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RdF-News
19.02.2018
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FG Düsseldorf: Gezahlter Zwischengewinn führt zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen

FG Düsseldorf, Urteil vom 17.8.2017 – 14 K 3722/13 E

ECLI:DE:FGD:2017:0817.14K3722.13E.00

Volltext des Urteils: RdFL2018-87-1 unter

www.rdf-online.de

Sachverhalt

Streitig ist die steuerliche Behandlung gezahlter Zwischengewinne in Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einem luxemburgischen Investmentteilfonds.

Der Kläger erzielte im Streitjahr unter anderem einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.H.v. 93.436.803 € aus der Veräußerung eines wesentlichen Anteils an der A-Firma S.A. aus A-Land.

Bei der Bank B in ... (Schweiz) unterhielt der Kläger zudem ein Wertpapierdepot, über das er am 22.12.2008 und 24.12.2008 91.664,629 bzw. 10.185,892 Anteile an dem im Dezember 2008 aufgelegten Investmentteilfonds „L.“ (im Folgenden: Fonds) zu einem Preis von 89.999.999,34 € bzw. 9.999.999,47 € erwarb. Nach den Angaben im Platzierungsmemorandum für die am … nach luxemburgischem Recht gegründete Investmentgesellschaft M. mit Sitz in Luxemburg (Stand: Dezember 2008) war der Fonds ein thesaurierender Teilfonds dieser Investmentgesellschaft. Das Geschäftsjahr des Fonds lief vom 1.7. bis zum 30.6. Der Fonds sollte – längstens bis zum 16.12.2008 – sogenannte „Bond-Stripping-Transaktionen“ durchführen. Ausweislich des Platzierungsmemorandums wurde ein Ertragsausgleichsverfahren durchgeführt.

Bis zum Erwerb der Anteile durch den Kläger entwickelte sich der Fonds wie folgt:

Am 8.12.2008 wurden erstmalig 1.959,824 Anteile des Fonds zu einem Erstausgabepreis je Anteil von 1.000 € ausgegeben. Am selben Tag erwarb der Fonds zwei Bundesanleihen zu Anschaffungskosten von insgesamt 1.876.593,81 € zzgl. Stückzinsen i.H.v. 79.549,68 €. Am 10.12.2008 wurde hinsichtlich der beiden Bundesanleihen ein sogenanntes Coupon-Stripping durchgeführt. Hierbei wurden die Wertpapiere jeweils aufgespalten in einen Kapital-Coupon und mehrere den jeweiligen jährlichen Zinsanspruch verkörpernde Zins-Coupons. Die Zins-Coupons veräußerte der Fonds am 11.12.2008 für insgesamt 1.026.291,48 €. Am 16.12.2008 betrug das Nettoinventarvermögen des Fonds 1.924.538,03 € und führte damit zu einem Wert je Fondsanteil von 982 €. Der Fonds errechnete zu diesem Stichtag einen Zwischengewinn je Anteil i.H.v. 452,08 €.

Am 19.12.2008 wurden insgesamt 257.080,465 neue Fondsanteile ausgegeben. In die Ermittlung der auf diese Anteile entfallenden Zwischengewinne wurde ein den bislang vom Fonds erwirtschafteten Erträgen entsprechender Teil des Ausgabepreises der Anteile einbezogen (sog. Ertragsausgleich). Die für den Fonds … je Anteil veröffentlichten Zwischengewinne beliefen sich zum Stichtag 8.12.2008 auf 0,00 €, zum 16.12.2008 auf 452,08 €, zum 19.12.2008 auf 451,93 € und zum 23.12.2008 auf 451,96 €.

Eine „Aufstellung zur Berechnung der Ausschüttungen (ETADIS)“ für den Fonds zum Bewertungsstichtag 30.6.2009 vom 10.7.2009 weist einen Nettoertragsausgleich je Anteil von 448,40 € und einen Gesamtnettoertrag je Anteil i.H.v. 465,98 € aus. Am … wurden die Besteuerungsgrundlagen des Fonds im elektronischen Bundesanzeiger ohne Berücksichtigung von Ertragsausgleichsbeträgen veröffentlicht. Hiernach betrugen die ausschüttungsgleichen Erträge je Anteil für das Geschäftsjahr 2008/2009 17,9495 € und die nach § 3 Abs. 3 Satz 2 InvStG nicht abziehbaren Werbungskosten 0,3710 €.

Am 23.11.2009 gab der Kläger sämtliche Fondsanteile zurück. Für das Jahr 2009 wies die Bank B (...) für den Kläger ausschüttungsgleiche Erträge zum 30.6.2009 i.H.v. 1.828.168,80 € (17,9495 € je Anteil) und erhaltene Zwischengewinne aus der Rückgabe der Fondsanteile i.H.v. insgesamt 46.634.299 € (457,87 € je Anteil) als Einnahmen aus Kapitalvermögen aus.

Zum 16.7.2010 wurde der Fonds liquidiert. Nach Beanstandung durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) wurden die zunächst nicht veröffentlichten Ertragsausgleichsbeträge für das Geschäftsjahr 2008/2009 bei der Ermittlung der ausschüttungsgleichen Erträge zum 30.6.2010 nacherfasst. Diese wurden am 29.10.2010 mit 468,5090 € je Anteil veröffentlicht, wobei hierin ein Mehrbetrag für die ausschüttungsgleichen Erträge des Geschäftsjahres 2008/2009 i.H.v. 448,4752 € enthalten war.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2008 machte die Klägerseite bei dem Erwerb der Fondsanteile gezahlte Zwischengewinne in Höhe von insgesamt 46.029.612 € als negative Kapitaleinnahmen geltend:

Tabelle 1

Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom 12.8.2010, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) erging, erkannte der Beklagte die Zwischengewinne nicht als negative Kapitalerträge an, da die Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells gemäß § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlägen. Gegen den Bescheid legte die Klägerseite am 10.9.2010 Einspruch ein.

Unter dem 25.11.2010 erließ der Beklagte einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid für 2008 über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG, in dem ein (lediglich) verrechenbarer Verlust nach § 15b EStG des Klägers zum 31.12.2008 i.H.v. 46.029.612 € festgestellt wurde. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen in Zusammenhang mit den Anteilen am Fonds betrügen vor Anwendung des § 15b EStG -46.029.612 € und nach Anwendung des § 15b EStG 0 €. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerseite am 23.12.2010 Einspruch ein.

Im – in diesem Verfahren nicht streitbefangenem - Einkommensteuerbescheid 2009 vom 13.12.2010 verrechnete der Beklagte die für 2009 ausgewiesenen ausschüttungsgleichen Erträge und vereinnahmten Zwischengewinne mit den auf den 31.12.2008 festgestellten verrechenbaren Verlusten i.S.v. § 15b Abs. 1 EStG. Die hiernach verbliebenen Kapitaleinnahmen von 2.432.855 € wurden dem Abgeltungsteuersatz gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterworfen. Die Einkommensteuerfestsetzung 2009 wurde in der Folge auf 0 € geändert, weil für den Kläger im Zusammenhang mit einer Beteiligung an der T. GmbH & Co. KG für 2009 ein negativer Progressionsvorbehalt i.H.v. 52.512.794 € gesondert und einheitlich festgestellt worden war.

Mit Einspruchsentscheidung vom 25.9.2013 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerseite gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 insoweit als unbegründet zurück, als dieser sich auf die Nichtberücksichtigung des gezahlten Zwischengewinns bezog.

