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RdF-News
13.09.2021
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Hessisches FG: Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf inländische Gewerbesteuer

Hessisches FG, Urteil vom 26.8.2020 – 8 K 1860/16

ECLI:ECLI:DE:FGHE:2020:0826.8K1860.16.00

Volltext des Urteils: RdFL2021-234-1

Art. 23 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa i. V. m. Art. 10 DBA Kanada, § 34c EStG, § 26 KStG, § 179 Abs. 3 AO, § 184 Abs. 1 S. 3 AO

Sachverhalt

Streitig ist die Frage, ob – und falls ja, wie – der Beklagte verpflichtet ist, kanadische Quellensteuer auf Kapitalerträge für Zwecke der Anrechnung auf die Gewerbesteuer für die Erhebungszeiträume 2008 bis 2010 festzustellen.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in B-Stadt. Sie ist im Handelsregister des Amtsgerichts C-Stadt unter HRB xxx eingetragen. Zweck der Gesellschaft ist u.a. der Handel und das Halten von Wertpapieren, Derivaten, anderen Finanzinstrumenten sowie sonstigen Vermögensgegenständen für eigene Rechnung und das Halten von Beteiligungen an anderen Unternehmen. Die Klägerin hatte im Streitzeitraum ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis 30. September.

Die Klägerin ist seit dem 14. November 2005 zu 0,22 % an der D-Inc. mit Sitz in Kanada sowie zu 9,99 % an der E-Inc., ebenfalls mit Sitz in Kanada, beteiligt. Aus der Beteiligung an der D-Inc. erzielte sie ausweislich der vorgelegten kanadischen Steuerbescheinigungen (Bl. 90 ff. der Finanzgerichtsakte –FGA–) in 2008 Bruttodividenden in Höhe von xxx CAD, in 2009 xxx CAD und in 2010 xxx CAD. Hiervon wurden kanadische Quellensteuern in Höhe von xxx CAD (2008), xxx CAD (2009) und xxx CAD (2010) einbehalten. Umgerechnet entspricht dies einer jeweiligen Bruttodividende in Höhe von xxx € (2008), xxx € (2009) und xxx € (2010) sowie einbehaltener kanadischer Quellensteuern auf Kapitalerträge in Höhe von xxx € (2008), xxx € (2009) und xxx € (2010). Andere wesentliche geschäftliche Aktivitäten entfaltete die Klägerin in den Streitjahren nicht.

Der Steuerbilanzgewinn der Streitjahre setzte sich im Wesentlichen aus den Beteiligungserlösen sowie aus Zins- und Steueraufwand zusammen. Ausgehend von dem jeweiligen Steuerbilanzgewinn wurden für die Festsetzung der Körperschaftsteuer in den Streitjahren die einbehaltene kanadische Quellensteuer sowie die Gewerbesteuer gemäß § 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitzeiträume geltenden Fassung –KStG– als nichtabziehbarer Aufwand hinzu- und die kanadischen Dividendenerträge gemäß § 8b Absatz 1 KStG abgerechnet. Im Ergebnis ergab sich in den Streitjahren jeweils ein geringer positiver bzw. negativer Gesamtbetrag der Einkünfte, welcher (nach Verlustverrechnung) im Ergebnis zu einer Körperschaftsteuerfestsetzung von jeweils 0 € führte, die nicht weiter streitig ist.

In der am 29. September 2009 beim Beklagten eingereichten Gewerbesteuererklärung für 2008 ermittelte die Klägerin einen Gewerbeertrag in Höhe von – xxx €. Dieser setzte sich zusammen aus dem nach den Vorschriften des KStG ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb in Höhe von xxx € abzüglich gezahlter kanadischer Quellensteuer in Höhe xxx € (vgl. Bl. 1, 3 der Gewerbesteuerakte). Der Beklagte ließ indes die gezahlte kanadische Quellensteuer nicht zum Abzug zu und legte der Besteuerung einen Gewerbeertrag in Höhe von xxx € zu Grunde. Darüber hinaus rechnete der Beklagte dem Gewerbeertrag – wie von der Klägerin auch erklärt – Entgelte für Schulden sowie gemäß § 8 Nr. 5 Gewerbesteuergesetz –GewStG– Dividendenbezüge in Höhe von xxx € hinzu.

Am 11. Dezember 2009 erließ der Beklagte den Bescheid für 2008 über den Gewerbesteuermessbetrag und setzte den Messbetrag auf xxx € fest. Weitere Feststellungen, insbesondere zu einer möglichen Anrechnung kanadischer Quellensteuer, enthielt der Bescheid (weder dem Grunde, noch der Höhe nach) nicht. Der Bescheid erging gemäß § 164 Absatz 1 der Abgabenordnung –AO– unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Der von der Klägerin gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2008 eingelegte Einspruch, mit dem sie den Abzug der kanadischen Quellensteuer bei der Ermittlung des Gewerbeertrags begehrte, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 30. November 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Der am 27. Oktober 2010 eingereichten Gewerbesteuererklärung für 2009 legte die Klägerin einen Gewerbeertrag in Höhe von – xxx € zu Grunde und zwar erneut unter Berücksichtigung abzuziehender kanadischer Quellensteuer in Höhe von – xxx € (vgl. Bl. 7, 9 der Gewerbesteuerakte). Wie im Erhebungszeitraum 2008 ließ der Beklagte die kanadische Quellensteuer jedoch nicht zum Abzug zu und legte der Besteuerung folglich einen Gewerbeertrag in Höhe von – xxx € zu Grunde. Erklärungsgemäß rechnete der Beklagte auch hier Entgelte für Schulden sowie gemäß § 8 Nr. 5 GewStG Dividendenbezüge in Höhe von xxx € hinzu. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung am 13. Dezember 2010 ergangenen Gewerbesteuermessbescheid wurde der Messbetrag auf xxx € festgesetzt. Auch dieser Bescheid enthielt keine Feststellungen zu einer möglichen Anrechnung kanadischer Quellensteuer.

Den Gewerbeertrag für 2010 ermittelte die Klägerin in der am 10. August 2011 eingereichten Gewerbesteuererklärung abweichend von den beiden Vorjahren in Höhe von xxx € ohne Abzug kanadischer Quellensteuer (vgl. Bl. 13, 14 der Gewerbesteuerakte). Der Beklagte folgte der Erklärung und setzte nach Hinzurechnung von Entgelten für Schulden sowie Dividendenbezüge gemäß § 8 Nr. 5 GewStG in Höhe von xxx € den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheid vom 26. Oktober 2011 in Höhe von xxx € fest und zwar auch diesmal ohne weitere Feststellungen. Auch dieser Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung.

