R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
RdF-News
15.05.2023
RdF-News
LG Frankfurt a.M.: Zur Zulässigkeit eines Verwahrentgelts auf Sparkonten gegenüber Verbrauchern

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.11.2022 – 2-25 O 228/21, Berufung eingelegt, Az. OLG Frankfurt a.M. 3 U 286/22; ECLI:DE:OLGHE:2022:1118.2.25.0.228.21.0

Volltext des Urteils: RdFL2023-152-1

Sachverhalt

Der Kläger – ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener und damit nach § 1 UKlaG zur Verbandsklage berechtigter rechtsfähiger Verband – macht gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung der im Antrag genannten Klauseln für die Erhebung von Verwahrentgelten auf Spareinlagen geltend und begehrt zudem Auskunft über die Verbraucher, die eine Vereinbarung unterschrieben haben und Richtigstellung diesen gegenüber sowie Erstattung der Abmahnkosten.

Die Beklagte ist eine deutsche Geschäftsbank. Sie schließt u. a. mit Verbrauchern Verträge über Bankdienstleistungen wie u. a. auch Spareinlagen/Sparkonten. Hierzu bezieht sie Allgemeine Geschäftsbedingungen ein. Die aktuelle Fassung vom 15.08.2021 (auch derzeit so auf der Homepage vorhanden) verweist in Ziffer IV. Nr. 12 (1) zu Spareinlagen bezüglich Zinsen und Entgelten auf den „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“ und das „Preis- und Leistungsverzeichnis“. Im Preisaushang werden die Konditionen und Zinsen für Spareinlagen wiedergegeben. Die Produkte sind mit einer Fußnote „A“ versehen, die im weiteren Verlauf des klein gedruckten Textes dahin erläutert werden, dass „Verwahrentgelte für Verwahrung von Einlagen auf allen Einlagen- und Girokonten (...) für neu eingerichtete Kundennummern“ zeitlich gestaffelt nach Beträgen oberhalb eines ebenfalls gestaffelten Freibetrages in Höhe von 0,5 % p. a. geregelt sind. Im Preis- und Leistungsverzeichnis ist gleichlautend geregelt, dass für die Verwahrung von Einlagen auf nach dem 1.07.2020 eingerichtete Kundennummem oberhalb des Freibetrags für alle Einlagen- und Girokonten ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,5 % anfällt. Auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß Anlage K 1, den Preisaushang gemäß Anlage K 2 und das Preis- und Leistungsverzeichnis gemäß Anlage K 3 wird Bezug genommen.

Die Beklagte verwendet gegenüber Neukunden ein „Personenstammblatt und Rahmenvereinbarung“. Dieses hat zur Frage eines Verwahrentgelts unter Ziffer 15 folgenden Inhalt:

Abb. 1

Abb. 1

Die Beklagte hat des Weiteren gegenüber Bestandskunden folgenden Text einer „Vereinbarung“ zur Diskussion gebracht und verwendet:

Abb. 2

Abb. 2

Mit Wirkung vom 01.07.2022 hat die Beklagte den Preisaushang dahin ergänzt, dass das Entgelt für die Verwahrung von Einlagen vorerst nicht erhoben wird. Bei einer Wiedereinführung nach zwischenzeitlichem Verzicht aus Kulanz solle eine schriftliche Kundeninformation vorangehen.

Der Kläger trägt vor, dass die Beklagte ab April 2021 auf Kunden zugegangen sei, um ihnen Informationen über eine Kostenerhöhung zu vermitteln. Die Kunden seien aufgefordert worden, eine Vereinbarung über die Erhebung eines monatlichen Guthabenentgelts zu unterschreiben. Auf die Vereinbarung gemäß Anlage K 6 wird Bezug genommen.

Er ist der Auffassung, die Beklagte dürfe diese in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis enthaltenen Klauseln nicht verwenden. Diese seien als Preisnebenabreden nach §§ 307-309 BGB unwirksam. Auch die Vereinbarung Anlage K 6 stelle eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Auch die seitens der Beklagten geschilderte Abfrage des „Personenstammblattes und Rahmenvereinbarung“ stelle AGB dar. Die Sparkonten als unregelmäßige Verwahrverträge (§ 700 Abs. 1 BGB) seien am Vertragstyp des Darlehens orientiert und sähen eine Verzinsung vor. Die Pflichten seien gekennzeichnet als Kapitalüberlassungspflicht des Kunden und Zinszahlungspflicht der Bank (§ 488 Abs. 1 BGB). Eine Pflicht zur Entgeltzahlung des Darlehensgebers kenne das Gesetz nicht. Bei der Verwahrentgelt-Abrede handele es sich daher nicht um eine Vereinbarung über Zinsen, sondern um ein Entgelt des Kunden ohne Sonderleistung der Bank. Die müsse nur für 6,8 % der Einlagen eine Abgabe an die EZB zahlen. Durch die Abweichung von den wesentlichen Grundgedanken der §§ 700, 488 stelle sich die Klausel als unangemessen dar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dadurch werde auch der Zweck des Sparvertrages vereitelt (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB), wie eine etymologische Auslegung belege. Die Verzinsung werde intransparent (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Verweis auf das Entgelt geschehe über die kaum zu erkennende Fußnote und das Entgelt sei positiv bezeichnet. Bei variablen Sparverträgen sei das Äquivalenzprinzip verletzt, da monatlich unterschiedliche Ergebnisse möglich seien. Die Klausel sei überraschend im Sinne § 305c BGB. Bei der Vereinbarung handele es sich um eine Umgehung, § 306a, 310, Abs. 3 Nr. 3 BGB.

