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RdF-News
02.07.2019
RdF-News
Dr. Götz Weitbrecht: Finanztransaktionssteuer – und täglich grüßt das Murmeltier

Laut Erklärung von Finanzminister Scholz nach der ECOFIN-Sitzung am 13./14.6.2019 soll eine Finanztransaktionssteuer nun bis 2021 von zehn europäischen Staaten im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit eingeführt werden und zwar folgend dem französischen Modell als reine Aktiensteuer. Lt. dem 2011 vorgelegten ersten Entwurf einer EU-Richtlinie sollte die Finanztransaktionssteuer einerseits dazu dienen, die Finanzindustrie an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen und anderseits unerwünschte Transaktionen finanziell zu sanktionieren und so die Finanzmärkte zu stabilisieren. Und schließlich liebäugelte die EU mit einer endlich „eigenen“ Steuer. Nachdem eine globale oder auch nur europaweite Einigung sich schnell als unmöglich erwies, war Scholz‘ Vorgänger Schäuble redlich bemüht, genügend (mindestens zehn) Länder für eine Finanztransaktionssteuer wenigstens im Verfahren der Verstärkten Zusammenarbeit zusammen zu bringen und sich mit ihnen auf eine gemeinsame Ausgestaltung einer solchen Steuer zu einigen. Aufgrund der unterschiedlichen Auswirkungen auf die Kapitalmärkte der verschiedenen Länder einerseits und deren damit inkongruenten Beteiligung am zu erwartenden Kuchen andererseits – vor allem aber auch wegen zahlreicher ungelöster Fragen der praktischen Umsetzung/Erhebung der Steuer – war eine Einigung auf eine bestimmte Ausgestaltung der Finanztransaktionssteuer bislang allerdings nicht möglich. Nur eines stellte sich sehr schnell heraus: Dass die Kosten nicht die Kreditinstitute, sondern deren Privat- und Firmenkunden sowie Instrumente der Altersvorsorge treffen würden und eine Lenkungswirkung gegen „schädliche“ Transaktionen (welche wären das eigentlich?) nicht zu verwirklichen war. Im Gegenteil: Auch Sicherungsgeschäfte von Handel und Industrie wären betroffen gewesen, und alle Europäer hätten Nachteile im Verhältnis zum Rest der Welt erlitten.

Deutschland hat seine noch im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 2013 vereinbarten Anforderungen an eine Finanztransaktionssteuer zwischenzeitlich unauffällig beerdigt: Die Steuer sollte alle Finanzinstrumente umfassen, Auswirkungen auf Altersvorsorge, Kleinanleger und Realwirtschaft vermeiden und „unerwünschte Formen von Finanzgeschäften zurückdrängen“. Im neuen Koalitionsvertrag von 2018 findet sich hingegen nur noch ein „Festhalten“ am Ziel der Einführung der Steuer im europäischen Kontext.

Jetzt soll eine Steuer eingeführt werden ähnlich wie in Frankreich nur auf den Handel mit Aktien von Unternehmen mit Sitz in einem der teilnehmenden Mitgliedstaaten und einer Marktkapitalisierung von über 1 Mrd. Euro (in Deutschland 149 Unternehmen) in Höhe von mindestens 0,2% des Kaufpreises. Erhoben werden soll die Steuer nicht nur von Staaten, die an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen, sondern von allen EU-Mitgliedstaaten und auch von Drittstaaten, was völkerrechtlich problematisch erscheint.

Übrig bleibt also nichts anderes als eine neue Einnahmequelle für den Staat, ein voraussichtlich wohl bürokratisches Monster für diejenigen, die die Steuern erheben und verwalten sollen, und die Hoffnung der Politik, mit dieser Art von „Bashing der Banken und großen Konzerne“ in der Wählergunst zu steigen. Erwartet werden überschaubare Einnahmen in Höhe von ca. 3,5 Mrd. Euro, die primär den großen Ländern zufließen, dann aber nach einem noch zu findenden System teilweise auch den kleineren der zehn Teilnehmerländer zu Gute kommen sollen, damit diese bei der Stange bleiben – eine neuer Finanzausgleich.

Dass die Besteuerung des Aktienhandels den betroffenen europäischen Unternehmen schadet und auch dem Aufbau kollektiver und individueller Altersvorsorge sowie der ohnehin wenig ausgeprägten Aktienkultur in Deutschland nicht gerade zuträglich ist, sind offensichtlich hinzunehmende Kollateralschäden.

Den betroffenen Kreditinstituten bleibt, wenn diese Steuer tatsächlich kommt, sich mit komplexen und teuren Projekten auf deren Erhebung für den Staat einzurichten. In Anbetracht der aktuellen wirtschaftlichen Situation vieler Kreditinstitute, vielfach brennender Themen in der Erneuerung ihrer IT-Landschaften, zusätzlicher Hausaufgaben nach MIFID, PSD2, DAC 6 usw. eine unnötige Zusatzbelastung.

Dr. Götz Weitbrecht, RA/FAStR, ist als Partner bei der Baker Tilly Rechtsanwaltsgesellschaft in Frankfurt tätig und Mitglied im Beirat der RdF.

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