Der Zwischengewinn stelle schon keine negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen dar, da das Ertragsausgleichsverfahren nicht für alle Ertragsarten, sondern lediglich für Zwischengewinne durchgeführt worden sei. Damit habe der Fonds die Anforderungen des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – im Schreiben vom 9.3.2010 IV C 1 – S 1980-1/09/10001, 2010/0170936, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2010, 553, und auch des mit Jahressteuergesetz (JStG) 2010 zur Klarstellung eingefügten § 2 Abs. 5 des Investmentsteuergesetzes (InvStG) nicht erfüllt. Indem der Ertragsausgleich nicht für ausschüttungsgleiche Erträge gerechnet worden sei, seien zum Geschäftsjahresende 30.6.2009 Zwischengewinne in beträchtlicher Höhe stehen geblieben. Dieser Posten hätte jedoch ertragswirksam aufgelöst werden müssen.

Ebenfalls unter dem 25.9.2013 hob der Beklagte den Verlustfeststellungsbescheid nach § 15b Abs. 4 EStG auf den 31.12.2008 vom 25.11.2010 auf, da im Jahr 2008 schon kein negativer steuerlicher Zwischengewinn zu berücksichtigen sei. Insofern sei auch der Verlustfeststellungsbescheid gegenstandslos. Der Aufhebungsbescheid enthielt weiter den Hinweis, dass der Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides nach § 15b Abs. 4 EStG ausdrücklich u.a. für den Fall vorbehalten werde, dass in einem evtl. finanzgerichtlichen Verfahren vom Gericht eine von der Einspruchsentscheidung abweichende Auffassung ernsthaft erwogen werden sollte.

Infolge der Aufhebung des Verlustfeststellungsbescheides auf den 31.12.2008 erließ der Beklagte unter dem 14.11.2014 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2009, in dem die bisher vorgenommene Verrechnung der Zwischengewinne aus dem Jahr 2008 nunmehr unterblieb. Es wurden Kapitaleinkünfte i.H.v. 49.086.316 € angesetzt. Aufgrund des negativen Progressionsvorbehalts blieb es weiterhin bei der Einkommensteuerfestsetzung auf 0 €.

Mit ihrer am 25.10.2013 gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 erhobenen Klage verfolgt die Klägerseite das Ziel der steuermindernden Erfassung der bei Erwerb der Fondsanteile gezahlten Zwischengewinne im Streitjahr weiter. Unter Einbeziehung ihres Vorbringens im Einspruchsverfahren machen sie geltend:

Der Zwischengewinn gehöre zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Durch die Berücksichtigung von gezahlten Zwischengewinnen als negativen Kapitaleinnahmen werde ein Ausgleich dafür geschaffen, dass der Anleger die Zinserträge bei Ausschüttung oder Thesaurierung in vollem Umfang unabhängig davon versteuern müsse, wann er in das Investmentvermögen investiert habe. Insofern würden die Erträge des Investmentvermögens beim Investmentanleger besitzzeitanteilig zutreffend erfasst. Dies gehöre zwingend zum System der Zwischengewinnbesteuerung. Entsprechend werde auch bei der Bemessung der Zinsabschlag- bzw. Abgeltungsteuer verfahren. Die bezahlten Zwischengewinne würden im sog. Stückzinstopf gemäß §§ 43a Abs. 3; 43 Abs. 1 Nr. 7, Satz 2 EStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 InvStG berücksichtigt.

Der Zwischengewinn sei auch nicht als Differenz zwischen gezahltem und erhaltenem Zwischengewinn zu verstehen. Der gezahlte Zwischengewinn stehe ggfs. in keinem Verhältnis zu dem erhaltenen Zwischengewinn. Wenn z.B. der Investmentanteil über das Geschäftsjahresende des Fonds hinaus gehalten werde, flössen dem Anleger entweder eine Ausschüttung oder fiktiv die ausschüttungsgleichen Erträge, aber keine Zwischengewinne zu. Erst bei der Veräußerung oder Rückgabe der Fondsanteile seien dann die erhaltenen Zwischengewinne zu versteuern. Auf die Differenz zu den bezahlten Zwischengewinnen komme es nicht an.

Im Jahr 2008 sei die Durchführung des Ertragsausgleichsverfahrens keine Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von Zwischengewinnen gewesen. Dies ergebe sich auch aus dem BMF-Schreiben vom 2.6.2005 VV DEU BMF 2005-06-02 IV C 1-S 1980-1-87/05, Bundessteuerblatt (BStBl) I 2005, 728, Rz. 21. Erst mit BMF-Schreiben vom 18.8.2009 IV C 1-S 1980-1/08/10019, 2009/0539738, BStBl I 2009, 931, Rz. 21a, sei das einschränkende Erfordernis des Ertragsausgleichs für die Berücksichtigung der Zwischengewinne aufgestellt worden. Erst mit dem JStG 2010, das jedoch erst nach dem Streitjahr eingeführt worden sei, sei diese Voraussetzung auch gesetzlich geregelt worden. Hierbei habe es sich nicht um eine bloße Klarstellung gehandelt.

Unabhängig davon sei für das Investmentvermögen entsprechend der Fondsdokumentation ein Ertragsausgleichsverfahren durchgeführt worden. Auch die Zwischengewinne seien unter Berücksichtigung des Ertragsausgleichsverfahrens berechnet worden und jederzeit in den WM-Daten abrufbar. Der Fonds habe daher alle Anforderungen, die im BMF-Schreiben vom 18.8.2009, a.a.O, Rz. 197, an den Ertragsausgleich gestellt würden, erfüllt.

Die Veröffentlichung der Besteuerungsgrundlagen zum 30.6.2009 sei zwar fehlerhaft gewesen, da der Ertragsausgleich für die ausschüttungsgleichen Erträge nicht berücksichtigt worden sei. In den Jahresbericht des Investmentfonds für das Geschäftsjahr 2008/2009 sei der Ertragsausgleich nicht übernommen worden, da er nach luxemburgischem Recht nicht zulässig gewesen sei. Der Fehler sei jedoch entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 InvStG zum 30.6.2010 korrigiert worden. Das Ertragsausgleichsverfahren sei in dem verbindlichen Platzierungsmemorandum des Fonds vorgeschrieben gewesen. Auch sei der Zwischengewinn kein Korrektiv für fehlerhafte Besteuerungsgrundlagen.

Ein Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO liege nicht vor. Die Investition sei nicht alsbald nach dem Stichtag rückgängig gemacht oder wesentlich abgeändert worden. Im Übrigen seien durch die Rückgabe der Investmentfondsanteile Erträge angefallen, nämlich in Form der ausschüttungsgleichen Erträge und des im Jahr 2009 vereinnahmten Zwischengewinns. Mit dem Investment habe er – der Kläger – auch ohne Berücksichtigung etwaiger Steuereffekte einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt. Ein Wertzuwachs des Fonds sei zudem nicht garantiert worden. Im Gegenteil habe er insbesondere mit Blick auf die sich bereits in 2008 abzeichnende Finanzmarktkrise das volle Risiko der Anlage getragen.

Das Investment stelle auch kein Steuerstundungsmodell i.S.v. § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b Abs. 2 EStG dar.

Unter dem 10.7.2015 hat der Beklagte aus anderen als den hier streitigen Gründen einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 erlassen.

Die Klägerseite beantragt,

1. den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 12.8.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.9.2013, diese in Gestalt des Einkommensteueränderungsbescheides vom 10.7.2015 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen Zwischengewinne in Höhe von 46.029.612 € als negative Einnahmen erfasst werden,

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus: Nach dem BFH-Urteil vom 3.8.1976 VIII R 101/71, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 119, 574, BStBl II 1977, 65, handele es sich bei gezahlten Zwischengewinnen auf Investmentanteile um Anschaffungskosten. Mit dem Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21.12.1993 sei die Zwischengewinnbesteuerung zum 1.1.1994 lediglich eingeführt worden, um Möglichkeiten der Steuerumgehung im Zusammenhang mit der Veräußerung von Investmentanteilen und in diesem Zusammenhang vereinnahmten Zwischengewinnen zu verhindern. Es sei nicht erkennbar, dass mit dem Gesetz ein „negativer“ Zwischengewinn habe eingeführt werden sollen. Auch sei die Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 1976 von dieser Gesetzesänderung unberührt geblieben.

