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RdF-News
11.05.2012
RdF-News
BVerwG: Auskunfts- und Vorlegungsersuchen gegenüber Rechtsanwalt rechtmäßig











BVerwG, Urteil  vom 13.12.2011 - Aktenzeichen 8 C 24.10
(Vorinstanz: VG Frankfurt am Main vom 14.05.2009 - Aktenzeichen VG 1 K 3874/08.F;) (Vorinstanz: VGH Hessen vom 10.11.2010 - Aktenzeichen VGH 6 A 1896/09; )


Amtliche Leitsätze:
1. Das Recht und die Verpflichtung zur anwaltlichen
Verschwiegenheit werden durch die Pflicht aus § 44c
Abs. 1
KWG
zur Auskunftserteilung an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
eingeschränkt.
2. Ein Auskunftsverlangen der Bundesanstalt gegenüber einem
Rechtsanwalt ist mit Art. 12
Abs. 1
GG
unvereinbar und deshalb ermessensfehlerhaft, wenn ein Vorgehen gegen dessen
Mandanten möglich und erfolgversprechend ist.

Amtliche Normenkette: KWG
§ 44c
Abs. 1
Satz 1; BRAO
§ 43a
Abs. 2;
BORA
§ 2;
GG
Art. 12
Abs. 1;









Gründe
 






I
 






Der Kläger wendet sich unter Berufung auf seine anwaltliche
Verschwiegenheitspflicht gegen die von der beklagten Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht auferlegte Pflicht zur Auskunftserteilung über
Geschäftsvorgänge und zur Vorlage entsprechender Unterlagen.
RN 1






Von Ende Juni bis Mitte Juli 2007 nahm der Kläger auf seinem
Girokonto Geldbeträge verschiedener Zahlungsanweiser in Höhe von insgesamt 496
000 € unter dem Betreff "S. Portfolio" oder vergleichbaren Verwendungszwecken
entgegen. Die Zahlungseingänge variierten zwischen 5 000 € und 160 000 €. Am 5.
Juli 2007 hob der Kläger 120 000 € in bar vom Konto ab, 155 000 € verwendete er
für den Erwerb von Wertpapieren. Weitere 170 000 € sollten an einen anderen
Rechtsanwalt überwiesen werden. Das kontoführende Geldinstitut sah sich aufgrund
der Zahlungsanweisung über 170 000 € veranlasst, Verdachtsanzeige nach dem Gesetz
über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten
(
Geldwäschegesetz
) zu erstatten, die sie unter anderem der Beklagten
übermittelte.
RN 2






Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 23. Juli
2007 zur näheren Erläuterung der getätigten Geschäfte auf, um eine
Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz
beurteilen zu können. Hierauf teilte der Kläger am 1. August 2007 mit, dass er
seit 1990 als Rechtsanwalt zugelassen sei und neben der anwaltlichen Tätigkeit
keine Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte betreibe. Die Entgegennahme und
Weiterleitung von Mandantengeldern gehöre zum Tagesgeschäft eines Rechtsanwalts.
Weitere Auskünfte könne er mangels Entbindung von der anwaltlichen
Schweigepflicht nicht erteilen. Er werde das Schreiben seiner Mandantschaft zur
Kenntnisnahme und zur Stellungnahme weiterleiten.
RN 3






Mitte August 2007 erhielt die Beklagte anonym Unterlagen,
unter anderem einen Treuhandantrag und einen Vermögensverwaltungsvertrag der "D.
GbR".
RN 4






Zu weiteren Schreiben der Beklagten vom 18. September und 11.
Oktober 2007 gab der Kläger keine inhaltliche Stellungnahme ab, sondern verwies
erneut auf seine Pflicht zur Verschwiegenheit.
RN 5