Gegen die Bescheide für 2009 und 2010 über den Gewerbesteuermessbetrag legte die Klägerin jeweils keinen Einspruch ein. Allerdings verfolgte sie in der weiteren Zeit ihr Begehren (zunächst) dergestalt weiter, dass sie gegen die von der hebeberechtigten Stadt B-Stadt erlassenen Gewerbesteuerbescheide 2008, 2009 und 2010 jeweils Widerspruch einlegte und nunmehr auf Ebene der Gemeinde die Anrechnung kanadischer Quellensteuer direkt auf die Gewerbesteuer begehrte (vgl. Bl. 22 d. Gewerbesteuerakte, Bl. 34 FGA). Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin gegen den Gewerbesteuerbescheid 2008 Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden (Az. 1 K 343/11.WI), welches die Klage mit Urteil vom 14. Dezember 2011 abwies (Bl. 62 FGA). Hinsichtlich der Gewerbesteuerbescheide 2009 und 2010 ordnete die Stadt B-Stadt mit Schreiben vom 9. März 2011 bzw. 11. April 2012 im Hinblick auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen den Bescheid für 2008 das Ruhen des Verfahrens an. Bis heute ist über diese Widersprüche nicht entschieden.

Die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung wurde von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof –VGH– mit Urteil vom 17. Dezember 2013 – 5 A 329/12 –, DStRE 2015, 420 ff., zurückgewiesen (Bl. 73 ff. FGA). Zur Begründung führte der VGH aus, dass die Gemeinde bei der Festsetzung der Gewerbesteuer an den Messbescheid des Finanzamtes gebunden sei und ihn auch nicht auf seine Rechtmäßigkeit überprüfe. Dies gelte ebenfalls hinsichtlich der Frage der Anrechnung kanadischer Quellensteuer. Denn auch insoweit sei die Gemeinde an die Feststellungen des Finanzamtes gebunden. Eine Anrechnung im Rahmen der Festsetzung sei zudem systemwidrig, da es Aufgabe der Finanzämter sei, die steuerlich relevanten Sachverhalte zu ermitteln und den Messbetrag entsprechend festzusetzen. Die Gemeinden hätten dann lediglich die Aufgabe, aufgrund des Messbetrages die Gewerbesteuer unter Anwendung ihres Hebesatzes festzusetzen. Auch das DBA Kanada greife in diese Aufgabenverteilung nicht ein.

Am 24. Februar 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, einbehaltene kanadische Quellensteuer, die nach seiner Auffassung aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen –DBA Kanada– auf die Gewerbesteuer anzurechnen seien, für die Erhebungszeiträume 2008, 2009 und 2010 gesondert festzustellen sowie – hilfsweise – den Erlass entsprechender Ergänzungsbescheide (vgl. Bl. 16 d. GewSt-Akte). Zur Begründung berief sie sich auf Art. 23 Absatz 2 Buchst. b Doppelbuchstabe aa i.V.m. Art. 10 DBA Kanada.

Mit Beschluss vom 12. August 2014 – 9 B 23.13 –, HFR 2014, 111, wies das Bundesverwaltungsgericht –BVerwG– die zwischenzeitlich gegen die Entscheidung des VGH eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurück (Bl. 84 ff. FGA). Zur Begründung führte das BVerwG ebenfalls aus, dass die Frage der Anrechenbarkeit in die Kompetenz der Finanzbehörden falle.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 lehnte der Beklagte die Anträge der Klägerin vom 24. Februar 2014 ab (vgl. Bl. 41 d. Gewerbesteuerakte). Den hiergegen am 10. November 2014 eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9. September 2016 zurück (vgl. Bl. 52 d. Gewerbesteuerakte).

Mit ihrer am 6. Oktober 2016 bei dem Hessischen Finanzgericht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, dass vorliegend durch die versagte Anrechnung eine Doppelbesteuerung vorliege, die es zu vermeiden gelte. Zwar müsse die Anrechnung ausländischer Quellensteuern nach Auffassung der Klägerin durch die Gemeinde erfolgen. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte falle indes die vorgelagerte Frage, ob eine Anrechnung zu erfolgen habe, in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten und sei von diesem zu beantworten.

Zutreffend sei, dass sich im Gewerbesteuergesetz keine Regelung betreffend die Anrechnung ausländischer Steuern vom Einkommen und Ertrag befinde.

Dies sei jedoch unschädlich, da das DBA Kanada als bilaterale Vereinbarung gemäß § 2 AO den nationalen Vorschriften vorgehe. Auch ein Vergleich mit anderen DBA zeige, dass eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer gewollt sei. So sei etwa in dem DBA Schweiz eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer explizit ausgeschlossen.

Die Klägerin gehöre zu dem von dem DBA Kanada umfassten Personenkreis und die Gewerbesteuer gehöre zu den Steuerarten, die ausdrücklich in den Anwendungsbereich des DBA fallen würden. Art. 23 Absatz 2 des DBA sehe zudem eine Anrechnung der kanadischen Steuer auf die „deutsche Steuer vom Einkommen“ vor. Da es sich bei der Gewerbesteuer um eine solche Steuer handeln würde und diese unter das DBA falle, müsse eine Anrechnung erfolgen. Mangels nationaler Regelungen zur Anrechnung müsse die Anrechnung direkt auf Grundlage des DBA Kanada erfolgen.

Aufgrund der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte habe die Klägerin ihr Begehren durch die Anträge vom 24. Februar 2014 weiterverfolgen müssen. Denn nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung obliege es dem Beklagten entsprechende Feststellungen zu treffen, die der Gemeinde eine Anrechnung nicht nur ermögliche, sondern sie aufgrund der Bindungswirkung dazu verpflichte.

Die Anträge seien auch nicht verfristet. Dies ergebe sich daraus, dass sie vor rechtskräftigem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gestellt worden seien. Die gesonderte Feststellung sei gemäß § 181 Absatz 5 AO Grundlagebescheid des Gewerbesteuerbescheides. Dieser sei auch nicht verjährt, da vor Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (währenddessen die Festsetzungsverjährung des Folgebescheides gemäß § 171 Absatz 3a AO gehemmt sei), ein Antrag auf gesonderte Feststellung gestellt worden sei, was die Festsetzungsfrist des Folgebescheides nach § 171 Absatz 3 AO weiter hemme. Gleiches müsse gelten, wenn statt einer gesonderten Feststellung ein Ergänzungsbescheid nach § 179 Absatz 3 AO erlassen werden solle.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, einbehaltene kanadische Quellensteuer in Höhe von xxx € (2008), xxx € (2009) und xxx € (2010), die aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen auf die Gewerbesteuer anzurechnen sind, gesondert festzustellen.

Hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, einen Ergänzungsbescheid zu erlassen, der die aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen auf die Gewerbesteuer anzurechnende kanadische Quellensteuer in Höhe von xxx € (2008), xxx € (2009) und xxx € (2010) feststellt.

Hilfsweise ferner,

den Beklagten zu verpflichten, nachrichtliche Festsetzungen in den Bescheiden über den Gewerbesteuermessbetrag dahingehend zu erlassen, dass die aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen auf die Gewerbesteuer anzurechnende kanadische Quellensteuer in Höhe von xxx € (2008), xxx € (2009) und xxx € (2010) feststellt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung vom 9. September 2016. Weder gebe es im Gewerbesteuerrecht eine Norm, die die Anrechnung regeln könnte, noch handele es sich bei der ausländischen Steuer um eine der Gewerbesteuer entsprechende Steuer.

Auch ein Ergänzungsbescheid komme nicht in Frage. Denn dies setze einen zuvor ergangenen Feststellungsbescheid über anzurechnende kanadische Quellensteuer voraus.