Folge man demgegenüber der Auffassung der Klägerseite, dass mit Einführung des StMBG gesetzlich die Berücksichtigung gezahlter Zwischengewinne ab dem 1.1.1994 verankert worden sei, hätte bei Anschaffung von Investmentanteilen vor diesem Zeitpunkt der darin enthaltene Zwischengewinn rechtlich nicht berücksichtigt werden können. Gleichwohl sei aber der Ansatz eines negativen Zwischengewinns auch aus dem Jahr 1993 zugelassen worden. Diesbezüglich müsse es sich um eine Billigkeitsregelung handeln. Bei den Stückzinsen, für die ab dem 1.1.1994 das Zu- und Abflussprinzip gegolten habe, habe der Gesetzgeber demgegenüber ausdrücklich eine Übergangsregelung für das Jahr 1993 geschaffen, wonach ein Abzug der in 1993 angefallenen Stückzinsen im Jahr 1994 zugelassen worden sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eine ähnliche Regelung für Zwischengewinne geschaffen hätte, wenn er einen entsprechenden Bedarf gesehen hätte.

Dass es sich bei den bei Erwerb von Investmentanteilen gezahlten Zwischengewinnen um Anschaffungskosten handele, werde auch durch das BFH-Urteil vom 29.3.2017 I R 73/15, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2017, 1237, bestätigt. Der BFH führe in der Entscheidung aus, dass die als zugeflossen geltenden ausschüttungsgleichen Erträge kein selbständiges Wirtschaftsgut seien, sondern für den Anteilsinhaber nur das Wirtschaftsgut Investmentanteil existiere. Darauf gerichtete Anschaffungskosten könnten nicht aufgespalten werden.

Der BFH habe zudem in diversen Entscheidungen für veräußerungsähnliche Einmalgeschäfte entschieden, dass für Werbungskosten bzw. negative Einnahmen nicht das strenge Zu- und Abflussprinzip gelte. Vielmehr seien die Ausgaben direkt mit den Einnahmen im Zuflusszeitpunkt zu verrechnen. Auch im Streitfall hänge die Zahlung des Zwischengewinns unmittelbar mit dem im Rücknahmepreis enthaltenen Zwischengewinn zusammen. Der Art nach handele es sich um ein Veräußerungsgeschäft, das nur deshalb nicht § 23 EStG, sondern § 20 EStG unterfalle, um eine Versteuerung auch außerhalb der Spekulationsfristen sicherzustellen.

Zwischengewinn sei gemäß § 1 Abs. 4 InvStG das Entgelt für die dem Anleger noch nicht zugeflossenen oder als zugeflossen geltenden Ertragsteile. Der Gesetzgeber stelle entsprechend seiner Zielsetzung auf den Zufluss beim verkaufenden Anleger ab, nicht aber auf den Abfluss beim Erwerber. Dass die Finanzverwaltung dennoch unter bestimmten Voraussetzungen negative Zwischengewinne steuerlich berücksichtige, sei keine gesetzlich zwingende Folge, sondern Ausfluss entsprechender Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Voraussetzung sei jedoch, dass ein Ertragsausgleich über alle Ertragsarten gerechnet werde und damit sichergestellt werde, dass der bereits gezahlte und steuerlich angesetzte Zwischengewinn alsbald mit positiven Erträgen verrechnet werde. Insofern handele es sich bei gezahlten Zwischengewinnen faktisch um Vorauszahlungen auf die im Folgejahr anzusetzenden Erträge. Erst durch den Ertragsausgleich würden die Anschaffungskosten der Fondsanteile (teilweise) zu einem negativen Zwischengewinn. Im Streitfall sei der Ertragsausgleich jedoch nicht für alle Ertragsarten gerechnet worden. Deshalb könnten die gezahlten Zwischengewinne nicht anerkannt werden. Diese Rechtsfolge, die sich bereits aus dem BMF-Schreiben vom 18.8.2009, a.a.O., Rz. 21a, ergebe, sei zwischenzeitlich durch § 2 Abs. 5 InvStG i.d.F. des JStG 2010 klarstellend in das Gesetz aufgenommen worden.

Sollten die gezahlten Zwischengewinne demgegenüber negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sein, dürften sie gemäß § 20 Abs. 2b S. 1 i.V.m. § 15b EStG nicht mit anderen Einkünften ausgeglichen werden. Sie wären gemäß § 15b Abs. 4 EStG zum 31.12.2008 gesondert festzustellen und würden erst im Jahr 2009 die positiven Kapitalerträge aus dieser Einkunftsquelle mindern.

Da gemäß § 155 Abs. 2 AO ein Steuerbescheid auch erteilt werden könne, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen worden sei, seien die Voraussetzungen des § 15b EStG im Streitfall durch das Finanzgericht inzident zu prüfen. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei nicht sachdienlich, weil ohne Änderung des Einkommensteuerbescheides der Grundlagenbescheid nicht ergehen könne.

Das Gericht hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 17.8.2017 darauf hingewiesen, dass es eine Entscheidung durch Zwischenurteil für sachdienlich erachtet. Dem Erlass eines Zwischenurteils haben die Beteiligten nicht widersprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Aus den Gründen

47        A. Das Gericht entscheidet vorab durch Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 FGO über die Frage, ob die bei Erwerb der Fondsanteile im Jahr 2008 gezahlten Zwischengewinne negative Einnahmen des Klägers bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG darstellen.

48        Nach § 99 Abs. 2 FGO kann das Gericht über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage durch Zwischenurteil vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und nicht der Kläger oder der Beklagte widerspricht.

49        I. Die dargestellte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Entscheidungserheblich sind solche Vorfragen, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht möglich ist. Nach dem Zweck der Vorschrift, das gerichtliche Verfahren zu beschleunigen, muss darüber hinaus wenigstens eine weitere Rechtsfrage entscheidungserheblich sein, weil bei nur einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage das Gericht sogleich durch Endurteil entscheiden muss (vgl. BFH-Urteil vom 19.3.2009 V R 50/07, BFHE 225, 224, BStBl II 2010, 78).

50        Die vorliegend zu entscheidende Rechtsfrage ist entscheidungserheblich, weil der von der Klägerseite begehrte steuermindernde Ansatz der gezahlten Zwischengewinne im Streitjahr 2008 auf einer ersten Prüfungsstufe voraussetzt, dass die Zwischengewinne negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen darstellen.

51        Die weitere entscheidungserhebliche Rechtsfrage, die sich bei Entscheidung über die im Zwischenurteil entschiedene Rechtsfrage je nach deren Ergebnis auf einer zweiten Prüfungsstufe stellt, ist darin zu sehen, ob die negativen Einnahmen unmittelbar im Streitjahr mit anderen positiven Einkünften der Klägerseite ausgeglichen werden können oder als Verluste in Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell gemäß § 15b Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006, Bundesgesetzblatt (BGBl) I 2006, 2878, lediglich mit Einkünften, die der Kläger in den folgenden Jahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt, verrechenbar sind.

52        II. Eine Entscheidung der erstgenannten Rechtsfrage durch Zwischenurteil ist sachdienlich.

53        Die Sachdienlichkeit ergibt sich insbesondere aus den verfahrensrechtlichen und prozessualen Besonderheiten, die aus dem Verhältnis der im vorliegenden Verfahren zunächst gebotenen tatbestandlichen Einordnung der gezahlten Zwischengewinne in Bezug auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen zu der sich hieran je nach Entscheidung dieser Vorfrage ggfs. anschließenden Prüfung der Verrechenbarkeit der negativen Einnahmen gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG resultieren.