Mit Bescheid vom 28. November 2007 forderte die Beklagte den
Kläger auf, sämtliche Geschäfts- und Kontounterlagen vorzulegen, die die
Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit der "S." und der Gesellschaft "S. GbR"
beträfen oder hiermit im Zusammenhang stünden, und Auskunft über die
Geschäftsangelegenheiten zu erteilen. Für den Fall, dass er dieser Aufforderung
binnen zwei Wochen nicht nachkomme, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 50 000 €
angedroht. Es bestehe der Verdacht, dass er Finanzdienstleistungen erbringe oder
in derartige Geschäftstätigkeiten der genannten Firmen einbezogen sei. Die
gewerbsmäßige Erbringung derartiger Geschäfte bedürfe nach dem Kreditwesengesetz
der vorherigen Erlaubnis, über die weder der Kläger noch die betreffenden
Gesellschaften verfüge.
RN 6






Im weiteren Verfahren gab der Kläger an, dass er weder als
Privatperson noch als Rechtsanwalt Geldleistungen und Versicherungen vermittle
oder sonstige Finanzdienstleistungen erbringe. Er sei zu keinem Zeitpunkt als
echter Treuhänder tätig gewesen. Er sei im Juni 2007 von der "S. Ltd."
beauftragt worden, Geldbeträge ihrer Gesellschafter entgegenzunehmen, um sie
einer Rechtsprüfung gemäß den Bestimmungen des Geldwäschegesetzes zu
unterziehen. Den Wertpapierkauf über 155 000 € habe er auf Weisung der
Mandantschaft ausgeführt. Das Depot sei aufgelöst und der Betrag an den
Verfügungsberechtigten ausgekehrt worden. Seine Auftraggeberin sei als
Verwalterin für die "S. GbR" tätig. Er legte eine auf den 15. Juni 2007 datierte
unterzeichnete Vollmacht vor, die die Errichtung eines Anderkontos und
Anderdepots umfasst. Aus der Vollmachtsurkunde gehen weder die Anschrift der "S.
Ltd." noch deren Verantwortliche hervor.
RN 7






Die nach Durchführung eines erfolglosen Widerspruchsverfahrens
erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Auskunfts- und
Vorlageersuchen der Beklagten sei rechtmäßig. Der Kläger könne sich nicht auf
seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht berufen, weil die von ihm betriebene
Tätigkeit nicht spezifisch anwaltlicher Art sei.
RN 8






Im Berufungsverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof das
Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die angefochtenen Bescheide
aufgehoben. Die Entgegennahme und Weiterleitung von Geldern durch einen
Rechtsanwalt unterfalle zwar dem Tatbestand des § 44c
Abs. 1
Satz 1 KWG.
Der Kläger sei in die Abwicklung möglicher Bankgeschäfte und
Finanzdienstleistungen einbezogen. Er sei dennoch nicht zur Auskunft und Vorlage
von Unterlagen verpflichtet, weil er sich auf die anwaltliche
Verschwiegenheitspflicht berufen könne. Die Schweigepflicht erstrecke sich auf
alles, was einem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sei.
Ausnahmen hiervon müssten spezialgesetzlich ausdrücklich vorgesehen sein. Die
Verschwiegenheitspflicht entfalle nur, wenn der Mandant auf den Schutz
verzichte. Weiteren Einschränkungen sei die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht
nicht zugänglich. Sie solle die eigenständige und unabhängige Funktion des
Rechtsanwalts zur Durchsetzung des Rechts im Interesse des Mandanten schützen
und das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant von staatlicher
Kontrolle frei halten. Das Wissen, auf welches sich die Auskunftspflicht und das
Vorlageersuchen der Beklagten bezögen, habe der Kläger in Ausübung seines
Berufes als Rechtsanwalt erlangt. Was zur anwaltlichen Tätigkeit gehöre, sei
nicht im Einzelnen festgelegt, sondern erstrecke sich auf sämtliche
Rechtsbereiche. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass eine anwaltliche Tätigkeit
gewünscht werde, wenn man sich an einen Rechtsanwalt wende. Die Tätigkeit könne
auch rein wirtschaftliche Interessen zum Gegenstand haben, sofern der rechtliche
Beistand nicht völlig in den Hintergrund trete. Eine Treuhandtätigkeit gehöre
durchaus zum typischen Berufsbild eines Rechtsanwalts. Erforderlich sei allein,
dass auch eine Rechtsberatung vorliege. Das sei hier der Fall. Es ließen sich
zwar keine eindeutigen Anhaltspunkte für die Ausgestaltung des
Mandatsverhältnisses mit der "S. Ltd." gewinnen. Für eine anwaltliche Tätigkeit
spreche jedoch die erteilte Vollmacht. Zudem sei der Kläger nach seinen Angaben
beauftragt gewesen, die über sein Anderkonto vereinnahmten Beträge zu überprüfen
und Verdachtsfälle nach dem Geldwäschegesetz
zu melden. Diese Tätigkeit habe sich nicht auf die Sachverhaltsermittlung
beschränkt, sondern habe es wegen der im Raum stehenden Verwirklichung von
Straftatbeständen nahe gelegt, rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Von
einem ausschließlich oder vorherrschend wirtschaftlich geprägten
Treuhandverhältnis könne daher nicht ausgegangen werden.
RN 9