Die Vorgehensweise, Kunden anzusprechen und in die Filiale zu locken, um dann diese eine Vereinbarung abschließen zu lassen, sei unlauter und wettbewerbswidrig, § 5 Abs. 1, 5a Abs. 2 UWG. Hinsichtlich des Vorgehens gegenüber Kunden verweist der Kläger auf Zeugen (Blatt 167 ff).

Daraus folge der Beseitigungs- und Auskunftsanspruch. Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Abmahnung folge aus § 4 UKlaG.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen,

in Bezug auf Verträge über Spareinlagen mit Verbrauchern die nachfolgend wiedergegebene oder inhaltsgleiche Klausel in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis zu verwenden, wie dies in Anlage K 3 geschehen ist, und/oder sich in Bezug auf Verträge über Spareinlagen mit Verbrauchern darauf zu berufen:

„Verwahrung von Einlagen oberhalb des Freibetrages für alle Einlagen- & Girokonten

Verwahrentgelt 0,5 % p.a.“

2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen,

in Bezug auf Verträge über Spareinlagen mit Verbrauchern die nachfolgend wiedergegebene oder inhaltsgleiche Klausel in ihrem Preisaushang zu verwenden, wie dies in Anlage K 2 geschehen ist, und/oder sich in Bezug auf Verträge über Spareinlagen mit Verbrauchern darauf zu berufen:

„Verwahrentgelt für Verwahrung von Einlagen auf allen Einlagen- & Girokonten

- für ab dem 01.07.2020 bis einschließlich 30.09.2020 neu eingerichtete Kundennummern oberhalb Freibetrag von 250.000,00 EUR

0,5 % p. a.

- für ab dem 01.10.2020 bis einschließlich 09.05.2021 neu eingerichtete Kundennummern oberhalb Freibetrag von 100.000,00 EUR

0,5 % p.a.

- für ab dem 10.05.2021 neu eingerichtete Kundennummem oberhalb Freibetrag von 50.000,00 EUR

0,5% p.a.“

3. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen,

in Bezug auf Verträge über Spareinlagen mit Verbrauchern die nachfolgend wiedergegebenen oder inhaltsgleichen Klauseln in ihrer „Vereinbarung" zu verwenden, wie dies in Anlage K 6 geschehen ist, und/oder sich in Bezug auf Verträge über Spareinlagen mit Verbrauchern darauf zu berufen:

„1. Die ... erhebt ab dem [...] für die auf Euro lautenden Einlagen (inklusive Spareinlagen) auf den Konten des Kunden, die unter seiner Kundennummer [...] gegenwärtig und zukünftig geführt werden (im folgenden „Kundenkonten"), ein monatliches Guthabenentgelt.

3. [...] Dieser Kostensatz entspricht dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Einlagenfazilität im jeweiligen Berechnungsmonat festgelegten Zinssatz (aktuell 0,50 % p.a.).“

4. Die Beklagte ferner zu verurteilen,

a. dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Kunden, die Verbraucher sind, mit denen ein Vertrag über eine Spareinlage bestand bzw. besteht, eine „Vereinbarung" i.S.v. Anlage K 6 mit den in Antrag Nr. 3 genannten Klauseln unterzeichnet haben.

b. Die Auskunft hat in Form einer Auflistung der Verbraucher gemäß lit. a. zu erfolgen, die nach Postleitzahlen - und innerhalb dieser Postleitzahlen nach Straßennamen - und innerhalb dieser Straßennamen nach Hausnummern – und innerhalb dieser Hausnummern nach Nachnamen - und innerhalb dieser Nachnamen nach Vornamen sortiert ist.

c. Die Auskunft hat nach Wahl der Beklagten gegenüber dem Kläger selbst oder gegenüber einem Angehörigen der zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufe zu erfolgen, der im Fall der Nichteinigung von der Präsidentin/dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt bestimmt wird.

d. Die mit der Auskunftserteilung verbundenen Kosten trägt die Beklagte.

5. Die Beklagte ferner zu verurteilen,

a. für die Verbraucher, gegenüber denen die in Antrag Nr. 3 genannte Klauseln in Anlage K 6 verwendet wurden, binnen zwei Wochen nach Erteilung der Auskunft gem. Nr. 4.c) individualisierte Berichtigungsschreiben mit dem hervorgehobenen Titel „Richtigstellung zu Sparkonten" folgenden Inhalts zu erstellen:

„Sehrgeehrte/r Frau/Herr...,

in einer „Vereinbarung" mit Ihnen heißt es, dass das Guthabenentgelt für Einlagen (inklusive Spareinlagen) oberhalb eines Freibetrages 0,5 % p.a. beträgt

Wir stellen richtig:

Wir waren und sind nicht berechtigt, Ihnen gegenüber für Spareinlagen aufgrund dieser „Vereinbarung" ein Guthabenentgelt zu verlangen, da die Klauseln

„1. Die ... erhebt ab dem [...] für die auf Euro lautenden Einlagen (inklusive Spareinlagen) auf den Konten des Kunden, die unter seiner Kundennummer [...] gegenwärtig und zukünftig geführt werden (im folgenden „Kundenkonten“), ein monatliches Guthabenentgelt.