54        Die Frage, ob die bei Erwerb der Fondsanteile gezahlten Zwischengewinne negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG darstellen, betrifft auf der ersten Stufe die originär im Einkommensteuerverfahren durchzuführende Einkünftequalifikation und -ermittlung. Im Falle der Bejahung dieser materiell-rechtlichen Vorfrage wäre der Senat aus verfahrensrechtlichen und prozessualen Gründen in diesem Verfahren derzeit daran gehindert, unmittelbar auch über die sich auf der zweiten Stufe anschließende Frage nach der Ausgleichsfähigkeit oder lediglich Verrechenbarkeit der negativen Einnahmen gemäß § 15b Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG zu entscheiden. Diese Frage wäre mit Bindungswirkung für das vorliegende Klageverfahren außerhalb des Einkommensteuerverfahrens in einem gesonderten Feststellungsverfahren nach § 15b Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG zu klären. Das hier anhängige Klageverfahren wäre gemäß § 74 FGO auszusetzen (vgl. zur Vorgreiflichkeit des gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 15b Abs. 4 EStG für die Einkommensteuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahres BFH-Urteil vom 11.11.2015 VIII R 74/13, BFHE 252, 364, BStBl II 2016, 388).

55        Entgegen der Auffassung des Beklagten wäre eine Verfahrensaussetzung auch nicht gemäß § 155 Abs. 2 AO entbehrlich. Nach dieser Vorschrift kann ein Steuerbescheid erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde. Selbst wenn die Finanzverwaltung aber zulässigerweise auf dieser Grundlage einen Folgebescheid – hier: den Einkommensteuerbescheid 2008 – ohne vorherigen Grundlagenbescheid – hier: den Bescheid über die gesonderte Feststellung des nach § 15b Abs. 1 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG verrechenbaren Verlustes zum 31.12.2008 – erlässt, ist ein finanzgerichtliches Klageverfahren gegen den Folgebescheid dennoch nach § 74 FGO auszusetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 24.6.2014 III B 12/13, BFH/NV 2014, 1581).

56        Da der Senat danach an einer das Verfahren insgesamt abschließenden Entscheidung gehindert ist und die Verfahrensbeteiligten zudem ein berechtigtes Interesse an einer rechtsverbindlichen Klärung der sich auf der ersten Stufe stellenden Rechtsfrage vor Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens haben, ist es geboten, vor Aussetzung des Verfahrens durch Zwischenurteil über diese Rechtsfrage und damit über das Vorliegen der materiell-rechtlichen Grundvoraussetzungen für die Durchführung des gesonderten Feststellungsverfahrens zu entscheiden. Ein Beschluss über die Verfahrensaussetzung würde diesbezüglich keine Rechtskraft entfalten. Die Aussetzung hätte rein prozessual zur Folge, dass das Klageverfahren zum Stillstand kommt (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Juli 2017, § 74 FGO Rz. 21). Insbesondere der Beklagte, der die materiell-rechtlichen Grundvoraussetzungen für die Durchführung des Feststellungsverfahrens – das Vorliegen negativer Einnahmen aus Kapitalvermögen in Form der vom Kläger gezahlten Zwischengewinne – als nicht gegeben ansieht, da er gezahlte Zwischengewinne nicht dem Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen zuordnet, hätte damit keine Möglichkeit, die materiell-rechtliche Vorfrage als Grundvoraussetzung für die Durchführung des gesonderten Feststellungsverfahrens rechtsverbindlich klären zu lassen.

57        III. Die Beteiligten haben auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung gegen den Erlass eines Zwischenurteils keine Einwände erhoben.

58        B. Die bei Erwerb der Anteile an dem Investmentfonds „L.“ im Jahr 2008 gezahlten Zwischengewinne i.H.v. 46.029.612 € stellen negative Einnahmen des Klägers i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dar.

59        Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG gehören die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen Erträge und der Zwischengewinn vorbehaltlich im Streitfall nicht einschlägiger Ausnahmen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

60        Investmentanteile in diesem Sinne sind auch die vom Kläger erworbenen ausländischen Investmentanteile (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG).

61        § 2 Abs.1 Satz 1 InvStG erfasst als Zwischengewinn auch den bei Erwerb von Investmentanteilen gezahlten Zwischengewinn als negative Einnahme aus Kapitalvermögen (hierzu unter I.). Einzubeziehen in den gezahlten Zwischengewinn sind im Streitfall auch Ertragsausgleichsbeträge (hierzu unter II.). Der hieraus resultierende Gesamtbetrag der negativen Kapitaleinnahmen des Klägers beläuft sich auf 46.029.612 € (hierzu unter III).

62        I. Der Zwischengewinn i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG umfasst neben dem bei Veräußerung oder Rückgabe von Investmentanteilen vereinnahmten Zwischengewinn als positive Kapitaleinnahme auch den – wie im Streitfall – vom Erwerber von Investmentanteilen gezahlten Zwischengewinn als negative Kapitaleinnahme (vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 26.9.2013 3 K 12341/11, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2014, 131; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.9.2014 10 K 1693/12, EFG 2015, 384; Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen – B/S/L – , InvG/InvStG, 2010, § 1 InvStG Rz. 397; Reiche/Frotscher in Haase, InvStG, 2010, § 2 Rz. 242).

63        Zwischengewinn ist gemäß § 1 Abs. 4 InvStG das Entgelt für die dem Anleger noch nicht zugeflossenen oder als zugeflossen geltenden

64        1. Einnahmen des Investmentvermögens i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 mit Ausnahme der Nr. 2 Buchstabe a EStG sowie für die angewachsenen Ansprüche des Investmentvermögens auf derartige Einnahmen; die Ansprüche sind auf der Grundlage des § 20 Abs. 2 EStG zu bewerten;

65        2. Einnahmen aus Anteilen an anderen Investmentvermögen, soweit darin Erträge des anderen Investmentvermögens i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 mit Ausnahme der Nummer 2 Buchstabe a EStG enthalten sind;

66        3. Zwischengewinne des Investmentvermögens;

67        4. zum Zeitpunkt der Rückgabe oder Veräußerung des Investmentanteils veröffentlichte Zwischengewinne oder stattdessen anzusetzende Werte für Anteile an anderen Investmentvermögen, die das Investmentvermögen hält.

68        1. In dieser Legaldefinition des Zwischengewinns kommt ein sowohl den Veräußerer als auch den Erwerber von Investmentanteilen einbeziehendes Begriffsverständnis zum Ausdruck. Ein „Entgelt“ für die dem Anleger noch nicht zugeflossenen oder als zugeflossen geltenden Ertragspositionen des Investmentvermögens wird vom Veräußerer der Anteile vereinnahmt bzw. vom Erwerber der Anteile gezahlt.

69        Diese nach dem Wortlaut der Vorschrift beiderseitige Perspektive des Zwischengewinns fügt sich in die in § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG verankerte Systematik der Besteuerung der laufenden Investmenterträge bei dem Investmentanleger ein. Während mit den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 InvStG die laufenden Investmenterträge des Anlegers im Zeitpunkt der Ausschüttung bzw. zum Geschäftsjahresende erfasst werden, dient die Besteuerung des Zwischengewinns der Ertragsabgrenzung zwischen veräußernden und erwerbenden Anlegern im Falle der unterjährigen Veräußerung oder Rückgabe bzw. des unterjährigen Erwerbs von Investmentanteilen.