Mit ihrer Revision macht die Beklagte im Wesentlichen geltend,
dass dem Kläger nach Sinn und Zweck des § 43a
Bundesrechtsanwaltsordnung
(
BRAO
) kein Schweigerecht zustehe. Die anwaltliche
Verschwiegenheitsverpflichtung diene allein dem Individualinteresse des
Mandanten, nicht aber dem Geheimhaltungsinteresse des Rechtsanwalts. Ein Anwalt
müsse deshalb das ihm Anvertraute in demselben Umfang offenbaren, in dem sein
Mandant selbst zur Auskunft verpflichtet sei. Dass eine Verschwiegenheitspflicht
nur den Interessen des Einzelnen und nicht dem Gemeinwohl diene, werde durch
Schweigepflichten in anderen Bereichen belegt. Nötig sei eine Abwägung zwischen
dem Schutz des Berufsgeheimnisses gegenüber dem Schutz der Stabilität und
Integrität des Finanzsystems. Letzteres genieße den Vorrang. Die Betreiber
unerlaubter Bank- oder Finanzdienstleistungsgeschäfte könnten sich sonst durch
die Einschaltung eines Rechtsanwalts der aufsichtsrechtlichen Kontrolle
entziehen, indem sie das Wissen um wesentliche Teile ihres Geschäftsmodells bei
diesem monopolisierten.
RN 10






Die Beklagte beantragt,
RN 11






das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10.
November 2010 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2009
zurückzuweisen.
 






Der Kläger beantragt,
RN 12






die Revision zurückzuweisen.
 






Er verteidigt das angegriffene Urteil.
RN 13






II
 






Die Revision hat Erfolg. Das angefochtene Berufungsurteil
beruht auf der Verletzung von Bundesrecht. Der Verwaltungsgerichtshof hätte die
Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen
müssen.
RN 14






1. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kommt
dem Auskunfts- und Vorlageersuchen der Beklagten keine Dauerwirkung zu. Die
Regelung erschöpft sich darin, dem Kläger die umgehende zeitnahe Erfüllung
bestimmter Verhaltenspflichten aufzuerlegen, und ist nicht auf eine laufende
Kontrolle angelegt (Urteil vom 22. September 2004 - BVerwG 6
C 29.03
- BVerwGE 122, 29
<52> = Buchholz 451.61 KWG
Nr. 19). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Verwaltungsakts ist damit der Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung, also der Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober
2008.
RN 15






