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RdF-News
06.12.2018
RdF-News
Christian Ebner: Cum-Ex, Cum-Cum und nun Cum-Fake – keine Rechtfertigung für das Weiterdrehen der Spirale von Steuerbelastung, Regulierung und Eingriffen in die wirtschaftliche Freiheit

Bei vordergründig technischer Betrachtung handelt es sich überwiegend um ein Versagen der Steuergesetzgebung, die „Missbrauch" oder zumindest Arbitragegeschäfte zulässt. Hinzu kommt, dass Algorithmen die Kapitalertragsteuererstattung vollziehen, wie es nun bei US-American Depository Receipt (ADR) der Fall war, die nicht mit echten Aktien hinterlegt waren. 

Das darf jedoch nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die Spirale von Steuerbelastung, Regulierung und damit Eingriffen in wirtschaftliche Freiheit und Privatsphäre von Steuerpflichtigen weiter zu drehen. Genau das aber passiert. 

Statt die steuerliche Attraktivität des Standorts und von Steuerstrukturen zu erhöhen, wird über die Eindämmung von steuerlichen Gestaltungen, ausgedehnte Reportingpflichten und punktuelle Steuervergünstigungen diskutiert. 

Nachweispflichten expandieren – Entlastungen sind nicht in Sicht. Der Solidaritätszuschlag ist ein Beispiel für enttäuschte legislative Ankündigungen. 6% nicht abziehbare Zinsen nach zehn Jahren Niedrigzins sind skandalös. Negative Zinsen werden als Verwahrentgelt ganz, Aktienverluste partiell vom Abzug ausgeschlossen. Inflations- und damit Scheinrenditen werden besteuert. Anleger werden durch Niedrigzinsen entweder enteignet oder in riskante Assetklassen gezwungen. Altersvorsorge muss ohnehin völlig neu gedacht werden. Aktienfreibeträge alleine dürften das Problem nicht lösen. 

Digitalisierung findet meist zugunsten fiskalischer Interessen Eingang in Gesetze. Nichtanwendungserlasse sind ebenso wenig Inbegriff rechtsstaatlicher Musterbeispiele wie die Praxis gebührenpflichtiger verbindlicher Auskünfte. Die am 25.5.2018 durch EU-Verordnung etablierte Anzeigepflicht von Gestaltungen ist infolge bereits bestehender Mitwirkungspflichten überflüssig, rechtsstaatlich angesichts unbestimmter Rechtsbegriffe zweifelhaft und objektiv meist nicht erfüllbar, weil weder Intermediäre noch Steuerpflichtige prognostizieren können, ob die Rechtsprechung einen strittigen Sachverhalt als steuerlich unerwünscht beurteilen wird. Ähnlich der Situation beim NetzDG drängt sich die Frage verfassungswidriger Verlagerung legislativer Pflichten auf Steuerpflichtige und Steuerberater auf. Der Erwägungsgrund 16 („Abschreckung“) zeigt, wie unverblümt mittlerweile die EU-Bürokratie elementare Grundfreiheiten einzuschränken bereit ist. 

Steuergesetzgeber und Steuerexekutive setzen bei der Bekämpfung auf immer komplexere Mechanismen der Missbrauchsbekämpfung. Spezielle Missbrauchsvorschriften wie etwa § 15 b InvStG a. F. oder §§ 36 a, 50 j EStG und die zuweilen inflationäre Anwendung des § 42 AO fördern Verdruss bei Steuerpflichtigen. Dies liegt auch an der überschießenden und oft doppelbesteuernden Tendenz solcher Vorschriften. § 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 InvStG ist ein aktuelles Beispiel. 

Solange der Steuerbürger bereits ab dem ca. 1,4-fachen des Durchschnittsverdienstes steuerlich als Spitzenverdiener behandelt wird verwundert es wenig, wenn gestalterische Innovationskraft von Financial Engineers zu immer neuen Höhenflügen ansetzt. Bedenklich wird es, wenn steuerinduzierte Wegzüge stetig zunehmen und damit einher gehend Brain Drain sowie Abwanderung von Steuerpotenz zu beklagen ist. 

Die USA, Großbritannien und Frankreich fordern Steuerstandort und Finanzplatz Deutschland heraus. Die Abgeltungsteuer ist ein richtiger Ansatz. Sie kann durchaus Vorbild sein und auf andere Einkunftsarten erstreckt werden. Wirkliche Steuerentlastungen und Deregulierung sind Anreize für ehrliches Wachstum und vermutlich wirksame Waffen gegen „Cum" und „Paradise“. 

Christian Ebner, RA/StB, ist Leiter des Fachbereichs Investmentsteuerrecht/Financial Service Tax und Partner bei der BDO AG, Niederlassung München.

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