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RdF-News
31.10.2019
RdF-News
Holger Steffens: Kann die Finanzverwaltung die Höhe des Teilwerts besser kennen als der Markt?

Diese Frage kann sich stellen, wer das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.2.2019 – XI R 41/17 – liest.

Ein Steuerpflichtiger hatte Teilwertabschreibungen für Anteile an offenen Immobilienfonds vorgenommen. Die Fonds befanden sich zum Bilanzstichtag in Liquidation. Die Ausgabe und Rückgabe von Anteilen waren endgültig ausgesetzt.

Für bestimmte offene und geschlossene Fondskonstruktionen hat sich ein Zweitmarkt etabliert, z. B. an der Hamburger Wertpapierbörse. Für Finanzinstrumente, die nicht an die jeweilige Fondsgesellschaft zurückgegeben werden können, dürfte eine Veräußerung über den Zweitmarkt die einzige Möglichkeit sein, den Gegenwert aus dem Finanzinstrument vor Liquidation zu realisieren.

Der Steuerpflichtige hatte entsprechend bei dem Teilwert auf die Notierungen am Zweitmarkt und nicht auf den veröffentlichten Rücknahmepreis abgestellt. Die Finanzverwaltung ist dem Ansatz in der Betriebsprüfung nicht gefolgt. Hiergegen wurden Rechtsmittel eingelegt.

Das Finanzgericht folgte der Auffassung der Finanzverwaltung.

Dem ist der BFH entgegengetreten. Insbesondere spiegele der Zweitmarktkurs die Erwartungen der Marktteilnehmer über den aktuellen Wert des gesamten Fondsanteils wider. Es könne vom Steuerpflichtigen nicht erwartet werden, besser als der Markt zu wissen, zu welchem Wert die Immobilien tatsächlich in der Zukunft veräußert werden können. Das Vermögen des Fonds war aus der Vermögensübersicht ersichtlich. Der BFH hat daher unterstellt, dass die Marktteilnehmer einschätzen konnten, wie sich die Liquidation auf den Wert der Fondsanteile auswirken kann – die dargestellten Grundsätze sind sehr gut nachvollziehbar.

Die Sache war jedoch noch nicht spruchreif. Es sind noch Tatsachen zu ermitteln (u. a. wegen § 8 InvStG a. F.). Hierauf kann an dieser Stelle nicht gesondert eingegangen werden (s. hierzu Mihm, BB 2019, 1203, sowie Helios, RdF 2019, 265)

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 2.9.2016 zu Teilwertabschreibungen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG Stellung genommen. In Rn. 25 hat sie zu Investmentfonds im Anlagevermögen ausgeführt, dass von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen ist, wenn der Ausgabepreis um mehr als 5 % unter die Anschaffungskosten gesunken ist.

Wenn fremde Dritte nachweislich nur bereit sind, die Anteile zu erheblich geringeren Preisen als den Rücknahmepreisen zu erwerben, sollte dies als Nachweis für den Teilwert ausreichen. Etwaige künftige Werterhöhungen würden sich ohnehin über das Wertaufholungsgebot folgerichtig in der richtigen Periode auch wieder steuerlich auswirken. Das BFH-Urteil v. 13.2.2019 ist bislang nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden; die Grundsätze des Urteils sollten zu einer Anpassung der Regelungen des BMF-Schreibens führen.

Derartige Sachverhalte kommen häufig bei Finanzinstrumenten vor, für die kein eindeutiger Marktpreis vorliegt (im Gegensatz zu den meisten börsennotierten Aktien und Schuldverschreibungen). Oft einigen sich dann die Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung auf einen Kompromiss. Im Zweifel werden Steuerpflichtige geringere Teilwerte aus Vorsichtsgründen ggf. zunächst nicht ansetzen, um wegen der hohen Zinssätze von 6% p.a., die steuerlich nicht abzugsfähig sind, Nachzahlungsrisiken zu vermeiden. Es handelt sich allerdings nur um zeitliche Verschiebungen, für die i. d. R. zudem aktive latente Steuern auf temporäre Differenzen angesetzt werden können.

Die häufigen Diskussionen über zeitliche Verschiebungen aus Bewertungen zeigen jedoch einmal mehr, dass dringender Anpassungsbedarf bei den Zinssätzen im Steuerrecht besteht, wie die Verfahren beim BVerfG 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 zeigen. Mittlerweile scheint sich diesbezüglich etwas zu bewegen. So gibt es erste Überlegungen auf politischer Ebene, zumindest die Zinssätze nach der Abgabenordnung anzupassen. Wenn die Steuernachzahlungen und -erstattungen marktüblich verzinst werden würden, könnten beide Seiten, sowohl Steuerpflichtige als auch Finanzverwaltung, zeitliche Verschiebungen leichter akzeptieren.

Dipl.-Betriebswirt (FH) Holger Steffens, StB, ist Leiter Steuern der IKB Deutsche Industriebank AG in Düsseldorf.

 

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