3. [...] Dieser Kostensau entspricht dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für die Einlagenfazilität im jeweiligen Berechnungsmonat festgelegten Zinssatz (aktuell 0,50 % p.a.).“

für Spareinlagen unwirksam sind.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre ...

b. Der Beklagten bleibt vorbehalten, in dem Berichtigungsschreiben hinzuzufügen, dass sie zu dieser Erklärung verurteilt worden ist, wobei sie das Urteil im Einzelnen bezeichnen darf.

c. Die mit der Herstellung der Berichtigungsschreiben verbundenen Kosten trägt die Beklagte.

d. Die Beklagte hat die Versendung der Berichtigungsschreiben gem. Nr. 5.a) an die Empfänger gem. Nr. 4.a) innerhalb von vier Wochen nach Erteilung der Auskunft gem. Nr. 4.c) durchzuführen.

e. Die mit der Versendung der Berichtigungsschreiben verbundenen Kosten trägt die Beklagte.

6. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 267,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die vom Kläger beanstandeten Klauseln in PA und Preis- und Leistungsverzeichnis fänden ausschließlich gegenüber Neukunden Anwendung, die nach dem 30.06.2020 mit der Beklagten eine Kundenbeziehung vereinbart hätten. In Ziffer VII. des Preis- und Leistungsverzeichnis laute es demzufolge zur Verwahrung von Einlagen, dass dies nur für Verträge gelte, die eine ab dem 1.07.2020 neu eingerichtete Kundennummer trügen. Diese Klausel werde nicht über die Fußnote im Preisaushang vereinbart, sondern ausnahmslos für jeden Kunden über die Rahmenvereinbarung gemäß Anlage B 3 („Personenstammblatt und Rahmenvereinbarung“), die jeder Kunde mit Unterschrift akzeptiere. Gemäß Ziffer 15 werde mit jedem Neukunden bei Geschäftsbegründung diese schriftliche Vereinbarung getroffen, die eine sichere Verwahrung klarstelle, und vereinbart, dass ein zu entrichtendes Entgelt für oberhalb eines Freibetrages liegende Einlagen einem Preis- und Leistungsverzeichnis und Preisaushang zu entnehmen sei.

Für Bestandskunden gelteten diese Klauseln nicht. Bei Bestandskunden werde ein abgestuftes Vorgehen praktiziert. Es werde entsprechend eines zentralseits aufgesetzten Regelprozesses der Beklagten in ausgesuchten Fällen über eine Änderung der Anlageform verhandelt. Gelinge dies nicht, bzw. stimme der Kunde nicht zu, werde individuell über die Erhebung eines Guthabenentgelts verhandelt. Dabei seien unterschiedliche Freibeträge und Entgeltsätze verhandelbar. Auch ein – temporärer – Verzicht sei verhandelbar. Es bestehe kein Zwang einer Einigung. Die endgültige Vereinbarung sei daher immer individuell. Der Mustertext (Blatt 88 der Akte) stelle nur eine – jederzeit in Höhe und Umfang verhandelbare – Vorlage dar. Tatsächlich habe die Beklagte nur mit einem Bruchteil ihrer Kunden eine Vereinbarung getroffen. Auch bei von klägerseits benannten Zeugen sei dies so gehandhabt worden und diese hätten keine Vereinbarung geschlossen. Es müsse bestritten werden, dass die Kunden laut Anlage K 7 überhaupt Kunden und Verbraucher seien und Spareinlagen getätigt hätten.

Sie bestreitet, dass sie Kunden anrufe und in die Filialen bestelle, es sich bei den vom Kläger geschilderten Schreiben von Kunden tatsächlich um Kunden der Beklagten handele und dass mit diesen „Zeugen“ überhaupt Vereinbarungen geschlossen worden seien. Hinsichtlich einiger benannter Kunden – Ausnahme sei die Kundin ... – träfe es nicht zu, dass mit ihnen individuelle Vereinbarungen getroffen worden seien.

Es läge damit keine Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. Jedenfalls handele es sich um Preis(haupt)abreden. Auch bei Bestandskunden handele es sich wegen der Möglichkeit des Aushandelns der Vereinbarung AGB. Eine Täuschung der Kunden im Sinne des UWG liege nicht vor; schon deshalb seien die Folgeansprüche unbegründet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage hat im Wesentlichen Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig.

Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG nach §§ 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 4 UKlaG klagebefugt (BGH NJW-RR 2014, 476 = BeckRS 2013, 19625 Rn. 3; BGH NJW 2013, 593).

Das Landgericht Frankfurt am Main ist gemäß § 6 Abs. 1, 2 UKlaG i.V.m. § 43 hessische Justizzuständigkeitsverordnung zuständig, da die Beklagte ihren Sitz in Hessen hat.

II. Die Klage ist auch überwiegend begründet.

Dem Kläger steht nach § 1 UKlaG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, weil die Beklagte nach §§ 307 - 309 BGB unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet hat. Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung gemäß §§ 4, 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG aktivlegitimiert. Die Beklagte ist als Verwender der zutreffende Anspruchsgegner.

Die von der Beklagten verwendeten Klauseln verstoßen gegen §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 488 Abs. 1 BGB.

1. Die Beklagte hat mit der Vorlage der streitgegenständlichen Klauseln im Preisaushang, im Preis- und Leistungsverzeichnis und in der Rahmenvereinbarung sowie der „Vereinbarung“ Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne § 305 Abs. 1 BGB verwendet.

Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis stellen fraglos Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, da sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und den Vertragsinhalt zwischen Bank und Kunde definieren und gestalten. Es handelt sich hierbei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen. Dafür spricht hinsichtlich Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis bereits die äußere Form als Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

In Ziffer 12 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wird zur Höhe von Zinsen und Entgelten für übliche Bankleistungen auf den Preisaushang und das Preis- und Leistungsverzeichnis verwiesen. Für vom Verbraucher in Anspruch genommene Hauptleistungen ohne abweichende Vereinbarung gelten danach die dort angegebenen Beträge. Über Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis kann damit die Beklagte einseitig die Entgelthöhe bestimmen und verändern. Sie unterliegen daher der Prüfung gemäß §§ 307 ff BGB. Insoweit ist es unmaßgeblich, ob das Verwahrentgelt nur nach individueller Beratung und Absprache mit Kunden vereinbart sein soll. Denn diese Klauseln sind Teil der von der Beklagten allgemein und generell mit Kunden vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Aber auch Personenstammblatt und Rahmenvereinbarung sowie die Vereinbarung mit Bestandskunden stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar.

Auch soweit die Beklagte ausführt, in Bezug auf Neukunden stelle die (Personalstammblatt und) Rahmenvereinbarung die Grundlage für die Einbeziehung des Verwahrentgelts dar, spricht dies nicht gegen, sondern für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, weil Preisaushang und Preis- und Leistungsverzeichnis gerade nicht jeweils neu verhandelt werden, sondern die dort enthaltenen Beträge automatisch im Vertrag gelten. Die dort als angeblich individuelle Vereinbarung im Sinne § 305b BGB getroffene Regelung ist Teil der umfassenden Regelung der Geschäftsbeziehung zwischen Bank und Kunden. Anders als

bezüglich anderer Teilziffern enthält Ziffer 15 kein Ankreuzfeld, in dem Kunden diese Regelung ablehnen könnten. Eine individuell zu vereinbarende Regelung ist darin nicht zu erkennen. Die Formulierung „Kunde und Bank sind sich darin einig (...)“ ist lediglich vorgeschoben. Die nach Ziffer 15 vorgesehene Unterschrift erfasst nicht nur die Ziffer 15, sondern die weitere Regelung zur Einlagensicherung und erweckt über den sehr dünn gedruckten Kasten den Eindruck, sie gelte für die gesamte Rahmenvereinbarung. Gerade die Möglichkeit, die Geltung dieser Klausel durch Ankreuzen auszuschließen, ist für die Ziffer 15 – anders wie etwa für vorangestellte Klauseln – nicht gegeben. Eine individuelle Regelung ist damit nicht ersichtlich.

Insbesondere liegt keine Ausnahme nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB vor, denn diese Klausel wurde nicht im Einzelnen zwischen den Parteien ausgehandelt. Ein Aushandeln geht über ein bloßes Verhandeln hinaus. Von einem "Aushandeln" im Sinne § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB kann hier nicht gesprochen werden, weil die Bank als Verwender die fraglichen Bestimmungen, die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändern oder ergänzen, nicht inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Kunden eine effektive Gestaltungsfreiheit hinsichtlich eigener Interessen gewährt hat. Die Bereitschaft zur Änderung einzelner Klauseln muss sich deutlich und ernsthaft äußern. Folge des Aushandelns werden in der Regel Änderungen des vorformulierten Textes sein. Die allgemein geäußerte Bereitschaft, belastende Klauseln abzuändern, genügt nicht, ebenso wenig wie die Bereitschaft, ein Entgelt oder eine Gebühr zu reduzieren (BGH Urteil vom 17. April 2018, XI ZR 214/16 – nach juris). Dabei ist zu berücksichtigen als Besonderheit des Einzelfalls, dass die Position der Kunden als Verhandlungspartner vom Bestehen eines eindeutigen wirtschaftlichen Machtgefälles (BGH, Urteil vom 28.7.2015, XI ZR 434/14) gekennzeichnet sind. Insoweit steht fest, dass – selbst, wenn möglicherweise der eine oder andere Kunde Änderungen wünscht oder eine Unterschrift verweigert – die Beklagte diesen Text ihren Kunden vorlegt und eine Vereinbarung wünscht und geltend macht. Der Kunde muss sodann auf Änderungen dringen. Daraus folgt, dass die Beklagte zunächst diesen Text stellt und eine Unterschrift eines Kunden ohne Weiteres akzeptiert. Das steht einem Aushandeln im Wege eines zunächst offenen Dialogs entgegen. Die eventuelle abweichende Behandlung im Einzelfall ist unerheblich (BGH NJW 1997, 193 [195]).

Zudem greift die Rahmenvereinbarung im Gesamtgefüge der Geschäftsbeziehung gerade auf den Preisaushang und das Preis- und Leistungsverzeichnis als jeweils eindeutig klauselhaft gefasste Vertragsinhalte zurück (BGH NJW 1990, 761 [764]; BGH NJW-RR 1990, 1075; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 7. Juli 2022 – 2 U 43/21 –, Rn. 45 – 49, juris).

Zwar kann, wenn der Text unverändert bleibt, ausnahmsweise eine Individualvereinbarung vorliegen, wenn der andere Teil nach gründlicher Erörterung von der Sachgerechtigkeit der Regelung überzeugt wird und ihr zustimmt (BGH, Urteil vom 28.7.2015, XI ZR 434/14). Davon kann nach dem zuvor Ausgeführten hier nicht ausgegangen werden, da zum einen eine Zustimmung der Kunden aufgrund Überzeugung nach der Sachgerechtigkeit des Verwahrentgelts nach der Lebenserfahrung kaum erfolgen wird. Denn welcher Kunde wird freiwillig auf hohe Einlagen auch noch – entsprechend hohe – Zinsen an die Bank zahlen wollen. Zum anderen greift hier das tatsächliche Machtgefälle zwischen Bank und Kunde. Die Beklagte hat denn auch tatsächliche Fälle grundlegender Umformulierung der fraglichen Vereinbarungen nicht substanziiert dargelegt. Auf die Frage, zu welchem Prozentsatz Kunden auf die gewünschte Vereinbarung eingegangen sind, kommt es insoweit nicht an.

