründet sein (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl., § 17 Rdn.9). Entgegen seinen Ausführungen in der Berufungsschrift mangelt es aber, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich hingewiesen wurde, insoweit an substanziiertem Vortrag des hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Klägers. So widerspricht schon der eigene Vortrag des Klägers einem Verwaltungszentrum in Deutschland. Denn danach unterhält die Beklagte 280 Büros in 40 Ländern. Anhaltspunkte für eine umfassende Verwaltungskonzentration in O1 ergeben sich aus der Behauptung, die Beklagte habe eines ihrer zahlreichen Büros in O1, gerade nicht.


b) Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht eine örtliche Zuständigkeit nach § 21 ZPO verneint. Hierfür wäre zum einen erforderlich, dass die Beklagte eine Niederlassung im Sinne der Vorschrift in O1 unterhält. Zudem müsste ein Bezug der Klage zu der Niederlassung bestehen (vgl. Lange, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., § 21 Rdn. 7). An beidem ermangelt es.


Eine Niederlassung erfordert eine von der Beklagten errichtete, auf ihren Namen und ihre Rechnung betriebene Geschäftseinrichtung, deren Leitung das Recht hat, aus eigener Entscheidung ihr übertragene Geschäfte abzuschließen und die sich dadurch von einer Agentur zur Entgegennahme und Übermittlung von Vertragsofferten unterscheidet (vgl. BGH, NJW 1987, 3081, 3082; Lange, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., § 21 Rdn. 3). Eine solche Niederlassung unterhält die Beklagte ihrem eigenen Vortrag zufolge in O1 nicht. Vielmehr sind unter der angegeben Anschrift nur Niederlassungen zweier anderer Gesellschaften ansässig, nämlich der A und der B GmbH. Soweit der Kläger diese Behauptung mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unerheblich. Denn ihm obliegt die Darlegungs- und Beweislast zur örtlichen Zuständigkeit des von ihm angerufenen Gerichts.


Allerdings würde - worauf der Kläger zu Recht hinweist - auch das Setzen eines entsprechenden äußeren Rechtsscheins ausreichend sein (vgl. OLGR 2004, 137; Lange, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., § 21 Rdn. 3). Einen solchen Rechtsschein hat die Beklagte - selbst den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt - aber nicht gesetzt. Insbesondere ergibt er sich nicht bereits aus dem Interneteintrag der Beklagten. Dort ist zwar von einem Office die Rede. Dass es sich hierbei aber um eine Geschäftseinrichtung handelt, deren Leitung das Recht hat, die ihr übertragenen Geschäfte aus eigener Entscheidung abzuschließen, ist dem Interneteintrag nicht zu entnehmen.


Zudem fehlt es an einem Bezug der Klage zu der Niederlassung. Unstreitig ist der angebliche Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleitet, ohne Einschaltung des O1er Büros erfolgt. Dass - wie der Kläger behauptet - Ratings auch von O1 aus vergeben werden, vermag einen besonderen Bezug zu dem geltend gemachten Anspruch nicht zu begründen. Denn das in Rede stehende Rating wurde dort nicht erstellt. Allein die vom Kläger nicht näher ausgeführte „Verbreitung" des Ratings von O1 aus genügt nicht.


c) Eine Zuständigkeit des Landgerichts wird entgegen der Auffassung des Klägers nicht durch die EuGVVO begründet. Die Klage gegen die US-amerikanische Gesellschaft unterfällt nicht dem Anwendungsbereich der EuGVVO. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht und stünde zudem Art. 4 Abs. 1 EuGVVO entgegen.