2. Mit den Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass
Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids § 44c
Abs. 1
Satz 1 KWG
(in der Fassung von Art. 3
des Gesetzes zur Ergänzung der Bekämpfung der Geldwäsche und der
Terrorismusfinanzierung - Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz - GwBekErgG -
vom 13. August 2008 - BGBl I S. 1690, 1700) ist. Danach haben ein Unternehmen,
bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen oder feststeht, dass es
Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen ohne die nach diesem Gesetz
erforderliche Erlaubnis oder nach § 3 verbotene Geschäfte betreibt, sowie in die
Abwicklung der Geschäfte einbezogene oder einbezogen gewesene andere Unternehmen
der beklagten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt)
auf Verlangen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu erteilen und
Unterlagen vorzulegen. Das Vorgehen der Bundesanstalt setzt den Verdacht voraus,
dass unerlaubt Bankgeschäfte betrieben oder Finanzdienstleistungen erbracht oder
verbotene Geschäfte nach § 3
KWG
betrieben werden (vgl. Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG,
3. Aufl. 2008, § 44c
Rn. 13 f.; Samm, in: Beck/Samm/Kokemoor, KWG,
Stand: August 2011, § 44c
Rn. 80; Schmitz, in: Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, KWG,
2009,
§ 44c
Rn. 6). Auskunfts- und vorlagepflichtig sind die in die Abwicklung der Geschäfte
einbezogenen oder einbezogen gewesene andere Unternehmen; das sind alle, die
einen Beitrag zur Durchführung verdächtiger Geschäfte leisten (Lindemann, in:
a.a.O., § 44c Rn. 27 f.; Schmitz, in: a.a.O., § 44c
Rn. 28). § 44c
Abs. 1
Satz 1 KWG
beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf banktypische
Unternehmen. Vielmehr wurde die Auskunfts- und Vorlagepflicht durch Art. 6 des
Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2010, 2058)
auf Drittunternehmen erweitert. Dadurch sollte den Aufsichtsbehörden das
rechtliche Instrumentarium zur Verfügung gestellt werden, unerlaubte
Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen erfolgreich und noch effizienter
bekämpfen zu können (BTDrucks 13/7142, S. 93; 14/8017, S. 128, 184). Unternehmen
im Sinne des § 44c
Abs. 1
Satz 1 KWG
ist daher jeder Akteur, dem eine von § 44c
Abs. 1
Satz 1 KWG
erfasste Geschäftstätigkeit zugerechnet werden kann. Das umfasst auch
selbstständig tätige Rechtsanwälte (Göpfert, BRAK-Mitteilungen 2009, 252;
Schwennicke, in: Schwennicke/Adelt/Anders u.a., KWG,
2009,
§ 44c
Rn. 6).
RN 16






§ 2
Abs. 6
Nr. 10
KWG
zwingt zu keiner anderen Auslegung. Danach gelten als
Finanzdienstleistungsinstitute nicht Angehörige Freier Berufe, die
Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 4 nur
gelegentlich im Rahmen eines Mandatsverhältnisses als Freiberufler erbringen und
einer Berufskammer in der Form der Körperschaft des Öffentlichen Rechts
angehören, deren Berufsrecht die Erbringung von Finanzdienstleistungen nicht
ausschließt. Das lässt keine Rückschlüsse darauf zu, wie der Begriff
"Unternehmen" in § 44c
Abs. 1
KWG
zu definieren ist.
RN 17






Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass der Kläger
als Unternehmen im Sinne des § 44c
Abs. 1
KWG
in die Abwicklung möglicher Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen der
auftraggebenden Gesellschaften einbezogen ist oder war. Er ist damit nach dieser
Vorschrift grundsätzlich auskunfts- und vorlagepflichtig.
RN 18






3. Zu Unrecht meint das angegriffene Urteil, die anwaltliche
Verschwiegenheitspflicht gehe der Auskunftspflicht nach § 44c
Abs. 1
Satz 1 KWG
vor. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Verschwiegenheitspflicht
könne nur aufgrund einer ausdrücklichen Regelung eingeschränkt werden, ist mit
Bundesrecht nicht vereinbar.
RN 19