Auch die „Vereinbarung“ mit Bestandskunden (Anlage K 6, Blatt 88 ff) stellt danach eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar.

Nach Beklagtenvortrag wird dieser Text zwar individuell zur Diskussion gestellt und kann in alle Richtungen abgeändert werden, weshalb angesichts dieser individuellen Vereinbarung die §§ 305 ff BGB nicht anwendbar seien.

Allerdings trägt die Beklagte schon vor, es würden „zentralseits aufgesetzten Regelprozesse“ stattfinden, was schon für eine generelle Verwendung spricht. Das Formular wurde regelmäßig einer Vielzahl von – Bestands- – Kunden vorgelegt. Auch hier liegt damit ein vorformulierter Text für eine Vielzahl von Geschäftsvorfällen vor. Beispiele etwaiger – wirklich individueller – Abänderungen sind ebenfalls nicht ersichtlich. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB finden für eine solche Vereinbarung die §§ 306 und 307 – 309 BGB Anwendung.

Eine Verwendung liegt auch vor, denn die Beklagte legt diese Unterlagen ihren Kunden vor. Nach Einblick auf die Homepage ist das Preis- und Leistungsverzeichnis noch identisch formuliert wie hier beklagt. Die Ergänzung des Preisaushangs unter Fußnote A dahin, dass ab 1.07.2022 das Verwahrentgelt vorerst nicht geltend gemacht werde, steht der Einschätzung der Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingung nicht entgegen. Vielmehr wird daraus deutlich, dass die Beklagte die Klauseln nach wie vor weiterverwendet; sie hat die Regelung unter Fußnote A gerade nicht aufgehoben und aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen entfernt, sondern diese suspendiert und eine Wiedereinführung allein an Mitteilung an die Kunden geknüpft, nicht aber an eine Zustimmung. Daher werden die Klauseln heute immer noch verwendet.

2. Die Klauseln sind wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot gemäß §§ 307 Abs. 1 und 2, 675 f, 700, 488 BGB unwirksam, weil sie die Kunden entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Die Regelung eines Verwahrentgelts weicht von grundlegenden gesetzlichen Regelungen ab.

Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Kontrollfähig sind danach Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abweichen (BGHZ 223, 130 Rn. 16; BGHZ 219, 35 Rn. 36; BGHZ 212, 329 Rn. 22; BGHZ 207, 176 Rn. 16) sowie Bestimmungen, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand haben, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, sondern mittels derer der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (BGHZ 219, 35 Rn. 36; BGHZ 201, 168 Rn. 24; BGHZ 195, 298 Rn. 13; BGHZ 187, 360 Rn. 26; BGH, Urteile vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14, vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 9/15 -, jeweils juris; Urteil vom 12. Dezember 2019 - 2 U 3/19 -, juris). Das gilt auch dann, wenn die Entgeltklausel in einem Regelwerk enthalten ist, das Preise für Einzelleistungen bei der Vertragsabwicklung festlegt (BGHZ 141, 380, 383).

Bei den Klauseln handelt es sich um kontrollfähige Preisnebenabreden (ebenso LG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2021-12 O 34/21 – nach juris). Preisnebenabreden, die – ohne eine echte (Gegen-)Leistung zum Gegenstand haben – allgemeine Betriebskosten oder einen Aufwand für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten auf den Kunden abwälzen, die der Verwender im eigenen Interesse erbringt, sind danach der Inhaltskontrolle unterworfen (BGH Urteil vom 17. April 2018, XI ZR 214/16; LG Bochum, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 1 O 26/20 –, Rn. 70, juris).

Betroffen sind durch die fraglichen Klauseln gerade nicht Hauptleistungspflichten als die für die Eigenart des jeweiligen Schuldverhältnisses prägenden Bestimmungen, die für die Einordnung in die verschiedenen Typen der Schuldverhältnisse entscheidend sind (BGH, Urteil vom 15.11.2022 – XI ZR 551/21 – Jahresentgelt auf Bausparvertrag; Urteil vom 18. Juni 2019 – XI ZR 768/17 –, BGHZ 222, 240-266, Rn. 25; vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 23 mwN).

„Eine Preisnebenabrede liegt nach vom BGH in st. Rspr vorgenommener Abgrenzung dann vor, wenn die Vereinbarung in der Klausel sich zwar mittelbar auf Preis und Leistung auswirkt, diese aber nicht ausschließlich festlegt, und bestehende Rechtsvorschriften,

insbesondere Regelungen des dispositiven Gesetzesrechts, ergänzt oder von diesen abweicht, hingegen nicht, wenn mit der Klausel ein Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, echte Zusatz- oder Nebenleistung geregelt wird. Eine Vergütungsvereinbarung für Fälle, in denen keine echte Gegenleistung erfolgt, ist hingegen als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle unterworfen. Denn in diesem Fall erfolgt die Vergütungsabrede für eine Leistung, zu deren Erbringung der Klauselverwender nach dem dispositiven Recht oder dem Vertrag ohnehin verpflichtet ist oder die zu eigenen Zwecken des Klauselverwenders erfolgt. Dies ist etwa bei Klauseln der Fall, mit denen allgemeine Betriebskosten, der Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder der Aufwand für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abgewälzt werden“ (Zschieschack, BeckOGK/Zschieschack, 1.3.2019, § 307 BGB Entgeltklausel Rn. 2, 4).

Nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel ist deren Auslegung danach zu beurteilen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird (BGHZ 223, 130 Rn. 17; BGHZ 215, 172 Rn. 25; BGHZ 201, 168 Rn. 25) und nicht ein hiervon abweichendes, einseitiges Verständnis des Klauselverwenders (BGHZ 223, 130 Rn. 17; BGH WM 1991, 2055, 2056).

Die von der Beklagten verwendeten Klauseln weichen von gesetzlichen Preisregelungen ab (BGH vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14, BGHZ 207, 176 Rn. 16, vom 25. Oktober 2016 – XI ZR 9/15, BGHZ 212, 329 Rn. 22 und vom 5. Juni 2018 - XI ZR 790/16, BGHZ 219, 35 Rn. 36), beziehungsweise stellen Bestimmungen dar, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand haben, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, sondern mittels derer der Verwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 – XI ZR 768/17 –, BGHZ 222, 240-266, Rn. 23; vom 20. Oktober 2015 - XI ZR 166/14, vom 25. Oktober 2016 - XI ZR 9/15 und vom 5. Juni 2018 - XI ZR 790/16, jeweils aaO).

Die Beklagte bewirkt mittels des Verwahrentgelts, dass der Kunde ein Entgelt auf eine Leistung bezahlt, für die er keine eigenständige Gegenleistung erhält.

Die Hauptpflicht bei den von den hier streitgegenständlichen Klauseln betroffenen Spareinlagen bestimmt sich nach der rechtlichen Einstufung des Vertragstyps. Rechtsprechung und Literatur sind sich weitgehend einhellig darüber einig, dass die Spareinlage eine unregelmäßige Verwahrung darstellt (Landgericht Berlin, Urteil vom 28.10.21 – 16 O 43/21, nach juris, Rn. 62). Hintergrund dieser Einordnung ist der Umstand, dass der Bankkunde der Bank sein Geld anvertraut, um damit im Rahmen eines als Darlehensvertrag anzusehenden Vorgangs eine Rendite zu erzielen. Der Kunde kann und darf Geld anlegen, muss es aber nicht.

Er ist in daher der Entscheidung frei, ob und wann er Geldbeträge als Darlehen überlässt und gegebenenfalls wieder abzieht. Solange sein Geld bei der Bank verbleibt, wird es dort verwahrt. § 700 Abs. 1 BGB verweist für die Verwahrung von Geld auf den Darlehensvertrag, § 488 BGB. Hauptleistungspflichten sind daher für die Bank die Zahlung von Zinsen auf das Sparguthaben (selbst wenn es 0,00 % sind).

Diese rechtliche Einordnung geht aber nicht soweit, dass „negative“ Zinsen (andere Bezeichnung für ein Verwahrentgelt) auch vereinbart wären (Landgericht Berlin, aaO., nach juris, Rn. 62 für Tagesgeld). Denn der Kunde muss das Geld, das er zur Erzielung einer Rendite einzahlt, dort zwangsläufig auch „verwahren“ lassen. Aus der Verweisung von § 700 BGB auf § 488 BGB ergibt sich, dass auf die vom Kunden der Bank gewährte Liquidität ein Zins zu leisten ist. Die Überlassung von Geld ist notwendige Folge des Sparvertrags. Ein Sparbuch kann der Kunde ohne Einzahlung „liegen lassen“. Wenn der Kunde Geld anlegt, muss er es der Bank überlassen und gestatten, dass die Bank damit arbeitet. Denn unmittelbarer „Zweck“ und nicht Reflex des Sparvertrags wie auch jeder anderen Einlage ist die Geldanlage gegen Zinsen, nicht aber eine Aufbewahrung. Die „Verwahrung“ ist demnach allein eine zwangsläufige unselbständige Nebenleistung, zu der die Bank ohnehin verpflichtet ist. Daran ändert auch der 0,00 % Zins nichts. Die seitens der Beklagten vorgenommene Aufspaltung des Sparvertrags in eine Geldüberlassungsfunktion und eine Verwahrfunktion ist abzulehnen. Maßgebend ist die Hauptfunktion, die den Sparvertrag allein dem Darlehensrecht unterfallen lässt (ebenso Landgericht Nürnberg-Fürth zu Girovertrag und Tagesgeld, Urteil vom 28.10.2022 – 7 O 566/21, S. 13, 14).

Aus der Verweisung von § 700 BGB auf § 488 BGB ergibt sich, dass es gerade keine weitergehende Hauptpflicht des Kunden gibt, als die eingezahlte Sparsumme der Bank zur Verwendung zu überlassen, denn der Darlehensgeber muss nur das Geld zur Verfügung stellen und zwar in dem Umfang, wie es ihm beliebt. Eine rechtlich nicht geregelte, echte Zusatz- oder Nebenleistung der Beklagten auf Verwahrung besteht im Hinblick hierauf nicht (anders wohl LG Leipzig, Urteil vom 8.7.2021 – 5 O 640/20 und OLG Dresden, Urteil vom 18.1.2022 – 8 U 1389/21). Denn sonst wäre die Ausnahme des § 700 für Verwahrungen mit der Anwendbarkeit des Darlehensrechts sinnlos. Die Verwahrung des Geldes ist logische Folge des Ansinnens der Bank, mit dem Geld zu arbeiten.