Eine nachrichtliche Festsetzung komme bereits deswegen nicht in Betracht, weil eine solche vom Gesetzgeber nicht vorgesehen sei.

Dem Gericht lagen ein Band Gewerbesteuerakten, ein Band Körperschaftsteuerakten (ohne die Erklärungen 2008 und 2009, welche bereits vernichtet wurden) nebst Jahresabschlüssen sowie ein Band Verträge vor und waren Gegenstand der Entscheidung.

Aus den Gründen

I. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Ablehnung des Antrages auf Feststellung der nach dem DBA Kanada einbehaltenen und auf die Gewerbsteuer anzurechnenden Quellensteuer ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–. Die Klägerin hat für die Streitjahre einen Anspruch auf Erlass eines entsprechenden Ergänzungsbescheides zum Gewerbesteuermessbescheid.

A. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anrechnung der einbehaltenen kanadischen Quellensteuer auf die Gewerbesteuer. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus Art. 23 Absatz 2 Buchst. b Doppelbuchstabe aa), Art. 10 DBA Kanada i. V. m. entsprechender Anwendung von § 26 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, § 34c Absatz 6 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes –EStG– (offen gelassen durch BFH, Urteil vom 22. Dezember 2017 – I R 98/15 – DStRE 2015, 671).

1. a. Nach Art. 10 Absatz 1 DBA Kanada können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, in dem anderen Staat besteuert werden. Diese Dividenden können jedoch auch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person der Nutzungsberechtigte der Dividenden ist und dieser Nutzungsberechtigte weniger als 10 % der Stimmrechte der die Dividenden zahlenden Gesellschaft kontrolliert, 15 % des Bruttobetrags der Dividenden nicht übersteigen, Art. 10 Absatz 2 Satz 1 Buchst. b) DBA Kanada.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn die in Deutschland ansässige Klägerin (vgl. Art. 1, 4 DBA Kanada) war im Streitzeitraum zu weniger als 10 % an der in Kanada ansässigen D-Inc. beteiligt und erzielte aus dieser Beteiligung Dividenden. Dies führt dazu, dass einerseits grundsätzlich Deutschland als Ansässigkeitsstaat der Klägerin und Anteilseignerin das Besteuerungsrecht für diese Dividenden zusteht und andererseits Kanada lediglich einen Quellensteuerabzug in Höhe von 15 % vornehmen darf, was vorliegend auch geschehen ist.

b. Die Anwendung dieser Vorschriften führt in Deutschland zu einer Doppelbesteuerung. Dies ergibt sich daraus, dass Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer (nur noch) der Gewerbeertrag ist, § 6 GewStG. Dieser ermittelt sich durch den nach den Vorschriften des EStG oder KStG zu ermittelnden Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge, § 7 Satz 1 GewStG.

Aufgrund des § 8b Absatz 1 KStG bleiben Bezüge im Sinne des § 20 Absatz 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG bei der Ermittlung des Einkommens zwar außer Ansatz. Die von der D-Inc. gezahlten Dividenden waren somit nicht in dem nach den Vorschriften des KStG ermittelten Gewinn aus Gewerbebetrieb enthalten. Gemäß § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb jedoch (u.a.) die nach § 8b Absatz 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) wieder hinzuzurechnen, soweit diese nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG, nämlich eine Mindestbeteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft von 15 %, erfüllen. Da die Klägerin in den Streitzeiträumen lediglich mit 0,22 % an der D-Inc. beteiligt war, war mithin die – nach KStG – steuerfreie Dividende, für gewerbesteuerliche Zwecke wieder hinzuzurechnen und somit im Gewerbeertrag enthalten. Es handelt sich hierbei um eine Doppelbesteuerung im rechtlichen Sinne, denn Deutschland und Kanada erheben von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand (Steuerobjekt) und denselben Zeitraum eine gleichartige Steuer (vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, OECD-MA 2017, Vor Art. 1, Rn. 2).

Bei der deutschen Gewerbesteuer und der kanadischen Income Tax (hier in Gestalt einer non resident withholding tax) handelt es sich auch um gleichartige Steuern im Sinne dieser Vorschrift. Denn gemäß Art. 2 Absatz 1 DBA Kanada gilt das Abkommen (ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung) für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten, und im Falle der Bundesrepublik Deutschland, eines seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden. Nach Absatz 2 gelten als Steuern vom Einkommen alle Steuern, die vom Gesamteinkommen oder von Teilen des Einkommens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens. Die Begriffe „Einkommen“ und „Vermögen“ sind abkommensrechtlich im Zusammenhang mit den Einkommens- bzw. Vermögensbegriffen der Art. 6 bis 22 auszulegen und entsprechen weder dem Einkommen im Sinne des § 2 Absatz 4 EStG, § 8 Absatz 1 KStG, noch dem zu versteuernden Einkommen i. S. d. § 2 Absatz 5 EStG, § 23 Absatz 1 KStG. Maßgeblich sind daher nicht die (gemeinsamen oder differierenden) Vorstellungen der Vertragsstaaten über den Inhalt des Einkommens- oder Vermögensbegriffes. Die Vertragsstaaten orientieren sich vielmehr an den tatsächlich von ihnen erhobenen Steuern, so dass „als Faustregel“ gelten kann, dass alles, was Bemessungsgrundlage für eine ausländische Steuer i. S. d. § 34c EStG sein kann, unter den abkommensrechtlichen Begriff „Einkommen“ bzw. „Teile des Einkommens“ fällt (vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, OECD-MA, Art. 2, Rn. 29).

c. Die Vermeidung dieser Doppelbesteuerung erfolgt in diesem Fall dadurch, dass auf die deutsche Steuer vom Einkommen unter Beachtung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts über die Anrechnung ausländischer Steuern die kanadische Steuer auf Dividenden im Sinne des Art. 10 DBA Kanada, die in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gezahlt worden ist, angerechnet wird, Art. 23 Absatz 2 Buchst. b Doppelbuchstabe aa) DBA Kanada.

Die Vorschrift des Methodenartikels differenziert ausdrücklich nicht zwischen einer Anrechnung auf die Körperschaft- oder Einkommensteuer einerseits und einer Anrechnung auf die Gewerbesteuer andererseits, sondern spricht nur allgemein von der Steuer vom Einkommen. Hierunter fällt – auch und grade für Zwecke der Beseitigung der Doppelbesteuerung – zur Überzeugung des Senats auch die Gewerbesteuer.

d. Soweit dies in Teilen des Schrifttums (vgl. Eglmaier, IStR 2011, 955) mit der Argumentation abgelehnt wird, dass zwar regelmäßig in den Art. 2 der Abkommen die Gewerbesteuer genannt werde (vgl. Absatz 3 Buchst. b Doppelbuchstabe dd) DBA Kanada), dass dies jedoch nicht auf den Methodenartikel durchschlage, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Diese Auffassung unterstellt nämlich, dass der Begriff der Steuern vom Einkommen im Methodenartikel mangels abkommensrechtlicher Definition zwingend nach innerstaatlichem Recht auszulegen sei. Und da die Gewerbesteuer nach deutschem Steuerrecht grade keine Steuer vom Einkommen sei, würden die Anrechnungsvorschriften des Methodenartikels nicht für diese gelten.