70        Auf der einen Seite trägt die steuerliche Erfassung der bei Veräußerung vereinnahmten Zwischengewinne als (positive) Einnahmen aus Kapitalvermögen dem Umstand Rechnung, dass insoweit im Veräußerungs- bzw. Rückgabepreis der Investmentanteile Ertragspositionen des Investmentvermögens enthalten sind, die bei dem Anleger, würde er die Anteile bis zum Zeitpunkt der Ausschüttung bzw. bis zum Geschäftsjahresende halten, in Form von ausgeschütteten bzw. ausschüttungsgleichen Erträgen als laufende Kapitalerträge gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG besteuert würden. Durch die Zwischengewinnbesteuerung wird diese im Veräußerungs- oder Rücknahmepreis enthaltene Ertragskomponente des Investmentanteils den laufenden Kapitalerträgen zugeordnet. Für Investmentanteile, deren Veräußerung oder Rückgabe – wie im Streitfall – den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterfällt (vgl. § 8 Abs. 5 InvStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften – EURLUmsG – vom 9.12.2004, BGBl I 2004, 3310), wird hierdurch zudem verhindert, dass der Anleger eine Besteuerung der am Geschäftsjahresende anfallenden Ertragspositionen durch Veräußerung oder Rückgabe der Anteile vor Geschäftsjahresende und außerhalb der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vermeiden kann (vgl. Wenzel in Blümich, InvStG, Stand: April 2017, § 1 Rz. 72; Berger in B/S/L, InvG/InvStG, § 1 InvStG Rz. 395).

71        Spiegelbildlich gewährleistet die Erfassung der bei Erwerb gezahlten Zwischengewinne als negative Kapitaleinnahmen auf der Seite des Erwerbers, dass der unterjährig investierende Anleger für das Geschäftsjahr des Investmentvermögens im Ergebnis nur solche zwischengewinnrelevanten Erträge versteuern muss, die auf den Zeitraum seines Investments entfallen. Andernfalls würde der ihm bei Ausschüttung oder am Geschäftsjahresende als ausgeschüttete bzw. ausschüttungsgleiche Erträge zuzurechnende Investmentertrag in voller Höhe als Kapitaleinnahme besteuert, obwohl der Anleger an diesem nur in Höhe der Differenz zu dem bei Erwerb gezahlten Zwischengewinn partizipiert. Insofern soll eine Überbesteuerung des Erwerbers hinsichtlich der laufenden Investmenterträge vermieden werden (vgl. Berger in B/S/L, InvG/InvStG, § 1 InvStG Rz. 398; Kempf/Lauterfeld, Betriebs-Berater – BB – 2005, 631).

72        Die systematisch konsequente Einbeziehung des bei Erwerb von Investmentanteilen gezahlten Zwischengewinns in die laufenden Einkünfte aus Kapitalvermögen durch § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG ergibt sich zudem aus der zeitlichen Anwendungsbestimmung des § 18 Abs. 3 InvStG i.d.F. des EURLUmsG. Danach sind die im Streitzeitraum anzuwendenden Bestimmungen über den Zwischengewinn erstmals auf Rückgaben, Veräußerungen oder Erwerbe anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2004 stattfinden. Einer Einbeziehung der Erwerbsvorgänge in die Anwendungsregelung hätte es nicht bedurft, wenn – wie der Beklagte annimmt – die Zwischengewinnbesteuerung nach dem InvStG allein die im Zuge von Rückgaben und Veräußerungen vereinnahmten Zwischengewinne erfassen würde.

73        2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Begriff des Zwischengewinns i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 4 InvStG auch nicht deshalb auf den vereinnahmten Zwischengewinn zu beschränken, weil vor erstmaliger Einführung einer gesetzlichen Zwischengewinnbesteuerung für Privatanleger in § 39 Abs. 1a des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und § 17 Abs. 2a des Auslandinvestmentgesetzes (AuslInvestmG) der bei Veräußerung oder Rückgabe vereinnahmte Zwischengewinn und der bei Erwerb von Investmentanteilen gezahlte Zwischengewinn dem Veräußerungs- oder Rücknahmepreis (vgl. BFH-Urteile vom 11.10.2000 I R 99/96, BStBl II 2001, 22 und vom 27.3.2001 I R 120/98, BFH/NV 2001, 1539) bzw. den Anschaffungskosten der Anteile (vgl. BFH-Urteile vom 3.8.1976 VIII R 101/71, BStBl II 1977, 65 und vom 4.3.1980 VIII R 48/76, BStBl II 1980, 453) zuzuordnen waren. Diese Auffassung gründet für das Streitjahr keine gesetzliche Grundlage.

74        Mit Einführung der Zwischengewinnbesteuerung im KAGG und AuslInvestmG durch Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21.12.1993, BGBl I 1993, 2310 zum 1.1.1994 wurde die bisherige steuersystematische Zuordnung des Zwischengewinns zur Vermögenssphäre des privaten Investmentanlegers aufgehoben. Dies entsprach dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der hierbei vor allem die steuerliche Erfassung der ansonsten steuerfreien Zwischengewinne im vereinnahmten Veräußerungs- oder Rücknahmepreis realisieren wollte (vgl. Bundestags-Drucksache – BT-Drs. – 12/5630, S. 77 ff.). Aus der Begründung zum Gesetzentwurf ergeben sich allerdings keinerlei Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Beschränkung allein auf diese Komponente der Zwischengewinnbesteuerung. Gegen eine solche – wie oben unter 2. dargelegt systemwidrige – Beschränkung spricht auch die Begründung des Entwurfs zum Investmentmodernisierungsgesetz, mit dem die Zwischengewinnbesteuerung im InvStG in der Folgezeit ab 2004 zunächst vorübergehend abgeschafft wurde. In der Begründung wird die bis dahin im KAGG und AuslInvestmG geregelte Zwischengewinnbesteuerung derart beschrieben, dass der Erwerber den Zwischengewinn als negative Einnahme steuermindernd geltend macht und der Zwischengewinn bei Rückgabe steuererhöhend wirkt (vgl. BT-Drs. 15/1553, S. 121; zur damaligen Rechtslage auch Heinicke in Schmidt, EStG, 17. Auflage 1998, § 20 Rz. 113; FG Hamburg, Urteil vom 18.6.2015 2 K 158/14, EFG 2015, 1675). Mit der Wiedereinführung der Zwischengewinnbesteuerung in § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG durch EURLUmsG mit Wirkung zum 1.1.2005 (vgl. § 18 Abs. 3 i.d.F. des EURLUmsG) sollten nach der Gesetzesbegründung lediglich die damaligen Regelungen in § 39 Abs. 2 KAGG und § 17 Abs. 2a AuslInvestmG mit kleineren, für den Streitfall nicht relevanten Änderungen wieder aufgenommen werden (vgl. BT-Drs. 15/3677, S. 48). Eine systematische Beschränkung der Zwischengewinnbesteuerung auf die Veräußererperspektive kam hierin jedoch nicht zum Ausdruck.

75        II. Der vom Kläger gezahlte Zwischengewinn umfasst auch die bei der Berechnung des Zwischengewinns ermittelten Ertragsausgleichsbeträge.

76        Die Einbeziehung von Ertragsausgleichsbeträgen in den Zwischengewinn resultiert aus § 9 InvStG (hierzu unter 1.). Dem steht im Streitfall weder entgegen, dass der Ertragsausgleich keinen Eingang in die investmentrechtliche Vermögensrechnung des Fonds gefunden hat (hierzu unter 2.), noch dass die ausschüttungsgleichen Erträge des Geschäftsjahres 2008/2009 im Gegensatz zu den Zwischengewinnen zunächst ohne Ertragsausgleichsbeträge ermittelt und bekannt gemacht wurden (hierzu unter 3.).