Die Auskunfts- und Vorlagepflicht des § 44c
Abs. 1
KWG
gilt für die dort umschriebenen Unternehmen ausnahmslos. Dass der Gesetzgeber
dabei auch an Rechtsanwälte gedacht hat, zeigt § 2
Abs. 6
Nr. 10
KWG
(vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG,
3. Auflage, § 2
Rn. 62 ff.; Weber, in: Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber, KWG,
2009,
§ 2
Rn. 26); er hat für sie keine Ausnahme zugelassen. Aus der anwaltlichen Pflicht
zur Verschwiegenheit ergibt sich nichts anderes.
RN 20






a) Die Verschwiegenheitspflicht der Rechtsanwälte ist seit der
Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung
durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und
Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl I S. 2278) in § 43a
Abs. 2
BRAO
niedergelegt. Sie bezieht sich auf alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung
seines Berufes bekanntgeworden ist. Dabei genügt es nicht, dass der
Informationsträger nur als Rechtsanwalt zugelassen ist. Auch ein Rechtsanwalt
kann anderen als gerade anwaltlichen Tätigkeiten zu Erwerbszwecken nachgehen.
Geschützt sind vielmehr nur diejenigen Tatsachen, die einem Rechtsanwalt gerade
in Ausübung seines Berufs als Anwalt bekannt geworden sind. Auch dann gilt die
Verschwiegenheitspflicht nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer
Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.
RN 21






Der Senat unterstellt zugunsten des Klägers, dass das ihm von
der Firma "S. Ltd." erteilte Mandat auf eine Tätigkeit zielte, die zumindest
auch anwaltlicher Art war. Allerdings bestehen an den diesbezüglichen
tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs erhebliche Zweifel. Der
Verwaltungsgerichtshof geht zwar in rechtlicher Hinsicht im Ansatz zutreffend
davon aus, dass eine anwaltliche Tätigkeit nur angenommen werden könne, wenn bei
einer vorrangig wirtschaftlichen Tätigkeit die Rechtsberatung oder -verfolgung
nicht zurücktritt und unwesentlich ist (vgl. BGH, Urteile vom 22. Dezember 1966
- VII ZR 195/64 - BGHZ 46, 268 <270 f.>, vom 7. April 1980 - III ZR 73/79
- NJW 1980, 1855), und dass jedenfalls die anwaltliche Schweigepflicht
voraussetzt, dass das spezifisch anwaltliche Element der Tätigkeit nicht völlig
in den Hintergrund tritt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 - IX
ZR 338/97
- NJW 1999, 3040
<3042>). Er hat jedoch keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die
den Schluss auf irgendein spezifisch anwaltliches Element der Tätigkeit des
Klägers tragen könnten. Die Vollmachtserteilung allein belegt das nicht, auch
nicht wenn sie auf einem Formular erfolgt, wie es üblicherweise für die
anwaltliche Mandatierung Verwendung findet. Die vom Kläger beschriebene
Tätigkeit der Überprüfung der eingegangenen Zahlungen von Kunden seiner
Mandantin nach dem Geldwäschegesetz
lässt in ihrer konkreten Ausgestaltung kein rechtsberatendes oder
rechtsprüfendes Element erkennen.
RN 22






Sofern der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht sein sollte,
zugunsten des Vorliegens einer zumindest auch anwaltlichen Tätigkeit spreche
eine Vermutung, welche die Behörde entkräften müsse, könnte ihm nicht gefolgt
werden. Die Auskunftspflicht nach § 44c
Abs. 1
KWG
ist der gesetzliche Regelfall. Wer sich demgegenüber auf ein
Auskunftsverweigerungsrecht beruft, hat dessen Voraussetzungen darzutun. Das
gilt auch für den Rechtsanwalt, der sich auf seine Pflicht zur Verschwiegenheit
beruft. Er ist deshalb jedenfalls dafür darlegungspflichtig, dass Informationen
in Rede stehen, die ihm in Ausübung einer anwaltlichen Tätigkeit anvertraut oder
sonst bekannt geworden sind. Das bedarf hier keiner weiteren Erörterung,
insbesondere muss nicht entschieden werden, wie weit diese Darlegungspflicht im
Einzelnen reicht.
RN 23






b) Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Verschwiegenheit gilt
freilich nicht ausnahmslos. Gemäß § 59b
Abs. 2
Nr. 1
Buchst. c BRAO
wird diese allgemeine Berufspflicht durch die Berufsordnung
näher geregelt. Nach § 2
Abs. 3
der Berufsordnung
für Rechtsanwälte (
BORA
) gilt die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht, wenn andere
Rechtsvorschriften Ausnahmen zulassen. Damit wurde der Rechtszustand
positiviert, der auch vor dem erwähnten Gesetz vom 2. September 1994 bereits
galt.
RN 24






Andere Rechtsvorschriften, die im Sinne von § 2
Abs. 3
BORA
Ausnahmen zulassen, sind nicht nur solche, die die Schweigepflicht des
Rechtsanwalts ausdrücklich einschränken. Zugelassen sind Ausnahmen vielmehr auch
dann, wenn sie ihre Grundlage in einer allgemeinen, nicht berufsspezifischen
Regelung finden. Auskunftspflichten, die das Gesetz jedermann oder einer nicht
nach dem Beruf abgegrenzten Gruppe auferlegt, treffen grundsätzlich auch
Rechtsanwälte (vgl. zur Auskunftspflicht von Abgeordneten, die anwaltlich tätig
sind, Urteil vom 30. September 2009 - BVerwG 6
A 1.08
- BVerwGE 135, 77
<88 ff.>; allgemein: Kleine-Cosack, RAO,
6. Aufl. 2009, § 43a
Rn. 24; Zuck, in: Gaier/ Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2010, § 43a
BRAO/§ 2 BORA
Rn. 29). Auch die spezielle Regelung von Zeugnis- und
Auskunftsverweigerungsrechten (vgl. § 53
Abs. 1
Nr. 3,
§ 53a
StPO;
§ 383
Abs. 1
Nr. 6
ZPO;
§ 98
VwGO)
lässt darauf schließen, dass die Erfüllung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
nicht schon unter Berufung auf die anwaltliche Verschwiegenheit verweigert
werden kann. Die berufsspezifische Beschränkung der Pflicht zur Anzeige schwerer
Straftaten (§§ 138,
139
Abs. 3
Satz 2 StGB)
lässt ebenfalls erkennen, dass die Anzeigepflicht für jedermann und damit
grundsätzlich auch für Rechtsanwälte gilt.
RN 25






Aus der Freiheit der anwaltlichen Berufsausübung nach Art. 12
Abs. 1
GG
folgt ebenfalls nicht, dass die Ausnahmen von der anwaltlichen Verschwiegenheit
im Gesetz speziell geregelt sein müssten. Wie noch zu zeigen sein wird, kann dem
Grundrecht des Rechtsanwalts aus Art. 12
Abs. 1
GG
bei der Anwendung des § 44c
KWG
im Rahmen des behördlichen Ermessens Rechnung getragen werden. Damit ist dem
gebotenen Grundrechtsschutz Genüge getan (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 30. März
2004 - 2 BvR 1520, 1521/01 - BVerfGE 110, 226
<248 f., 254 f.>).
RN 26






