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RdF-News
06.05.2019
RdF-News
Dr. Jens Steinmüller: Solvency II und langfristige Aktieninvestitionen – Chance für stressarme Fondsbeteiligungen?

Die Auswirkungen von Private-Equity-Anlagen auf den Eigenmittelbedarf von Versicherern sind im Rahmen der Arbeiten zu Solvency II von Anfang an Gegenstand von Diskussionen zwischen Europäischer Kommission, Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmern gewesen. Sollte ursprünglich für praktisch alle Eigenkapitalinvestments im außerbörslichen Bereich der recht hohe Stressfaktor von 49 % gelten, war bereits zum Start von Solvency II im Januar 2016 eine Erleichterung u. a. für bestimmte nicht hebelfinanzierte AIF vorgesehen, die je nach Transparenzgrad entweder insgesamt oder im Hinblick auf ihr Equity-Portfolio mit einem Stressfaktor von 39 % versehen werden. Es folgten Reduktionen für Anlagen in qualifizierte Infrastruktur-Projekte und im weiteren Verlauf sog. Infrastructure Corporates.  

Recht kurzfristig – und in Abweichung vom Rat der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA – führte die Kommission in ihrer Delegierten Verordnung vom 8.3.2019 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 („SII-DVO“) die neue Kategorie der „Langfristigen Aktieninvestitionen“ ein. Während die daneben vorgesehene Möglichkeit der Einstufung von Private Equity als Type 1 Equity (mit dem Stressfaktor 39 %) auf der Grundlage der sog. Beta-Methode für mittelbare Anlagen über Private Equity-Fonds nicht weiterverfolgt wurde, sieht die Änderungsverordnung ausdrücklich die Möglichkeit vor, Beteiligungen an Fonds als langfristige Aktieninvestition mit einem Stressfaktor von 22 % einzuordnen. 

Allerdings ist die Qualifikation an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, die kumulativ einzuhalten sind. Dreh- und Angelpunkt ist die Zugehörigkeit betreffender Beteiligungen zu einer Untergruppe von Aktieninvestitionen. Produktseitig ist zu beachten, dass es sich – bei nicht notierten Anteilen – ausschließlich um solche von Unternehmen mit Sitz im EWR handelt. Der Vorteil von Fondsinvestments gegenüber Direktanlagen in diesem Zusammenhang ist, dass es nur auf die Fondsebene ankommt, sodass auch Fonds mit einem globalen Investitionsansatz grundsätzlich für den günstigen Stressfaktor in Betracht kommen. Auch das Erfordernis, dass die Haltedauer jeder Fondsbeteiligung genau bestimmt ist und im Schnitt mindestens fünf Jahre beträgt, lässt sich bei üblich konzipierten geschlossenen Fonds in der Regel gut erfüllen.  

Allerdings betreffen die meisten Anforderungen nicht die Merkmale der Fonds, an denen sich ein Solvency II-Investor langfristig beteiligen soll, sondern die Sphäre des Investors. So müssen als langfristige Aktieninvestments zu behandelnde Fondsbeteiligungen zu einem separierten Teilportfolio gehören, dass bestimmten Versicherungsverpflichtungen dauerhaft zugeordnet ist. Dabei soll der Investor insbesondere gewährleisten, dass Zwangsveräußerungen für mindestens zehn Jahre vermieden werden.  

Mit einer Separierung von Teilportfolien zur Darstellung langfristiger Aktieninvestitionen würden (jedenfalls deutsche) Versicherer zum größten Teil Neuland betreten. Auch wenn ein Ringfencing anders als in dem im November konsultierten Entwurf nicht mehr vorgesehen ist, dürfte auch die jetzt erforderliche moderate Bildung von Sonderverbänden die Praxis vor erhebliche Herausforderungen stellen, zumal weder die in der Verordnung vorgesehenen Anforderungen noch die Folgen einer Nichteinhaltung gänzlich klar sind. Bleibt zu hoffen, dass die nächste sich bietende Chance ergriffen wird, unter Berücksichtigung der Rückmeldungen der Marktteilnehmer und Aufsichtsbehörden nachzubessern, um in Europa dringend benötigte Rahmenbedingungen für ein politisch gewolltes freundliches Investitionsklima zu schaffen.  

Dr. Jens Steinmüller, LL.M. (Boston University), RA, ist Partner im Bereich Private Funds bei P+P Pöllath + Partners in Berlin.

 

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