77        1. Gemäß § 9 InvStG in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung stehen den in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen einzelnen Beträgen i.S.d. §§ 2 und 4 InvStG die hierauf entfallenden Teile des Ausgabepreises für ausgegebene Anteilscheine gleich. Die in der Norm geregelten steuerlichen Folgen des Ertragsausgleichs führen zu einer Umqualifizierung eines Teils des eingezahlten Kapitals in Erträge des Fonds (vgl. Schönbach in Haase, InvStG, § 9 Rz. 63). Hieraus folgt für die Besteuerung des Investmentanlegers, dass auch die auf die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge entfallenden Ertragsausgleichsbeträge Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen (vgl. Berger in B/S/L, InvG/InvStG, § 9 InvStG Rz. 33).

78        Wenngleich § 9 InvStG nicht ausdrücklich auch den Zwischengewinn benennt, greift die dort normierte investmentsteuerrechtliche Gleichbehandlung der Ertragsausgleichsbeträge mit den in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen Beträgen i.S.d. §§ 2 und 4 InvStG auch auf die Ertragspositionen des Investmentvermögens durch, die mit dem Zwischengewinn entgolten werden.

79        Der Zwischengewinn stellt nach der unter B.I. dargestellten gesetzlichen Systematik das (vereinnahmte oder gezahlte) Entgelt für eine unterjährig abgegrenzte Teilmenge der Erträge des Investmentvermögens dar, die sodann zum Geschäftsjahresende in die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 InvStG einfließen. Insofern handelt es sich auch bei den zwischengewinnrelevanten Erträgen des Investmentvermögens i.S.d. § 1 Abs. 4 InvStG um in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltene einzelne Beträge i.S.d. §§ 2 und 4 InvStG. Die auf diese unterjährige Ertragsteilmenge entfallenden Ertragsausgleichsbeträge werden damit auch vom systematischen Regelungsumfang des § 9 InvStG erfasst und sind Teil des Zwischengewinns i.S.v. § 1 Abs. 4 InvStG. Die ausdrückliche Einbeziehung der Ertragsausgleichsbeträge in den Zwischengewinn durch § 9 Satz 2 InvStG i.d.F. JStG 2010 vom 8.12.2010, BGBl I 2010, 1768 mit Wirkung zum 1.1.2011 hatte insoweit nur klarstellende Bedeutung (ähnlich Ebner/Helios, BB 2010, 1565, 1574; a.A. Berger in B/S/L, InvG/InvStG, § 1 InvStG Rz. 390, § 9 InvStG Rz. 38).

80        2. Die hiernach gebotene steuerliche Umqualifizierung der im gezahlten Zwischengewinn enthaltenen Ertragsausgleichsbeträge gemäß § 9 InvStG steht im Streitfall nicht entgegen, dass der Ertragsausgleich keinen Eingang in die investmentrechtliche Vermögensrechnung des Fonds gefunden hat.

81        Eine gesetzliche Verpflichtung zur Berechnung des Ertragsausgleichs existiert nicht. Die diesbezügliche Entscheidung steht im Ermessen der Investmentgesellschaft (vgl. Berger in B/S/L, InvG/InvStG, § 9 InvStG Rz. 8; Hammer in Blümich, InvStG, § 9 Rz. 9). Führt die Investmentgesellschaft ein Ertragsausgleichsverfahren durch, greifen die steuerlichen Folgen des § 9 InvStG unabhängig davon, ob das Verfahren auch in die investmentrechtliche Vermögensrechnung einfließt, oder ob es lediglich für steuerliche Zwecke durchgeführt wird (vgl. nun auch BMF-Schreiben vom 9.3.2010, a.a.O.; anders zuvor noch BMF-Schreiben vom 18.08.2009, a.a.O., Rz. 197).

82        Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 9 InvStG auf die Übernahme der in der investmentrechtlichen Vermögensrechnung der Investmentgesellschaft ausgewiesenen Ertragsausgleichsbeträge i.S. eines Maßgeblichkeitsprinzips lässt sich der Norm nicht entnehmen (vgl. Berger in B/S/L, InvG/InvStG, § 9 InvStG Rz. 14 ff.; Schönbach in Haase, InvStG, § 9 Rz. 23 ff.; Höring, DStZ 2010, 84, 87; a.A. Hammer in Blümich, InvStG, § 9 Rz. 27). Sie regelt allein die steuerrechtliche Umqualifizierung der Ertragsausgleichsbeträge in Erträge des Investmentvermögens, ohne zugleich einschränkende – formale - Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung des Ertragsausgleichsverfahrens dem Grunde nach zu benennen.

83        Ein striktes Abhängigkeitsverhältnis des Ertragsausgleichs i.S.v. § 9 InvStG vom investmentrechtlichen Ertragsausgleich würde auch der eigenständigen Bedeutung des Verfahrens für das Investmentsteuerrecht nicht hinreichend Rechnung tragen. Das Ertragsausgleichsverfahren hat neben seiner investmentrechtlichen Bedeutung – der Betrag der ausschüttbaren Erträge je Anteil soll durch die Anzahl der insgesamt ausgegebenen Fondsanteile nicht beeinflusst werden (vgl. Schmitz in B/S/L, InvG/InvStG, § 43 InvG Rz. 58) – eine originär steuerrechtliche Rechtfertigung: Durch die steuerliche Umqualifizierung der Ertragsausgleichsbeträge bleiben die auf den einzelnen Investmentanleger entfallenden steuerbaren Erträge pro Anteil auch bei Rück- oder Ausgabe weiterer Fondsanteile konstant. Hierdurch werden steuerrechtliche Verzerrungen auf Seiten der Altanleger bei Veränderungen im Anteilsumlauf vermieden (vgl. Berger in B/SL, InvG/InvStG, § 9 InvStG Rz. 15; Schönbach in Haase, InvStG, § 9 Rz. 1, 30 ff.).

84        Auch aus § 5 Abs. 2 Satz 2 InvStG geht hervor, dass das Investmentsteuerrecht nicht strikt an die Durchführung eines investmentrechtlichen Ertragsausgleichsverfahrens anknüpft. Nach dieser Vorschrift darf sich der Aktiengewinn pro Investmentanteil durch den An- und Verkauf von Investmentanteilen nicht ändern. Losgelöst von investmentrechtlichen Vorgaben ordnet die Norm die Berechnung eines Ertragsausgleichs für die rein steuerliche Ermittlung des Aktiengewinns an (vgl. Berger in B/S/L, InvG/InvStG, § 9 InvStG Rz. 16; Schönbach/Welzel, Internationales Steuerrecht – IStR – 2009 675, 677; Ebner/Helios, BB 2010, 1565, 1574). Sie verkörpert damit ein spezifisch investmentsteuerrechtliches Verständnis des Ertragsausgleichs.

85        3. Der Einbeziehung der Ertragsausgleichsbeträge in den Zwischengewinn auf Grundlage von § 9 InvStG steht im Streitfall auch nicht entgegen, dass die ausschüttungsgleichen Erträge des Geschäftsjahres 2008/2009 im Gegensatz zu den Zwischengewinnen zunächst ohne Ertragsausgleichsbeträge ermittelt und bekannt gemacht wurden.

86        Die Bekanntmachung der Besteuerungsgrundlagen für den Fonds hat keine Bindungswirkung für die steuerliche Behandlung bei dem Anteilseigner (hierzu unter a)). Eine unterlassene Anwendung des Ertragsausgleichsverfahrens bei der Ermittlung der ausschüttungsgleichen Erträge wirkt auch nicht auf die steuerliche Berücksichtigung der Zwischengewinne zurück (hierzu unter b)).

87        a) Die zunächst … im elektronischen Bundesanzeiger erfolgte Bekanntmachung der ausschüttungsgleichen Erträge des Fonds ohne Ertragsausgleichsbeträge hat auf die steuerliche Beurteilung der von dem Kläger gezahlten Zwischengewinne ebenso wenig Auswirkung wie die zum Ende des Geschäftsjahres 2009/2010 erfolgte Veröffentlichung korrigierter Beträge.