4. Dass die Beklagte im Rahmen der von ihr zu treffenden
Ermessensentscheidung der Verschwiegenheitspflicht des Klägers keinen Vorrang
eingeräumt hat, ist rechtsfehlerfrei. Das Auskunfts- und Vorlageverlangen der
Beklagten ist verfassungskonform; insbesondere stellt es keinen
unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers dar.
RN 27






a) Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Verschwiegenheit und
dementsprechend sein Recht, dieser Pflicht durch Schweigen nachzukommen,
bestehen nicht nur aufgrund des einfachgesetzlichen Berufsrechts, sondern sind
zugleich grundrechtlich geschützt. Art. 12
Abs. 1
GG
gewährleistet die Freiheit der Berufsausübung als Grundlage der persönlichen und
wirtschaftlichen Lebensführung. Sie zielt auch für den Rechtsanwalt auf eine
möglichst unreglementierte berufliche Tätigkeit ab (vgl. BVerfG, Urteil vom 30.
März 2004 a.a.O. S. 251 f. m.w.N.). Bestandteil dieses grundrechtlichen Schutzes
ist die anwaltliche Verschwiegenheit. Dem Rechtsanwalt als berufenem
unabhängigem Berater obliegt es, seinem Mandanten umfassend beizustehen.
Voraussetzung für die Erfüllung dieser Aufgabe ist, dass zwischen Anwalt und
Mandant ein Vertrauensverhältnis besteht. Integrität, Zuverlässigkeit und
Verschwiegenheit des Anwalts sind die Grundbedingungen dafür, dass dieses
Vertrauen entstehen kann. Die Verschwiegenheit rechnet daher von jeher zu den
anwaltlichen Grundpflichten (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 a.a.O. S. 252
m.w.N.).
RN 28






Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt die anwaltliche
Verschwiegenheit nicht allein im Interesse des Mandanten. Dass sie gewahrt
werden kann, liegt vielmehr auch im eigenen beruflichen Interesse des
Rechtsanwalts; denn er würde von Mandanten nicht gleichermaßen konsultiert und
informiert, könnten diese auf seine Verschwiegenheit nicht vertrauen. Das
Gewicht des Schweigerechts wird dadurch noch verstärkt, dass die
Verschwiegenheit des Anwalts wie die ganze anwaltliche Berufsausübung nicht
allein im individuellen Interesse des einzelnen Rechtsanwalts oder des einzelnen
Rechtsuchenden liegt. Der Rechtsanwalt ist "Organ der Rechtspflege" (§§ 1
und 3
BRAO);
sein berufliches Tätigwerden liegt zugleich im Interesse der Allgemeinheit an
einer wirksamen und rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege. Unter der Geltung
des Rechtsstaatsprinzips des Grundgesetzes müssen dem Bürger aus Gründen der
Chancen- und Waffengleichheit Rechtskundige zur Seite stehen, denen er vertrauen
und von denen er erwarten kann, dass sie seine Interessen unabhängig, frei und
uneigennützig wahrnehmen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 a.a.O.
S. 252 m.w.N.).
RN 29






b) Durch ihr Auskunfts- und Vorlageverlangen hat die Beklagte
dieses Grundrecht des Klägers nicht unverhältnismäßig eingeschränkt.
RN 30






Die Ziele, die das Gesetz mit der Auskunfts- und
Vorlagepflicht nach § 44c
Abs. 1
KWG
verfolgt, sind legitime Gründe des gemeinen Wohls, welche grundsätzlich geeignet
sind, das Grundrecht des Rechtsanwalts auf freie Ausübung seines Berufs
einzuschränken. Die Vorschriften über die Beaufsichtigung der
Finanzdienstleistungsinstitute und der Erlaubnispflicht für Bankgeschäfte und
Finanzdienstleistungen sollen die Integrität des Kredit- und Finanzmarktes
schützen und damit die Stabilität des Finanzsystems wahren. Daneben bezwecken
die Vorschriften den Ein- und Anlegerschutz (Urteil vom 15. Dezember 2010 -
BVerwG 8
C 37.09
- GWR 2011, 138 m.w.N.). Dabei dient die Auskunfts-
und Vorlagepflicht gemäß § 44c
KWG
dazu, der Aufsichtsbehörde Erkenntnisquellen zu verschaffen, damit sie gegen
Unternehmen einschreiten kann, die unerlaubt Bankgeschäfte betreiben oder
Finanzdienstleistungen erbringen; sie dient damit dem Schutz der Allgemeinheit
und des einzelnen Anlegers vor unseriösen Angeboten auf dem Finanzmarkt (vgl.
Lindemann, a.a.O., § 44c Rn. 1 f.; Samm, a.a.O., § 44c Rn. 1 f., 13).
RN 31