d) Des Weiteren ergibt sich eine Zuständigkeit gleichfalls nicht aus § 29 ZPO als besonderem Gerichtsstand des Erfüllungsortes. Würde sich der Anspruch nach deutschem Recht richten, wäre Erfüllungsort nicht Deutschland, sondern der Ort, an dem die primäre, den Schadensersatz begründende Pflicht zu erbringen gewesen wäre. Dies wäre aufgrund des zwischen der Beklagten und der niederländischen Gesellschaft geschlossenen Vertrages die Niederlande, jedenfalls aber nicht Deutschland. Zu einem nach ausländischem Recht zu beurteilenden Erfüllungsort in Deutschland hat der Kläger nichts vorgetragen. Insbesondere ist er auch nicht der Behauptung der Beklagten entgegen getreten, wonach der Vertrag der Rechtswahl der Vertragspartner zufolge sich nach New Yorker Recht richte und hiernach Erfüllungsort der Geschäftssitz der Beklagten sei.


e) Jedoch ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main aus dem subsidiären (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 23 Rdn. 5) Gerichtsstand nach § 23 ZPO.


Hiernach ist für Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche gegen eine Person, die im Inland keinen Wohnsitz hat, das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich Vermögen derselben oder der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Erforderlich ist danach im Inland und hierbei insbesondere im Bezirk des Landgerichts Frankfurt am Main befindliches Vermögen sowie - einer einschränkenden Auslegung zufolge - ein hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits. Beide Voraussetzungen liegen vor.


Zu dem im Inland befindlichen Vermögen hat der Kläger unter anderem vorgetragen, die Beklagte habe mit zahlreichen, in Deutschland ansässigen Kunden Abonnementverträge abgeschlossen, aus denen ihr jeweils jährliche Beiträge in Höhe von 4.000 € zufließen würden, woraus sie in Deutschland Erträge in sechsstelliger Höhe generiere. Dieser Vortrag ist zwar nach der mündlichen Verhandlung, aber innerhalb der nachgelassenen Schriftsatzfrist von vier Wochen seitens der Beklagten in das Verfahren eingeführt worden. Er ist folgerichtig im erstinstanzlichen Urteil nicht als verspätet zurückgewiesen und mithin - entgegen der Auffassung der Beklagten - zu berücksichtigen.


Darüber hinaus sind insbesondere die Abonnementverträge mit daraus resultierenden Forderungen von der Beklagten nicht bestritten worden, sondern im Gegenteil von der Beklagten in deren Schriftsatz vom 15. April 2011, auf den die Beklagte auch in zweiter Instanz Bezug nimmt, ausdrücklich zugestanden worden sind. Zudem spricht die Beklagte von sich aus in ihrem Schriftsatz vom 1. November 2010 einen Abonnementvertrag mit der C-Bank AG an und legt diesen in Auszügen vor (Bl. 164 f.), wobei dort eine jährliche Gebühr von 5.100 US $ genannt ist (Bl. 165). Entsprechend ist es unstreitig, dass die Beklagte mit deutschen Gesellschaften Abonnementverträge abgeschlossen hat und damit über im Inland belegenes Vermögen verfügt. Denn die Forderungen sind am Wohn- bzw. Unternehmenssitz des Schuldners, also hier Deutschland und mit Blick auf die genannten Unternehmenssitze in O1 (vgl. die Auflistung auf Bl. 251 f.), belegen (vgl. dazu den Wortlaut von § 23 ZPO sowie Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 23 Rdn. 10).


Dem steht überdies nicht das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 27. Oktober 2011 entgegen. Denn dort wird nur der Abschluss von Rating-, nicht aber derjenige von Abonnementverträgen bestritten.


Darüber hinaus ist die Höhe des im Gerichtsbezirk belegenen Vermögens auch mit Blick auf ein etwaig zu vollstreckendes Urteil nicht unangemessen gering (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 23 Rdn. 7). Dies ist nämlich nicht bereits dann der Fall, wenn das Vermögen zur Befriedigung des Klägers nicht ausreicht, sondern erst dann, wenn der Vollstreckungserlös noch nicht einmal die aufzuwendenden Vollstreckungskosten überschreiten würde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Sept. 2005 - IX ZR 1/05 -, BeckRS 2005, 11442). Anhaltspunkte dafür hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete (vgl. BGH, NJW 1997, 325, 326) Beklagte nicht vorgetragen. Sie sind in Anbetracht der unstreitigen Vergütungshöhe zudem fernliegend.


