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RdF-News
28.12.2016
RdF-News
Jens Berger: IFRS 9 in EU-Recht übernommen – Ende gut, alles gut?

Am 29.11.2016 hat die EU den neuen Standard zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS (IFRS 9) in europäisches Recht übernommen. Damit ist das mittlerweile über zwei Jahre andauernde Indossierungsverfahren abgeschlossen. Aus der Länge des Verfahrens wird unmittelbar deutlich, dass es kein einfaches Übernahmeverfahren war. Nun also, nur noch knapp ein Jahr vor der Erstanwendung von IFRS 9 für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1.1.2018, alles in bester Ordnung?

Klammert man einmal Kreditinstitute aus, dürfte die Arbeit für den Großteil der Unternehmen an IFRS 9 nächstes Jahr erst richtig losgehen. Der Betroffenheitsgrad kann dabei sehr unterschiedlich sein – je nachdem, in welchem Umfang und in welcher Art Finanzinstrumente im Unternehmen zum Einsatz kommen. Unterschätzen darf man IFRS 9 in den Industrieunternehmen jedoch nicht, v. a. im Bereich der Offenlegung und bei den neuen Hedge-Accounting-Vorschriften.

Auch die Kreditinstitute, von denen sich viele schon seit längerer Zeit mit IFRS 9 auseinandersetzen, werden das Jahr 2017 mit der Implementierung in Prozesse und Systeme verbringen – zumal hier Wertpapier- und Bankenaufsicht, aber auch andere „interessierte Parteien“, ein besonderes Augenmerk auf eine „qualitativ hochwertige“ Umsetzung legen. Eine große Herausforderung liegt hier v. a. darin, dass einige fachliche Detailfragen noch ungeklärt sind bzw. sich noch kein tragfähiges einheitliches Bild in der Praxis herausgebildet hat. Leider haben diese Detailfragen häufig signifikante Auswirkungen auf die Umsetzung.

Aber war da nicht irgendwas mit den Versicherern? Richtig – die Versicherungsbranche wird vom IASB nicht nur mit neuen Vorschriften zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten beglückt, sondern auch – so zumindest die Hoffnung in London – Anfang 2017 mit Regelungen zur Bilanzierung von Versicherungsverträgen (IFRS 17) – obwohl auf dem letzten Metern doch noch Kritik an der aktuellen Beschlusslage des IASB laut wird. Die Vorschriften sollen dann ab 2021 erstmalig zur Anwendung kommen. Damit die Versicherer keine doppelte Umsetzung machen müssen, zunächst 2018 für die Aktivseite, dann 2021 für die Passivseite, wurde ihnen unter bestimmten Bedingungen Aufschub gewährt. Sie müssen dann IFRS 9 nicht bzw. nicht vollständig bis zum Erstanwendungszeitpunkt des neuen Versicherungsstandards anwenden.

IFRS 9 ist bereits zweieinhalb Jahre alt. Auch wenn belastbare Erfahrungen fehlen, so zeigt die Intensität der praktischen Fragestellung und fachlichen Diskussion, dass der Standard – ähnlich wie sein Vorgängerwerk IAS 39 – regelmäßig Änderungen unterliegen dürfte. Einen Vorgeschmack darauf konnte man bereits in der Dezembersitzung des IASB beobachten, wo der IASB ein „Mini-Projekt“ zur Änderung von IFRS 9 in Bezug auf sog. symmetrische Kündigungsrechte auf die Agenda genommen hat. Und in nicht zu ferner Zukunft soll – nicht zuletzt auf Druck der EU – mit dem sog. Post-Implementation Review zu IFRS 9 begonnen werden. Hierbei wird die Funktionsfähigkeit eines Standards in einer Nachschau durch den IASB überprüft und ggf. Korrekturen vorgenommen. Obwohl IFRS 9 noch nicht einmal verpflichtend anzuwenden ist, ist die Wunschliste bereits sehr lang. Passend zur Weihnachtszeit…

Dipl.-Kfm. Jens Berger, CPA, ist Partner beim Prüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte in Frankfurt a. M. und Leiter des deutschen IFRS Centre of Excellence.

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