Dass das Auskunftsverlangen der Beklagten geeignet ist
aufzuklären, ob die "S. Ltd." oder die "S. GbR" unerlaubt Finanzdienstleistungen
erbringt oder erbracht hat und ob diese Geschäftstätigkeit zu unterbinden ist,
liegt auf der Hand. Es war auch erforderlich, die gesetzlichen Ziele zu
erreichen. Ein Einschreiten gegen die Auftraggeberin des Klägers ist zwar als
milderes und die Verschwiegenheitspflicht des Klägers nicht beeinträchtigendes
Mittel theoretisch denkbar gewesen, tatsächlich hat es jedoch keinen Erfolg
versprochen. Den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist zu entnehmen,
dass die Auftraggeberin des Klägers der Beklagten nicht bekannt war, sodass ein
Vorgehen diesem gegenüber schon gar nicht möglich war. Auch im
Verwaltungsverfahren hat der Kläger weder verantwortliche Personen noch eine
zustellungsfähige Postanschrift genannt. Seine Inanspruchnahme war somit für die
Beklagte die einzige Möglichkeit, ihre Aufsichtsbefugnisse effektiv
wahrzunehmen. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, schrittweise vorzugehen
und ihr Begehren zunächst auf die Benennung von Namen, Anschrift und
verantwortliche Personen des Auftraggebers des Klägers zu beschränken. Noch bis
zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung waren die vom
Kläger gegebenen Auskünfte über die Vermögens- und Verwaltungsgesellschaft, die
offenbar in London ansässig sein soll, und die dahinter stehenden Personen so
unvollständig und irreführend, dass ein derart beschränktes Auskunftsverlangen
es nicht ermöglicht hätte, die Verantwortlichen zeitnah zur Auskunft und Vorlage
von Geschäftsunterlagen zu verpflichten.
RN 32






Das Auskunfts- und Vorlageersuchen der Beklagten ist auch
verhältnismäßig im engeren Sinne. Die damit verbundene Belastung ist mit Blick
auf den mit ihm verfolgten Zweck weder unangemessen noch unzumutbar. Angesichts
von Art und Umfang der konkreten Tätigkeit, wie sie der Kläger behauptet, wurde
seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht durch die Preisgabe von Kontaktdaten
und die Vorlage von Geschäftsunterlagen nur am Rande berührt.
RN 33






5. Die Zwangsgeldandrohung beruht auf § 17
Satz 1 FinDAG i.V.m. § 13
Abs. 1
und 2
VwVG
und hält sich im gesetzlichen Rahmen, der ein Zwangsgeld bis zu 250 000 €
zulässt (§ 17 Satz 4 FinDAG).
RN 34






6. Bedenken gegen die Festsetzung der Widerspruchsgebühr in
Höhe von 750 € bestehen ebenfalls nicht. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 14
Abs. 1 und 2 FinDAG i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 der Verordnung über die
Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem
Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz in der Fassung der 6. Änderungsverordnung
vom 24. August 2007 (BGBl I S. 2136). Hiernach ist für die Zurückweisung eines
Widerspruchs gegen eine nicht gebührenpflichtige Amtshandlung ein Gebührenrahmen
bis zu 1 500 € eröffnet. Diesen hat die Beklagte aufgrund des als
durchschnittlich erachteten Verwaltungsaufwands nur zur Hälfte
ausgeschöpft.
RN 35






Die Kostenentscheidung beruht auf § 154
Abs. 2
VwGO.
RN 36






Beschluss:
 






Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Revisionsverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
 
 

stats