Gegen diese Auffassung spricht indes, dass für die Auslegung des Begriffs „Einkommen“ im Sinne des Methodenartikels der umfassendere Begriff des Art. 2 maßgeblich ist (vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, OECD-MA, Art. 23A, Rn. 101). Nach der Systematik des Abkommens handelt es sich bei den in Art. 2 Absatz 3 Buchstabe b DBA Kanada genannten Steuern entweder um Steuern vom Einkommen oder um Steuern vom Vermögen. Wenn also die Gewerbesteuer keine Steuer vom Einkommen sein soll, so müsste es sich um eine Steuer vom Vermögen handeln. Dies mag – zumindest in Bezug auf einen Teil der Bemessungsgrundlage – bis einschließlich Erhebungszeitraum 1997 noch der Fall gewesen sein. Seit Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer wird die Gewerbesteuer indes als Steuer vom Gewerbeertrag als dem Teil des Einkommens erhoben, der unter Berücksichtigung von Korrekturen den Einkünften aus Gewerbebetrieb entspricht.

e. Auch der Umstand, dass es sich bei der Gewerbesteuer um eine sogenannte Objektsteuer handelt, die an die Existenz eines Gewerbebetriebes und an die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit im Inland anknüpft, spricht nicht gegen eine Einbeziehung der Gewerbesteuer für Zwecke der Anrechnung.

aa) Denn auch die Gewerbesteuer kennt einen Steuerschuldner, nämlich den Unternehmer (die natürliche oder juristische Person oder die Personengesellschaft), für dessen Rechnung die gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. § 5 Absatz 1 GewStG). Da das DBA Kanada gemäß Art. 1 zudem für Personen gilt, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind und der Personenbegriff sowohl natürliche und juristische Personen wie auch Personengesellschaft umfasst (vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, DBA Kanada, Art. 1, Rn. 14 ff.) fällt die Gewerbesteuer trotz ihres Objektsteuercharakters unter den sachlichen Anwendungsbereich des gesamten Abkommens und schließt der Objektsteuercharakter insbesondere nicht den grenzüberschreitenden Bezug der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer aus (vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, OECD-MA, Art. 2, Rn. 30, 31).

bb) Auch der strikte Inlandsbezug des Gewerbesteuerrechts führt nicht dazu, dass eine Anrechnung ausländischer Steuern aus systematischen Gründen grundsätzlich ausscheidet. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn der Inlandsbezug dergestalt Anwendung fände, dass im Ausland verwirklichte Tatbestandsmerkmale grundsätzlich keinen Eingang in den Gewerbeertrag finden würden und aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (vorab) auszuscheiden wären. Dies ist indes nicht der Fall. Denn nach der Legaldefinition des § 2 Absatz 1 Satz 3 GewStG unterliegt ein Gewerbebetrieb der Gewerbsteuer insoweit, wie für ihn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Hieraus folgt aber nicht, dass im Ausland verwirklichte Tatbestandsmerkmale per se nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Maßgeblich ist vielmehr, ob diese Merkmale der inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn – wie vorliegend – der inländische Unternehmer im Ausland überhaupt keine Betriebsstätte unterhält. In diesen Fällen sind die Besteuerungsmerkmale bei Bestehen einer inländischen Betriebsstätte dieser zuzuordnen und greift folglich die inländische Gewerbesteuer ein (keine isolierende Betrachtungsweise, vgl. Güroff, in Glanegger/Güroff, GewStG, § 2, Rn. 13). Entsprechend ordnet § 9 Nr. 7 GewStG eine Kürzung des Gewerbeertrags auch nur insoweit an, wie Teile des Gewerbeertrags auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt, so dass sich umgekehrt – trotz des strikten Inlandsbezugs – auch im Ausland erfüllte Tatbestandsmerkmale auf die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auswirken können (kritisch im Hinblick auf die Einbeziehung von ausländischen Streubesitzdividenden bereits auf Ebene des Gewerbeertrags vgl. Kessler/Dietrich, IStR 2011, 108).

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten scheitert eine Anrechnung auch nicht daran, dass es im deutschen Gewerbesteuerrecht keine den § 34c EStG und § 26 KStG entsprechende Vorschrift gibt, die eine Anrechnung ausländischer Steuern regelt.

a. Dies ergibt sich daraus, dass in den DBA grundsätzlich (nur) zu regeln ist, „Was“ und „Worauf“ eine Anrechnung zu erfolgen hat (vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer, OECD-MA, Art. 23A, Rn. 104). Konkret ordnet für den vorliegenden Fall Art. 23 Absatz 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa) DBA Kanada an, dass die kanadische (Quellen)Steuer auf Dividenden auf die deutsche Steuer vom Einkommen anzurechnen ist. Die Frage des konkreten „Wie“ ergibt sich dagegen regelmäßig nicht aus dem DBA selbst, sondern hat – wie auch im DBA Kanada geregelt – unter Beachtung der Vorschriften des inländischen deutschen Steuerrechts über die Anrechnung ausländischer Steuern zu erfolgen. Wenn jedoch ein DBA, wie im vorliegenden Fall, insoweit auf das nationale Recht verweist, kann dies nach dem Sinn und Zweck nur als Rechtsfolgenverweis hinsichtlich der Anrechnungsmodalitäten verstanden werden. Denn ansonsten wäre es in das Belieben des Ansässigkeitsstaates gestellt, durch unilaterale nationale gesetzliche Maßnahmen eine im Abkommen dem Grunde nach geregelte und angeordnete Anrechnung zu umgehen (vgl. Häck, in: Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 23A, Rn. 114). Dies entspricht indes nicht dem Regelungszweck und dem Verständnis der Abkommen.

b. Eine Umgehung der durch das DBA geregelten und angeordneten Anrechnung wäre allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit eines sog. Treaty Override (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvL 1/12) möglich. Allerdings führt auch dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis.

Zwar kommt völkerrechtlichen Verträgen – und hier insbesondere den Doppelbesteuerungsabkommen – innerstaatlich danach (nur) der Rang eines einfachen (Bundes-)Gesetzes zu, Art. 59 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz –GG–. Dies bedeutet, dass entsprechend dem lex posterior-Grundsatz die jüngere Regelung im Kollisionsfall die ältere Regelung verdrängt (sofern die ältere Regelung nicht spezieller ist), so dass Regelungen eines DBA durch ein jüngeres (nachfolgendes) einfaches Bundesgesetz außer Kraft gesetzt werden können (vgl. dazu Schwenke, in: Wassermeyer, OECD-MA, Vor Art. 1, Rn. 14 ff.).

Eine solche Konstellation ist vorliegend indes nicht gegeben. Vielmehr enthält das deutsche Gewerbesteuerrecht seit jeher keine Vorschriften zu einer Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Gewerbesteuer. Der Gesetzgeber hat es offensichtlich nicht für erforderlich gehalten, entsprechende Regelungen (positiver oder negativer Art) zu schaffen. Dies mag sicher auch daran liegen, dass bis zu den Steuerreformen 2000 und 2008 (mit der entsprechenden Senkung des Körperschaftsteuertarifs sowie der Umstellung vom System der Vollanrechnung auf das Halb- / Teileinkünfteverfahren für natürliche Personen und der (vollständigen) Steuerfreistellung von Dividenden für Körperschaften) für eine entsprechende Anrechnungsvorschrift schlicht keine Notwendigkeit bestand.