Damit kommt es entscheidend darauf an, ob ein weiterer Inlandsbezug erforderlich ist und bejahendenfalls, ob dieser hier gegeben ist. Maßgeblich ist dabei, dass der Inlandsbezug zu dem geführten Rechtsstreit und nicht - wie die Beklagte in einem Schriftsatz missverständlich ausführt (Bl. 272) - zwischen dem Anspruch und dem in Deutschland belegenen Vermögen bestehen muss.


Von der Erforderlichkeit eines Inlandsbezuges ist - ohne dass es hierauf ankäme - auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts, dem sich der Senat anschließt, auszugehen (vgl. BGH, NJW 1991, 3092; BAG, DB 1998, 2619; aA Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl., § 23 Rdn. 3; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 23 Rdn. 9 ff.).


Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt überdies ein Inlandsbezug des Rechtsstreits vor. Der bereits als ausreichend anzusehende Anknüpfungspunkt für einen Inlandsbezug ist hier dem Umstand begründet, dass der Kläger seinen Aufenthalt und Wohnsitz in Deutschland inne hat und darüber hinaus noch deutscher Staatsbürger ist.


Zwar vertritt die Beklagte vornehmlich unter Bezug auf eine zu § 32 ZPO ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2011, 2059) die Auffassung, der Wohnsitz des Klägers sei für einen Inlandsbezug nicht genügend. Diese Auffassung vermag allerdings nicht zu überzeugen.


So ist zunächst der so genannte genuine link, der zu einer einschränkenden Auslegung von § 23 ZPO führt und wonach ein Staat nur dann extraterritorial aktiv werden darf, wenn er zu dem Regelungsgegenstand einen sinnvollen Anknüpfungspunkt aufweisen kann, erfüllt. Hat der Kläger seinen Wohnsitz oder seinen Aufenthalt in Deutschland, so ist ein hinreichender Inlandsbezug gegeben. Eine Einmischung in fremde ausländische Angelegenheiten stellt die Klageerhebung im Inland nicht dar, wenn Deutschland Inländern Rechtsschutz gewährt (so MünchKommZPO/Patzina, 2. Aufl., § 23 Rdn. 15). Mit der gleichen Berechtigung einer ausländischen Entscheidung über die Interessen des inländischen Klägers, kann eine inländische Entscheidung über die Belange des ausländischen Beklagten ergehen.


Zudem wird die Einschränkung des hinreichenden Inlandsbezugs jedenfalls auch mit der Entstehungsgeschichte begründet, wonach die Vorschrift Inländern - ohne Rücksicht auf deren Staatsangehörigkeit - die Durchsetzung ihrer Vermögensinteressen im Inland ermöglichen soll (vgl. BGH, NJW 1991, 3092, 3093; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062). Gerade mit diesem Ziel der Vorschrift steht die Annahme eines Inlandsbezuges bei einem Inländer in Einklang.


