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RdF-News
09.12.2015
RdF-News
Dr. Thomas A. Jesch: MiFID II – Zurück in die Zukunft

Das Inkrafttreten der überarbeiteten Finanzmarktrichtlinie Markets in Financial Instruments Directive II (MiFID II) sowie der zugehörigen Verordnung Regulation on Markets in Financial Instruments (MiFIR) wird wohl in Gänze verschoben, ein Inkrafttreten am 3.1.2017 erscheint damit ausgeschlossen. Für Finanzportfolioverwalter und Anlageberater besteht aber gleichwohl kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen.

Um die Verschiebung (wohl auf Januar 2018) durchzusetzen, muss die EU-Kommission einen entsprechenden Gesetzgebungsvorschlag präsentieren. Die ESMA und die zuständigen Europaparlamentarier stehen hinter den Plänen der EU-Kommission – dies auch, da die Erarbeitung praktikabler technischer Standards noch Zeit in Anspruch nehmen wird. Allerdings machen die Europaparlamentarier ihre Zustimmung davon abhängig, dass die EU-Kommission die ausstehenden Umsetzungsrechtsakte zeitnah finalisiert und hierbei die Prioritäten des Europäischen Parlaments im Auge behält.

Auf nationaler Ebene haben erst einige Mitgliedstaaten Entwürfe zur Umsetzung publiziert. So liegt in Deutschland seit Mitte Oktober ein Referentenentwurf für ein Finanzmarktnovellierungsgesetz vor. Anlageberater müssen danach initial ihre Kunden darauf hinweisen, ob ihre Beratung abhängig oder unabhängig erfolgt. Der unabhängige Anlageberater muss auf Vertriebsprovisionen komplett verzichten. Fraglich ist noch darüber hinaus, wo die Geringfügigkeitsschwelle bei den ebenfalls untersagten nichtmonetären Vorteilen zu ziehen sein wird. Ist sie bereits bei kostenlosen Schulungen überschritten? Aber auch für den „abhängigen“ Anlageberater herrschen Restriktionen. Die Entgegennahme von Provisionen soll hier nur zulässig sein, wenn sie die Qualität der Dienstleistung verbessert. Von den MiFID-Regelungen ist der Finanzanlageberater nach § 34f GewO nicht erfasst; über das Honoraranlageberatungsgesetz wurden für diesen aber vergleichbare Restriktionen implementiert. In der Finanzportfolioverwaltung wird die Entgegennahme von Provisionen generell nicht mehr zulässig sein.

Auch in Sachen Zielmarktdefinition ist noch viel Arbeit zu leisten. Ein Produkthersteller bzw. Emittent muss ein Finanzinstrument künftig so ausgestalten, dass es den Bedürfnissen eines bestimmten Zielmarkts an Endkunden innerhalb der jeweiligen Kundengattung entspricht. Hier sollten sich Emittent und Vertriebspartner schon jetzt abstimmen, um einen hausinternen Standard auf den Weg zu bringen. Von der Sequenz her würde idealiter zunächst der Zielmarkt bestimmt, sodann dessen Bedürfnisse ermittelt und schließlich das Finanzinstrument konzipiert. Der Zielmarkt umfasst stets Kundengruppen innerhalb einer Kundengattung – so z. B. innerhalb der Privatkunden jene mit einem Anlagehorizont von z. B. zehn Jahren. Was aber sind die „Bedürfnisse“ dieses Zielmarkts? Anlageziele, Risikotoleranz, finanzielle Verhältnisse/Verlusttragungsfähigkeit und Kenntnisse und Erfahrungen im Anlagebereich dürften hier relevant sein.

Ein weiteres Thema ist der Kostenausweis. Dem Kunden ist eine Gesamtkostenzahl bestehend aus den Kosten des Finanzinstruments und den Kosten der Dienstleistung zu kommunizieren. Letztere dürften relativ schwierig zu ermitteln bzw. zu bepreisen sein.

Auch die Pflicht zur Meldung von Verlusten in der Vermögensverwaltung bzw. bei Privatkundendepots mit bestimmten Finanzinstrumenten ist neu. Eine solche Meldung an den Kunden hat zu erfolgen, wenn (i) bei der Vermögensverwaltung im Portfolio ein Wertverlust i. H. v. 10 % seit dem letzten regelmäßigen Bericht eingetreten ist oder (ii) – dies allerdings dispositiv – im Depot ein Verlust i. H. v. 10% des Initial Value bezogen auf das einzelne Finanzinstrument eingetreten ist.

Mehr Klarheit zum endgültigen Zeitplan soll im Januar 2016 herrschen, die Marktteilnehmer sind naturgemäß wenig begeistert über die Verzögerung, müssen die hauseigenen Projekte mit externen Beratern insoweit entsprechend „gestreckt“ werden. Andererseits kann man das Mehr an Zeit vielleicht ganz gut nutzen, um z. B. IT-affine Themen mit etwas mehr Ruhe voranzutreiben.

Es dürfte dann angestrebt sein, die finalen Regelungen über die AGB-Änderungsklausel zu implementieren. Dann müssen die geplanten Änderungen den Kunden mindestens zwei Monate vor dem Anwendungsdatum erreichen.

Letztlich zeigt sich doch, dass die Terminverlagerung in die Zukunft nur trügerische Ruhe schafft, bei all den vorliegend nur skizzierten MiFID-/MiFIR-Themen ist der Januar 2018 schnell erreicht.

Dr. Thomas A. Jesch, LL.M. (Georgetown), RA/FAStR

 

 

 

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