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RdF-News
08.03.2018
RdF-News
EU-Kommission: Vertiefung der Kapitalmarktunion: Aktionsplan für nachhaltige Finanzen und wettbewerbsfähige FinTechs

Die Europäische Kommission hat am 8.3.2017 ihre Strategie für ein Finanzsystem vorgestellt, das die EU-Agenda für den Klimaschutz und eine nachhaltige Entwicklung unterstützt und Chancen für technologiegestützte Innovationen bei Finanzdienstleistungen (FinTechs) eröffnet. Die Kommission veranstaltet am 22.3.2018 eine hochrangige Konferenz in Brüssel, um mit Finanzwelt, Industrie und Politik den heute vorgestellten Aktionsplan zu besprechen.

I) Nachhaltige Finanzen

Angesichts der unabsehbaren Folgen des Klimawandels und der Ressourcenknappheit, mit denen unser Planet zunehmend konfrontiert ist, ist es dringend erforderlich, Anpassungen im Sinne einer größeren Nachhaltigkeit vorzunehmen. Damit die EU ihre in Paris vereinbarten Klimaziele, wie etwa die 40 %ige Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030, auch erreicht, werden etwa 180 Mrd. EUR zusätzlicher Investitionen benötigt. Daher legt die Kommission heute einen Fahrplan vor, der sich auf die Empfehlungen der hochrangigen Sachverständigengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen stützt und mit dem die Rolle des Finanzsektors bei der Verwirklichung einer gut funktionierenden Wirtschaft, in der aber auch umwelt- und sozialpolitische Ziele umgesetzt werden, gestärkt werden soll.

Der Erste Vizepräsident Frans Timmermans erklärte: „Der Wandel hin zu einer umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Wirtschaft ist gut für die Schaffung von Arbeitsplätzen, für die Menschen und für unseren Planeten. Heute stellen wir sicher, dass das Finanzsystem diesem Ziel dient. Unsere Vorschläge werden Investoren und jeden einzelnen Bürger in die Lage versetzen, eine positive Wahl zu treffen - indem sie ihr Geld mit größerer Verantwortung einsetzen und Nachhaltigkeit unterstützen.“

Valdis Dombrovskis, für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion zuständiger Vizepräsident der Kommission, erklärte: „Ausgehend von den Arbeiten der hochrangigen Sachverständigengruppe legen wir heute unsere Pläne für eine weitreichende Reform vor, die zu einer globalen Richtschnur für ein nachhaltiges Finanzwesen werden könnte. Nur mit Hilfe des Finanzsektors können wir die jährlich notwendigen 180 Mrd. EUR aufbringen, die uns zur Erreichung unserer Klima- und Energieziele fehlen. Damit leisten wir einen Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft für die nächsten Generationen.“

Der heute vorgelegte Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen ist Teil der Bemühungen der Kapitalmarktunion, Finanzfragen und die spezifischen Erfordernisse der europäischen Wirtschaft zum Nutzen des Planeten und unserer Gesellschaft miteinander zu verknüpfen. Er ist auch ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung des epochalen Übereinkommens von Paris und der EU-Agenda für nachhaltige Entwicklung.

Kernpunkte des Aktionsplans:

  • die Festlegung einer gemeinsamen Sprache für das nachhaltige Finanzwesen, d. h. ein einheitliches EU-Klassifikationssystem (oder Taxonomie). Hierin werden der Begriff der Nachhaltigkeit festgelegt und die Bereiche genannt, in denen nachhaltige Investitionen größtmögliche Wirkung entfalten können.

  • die Schaffung eines EU-Kennzeichens für „grüne“ Finanzprodukte auf der Grundlage dieses EU-Klassifikationssystems: So können Investoren leicht erkennen, welche Investitionen den Kriterien der Umweltfreundlichkeit oder Emissionsarmut genügen.

  • die Klärung der Pflicht von Vermögensverwaltern und institutionellen Anlegern, das Kriterium der Nachhaltigkeit bei den Investitionsabläufen zu berücksichtigen und die Offenlegungsvorschriften zu stärken.

  • die Auflage für Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen, ihre Kunden entsprechend ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu beraten.

  • die Einbeziehung der Nachhaltigkeit in die Aufsichtsvorschriften: Banken und Versicherungsunternehmen sind eine wichtige Fremdfinanzierungsquelle für die europäische Wirtschaft. Die Kommission wird, sofern dies aus der Risikoperspektive gerechtfertigt ist, die Machbarkeit einer erneuten Feinabstimmung der Kapitalanforderungen von Banken für nachhaltige Investitionen (den so genannten „green supporting factor“) prüfen und dabei darauf achten, dass die Finanzstabilität gewahrt bleibt.

  • eine größere Transparenz der Unternehmensbilanzen: Wir schlagen vor, die Leitlinien für nichtfinanzielle Informationen stärker an die Empfehlungen der Task Force „Klimabezogene Finanzinformationen“ (TCFD) des Finanzstabilitätsrats anzugleichen.