Anders würde es sich nur dann verhalten, wenn der Gesetzgeber durch nationale gesetzliche Maßnahmen die Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer nach Ratifizierung und Transferierung des DBA in nationales Recht im Wege eines Treaty Override wieder außer Kraft gesetzt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

c. Aus dem Umstand, dass vorliegend das „Ob“ der Anrechnung feststeht, der Gesetzgeber jedoch keine positivrechtliche Regelung hinsichtlich des „Wie“ geschaffen hat, ergibt sich die Notwendigkeit einer ergänzenden Rechtsfortbildung.

Eine solche setzt eine Lücke im Gesetz voraus, also das Fehlen einer erforderlichen gesetzlichen Anordnung. Dies ist der Fall, wenn die Regelung eines bestimmten Sachbereichs keine besonderen Bestimmungen für eine Frage enthält, die nach dem gesetzlichen Grundgedanken und der dem Gesetz immanenten Teleologie hätte mitgeregelt werden müssen (vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO, Rn. 345).

Eine solche Lücke ist hier gegeben, denn ausgehend von der klaren Anordnung des DBA Kanada (sowie anderer DBA), welches eine Anrechnung vorschreibt, hätte es zur Umsetzung der Anrechnung einer den § 34c EStG und § 26 KStG entsprechende Anrechnungsvorschrift bedurft.

Es handelt sich insoweit um eine offene Regelungslücke sowie um einen Normwiderspruch (vgl. Drüen, a.a.O., Rn. 351, 353). Denn das Gewerbesteuergesetz enthält schlicht keine Vorschriften betreffend die Anrechnung ausländischer Quellensteuern was, wie bereits ausgeführt, daran liegen mag, dass in der Vergangenheit kein Erfordernis und keine Notwendigkeit für eine entsprechende Regelung bestand (siehe oben A. 2. b.). Aufgrund der grundsätzlichen Anordnung („Ob“) der Anrechnungen ausländischer Quellensteuer auf die Gewerbesteuer, hätte es indes einer entsprechenden Regelung bedurft.

Um diese Lücke auszufüllen, ist das Gesetz nach seinem Grundgedanken und seiner Systematik fortzuentwickeln. Dies bedeutet, dass die Lücke so auszufüllen wäre, wie der Gesetzgeber die Frage – hätte er sie gesehen – wahrscheinlich geregelt hätte (vgl. Drüen, a.a.O., Rn. 356). Hierbei ist zu berücksichtigten, dass der Gesetzgeber bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer Regelungen geschaffen hat, die die von einem Abkommen geforderte Anrechnung ausländischer Steuern regeln. Grundnorm ist dabei die Vorschrift des § 34c EStG, welche – mit Modifikationen – über § 26 KStG im Wesentlichen auch auf Körperschaftsteuersubjekte anzuwenden ist. Wenn nunmehr eine ausländische Quellensteuer auf die Gewerbesteuer anzurechnen ist, so kann dies nach der gesetzlichen Systematik nur durch eine entsprechende Anwendung der § 34c EStG, § 26 KStG erfolgen. Dass dies so ist, ergibt sich auch aus dem Vergleich zu unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, welche gemäß § 8 Absatz 2 i. V. m. § 1 Absatz 1 Nr. 1 KStG ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Denn bei diesen Steuerpflichtigen besteht – bei all den gebotenen Unterschieden zwischen Körperschaft- und Gewerbesteuer – der größte Gleichlauf in Bezug auf die der Besteuerung zugrundeliegende Bemessungsgrundlage und deren Eingang in eine steuerliche Festsetzung. Es ist nicht erkennbar, warum eine Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer anderen Anrechnungsmaßstäben oder einer anderen Technik folgen sollte, als dies bei einer Anrechnung auf die Körperschaftsteuer der Fall ist.

d. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die jüngere finanzgerichtliche Rechtsprechung (vgl. Niedersächsisches FG vom 18. März 2020 – 6 K 20/18 – EFG 2020, 1009, Rev. eingelegt, Az. des BFH I R 16/20, sowie vom 16. Juli 2015 – 6 K 196/13 –, EFG 2015, 2200, rkr.). Zwar führt das Niedersächsische FG in seiner Entscheidung vom 18. März 2020 aus, dass § 34c EStG nur Regelungen über die Anrechnung auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, oder wahlweise über den Abzug von der entsprechenden Bemessungsgrundlage regeln würde, nicht jedoch über die Anrechnung auf die GewSt bzw. den Abzug vom Gewerbeertrag. Allerdings war in den genannten Verfahren zwischen den Beteiligten (nur) die Frage streitig, ob ausländische Quellensteuern auf nach § 8b KStG steuerfreie Streubesitzdividenden gemäß § 7 Absatz 1 GewStG i.V.m. § 26 Absatz 6 KStG und § 34c Absatz 2 EStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags, also der Bemessungsgrundlage abziehbar sind. Die Frage des Abzugs der ausländischen Quellensteuern von der Gewerbesteuer selbst war – soweit ersichtlich – nicht streitig.

Im Hinblick auf die vor dem Niedersächsischen Finanzgerichts streitige Frage schließt sich der Senat dessen Sichtweise insoweit an, dass für einen Abzug ausländischer Steuern von dem Gewerbeertrag als gewerbesteuerlicher Bemessungsgrundlage kein Raum ist. Dies ergibt sich aber bereits daraus, dass die entsprechenden DBA eine solche Kürzung überhaupt nicht anordnen und insofern – auf Ebene der DBA – bereits nicht das „Ob“ einer Kürzung geregelt ist. Infolgedessen stellt sich bereits nicht die Frage, ob es – in Umsetzung einer Anordnung durch ein DBA – einer innerstaatlichen entsprechenden Anwendung der einkommen- bzw. körperschaftsteuerlichen Vorschriften bedarf.

Über die im vorliegenden Verfahren streitige Frage einer entsprechenden Anwendung der einkommen- bzw. körperschaftsteuerlichen Vorschriften im Hinblick auf den von der Klägerin begehrten Abzug ausländischer Steuern direkt von der Gewerbesteuer selbst hatte das Niedersächsische Finanzgericht nicht zu entscheiden und sich hierzu im Wesentlichen auch nicht geäußert. Insbesondere wurden keine Argumente genannt, die gegen eine entsprechende Anwendung der Anrechnungsvorschriften auch für Zwecke der Gewerbesteuer sprechen.

e. Eine entsprechende Anwendung ergibt sich auch mit Blick auf andere von Deutschland abgeschlossene Abkommen. So regelt etwa das DBA Schweiz in Art. 2 Absatz 3 Buchstabe e), dass das Abkommen (auch) für die Gewerbesteuer gilt. In den Fällen jedoch, in denen nicht die Freistellungsmethode, sondern die Anrechnungsmethode Anwendung findet (etwa in Fällen des Dividendenbezugs bei einer Beteiligungsquote von weniger als 20 % oder sofern die die Dividenden ausschüttende Gesellschaft ihre Erträge nicht aus einer aktiven Tätigkeit bezieht, vgl. Art. 24 Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe b) DBA Schweiz) erfolgt die Anrechnung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Abkommens gemäß Art. 24 Absatz 1 Nr. 2 des Abkommens nicht auf die Gewerbesteuer.