Die streitgegenständlichen Klauseln sind nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil sie dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung für Spareinlagen widersprechen (Palandt, BGB 79. Aufl. 2020, § 307 Rn. 30). Denn die gesetzliche Regelung geht von der Überlassung von Geld an den Vertragspartner gegen Gewährung eines Nutzungsentgelts (Zinsen) aus. Grundgedanke der gesetzlichen Regelung ist des Weiteren, dass dem Anleger die eingezahlte Valuta in voller Höhe bei Abruf des Geldes oder Ende des Sparvertrags zusteht. Von einer Gebühr für die „Verwahrung“ während der Nutzung geht das Gesetz (§§ 488 ff BGB) nicht aus (Landgericht Berlin, aaO.).

Sinn der Klauseln ist es, die der Beklagten anfallenden Verwahrentgelte bei der EZB oder Bundesbank weiter zu leiten. Damit gibt sie eigenen Aufwand in Form von Betriebskosten weiter. Ebenso würde die Einbehaltung des Verwahrentgelts bedeuten, dass die Valuta geschmälert würde und nicht in voller Höhe ausgezahlt werden könnte.

Nach dem Regelungskontext der streitgegenständlichen Klauseln geht dieser dahin, für Spareinlagen, wie ausgeführt, Geld gegen Nutzungsentgelt zu überlassen. Die Beklagte führt mit den fraglichen Klauseln das Verwahrentgelt gerade im Bereich der Spareinlagen ein. Im Preisaushang wie im Preis- und Leistungsverzeichnis sind Einlagen und ganz zuvorderst Spareinlagen angesprochen. Das Verwahrentgelt wird nicht als eigenes Einlagenmodell eingeführt mit einer Wahl des Kunden, sondern über eine „versteckte“ und leicht zu übersehende Fußnote, die weit entfernt vom Einlagenmodell erläutert wird.

Insgesamt steht das Entgelt im Rahmen der „Spareinlage“ für den Verbraucher systemfremd dar. Wenn das LG Leipzig ausführt, es könne auch auf dem Girokonto Geld „verwahrt“, also geparkt werden, so wird daraus deutlich, dass es auf das spezielle Anlagemodell ankommt. Die Bank hätte für die „Verwahrung“ von Geld eigene Modelle anzubieten. Eine Einbeziehung einer Kostenlast des Kunden in das bisherige Anlagemodell verändert die Vertragsbeziehung grundlegend. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob eine Kontogebühr anfällt oder nicht.

Dabei spielt es auch keine Rolle, ob es um Neukunden oder Altkunden geht. Denn die von der Beklagten geschilderte Vorgehensweise bei Abschluss der Vereinbarung für Altkunden kann nicht überzeugen. Wenn über diese verhandelt werden kann, wäre die Beklagte gehalten gewesen, darzulegen, warum ein Kunde freiwillig – nachträglich und absprachewidrig – ein ihn kostenmäßig belastendes Verwahrentgelt akzeptieren soll. Jeder vernünftige Verbraucher lehnte dies ab. Einen Grund für solch Altruismus legt die Beklagte nicht dar.

Schließlich besteht auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Unklar ist schon die Formulierung betreffend „neu eingerichteter Kundennummern“. Hieraus wird nicht genügend nachvollziehbar deutlich, ob es bestehende Geschäftsbeziehungen oder völlig neue Geschäftsbeziehungen betrifft (Landgericht Düsseldorf, aaO., Rn 45). Der Verweis auf die eher als „versteckt“ eingefügten Fußnoten lässt ebenfalls die Folge des Eintritts eines Entgelts für die Belassung der Spareinlagen auf dem Konto als intransparent erscheinen. Derart versteckt aus einem zinsbringenden Sparmodell ein kostenpflichtiges Verwahrmodell zu machen ist nicht als transparent anzusehen.

Nicht umsonst gehen einige Banken den Weg, Spareinlagen zu kündigen, um – transparent – eine echte Verwahrung anzubieten (vgl. dazu LG Köln, Urteil vom 3. Dezember 2020 – 22 O 23/20 –, juris).

3. Die Wiederholungsgefahr wird bei der Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen tatsächlich vermutet; die Vermutung wird nur durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung beseitigt (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, UKlaG, 39. Aufl. 2021, § 1 Rn. 10; D. Baetge in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1 U-KlaG (Stand: 16.03.2022), Rn. 47)), was die Beklagte gerade nicht vollzogen hat.

4. Die Klage ist auch hinsichtlich der begehrten Auskunft begründet.

Der Anspruch auf Mitteilung der von einem Verwahrentgelt betroffenen Kunden der Beklagten folgt zwar nicht aus § 1 UklaG, der solche Ansprüche nicht vorsieht. Denn der Verwender einer unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung ist auf der Grundlage eines Unterlassungsanspruchs nicht verpflichtet, Kunden von sich aus darüber aufzuklären, dass die beanstandeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam sind (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 – I ZR 184/15 –, Rn. 23, juris Rn 23).

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch folgt jedoch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG in Verbindung mit § 2 UKlaG, den gemäß § 8 Abs. 3 UWG auch der Kläger geltend machen kann (BGH, aaO.). Auch ist es als wettbewerbswidrig anzusehen, Kunden wegen anderer Fragen anzusprechen, um dann auf die Vereinbarung eines Verwahrentgelts hinzuwirken, § 5 UWG.

a. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft nach Maßgabe des Klageantrags zu 4. gem. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1 UWG i.V.m. § 242 BGB.