88        Die formelle Bekanntmachung der Besteuerungsgrundlagen der Investmentgesellschaft auf Grundlage von § 5 Abs. 1 Satz 1 InvStG entfaltet für die Besteuerung der Anteilseigner keine Bindungswirkung (vgl. Kotzbacher in Haase, InvStG, § 5 Rz. 144). Sowohl der Anteilseigner als auch das veranlagende Finanzamt haben die Möglichkeit, die Richtigkeit anderer als der bekannt gemachten Besteuerungsgrundlagen nachzuweisen. Fehlerhafte Beträge sind bei bereits erfolgter Veranlagung nach den allgemeinen steuerlichen Korrekturvorschriften zu berichtigen (vgl. Lübbehüsen in B/S/L, InvG/InvStG, § 5 Rz. 172; Lauermann in Blümich, InvStG, § 5 Rz. 57).

89        Bereits mangels Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung des Klägers kann eine Bekanntmachung der ausschüttungsgleichen Erträge ohne Ertragsausgleichsbeträge damit nicht zu einer Versagung der steuerlichen Berücksichtigung der gezahlten Zwischengewinne führen.

90        b) Die steuerliche Berücksichtigung der vom Kläger gezahlten Zwischengewinne mitsamt Ertragsausgleichsbeträgen als negative Kapitaleinnahmen ist auch nicht deshalb zu versagen, weil in die Ermittlung der ausschüttungsgleichen Erträge zum Geschäftsjahresende des Fonds Ertragsausgleichsbeträge nicht eingeflossen sind.

91        Die Einbeziehung der Ertragsausgleichsbeträge in den Zwischengewinn leitet sich – wie oben unter II.1. dargelegt – daraus ab, dass die zwischengewinnrelevanten Erträge des Investmentvermögens eine unterjährig abgegrenzte Teilmenge der einzelnen Beträge darstellen, die in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthalten sind, und denen gemäß § 9 InvStG die auf sie entfallenden Ertragsausgleichsbeträge gleichgestellt werden. Diese steuersystematische Teilidentität der zwischengewinnrelevanten und der ausschüttungsgleichen Erträge gebietet zugleich eine Kontinuität hinsichtlich der Einbeziehung von Ertragsausgleichsbeträgen in die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Die Zwischengewinne und die ausschüttungsgleichen Erträge müssen entweder insgesamt mit oder insgesamt ohne Ertragsausgleichsbeträge ermittelt werden. Eine methodisch abweichende Ermittlung des bei Erwerb der Anteile gezahlten Zwischengewinns als „Vorauszahlung“ auf die zum Geschäftsjahresende zuzurechnenden Fondserträge würde demgegenüber zu systemwidrigen Verzerrungen zwischen den Besteuerungsgrundlagen des § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG führen.

92        Da die Entscheidung für oder gegen die Anwendung des Ertragsausgleichsverfahrens der jeweiligen Investmentgesellschaft überlassen ist, leitet sich aus dieser Grundsatzentscheidung zugleich ab, ob die Besteuerungsgrundlagen des § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG gemäß § 9 InvStG kontinuierlich mit oder ohne Ertragsausgleichsbeträge zu ermitteln sind. An dieser Entscheidung muss sich die Investmentgesellschaft festhalten lassen. Werden dementsprechend Zwischengewinne im laufenden Geschäftsjahr mit Ertragsausgleichsbeträgen ermittelt (und bekannt gemacht), ist diese Handhabung zwingend auch für die übrigen Besteuerungsgrundlagen i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG fortzuführen. Bleibt das Ertragsausgleichsverfahren demgegenüber entgegen der Grundsatzentscheidung des Investmentvermögens bei der Ermittlung einzelner Ertragskennzahlen unberücksichtigt, sind der Besteuerung vorbehaltlich verfahrensrechtlicher Korrekturmöglichkeiten insoweit korrigierte Werte zugrunde zu legen, die sich bei Anwendung des Ertragsausgleichsverfahrens ergeben.

93        Die gegenteilige Auffassung des Beklagten, bei einer nicht kontinuierlichen Durchführung des Ertragsausgleichs sei dessen steuerliche Anerkennung insgesamt zu versagen mit der weitergehenden Folge, dass gezahlte Zwischengewinne insgesamt nicht als negative Kapitaleinnahmen zu erfassen seien, findet in der im Streitjahr gültigen Fassung des InvStG keine Grundlage. § 9 InvStG lässt sich lediglich die positive Vorgabe entnehmen, ermittelte Ertragsausgleichsbeträge in die relevanten Besteuerungsgrundlagen einzubeziehen. Für eine Versagung der Berücksichtigung zulässigerweise ermittelter Ertragsausgleichsbeträge bietet die Norm keinen erkennbaren Anknüpfungspunkt. Die durch JStG 2010 in § 2 Abs. 5 InvStG eingeführte gesetzliche Einschränkung, wonach negative Kapitalerträge aus Zwischengewinnen nur berücksichtigt werden dürfen, wenn das Investmentvermögen einen Ertragsausgleich durchführt, ist für das Streitjahr noch nicht anzuwenden (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 – UntStRefG 2008 – vom 14.8.2007, BGBl I 2007, 1912).

94        Hiernach hatte die Berechnung der ausschüttungsgleichen Erträge ohne Ertragsausgleich keine Auswirkung auf die steuerliche Beurteilung der vom Kläger gezahlten Zwischengewinne. Aus dem Platzierungsmemorandum des Fonds ergibt sich die Grundsatzentscheidung für die Durchführung des Ertragsausgleichs. Diese Entscheidung wurde, wie sich aus den vorgelegten Fondsunterlagen ergibt, seit Auflegung des Fonds im Dezember 2008 bei der Berechnung der Zwischengewinne berücksichtigt und vollzogen. Aufgrund des sich hieraus ergebenden Gebots der kontinuierlichen Erfassung der Ertragsausgleichsbeträge in sämtlichen Besteuerungsgrundlagen i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG waren neben den Zwischengewinnen auch die ausschüttungsgleichen Erträge zum Geschäftsjahresende 2008/2009 unter Anwendung des Ertragsausgleichsverfahrens zu ermitteln. In die ausschüttungsgleichen Erträge hätte dementsprechend der vom Fonds zum 30.06.2009 berechnete Nettoertragsausgleich je Anteil i.H.v. 448,4 € einfließen müssen. Das diesbezügliche Versäumnis des Fonds, der ausschüttungsgleiche Erträge je Anteil von lediglich 17,9495 € ermittelte, führte insofern zu einem fehlerhaften, da zu niedrigen Ansatz im Einkommensteuerbescheid des Klägers für 2009. Auf die steuerliche Beurteilung der im Jahr 2008 gezahlten Zwischengewinne mitsamt Ertragsausgleichsbeträgen hat dieser fehlerhafte Ansatz jedoch keine Auswirkung.

95        Ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, weist der Senat bezüglich des Jahres 2009 darauf hin, dass der zu niedrige Ansatz der ausschüttungsgleichen Erträge im Einkommensteuerbescheid 2009 durch einen gegenläufig entsprechend zu hohen Ansatz der vereinnahmten Zwischengewinne aus der Rückgabe der Fondsanteile im November 2009 (457,87 € je Anteil; insgesamt 46.634.299 €) kompensiert wurde. Denn der bei der Ermittlung der ausschüttungsgleichen Erträge nicht berücksichtigte Ertragsausgleich floss in die Berechnung der Zwischengewinne ein. Ein fehlerhafter Ansatz der Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers ergibt sich im Gesamtergebnis insoweit nicht.