Die verhandelnden Staaten haben durch derartige ausdrückliche Regelungen mithin Wege und Formulieren gefunden und in das Abkommen aufgenommen, um eine – aus ihrer Sicht – unerwünschte Anrechnung zu vermeiden. Umgekehrt muss mithin davon ausgegangen werden, dass in den Fällen, in denen die unterzeichnenden Staaten, wie etwa im DBA Kanada geschehen, keine ausdrückliche Regelung in das Abkommen aufnehmen, sie die sich ergebende Doppelbesteuerung auch durch Anrechnung auf die Gewerbesteuer vermeiden oder zumindest vom Grundsatz her nicht ausschließen wollten (vgl. Kessler, Dietrich, IStR 2011, 108 (109)).

3. Die Anrechnung hat mithin in entsprechender Anwendung von § 26 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, § 34c Absatz 6 Satz 2 EStG zu erfolgen.

a. Für die Anrechnung der kanadischen Steuer auf die Gewerbesteuer gelten bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten die Vorschriften des § 34c Absatz 1 bis 3 und 5 bis 7 EStG, § 26 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 KStG analog. Gemäß § 34c Absatz 6 Satz 2 EStG ist in den Fällen, in denen die DBA (auch) eine Anrechnung vorsehen, auf den anzurechnenden Teil § 34c Absatz 1 Satz 2 bis 5 sowie Absatz 2 anzuwenden, soweit das DBA dies nicht ausschließt. § 34c Absatz 1 Satz 2 bis 5 EStG regelt dabei die Abzugsbetragshöhe und Abzugszeitpunkt. In entsprechender Anwendung müssen die sich hieraus ergebenden potentiellen Beschränkungen der Anrechnung auch bei der Gewerbesteuer Anwendung finden.

Ob und wie dies im Einzelfall zu geschehen hat, kann gleichwohl im vorliegenden Fall dahinstehen. Denn in den Streitzeiträumen setzte sich der Gewerbeertrag (fast) ausschließlich aus den kanadischen Dividendenerträgen zusammen, so dass eine Anrechnung – gegebenenfalls bis zur vollen Höhe der deutschen Gewerbesteuer – zu erfolgen hat und auch keine Berechnung nach der Herkunft der Dividenden (per-country-limitation) vorzunehmen ist.

b. Nicht zu entscheiden war vorliegend auch über die, sich bei einer entsprechenden Anwendung der Anrechnungsvorschriften auf die Gewerbesteuer stellende Frage, in welcher Reihenfolge die Anrechnung vorzunehmen ist. Denn diese Frage könnte sich nur dann stellen, wenn gegen die Steuerpflichtige Körperschaftsteuer festgesetzt wird. Denn in diesem Fall wäre fraglich, ob die Anrechnung zuerst und in voller Höhe bei der Körperschaftsteuer zu erfolgen hätte (und nur ein eventuell verbleibender Anrechnungsüberhang bei der Gewerbesteuer anzurechnen ist), oder ob eine verhältnismäßige Teilung und Anrechnung vorzunehmen ist. Da im vorliegenden Fall die Körperschaftsteuer indes in den den streitigen Erhebungszeiträumen entsprechenden Veranlagungszeiträumen jeweils null Euro betrug, braucht der Senat hierüber nicht zu entscheiden.

B. Die Feststellung der Anrechnung hat sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Rahmen des Gewerbesteuermessbescheides zu erfolgen.

1. Steuermessbeträge, die nach den Steuergesetzen zu ermitteln sind, werden gemäß § 184 Absatz 1 Satz 1 AO durch Steuermessbescheid festgesetzt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift wird mit der Festsetzung der Steuermessbeträge auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Der Inhalt des Bescheides wird durch die Festsetzung des Messbetrages und der Entscheidung über die persönliche und sachliche Steuerpflicht nicht abschließend vorgegeben, was sich aus dem Wort „auch“ ergibt (Ratschow, in: Klein, § 184 AO, Rn. 6). Sein Inhalt richtet sich mithin im Übrigen nach materiellem Recht, also vorliegend nach § 14 GewStG.

Nach Auffassung des Senats sind im Rahmen des Messbetragsverfahrens auch Feststellungen hinsichtlich eventueller Anrechnungsbeträge zu treffen, welche dann mit Bindungswirkung von der hebeberechtigten Gemeinde im Gewerbesteuerbescheid umzusetzen sind. Dies hat ungeachtet des Umstandes zu geschehen, dass es sich bei den entsprechend anzuwendenden § 34c EStG und § 26 KStG um Tarifvorschriften handelt (vgl. Roser, in: Gosch, KStG, § 26, Rn. 8, Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 34c, Rn. 1).

Unzutreffend ist insoweit die Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2013 – 5 A 329/12 –, DStRE 2015, 420 ff.), dass eine Anrechnung der kanadischen Quellensteuer im Rahmen der Festsetzung der Gewerbesteuer durch die Gemeinde systemwidrig wäre. Denn wie der VGH an anderer Stelle in seiner Entscheidung zutreffend festgestellt hat, ermitteln zunächst die Finanzämter die steuerrelevanten Sachverhalte und setzen den Gewerbesteuermessbetrag fest. Anschließend setzen – zumindest in den Flächenstaaten (vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 1, Rn. 37) – die Gemeinden die Gewerbesteuer unter Zugrundelegung des vom Finanzamt festgesetzten Steuermessbetrags und unter Anwendung ihres Hebesatzes (§ 16 GewStG) fest. Diese Zweiteilung des Verfahrens folgt daraus, dass gemäß Art. 108 Absatz 2 GG (auch) die Gewerbesteuer von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, den Gemeinden jedoch gemäß Art. 108 Absatz 4 GG die Verwaltung ganz oder teilweise übertragen werden kann. In Umsetzung dieser Möglichkeit hat auch das Land Hessen gemäß § 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten der Gemeinden für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern – RealStFestGemZustG – den Gemeinden die Zuständigkeit über die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer übertragen.

Die Anwendung einer Tarifvorschrift setzt indes im Verfahrensablauf im Rahmen der Festsetzung einer Steuer an. Denn um überhaupt eine Anrechnung auf eine Steuer vornehmen zu können, muss diese zunächst einmal – ohne Berücksichtigung der Anrechnung – rechnerisch ermittelt werden. Dies geschieht bei der Gewerbesteuer durch Multiplikation des Messbetrages mit dem kommunalen Hebesatz. Diese Aufgabe fällt in den Flächenstaaten unstreitig den Gemeinden zu, so dass diese die eigentliche Anrechnung im Zuge der Gewerbesteuerfestsetzung auch tatsächlich durchzuführen haben. Insofern ist es unzutreffend, wenn der VGH Kassel davon spricht, eine Anrechnung durch die Gemeinden sei systemwidrig.