Soweit die Beklagte dem die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 29. März 2011 (NJW 2011, 2059) entgegenhält, wonach die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht schon dadurch begründet wird, dass der Betroffene seinen Wohnsitz in Deutschland hat, zieht sie nicht hinreichend in Betracht, dass dieses Urteil den Gerichtsstand nach § 32 ZPO betrifft und hier § 23 ZPO in Rede steht. Insoweit spricht die Entscheidung stets von einem deutlichen Bezug zum Inland, der für die Begründung des deutschen Gerichtsstandes erforderlich sei (BGH, NJW 2011, 2059, 2060). Demgegenüber bedarf es - dem Urteil aus dem Jahr 1991 zufolge (BGH, NJW 1991, 3092) - nur eines hinreichenden Inlandsbezuges. Dies ist nachvollziehbar, weil im Fall des § 23 ZPO ein gewisser Bezug zum Inland bereits durch das im Inland vorhandene Vermögen besteht und zudem nur vermögensrechtliche Ansprüche in Rede stehen. Überdies wird in der Entscheidung betont, dass die Annahme der örtlichen und damit internationalen Zuständigkeit zugleich über die Anwendung des deutschen materiellen Rechts entscheide(vgl. BGH, NJW 2011, 2069, 2060). Gerade diese Konsequenz lässt sich mit Blick auf den hier in Rede stehenden Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht ziehen. Vielmehr entscheidet sich die Frage nach dem materiell anzuwendenden Recht unabhängig von der Begründung eines örtlichen Gerichtsstandes nach § 23 ZPO allein danach, ob der Anspruch aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dem Vertragsstatut (Art. 27 ff. EGBGB, nunmehr ROM I) oder dem Deliktsstatut (Art. 32 ff. EGBGB, nunmehr ROM II) unterfällt (vgl. dazu etwa Palandt/Thorn, ROM II 1 (IPR) Rdn. 5; Dutta, IPRAX 2009, 293, 294).


Der vorstehenden Überlegung steht ebenfalls nicht die Subsidiarität des Gerichtsstandes nach § 23 ZPO gegenüber demjenigen nach § 32 ZPO entgegen. So beinhaltet es keinen Wertungswiderspruch, den Anknüpfungspunkt eines Inlandsbezuges bei dem Gerichtsstand der Vermögensbelegenheit enger zu fassen als bei demjenigen der unerlaubten Handlung, gleichwohl aber den letztgenannten, gegenüber dem ersteren als subsidiär einzustufen. Auffangzuständigkeiten erweisen sich häufig als relativ arm an spezifischen Voraussetzungen. Soweit demgegenüber die Beklagte geltend macht, es komme ohnehin nur eine Inanspruchnahme der Beklagten aufgrund deliktischer Ansprüche in Betracht, ist dies zum einen eine Frage der Begründetheit der Klage und zum anderen wird der Anspruch - wie dargelegt - vornehmlich auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützt und hierbei handelt es sich gerade nicht um einen eindeutig deliktischen Anspruch, sondern leitet sich die erhöhte Sorgfalt aus einer vertraglichen Verpflichtung des Schuldners ab.


Überdies gebieten auch allgemeine Fairnessgedanken, sofern ihnen überhaupt hier eine maßgebliche, rechtliche Bedeutung zukommen sollte, keine einschränkende Auslegung von § 23 ZPO im vorliegenden Fall. Zwar - so ist der Beklagten zuzugeben - musste sie als amerikanische Gesellschaft nicht zwingend damit rechnen, dass sie aufgrund eines mit einer niederländischen Gesellschaft nach New Yorker Recht abgeschlossenem Vertrag in Deutschland in Anspruch genommen werden würde. Andererseits kann es der Beklagten als international tätiger Ratingagentur nicht verschlossen geblieben sein, dass die von ihr erstellten Bonitätseinstufungen internationale Beachtung finden und damit ökonomische Entscheidungen von Wirtschaftssubjekten auf der ganzen Welt und mithin auch in Deutschland beeinflussen. Ebenso ist es nicht verwunderlich, dass die in Rede stehende Anleihe nicht ausschließlich von amerikanischen oder niederländischen Staatsbürgern, sondern ebenfalls von Anlegern mit Wohnsitz in Deutschland gezeichnet wurde. Schließlich ist auch im Übrigen kein übergeordneter Fairnessgesichtspunkt ersichtlich, aufgrund dessen gerade die Beklagte als weltweit tätige Gesellschaft, die - ihrem Internetauftritt zufolge -zahlreiche Büros in verschiedenen Ländern unterschiedlicher Kontinente aufweist, vor der Klage einer in Deutschland lebenden Privatperson vor deutschen Gerichten geschützt werden müsste. Dies gilt ebenfalls mit Blick auf den allgemeinen Grundsatz, wonach regelmäßig eine Klage am Gerichtsstand des Beklagten zu erheben ist (vgl. BGHZ 198, 313). Denn insoweit muss zwar eine potenzielle Gerichtspflicht zumindest in eingeschränktem Maße für einen Beklagten steuerbar und vorhersehbar sein (vgl. BGH, NJW 2011, 2059, 2060). Gerade dies ist aber mit Blick auf die weltweit tätige Beklagte und ihre Vergabe international anerkannter Ratings der Fall.