Der Auskunftsanspruch ist zur Vorbereitung des auch geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruchs als Hauptanspruch (Antrag zu 5.) erforderlich (Köhler/Bomkamm/Feddersen/Bomkamm, 39. Aufl. 2021, UWG § 8 Rn. 1.108c).

§ 8 Abs. 1 UWG gewährt einen Anspruch auf Beseitigung gegen denjenigen, der eine nach §§ 3, 3a UWG unzulässige geschäftliche Handlung begeht. Unzulässig sind unlautere geschäftliche Handlungen, § 3 Abs. 1 UWG. Nach § 3a UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, wenn der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen (Landgericht Berlin, BKR 2022, 109 Rn. 54-64, beck-online). Diese Voraussetzung erfüllt auch § 307 BGB. Ein Verstoß gegen § 307 BGB durch die Verwendung einer – wie hier – unwirksamen Klausel stellt eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 3a UWG dar.

Die Information der betroffenen Kunden der Beklagten ist zur Beseitigung des widerrechtlichen Störzustandes auch erforderlich. Die Störung besteht in der aufgrund der Klauseln ungerechtfertigt vereinbarten Regelung des Verwahrentgelts. Der konkrete Verstoß wird nicht allein durch die Verurteilung zur Unterlassung beseitigt, da diese nur in die Zukunft wirkt. Aufgrund der unwirksamen Klausel in der Vergangenheit bereits getroffene Vereinbarungen werden dadurch nicht berührt. Diesbezüglich dauert der Störzustand weiter an, solange Information an die Kunden übermittelt worden ist. Insoweit ist zu beachten, dass Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche wesensverschieden sind und unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen (BGH Urteil vom 14. Dezember 2017 – I ZR 184/15 –, juris Rn 45, 53 = GRUR 2018, 423, 425 m.w.N.).

Dieser Auskunftserteilung steht auch nicht Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. d DS-GVO entgegen (vgl. OLG München GRUR-RR 2019, 137; LG Berlin BeckRS 2021, 34657 Rn. 62). Gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO ist die Datenverarbeitung wie tenoriert erlaubt, weil sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und Interessen oder Grundrechte der betroffenen Personen nicht überwiegen.

Das Interesse der betroffenen Bankkunden am Schutz ihrer personenbezogenen Daten überwiegt keinesfalls das Interesse des Klägers an der Unterbindung unwirksamer Klauseln im Interesse der Gesamtheit der Verbraucher. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die mitzuteilenden Daten der Bankkunden neben der Höhe des vereinnahmten Verwahrentgelts auf die Bekanntgabe ihrer Vor- und Zunamen sowie ihrer Anschrift beschränken. Der Kläger verfolgt keinen eigenen Geschäftszweck, zu dem er diese Daten nutzen würde. Daher kann die Auskunft datenschutzrechtlich auch unmittelbar dem Kläger selbst gegenüber erteilt werden (vgl. LG Berlin BeckRS 2021, 34657 Rn. 63).

Die Übermittlung der Namen und Anschriften der betroffenen Kunden ist für den Kläger notwendig, um die Überprüfung zu ermöglichen, ob die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Folgenbeseitigung nachgekommen ist.

Nicht zwingend ist allerdings der Anspruch auf die begehrte Auflistung, weshalb die Klage insoweit unbegründet ist. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die mit einer für die Zwecke des Klägers notwendige und damit nur ihm obliegende Bearbeitung der Liste der betroffenen Kunden abzunehmen.

b. Begründet ist folglich entsprechend den obigen Ausführungen der Anspruch auf Versendung eines Informationsschreibens der Beklagten an die vom Verwahrentgelt betroffenen Kunden, wie dies mit Antrag zu 5. geltend gemacht wird.

Insoweit handelt es sich um die Folgenbeseitigung, zu deren Überprüfung der zuvor unter 4. abgehandelte Auskunftsanspruch dient.

Der Kläger kann allerdings der Beklagten einen vorformulierten Text nicht vorschreiben.

Denn der Beseitigungsanspruch gewährt unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit der verlangten Beseitigungshandlung (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rn. 1.104 mwN) keinen Anspruch auf die Versendung eines im Wortlaut vorgegebenen Berichtigungsschreibens.

Die Beklagte ist lediglich verpflichtet, die vom Verwahrentgelt betroffenen Kunden in geeigneter Weise darüber zu informieren, dass die beanstandeten Klauseln hierzu gerichtlich als unwirksam erkannt worden sind und nicht weiterverwendet werden dürfen. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist nicht auf eine bestimmte Handlung gerichtet. Maßgeblich für seinen Inhalt ist vielmehr Art und Umfang der Beeinträchtigung. Wie auch hier kann der Störungszustand oftmals auf unterschiedliche Art und Weise beseitigt werden. Damit gilt für den wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG ähnlich § 1004 BGB der Grundsatz, dass es dem Schuldner überlassen bleib, wie er den Störungszustand beseitigt (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2017 – I ZR 184/15 –, Rn. 70, juris mit weiteren Nachweisen).

5. Der Kläger kann von der Beklagten aus §§ 5 UKlaG, 13 Abs. 3 UWG die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 267,50 EUR verlangen, da die Abmahnung berechtigt war. Die Höhe der Kostenpauschale ist nicht zu beanstanden (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 13 Rn. 132). Der Umstand, dass die Klage nicht in vollem Umfang begründet ist, ändert nichts an der Kostenerstattung für die Abmahnung, die sich allein auf die Unterlassung bezieht. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288, 291 BGB.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das wechselseitige Obsiegen und Unterliegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.

stats