2. Aus der Zweiteilung des Verfahrens ergibt sich allerdings, dass die Gemeinden diese Anrechnung nicht von sich aus und / oder auf Antrag des Steuerpflichtigen durchführen können (so auch Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 16, Rn. 2a). Denn eine in entsprechender Anwendung der § 34c EStG und § 26 KStG durchzuführende Anrechnung kann nicht losgelöst von der Ermittlung der sonstigen Besteuerungsgrundlagen erfolgen. Insbesondere in den Fällen, in denen sich nach den § 34c Absatz 1 Satz 2 ff. EStG Anrechnungshöchstbeträge ergeben, kann die Ermittlung eines derartigen Höchstbetrages nicht losgelöst von der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen erfolgen. Gleiches gilt in den Fällen, in denen die ausländische Steuer (auch) auf die Gewerbesteuer anzurechnen ist (etwa, weil noch Körperschaftsteuersubstrat zur Anrechnung vorhanden ist, dieses allerdings nicht ausreicht, in voller Höhe eine Anrechnung vorzunehmen). Auch in diesen Fällen ist durch die Finanzverwaltung zu ermitteln und festzustellen, in welcher Höhe eine ausländische Steuer auf die Gewerbesteuer anzurechnen ist. Die eigentliche Anrechnung indes hat dann gleichwohl die Gemeinde vorzunehmen.

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die begehrte Feststellung jedoch nicht direkt durch eine Änderung der ursprünglichen Gewerbesteuermessbescheide erfolgen. Denn eine Korrektur dieser Verwaltungsakte scheitert am Vorliegen einer entsprechenden Korrekturnorm und es ist insbesondere auch keine Änderung wegen eines Vorbehalts der Nachprüfung möglich, da dieser Vorbehalt wegen Ablaufs der Feststellungsfrist entfallen ist.

a. Gemäß § 164 Absatz 1 Satz 1 AO können Steuern, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf, § 164 Absatz 1 Satz 1 AO. Nach Absatz 2 Satz 1 kann die Steuerfestsetzung, solange der Vorbehalt wirksam ist, jederzeit aufgehoben oder geändert werden. Nach Absatz 4 Satz 1 der Vorschrift entfällt der Vorbehalt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. Gemäß § 184 Absatz 1 Satz 3 AO gelten diese Vorschriften auch für die Festsetzung von Steuermessbeträgen. Die vierjährige (§ 169 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 AO) Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, § 170 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 AO.

Die Gewerbesteuererklärungen 2008, 2009 und 2010 gingen bei dem Beklagten am 29. September 2009, 27. Oktober 2010 bzw.10. August 2011 ein. Mit Ablauf der Jahre 2013, 2014 bzw. 2015 ist somit Festsetzungsverjährung eingetreten und der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen.

Hieran ändert auch die Vorschrift des § 181 Absatz 5 AO nichts. Danach kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist.

Zwar sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegend insoweit erfüllt, als dass die Gewerbesteuerbescheide im Zeitpunkt der Antragstellung infolge des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (2008) bzw. des Ruhens der Widerspruchsverfahren (2009 und 2010) noch nicht bestandskräftig waren und § 181 Absatz 5 AO auch (neben erstmaligen Feststellungen) die Änderung oder Aufhebung von Verwaltungsakten ermöglicht (vgl. Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 181, Rn. 19). Voraussetzung ist indes in diesen Fällen, dass die Änderung eines Verwaltungsaktes durch eine entsprechende Korrekturvorschrift ermöglicht wird. Dies deshalb, weil es sich bei § 181 Absatz 5 AO nicht um eine eigenständige Änderungsvorschrift handelt (vgl. Brandis, a.a.O.).

Vorliegend ist jedoch keine entsprechende Änderungsvorschrift gegeben und kann eine Änderung insbesondere nicht nach § 164 Absatz 1 Satz 1 AO erfolgen. Dies liegt darin begründet, dass § 181 Absatz 5 AO nicht zu einer Hemmung der Verjährungsfristen führt. Mit Ablauf der Festsetzungsverjährung jeweils zum 31.12.2013, 2014 und 2015 ist somit der Vorbehalt der Nachprüfung weggefallen und kommt eine Änderung nicht mehr in Betracht (vgl. Brandis, a.a.O.).

4. Allerdings kann die Feststellung der Anrechnung dem Grunde und der Höhe nach vorliegend durch Erlass eines Ergänzungsbescheides nach § 179 Absatz 3 AO i.V.m. § 184 Abs. 1 Satz 3 AO erfolgen. Nach dieser Vorschrift ist, soweit in einem Feststellungsbescheid eine notwendige Feststellung unterblieben ist, diese in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen.

a. Die Vorschrift des § 179 Absatz 3 AO ist über die Verweisungsvorschrift des § 184 Abs. 1 Satz 3 AO auch für das Messbetragsverfahren entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift verweist insoweit auf den Vierten Teil der Abgabenordnung. Zur Überzeugung des Senats erstreckt sich dieser Verweis über die sinngemäße Anwendung auch auf die Regelungen über gesonderte Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen (§§ 179-183). Zwar hat der Gesetzgeber in § 184 Abs. 1 Satz 4 AO zwischenzeitlich auch geregelt, dass § 182 Abs. 1 und für Grundsteuermessbescheide auch Abs. 2 und § 183 sinngemäß anzuwenden sind. Die gesonderte entsprechende Anordnung der dort genannten Vorschriften bedeutet gleichwohl nicht, dass der Gesetzgeber keine Verweisung auf die übrigen Regelungen über gesonderte Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen anordnen wollte.

aa. Für diese Auffassung spricht zunächst einmal der Sinn und Zweck der Vorschrift und die dienende Funktion sowohl des Feststellungs- als auch des Messbetragsverfahrens für das jeweils nachfolgende Festsetzungsverfahren (vgl.Boeker in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 184 AO, Rn. 50f).

Durch beide Verfahren werden nämlich (lediglich) Grundlagen für die Besteuerung selbständig festgestellt und handelt es sich um Ausnahmen von dem in § 157 Abs. 2 AO normierten Grundsatz, dass die Besteuerungsgrundlagen einen unselbständigen – nur im Rahmen der Steuerfestsetzung anfechtbaren – Teil des Steuerbescheids bilden. Die Verselbständigung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen kann indes nie Selbstzweck sein, sondern hat stets eine dienende Funktion gegenüber der Steuerfestsetzung (vgl. Söhn in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 179 AO, Rn. 50). Dies gilt für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlage nach den §§ 179 ff. AO. Und dies gilt auch für die Festsetzung von Messbeträgen. In beiden Fälle muss es daher möglich sein – sofern der Folgebescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist – nicht nur eine gesonderte Feststellung, sondern eben auch einen Messbetragsbescheid auch nach Ablauf der für diesen Bescheid geltenden Feststellungsfrist insoweit zu erlassen, als dies für die nachfolgende Steuerfestsetzung auf Grundlage des Messbetrags von Bedeutung ist.

