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RdF-News
12.03.2018
RdF-News
Dr. Jochen Eichhorn: Nachhaltigkeit der Finanzwirtschaft – aber wie?

Seit den 70erJahren versuchen die Wissenschaft, aber auch die Praxis zu erforschen, ob und wie sich Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) auf die Wertentwicklung von Unternehmen und von Wertpapierportfolien auswirken. Dabei ist man in empirischen Studien letztmalig im Jahre 2015 zu dem Ergebnis gekommen, dass in mehr als 50 % der Fälle positive und in nur in 10 % der Fälle negative Zusammenhänge nachzuweisen sind (Absolut Report, 6/2017, 29). Mit der zunehmenden Bedeutung, die Nachhaltigkeitsüberlegungen in der Welt erlangen, sollte sich dieser Befund seitdem verstärkt haben und noch weiter verstärken. Kurz gesagt, wer ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich führen oder werthaltige Finanzinstrumente, wie Aktien oder Anleihen, finden will, ist gut beraten, sich auch an den Nachhaltigkeitskriterien zu orientieren. Die Frage, die sich dann jedoch aufdrängt ist, was genau mit „Nachhaltigkeit“ gemeint sein soll.

Hier kommt nun der Aktionsplan der EU-Kommission für eine umweltfreundliche und saubere Wirtschaft („Nachhaltiges Finanzwesen“) vom 6.3.2018 gelegen. Die EU-Kommission beschränkt in diesem Zusammenhang den Nachhaltigkeitsbegriff auf die Umwelt und lässt Sozial- und Governance-Kriterien unberücksichtigt. Das ist zunächst zu begrüßen, weil bekanntlich die Umweltproblematik für alle über kurz oder lang eine existenzielle Bedeutung hat. Da ist es gut, wenn man sich hierauf fokussiert und damit die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass greifbare Ergebnisse erzielt werden.

Zu begrüßen ist auch, dass sich die EU-Kommission die Einführung eines Systems zur Klassifizierung („Taxonomie“) vorgeschlagen hat, um auf dem Markt für Klarheit darüber zu sorgen, was „nachhaltig“ ist. So wichtig wie diese Klarstellung ist, so interessant wird es sein, wie diese Klassifizierung im Detail aussehen wird und nach welchen Kriterien die Klassifizierungen vorgenommen werden. Es bleibt zu hoffen, dass nur die objektiven Kriterien berücksichtigt werden und keine subjektive Bewertung vorgenommen wird. Denn eine Bewertung in dem Sinne, dass z. B. die von einem Automobilhersteller herausgegebenen Finanzinstrumente dann als weniger „nachhaltig“ zu klassifizieren sind, wenn dessen Angebot in erheblichem Umfang Dieselfahrzeuge vorhält, als die eines Herstellers mit einem großen Sortiment an elektrizitätsbetriebenen Autos, erschiene bedenklich. Denn schließlich ist deren Öko-Bilanz wegen der ressourcenintensiven Herstellung und der problematischen Entsorgung von Batterien bekanntlich auch nicht über jeden Zweifel erhaben.

Begrüßenswert ist ebenfalls, dass Finanzinstitute und sonstige Unternehmen angehalten werden sollen, besser offenzulegen, wie „Nachhaltigkeit“ in ihren Entscheidungsprozess einfließt. Dies sollte sich auch auf die Produktdokumentation von Finanzinstrumenten auswirken. Darüber hinaus kann die Idee, die „Nachhaltigkeit“ in die Mandate der europäischen Aufsichtsbehörden aufzunehmen, das wichtige Thema von der regulatorischen Seite unterstützen.

Kritisch zu betrachten ist es hingegen, wenn den Investoren Pflichten bei der Schaffung eines nachhaltigen Finanzsystems auferlegt werden sollen. Es würde sich dabei um eine dirigistische und im Übrigen auch weitgehend überflüssige Maßnahme handeln. Wenn nachhaltiges Investieren – wie eingangs dargestellt und empirisch belegt – auch wirtschaftlich sinnvoll ist, dann muss man eine solche Pflicht nicht verordnen. Es sollte vielmehr reichen, wenn dem Thema „Nachhaltigkeit“ durch mehr Transparenz eine größere Bedeutung beigemessen wird. Wir sehen es z. B. im boomenden Immobilienmarkt, auf dem Projektentwickler die Vermarktungschancen deutlich verbessern, indem sie die Gebäude zu „Green Buildings“ hin entwickeln und ökologischen Aspekten eine zunehmend große Bedeutung beimessen. Dem sollte auch die Produktdokumentation immobilien-orientierter Finanzinstrumente Rechnung tragen.

Bedenken begegnet auch die Schaffung eines EU-weiten Gütesiegels für grüne Anlagefonds. Hier muss man befürchten, dass überfordert ist, wer dieses Siegel zu vergeben hat. Etikettenschwindel ist vorprogrammiert. Da weist schon eher der BVI mit seiner Stellungnahme in die richtige Richtung, indem er sich dafür ausspricht, dass die Kriterien für Nachhaltigkeit sowohl beim Rating wie auch im Research berücksichtigt werden sollten (BZ vom 6.2.2018, 1). Gehör finden sollten auch die Bedenken der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), die davor warnt, ohne eine sorgfältige Abwägung der Auswirkungen die gesamte Kreditwirtschaft mit neuen Regulierungen zu belasten (PM DK vom 2.2.2018). Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass gerade auch die kleinen und mittleren Kreditinstitute für die Finanzierung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien einen bedeutenden Beitrag leisten. Deren Wirken sollte durch eine Regulierung nicht behindert werden, indem dem von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in letzter Zeit immer wieder hervorgehobenen Proportionalitätsgrundsatz Rechnung getragen wird.

Dr. Jochen Eichhorn, RA, ist Partner bei Lachner Westphalen Spamer in Frankfurt a. M.

 

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