96        III. Die hiernach dem Kläger im Streitjahr entstandenen negativen Kapitaleinnahmen i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Form gezahlter Zwischengewinne belaufen sich auf insgesamt 46.029.612 €.

97        Dieser Betrag, der sich aus den … veröffentlichten Zwischengewinnen zu den Stichtagen 19.12.2008 und 23.12.2008 ergibt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Gegen den Ansatz bestehen insbesondere aufgrund der von der Klägerseite und dem BZSt im Verfahren vorgelegten Unterlagen des Fonds über die im Dezember 2008 durchgeführten Wertpapiergeschäfte und die Ermittlung der Ertragsausgleichsbeträge für die neu ausgegebenen und vom Kläger erworbenen Fondsanteile keine Bedenken.

98        C. Der Senat kann über die von der Klägerseite begehrte steuermindernde Berücksichtigung der gezahlten Zwischengewinne im Streitjahr 2008 nicht abschließend entscheiden, da die Sache nicht spruchreif ist.

99        Vor einer abschließenden Entscheidung ist durch den Beklagten vorgreiflich in einem gesonderten Feststellungsverfahren zu entscheiden, ob die gezahlten Zwischengewinne nicht ausgleichsfähige Verluste i.S.v. § 15b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG darstellen (hierzu unter I.). Nach Rechtskraft des Zwischenurteils wird das hier anhängige Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen sein (hierzu unter II.).

100       I. Gemäß § 15b Abs. 1 EStG, der gemäß § 20 Abs. 2b Satz 1 EStG auf Einkünfte aus Kapitalvermögen sinngemäß anzuwenden ist, dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt.

101       Der infolge des Vorliegens eines Steuerstundungsmodells i.S.v. § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b Abs. 2 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist in sinngemäßer Anwendung von § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG jährlich gesondert festzustellen. Hierbei handelt es sich um eine gesonderte Feststellung i.S.d. §§ 179 ff. AO, die Grundlagenbescheid für den Einkommensteuerbescheid des Verlustentstehungsjahres ist (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2015 VIII R 74/13, BFHE 252, 364, BStBl II 2016, 388; Reiß in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 2017, § 15b Rz. 57). Das gesonderte Feststellungsverfahren ist bereits dann durchzuführen, wenn das Bestehen eines Steuerstundungsmodells behauptet wird oder aufgrund des Sachverhalts möglich erscheint. Denn die Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorligen der Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells kann verbindlich nur in dem Grundlagenverfahren getroffen werden (vgl. zur Notwendigkeit der Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens BFH-Beschlüsse vom 1.7.1992 X B 143/91, BFH/NV 1992, 762, und vom 16.11.2006 XI B 156/05, BFH/NV 2007, 401).

102       Im Streitfall ist vor abschließender Entscheidung des Klageverfahrens über den Einkommensteuerbescheid 2008 eine gesonderte Feststellung nach § 15b Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG durchzuführen. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich im Zusammenhang mit den vom Kläger bei Erwerb der Fondsanteile gezahlten Zwischengewinnen um Verluste aus einem Steuerstundungsmodell i.S.d. § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b Abs. 2 EStG handelt, die im Streitjahr nicht ausgleichsfähig sind.

103       Ein Steuerstundungsmodell gemäß § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG liegt vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist gemäß § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Ein vorgefertigtes Konzept i.S.d. § 15b Absatz 2 Satz 2 liegt gemäß § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen auch vor, wenn die positiven Einkünfte nicht der tariflichen Einkommensteuer unterliegen.

104       Im Streitfall erscheint es möglich, dass die Investition des Klägers in den Fonds als Steuerstundungsmodell zu beurteilen ist. Diesbezüglich wird auf die in dem hier anhängigen Klageverfahren vom Beklagten vertretene Rechtsauffassung sowie auf die derzeit bei dem BFH anhängigen Revisionsverfahren VIII R 46/14 (vorgehend FG Niedersachsen, Urteil vom 26.9.2013 3 K 12341/11, EFG 2014, 131) und VIII R 29/15 (vorgehend FG Münster, Urteil vom 18.6.2015 12 K 689/12 F, EFG 2015, 1696) Bezug genommen, denen vergleichbare Sachverhalte zugrunde liegen. In diesen Revisionsverfahren ist ebenfalls streitig, ob – der Auffassung des Beklagten im hiesigen Verfahren entsprechend – die Voraussetzungen eines Steuerstundungsmodells i.S.v. § 20 Abs. 2b i.V.m. § 15b Abs. 2 EStG vorliegen, wenn Investmentanteile vor Einführung der Abgeltungsteuer erworben werden und sich durch die im Streitjahr gezahlten Zwischengewinne eine Entlastung bei den tariflich zu besteuernden Einkünften ergibt, die positiven Einkünfte aber erst in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen unter Anwendung der Regelungen zur Abgeltungsteuer entstehen.

105       II. Nach Rechtskraft des Zwischenurteils wird das hier anhängige Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen sein, bis der Beklagte die für dieses Verfahren vorgreifliche gesonderte Feststellung nach § 15b  Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG durchgeführt hat (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2015 VIII R 74/13, BFHE 252, 364, BStBl II 2016, 388). Eine Aussetzung des Verfahrens ist auch nicht gemäß § 155 Abs. 2 AO im Hinblick auf die Befugnis der Finanzbehörden entbehrlich, unter bestimmten Umständen einen Folgebescheid vor Ergehen eines Grundlagenbescheides zu erlassen (vgl. hierzu bereits oben unter A.II).

106       Von einer Aussetzung des Verfahrens in unmittelbarer Verbindung mit dem Zwischenurteil sieht der Senat ungeachtet der Frage, ob eine solches Vorgehen überhaupt statthaft wäre (zweifelnd BFH, Urteil vom 28.10.2015 I R 41/14, BFH/NV 2016, 570), jedenfalls aus prozessökonomischen Gründen ab. Die Beurteilung der in diesem Zwischenurteil entschiedenen materiell-rechtlichen Frage, ob die gezahlten Zwischengewinne negative Einnahmen aus Kapitalvermögen darstellen, ist logisch vorrangig vor der je nach Entscheidung der Vorfrage sodann zu beschließenden Verfahrensaussetzung wegen Vorgreiflichkeit einer gesonderten Feststellung nach § 15b Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG.

107       Der prozessualen Möglichkeit des Beklagten, das hier anhängige Verfahren durch Revisionseinlegung fortzuführen und die materiell-rechtliche Vorfrage einer rechtssicheren Klärung zuzuführen, stünde jedoch eine mit dem Zwischenurteil zugleich beschlossene Aussetzung des Verfahrens entgegen, die das Verfahren insgesamt zum Stillstand bringen und gemäß § 155 FGO i.V.m. § 249 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Unwirksamkeit sämtlicher Prozesshandlungen der Beteiligten während der Aussetzung führen würde (vgl. zu den Wirkungen der Aussetzung Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 74 FGO Rz. 21). Der Beklagte wäre insofern gezwungen, zur Klärung der vorrangigen materiell-rechtlichen Vorfrage im Revisionswege ein Beschwerdeverfahren gegen den Aussetzungsbeschluss zu betreiben, um die prozessualen Wirkungen der Verfahrensaussetzung zu beseitigen. Einer derartigen Verkomplizierung des Verfahrensablaufs kann nach Auffassung des Senats dadurch begegnet werden, dass die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens bis zum Eintritt der Rechtskraft des Zwischenurteils zurückgestellt wird.

108       D. Eine Kostenentscheidung war in dem das Klageverfahren nicht abschließenden Zwischenurteil nicht zu treffen. Diese Entscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 143 FGO Rz. 5).

109       E. Die Revision gegen das Zwischenurteil wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

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