bb. Für eine weite Auslegung spricht auch der Wortlaut und die eindeutige Verweisung in § 184 Absatz 1 Satz 3 AO. Diese schränkt den Anwendungsbereich grade nicht auf bestimmte Abschnitte oder Unterabschnitte ein, sondern verweist mit den Vorschriften über die „Durchführung der Besteuerung“ eindeutig auf den Vierten Teil der Abgabenordnung. Eine Einschränkung durch Satz 4 hätte zudem erfordert, dass dort eine Formulierung wie etwa „Abweichend von Satz 3...“ ihren Niederschlag gefunden hätte. Dies ist jedoch grade nicht der Fall, sondern es wurde die Formulierung „Ferner…“ gewählt, mit der üblicherweise grade nicht eine Einschränkung, sondern eine Erweiterung eingeleitet wird.

cc. Letztlich kommt man auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zu diesem Ergebnis. So regelte § 184 Abs. 1 Satz 3 AO in der Fassung vom 16.3.1976, dass die Vorschriften über die Steuerfestsetzung sinngemäß anzuwenden sind. Mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1986 (Gesetz vom 19.12.1985 – Bundesgesetzblatt Teil I 1985, S. 2436 –StBereinG 1986–) wurde diese Vorschrift dahingehend geändert, dass anstelle der Vorschriften über die Steuerfestsetzung die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß anzuwenden sind. Nach der Gesetzesbegründung (vgl. Bundestags-Drucksache 10/1363, S. 48) erfolgte diese Änderung deshalb, weil sich gezeigt habe, dass die Bezugnahme auf die Vorschriften über die Steuerfestsetzung zu eng sei und durch die Änderung insbesondere klargestellt werde, dass auch die Vorschriften über die Ermittlung der Steuer und über die Steuererklärungen gelten. Diese Begründung spricht dafür, dass der Gesetzgeber bei Änderung des § 184 Abs. 1 Satz 3 durch das StBereinG 1986 übersehen hat, § 184 Abs. 1 Satz 4 an die (neue und weitergehende) Vorschrift des Satz 3 anzupassen. Satz 4 hat daher nur deklaratorische Bedeutung und schließt eine sinngemäße Anwendung weiterer Regelungen über gesonderte Feststellungen nicht aus (zustimmend Boeker, a.a.O., Rn. 50b; ablehnend Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 184 AO, Rn. 5, jeweils m.w.N.).

b. Dem Erlass entsprechender Ergänzungsbescheide steht auch nicht die Bestandskraft der zu ergänzenden Gewerbesteuermessbescheide entgegen. Dies ergibt sich daraus, dass die zu erlassenden Ergänzungsbescheide jeweils eigenständige Verwaltungsakte sind, die unabhängig von der Bestandskraft des zu ergänzenden Bescheides ergehen können (vgl. Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 179 AO, Rn. 20). Voraussetzung für den Erlass eines Ergänzungsbescheides zu einem Messbetragsbescheid nach § 184 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 179 Absatz 3 AO ist somit lediglich, dass der vorangegangene Bescheid wirksam, aber eben unvollständig oder lückenhaft ist. In einem Ergänzungsbescheid sind dementsprechend auch nur solche Feststellungen nachholbar, die in dem vorangegangenen Bescheid „unterblieben” sind. Dies ist der Fall, wenn sie dort hätten getroffen werden müssen, tatsächlich aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht getroffen wurden. Die Vorschrift des § 184 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 179 Absatz 3 AO durchbricht mithin auch nicht die Bestandskraft wirksam ergangener Feststellungs- oder Messbetragsbescheide. Inhaltliche Fehler in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht können daher nicht in einem Ergänzungsbescheid korrigiert werden (BFH-Urteil vom 15. 6. 1994, II R 120/91, BStBl II S. 819; BFH-Urteil vom 11. 5. 1999, IX R 72/96, BFH/NV S. 1446).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass eine mögliche Anrechnung ausländischer Quellensteuern bislang im Verfahren über den Gewerbesteuermessbescheid nicht einmal angedacht wurde. Es liegt insoweit eine unbewusste „Lücke“ im Gewerbesteuermessbescheid vor und dieser ist insoweit unvollständig. Es handelt sich auch nicht um eine Heilung eines Fehlers in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht. Denn der ursprüngliche Gewerbesteuermessbescheid enthielt keinerlei – auch nicht negative – Feststellungen oder Ausführungen zu einer möglichen Anrechnung.

c. Gegen den Erlass entsprechender Ergänzungsbescheide kann auch nicht eingewandt werden, dass die insoweit – also für die Ergänzungsbescheide selbst – geltende Feststellungsfrist bereits abgelaufen war. Denn die Regelung des § 179 Absatz 3 AO schafft zwar über die Korrekturvorschriften des § 129 bzw. der §§ 164 Absatz 1, 165, 172 ff. (jeweils i.V.m. § 184 Absatz 1 Satz 3 AO) hinaus die Möglichkeit, eine Feststellung im Gewerbesteuermessbetragsbescheid zu komplettieren oder „Unklarheiten“ zu beseitigen. Allerdings darf auch diese Ergänzung nur innerhalb der hierfür geltenden Feststellungsfrist geschehen, § 181 Absatz 1 Satz 1 AO i.V. mit § 169 Absatz 1 Satz 1 AO (vgl. BFH, Urteil vom 13. Juli 1999 – VIII R 76/97 – BStBl. II 1999, 747, m.w.N.). Diese Frist war vorliegend zwar bereits abgelaufen (s.o. 4. a.); allerdings kann der Erlass eines Ergänzungsbescheides auch nach Ablauf der insoweit maßgeblichen Feststellungsfrist erfolgen, da hier die Voraussetzungen des § 181 Absatz 5 Satz 1 AO vorliegen (BFH, a.a.O.). Danach kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Dies gilt gemäß § 184 Absatz 1 Satz 3 AO auch für Bescheide über den Steuermessbetrag, so dass ein Ergänzungsbescheid zu einem Messbetragsbescheid trotz Ablauf der Feststellungsfrist auch dann noch ergehen kann, wenn die Festsetzungsfrist für den auf Grundlage des Messbescheides zu erlassenden Steuer noch nicht abgelaufen ist.

So verhält es sich auch hier. Denn vorliegend waren die Gewerbesteuerbescheide (als Folgebescheide der Gewerbesteuermessbescheide) im Zeitpunkt der Beantragung der Ergänzungsbescheide am 24. Februar 2014 (vgl. § 171 Abs. 3 AO) noch nicht bestandskräftig. Dies gilt für den Gewerbesteuerbescheid 2008, der erst mit abweisenden Beschluss des BVerwG am 12. August 2014 bestandskräftig wurde. Und dies gilt auch für die Gewerbesteuerbescheide 2009 und 2010, da über den insoweit erhobenen Widerspruch bis heute keine Entscheidung ergangen ist und die daher ebenfalls noch offen waren (und bis heute sind).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Absatz 1, 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III. Die Revision war im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen, da insbesondere die Rechtsfrage, ob ausländische Quellensteuern in entsprechender Anwendung der § 34c EStG und § 26 KStG auch bei der Gewerbesteuer abziehbar sind, einer Klärung im Interesse der Allgemeinheit bedarf. Entsprechendes gilt für die Frage, ob der Verweis des § 184 Abs. 1 Satz 3 AO auch die Vorschriften über das Feststellungsverfahren mit umfasst, oder ob insoweit nach Satz 4 eine Einschränkung vorzunehmen ist.

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