Entsprechend besteht keine Veranlassung, von der herrschenden Meinung und bestehenden Rechtsprechung abzuweichen, wonach ein hinreichender Inlandsbezug zumindest dadurch begründet wird, dass der Kläger nicht nur seinen ständigen Aufenthalt im Inland hat, sondern darüber hinaus deutscher Staatsangehöriger ist (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 305; LAG Hessen, AR-Blattei 920 Internationales Arbeitsrecht Nr. 7; OLG Stuttgart, RiW 1990, 829, 831; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 23 Rdn. 13; MünchKommZPO/Patzina, 2. Aufl., § 23 Rdn. 15; Lange, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 2. Aufl., § 23 Rdn. 5; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062, 3064).


3. Demgemäß war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Zulässigkeit der Klage auszusprechen. Zugleich war die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nach § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO vor. Denn der Kläger hat einen entsprechenden Antrag gestellt, wobei der hilfsweise angebrachte Antrag ausreichend ist (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2003, 388; Hk-ZPO/Wöstmann, 2. Aufl., § 538 Rdn. 6; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 538 Rdn. 4). Überdies ist eine Zurückverweisung im jetzigen, frühen Stadium des Prozesses sinnvoll, um den Parteien keine Instanz zu nehmen. Denn von der Beklagten ist - der Anordnung der Kammer über eine gesonderte Verhandlung über die Zuständigkeit entsprechend - bislang kein Vortrag zur Begründetheit der Klage in das Verfahren eingeführt worden ist.


4. Die Kostenentscheidung verbleibt dem Endurteil vorbehalten. Darüber hinaus ist entgegen der in der mündlichen Verhandlung von der Beklagten vertretenen Auffassung eine Zulassung der Revision nicht veranlasst. Ein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegt nicht vor.


Der Senat weicht - wie auch die Beklagte konstatiert - nicht von der Entscheidung anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs und insbesondere nicht von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München aus dem Jahr 1992 ab (vgl. OLGR München, 1993, 63). Nach der letztgenannten Entscheidung wird zwar über die Belegenheit von Vermögensgegenständen im Inland hinaus ein sachlicher Inlandsbezug des Rechtsstreits verlangt. Jedoch wird ebenfalls vom erkennenden Senat das Erfordernis eines Inlandsbezuges bejaht.


Zudem ist der Sache keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen. Obgleich - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - eine eindeutige Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der Frage eines ausreichenden Inlandsbezuges im Sinne von § 23 ZPO durch die Begründung von Wohnsitz und Aufenthalt eines Klägers in Deutschland bislang nicht vorliegt, vielmehr dieser Aspekt in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 1999 im konkreten Fall ausdrücklich offen gelassen worden ist (vgl. BGHZ, 115, 90), kann der Frage gleichwohl in Anbetracht der nahezu einhelligen Stellungnahmen in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur keine Klärungsbedürftigkeit beigemessen werden, zumal - wie der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung andeutet - vom Grundsatz her er einen ausreichenden Inlandsbezug durch den gewöhnlichen Wohnsitz oder den Aufenthalt eines Klägers für gegeben erachtet und nur die Frage aufwirft, ob dies stets der Fall ist. Die Annahme einer Ausnahme von dem bestehenden Grundsatz im Einzelfall kann aber ohnehin keine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits rechtfertigen und kommt vorliegend in Anbetracht der Gesamtumstände auch keinesfalls in Betracht.

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