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RdF-News
08.01.2019
RdF-News
Joachim Moritz: Abgeltungsteuer, § 17 EStG und Verluste – Ende einer unendlichen Geschichte?

Schon vor der Abgeltungsteuer hat sich der BFH mit Verlusten schwer getan. In jüngster Zeit ist aber Bewegung in die Sache gekommen: Der VIII. BFH-Senat hat die Einkünfteerzielungsabsicht trotz eines Verlusts bejaht (14.3.2017 ‑ VIII R 38/15, BStBl. II 2017, 1040) und für deren tatsächliche Vermutung bei § 20 EStG plädiert. Und der IX. Senat, der beim Verfall von Optionen für das „alte“ Recht eine Verlustberücksichtigung lange verneint hatte (Aufgabe d. Rspr. mit Urt. v. 26.9.2012 – IX R 50/09, BStBl. II 2013, 231), bejaht nunmehr negative Einkünfte aus Kapitalvermögen (12.1.2016 – IX R 48/14, BStBl. II 2016, 456). Zudem hat der VIII. Senat den Ausfall privater Kapitalforderungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 anerkannt (24.10.2017 ‑ VIII R 13/15, BFHE 259, 535) und die Berücksichtigung von Verlusten aus Aktienverkäufen weder von der Höhe der Gegenleistung noch der Veräußerungskosten abhängig gemacht (12.6.2018 – VIII R 32/16, DB 2018, 2278).  

Offen bleibt aber: Wie beurteilen sich Verluste aus Gesellschafterfinanzierungshilfen (§ 17 EStG unter MoMiG), Aktienverluste ohne Veräußerung (z. B. Ausbuchung w. Wertlosigkeit) und die eingeschränkte Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG? Was den Forderungsausfall betrifft, hat der IX. Senat die alte Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nach Einführung des MoMiG aufgegeben (11.7.2017 – IX R 36/15, BB 2017, 2478). Für § 17 EStG kommt daher nach Ablauf eines Übergangszeitraums (Tag der Veröffentlichung der Entscheidung, 27.9.2017) eine Verlustberücksichtigung unter dem Gesichtspunkt nachträglicher Anschaffungskosten kaum noch in Betracht. Für die Zeit danach hilft das indes nicht weiter. Erfreulich, dass sich die Vorsitzende des VIII. BFH-Senats dazu schon positioniert hat und Darlehensverluste von Gesellschaftern unabhängig von der Beteiligungshöhe künftig nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, S. 2 EStG beurteilen will (Jachmann, BB 2018, 2329). Gewährt der Gesellschafter „seiner“ Gesellschaft ein Darlehen und fällt dieses aus, führt das zu einem steuerbaren Verlust. Das sollte auch für Verluste aus Bürgschaftsinanspruchnahmen gelten! Zwar ist der Forderungsausfall keine Veräußerung, § 20 Abs. 2 S. 2 EStG stellt indes die Rückzahlung der Veräußerung gleich. Dann muss aber eine Veräußerung zu Null der Rückzahlung zu Null gleichgesetzt werden. Da unter § 20 Abs. 2 EStG alle Wertveränderungen erfasst werden sollten, muss das auch für Wertminderungen (Verluste) gelten. Die Ausbuchung wertloser Aktien sollte ebenso darunter fallen, denn wirtschaftlich gesehen ist das eine Veräußerung zu Null.  

Bleibt die Frage zur Verlustverrechnungsbeschränkung (§ 20 Abs. 6 S. 5 EStG). Im Schrifttum wird diese Regelung zu Recht kritisiert. Der BFH hat das mit Urteil vom 9.7.2017 (VIII R 54/14, BStBl. II 2018, 262 m. Anm. Moritz, DB 2017, 1696; der Verlust betrug nur 14 Euro!) – weitgehend unbemerkt – zwar schon entschieden, aber in keiner Weise problematisiert. Immerhin hat Jachmann die Verlustverrechnungsbeschränkung als gleichheitsrechtlich fragwürdig, nicht folgerichtig und schwerwiegende Einschränkung des objektiven Nettoprinzips gebrandmarkt (DB 2018, 2777). Bleibt zu hoffen, dass sich der VIII. Senat in einem Verfahren, bei dem sich der Aufwand lohnt, die Mühe macht, diese Frage dem BVerfG vorzulegen.  

Dass der BFH dem Grundprinzip der Abgeltungsteuer vermehrt Rechnung trägt und Verluste berücksichtigt, ist jedenfalls erfreulich. Die Finanzverwaltung wird nicht umhinkommen, ihre oftmals restriktive Haltung zu korrigieren. 

Joachim Moritz, RA/StB, ist als Of Counsel im Münchener Büro von EY tätig. Bis März 2015 war er Mitglied im VIII. Senat des BFH.

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