    Vor einem Jahr setzte die Kommission eine hochrangige Sachverständigengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen mit dem Auftrag ein, umfangreiche Empfehlungen dafür auszuarbeiten, wie der Finanzsektor im Hinblick auf den Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft unterstützt werden kann. Ausgehend vom Abschlussbericht dieser Gruppe schlägt die Kommission heute eine EU-Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen mit einem Fahrplan für weitere Arbeiten und Maßnahmen vor, die alle einschlägigen Akteure des Finanzsystems einbezieht

    II) Technologiegestützte Innovationen bei Finanzdienstleistungen

    Europa soll zum globalen FinTech-Pol werden, der Unternehmen und Anlegern in der EU die Möglichkeit bietet, die Vorteile des Binnenmarkts in diesem schnelllebigen Sektor bestmöglich zu nutzen. Als erste wichtige Maßnahme schlägt die Kommission auch neue Vorschriften vor, um Crowdfunding-Plattformen im gesamten EU-Binnenmarkt Wachstumschancen zu eröffnen.

    Valdis Dombrovskis, Vizepräsident und EU-Kommissar für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion, erklärte hierzu: „Um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu sein, brauchen die innovativen Unternehmen Europas Zugang zu Kapital, Raum für Experimente und eine gewisse Größe, die ihnen Wachstum ermöglicht. Hier setzt unser Fintech-Aktionsplan an. Eine EU-weite Lizenz würde den Crowdfunding-Plattformen dabei helfen, europaweit zu expandieren. Sie würde dazu beitragen, Anleger und Unternehmen aus der gesamten EU zusammenzubringen, und Firmen und Unternehmern mehr Möglichkeiten geben, ihre Ideen einem breiteren Spektrum an Geldgebern zu präsentieren."

    Der für Arbeitsplätze, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zuständige Vizepräsident der Europäischen Kommission, Jyrki Katainen, ergänzte: „Neue Technologien verändern die Finanzbranche, denn sie revolutionieren die Art und Weise, wie Verbraucher und Unternehmen Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Alternative Finanzierungsformen wie Crowdfunding und Peer-to-Peer-Kredite lenken Ersparnisse direkt in Investitionen um. Sie erleichtern innovativen Unternehmern, Start-ups und kleinen Firmen den Zugang zum Markt. Dies ist eines der Kernziele der Kapitalmarktunion.“

    Der heute vorgestellte Aktionsplan soll es dem Finanzsektor ermöglichen, die raschen Fortschritte bei neuen Technologien wie Blockchain, künstliche Intelligenz und Cloud-Diensten für sich zu nutzen. Gleichzeitig sollen die Märkte sicherer und für neue Marktteilnehmer leichter zugänglich werden. Davon werden sowohl Verbraucher und Anleger als auch Banken und neue Marktteilnehmer profitieren. Darüber hinaus schlägt die Kommission ein europaweites Label für Crowdfunding-Plattformen vor, damit die Lizenz eines Landes genügt, um die Plattform in der gesamten EU zu betreiben.

    Der Aktionsplan ist Teil der Arbeiten der Kommission zur Schaffung einer Kapitalmarktunion und eines echten Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen für Verbraucher. Zudem unterstützt er das Projekt zur Schaffung eines digitalen Binnenmarkts. Die Kommission möchte die EU-Regeln zukunftsorientierter gestalten und sie an die rasanten technologischen Entwicklungen anpassen.

    Der FinTech-Aktionsplan:

  • Die Kommission wird ein EU-FinTech-Labor ausrichten‚ bei dem europäische und nationale Behörden in einem neutralen, gemeinnützigen Rahmen mit Anbietern von Technologielösungen zusammenkommen.

  • Die Kommission hat bereits das „EU Blockchain Observatory and Forum“ aus der Taufe gehoben. Das Forum wird 2018 über die Chancen und Risiken von Kryptoanlagen berichten und arbeitet an einer umfassenden Strategie für Distributed-Ledger-und Blockchain-Technologien, die alle Bereiche der Wirtschaft berücksichtigt. Ein Distributed Ledger ist eine Datenbank, die in einem Netzwerk geteilt wird. Die bekannteste Form des Distributed Ledger ist die Blockchain.

  • Die Kommission wird Stellungnahmen dazu einholen, wie sich die Digitalisierung der von börsennotierten Unternehmen in Europa veröffentlichten Informationen am besten fördern lässt, unter anderem durch den Einsatz innovativer Technologien zur Vernetzung nationaler Datenbanken. Damit werden Anleger sehr viel einfacher auf wesentliche Informationen zugreifen können, auf deren Grundlage sie ihre Investmententscheidungen treffen.

  • Die Kommission wird Workshops veranstalten, um den Informationsaustausch im Bereich der Cybersicherheit zu verbessern.

  • Die Kommission wird auf der Grundlage von Leitlinien der Europäischen Aufsichtsbehörden ein Konzept mit empfehlenswerten Praktiken bei regulatorischen „Sandkästen“ vorlegen. Ein regulatorischer „Sandkasten“ ist ein von Regulierungsbehörden errichteter Rahmen, der es FinTech-Startups und anderen Innovatoren ermöglicht, unter Aufsicht einer Regulierungsbehörde lebensechte Experimente unter kontrollierten Bedingungen durchzuführen. Regulatorische „Sandkästen“ gewinnen zunehmend an Beliebtheit, vor allem auf entwickelten Finanzmärkten.

    Die Crowdfunding-Verordnung

    Crowdfunding verbessert den Zugang zu Finanzmitteln insbesondere für Start-ups und andere Kleinunternehmen. Ein Start-up kann sein Projekt auf einer Online-Plattform präsentieren und um Unterstützung in Form eines Darlehens („Peer-to-Peer-Kredite“) oder in Form von Eigenkapital bitten. Anleger erhalten eine finanzielle Rendite für ihre Investitionen. Derzeit ist es für viele Plattformen schwierig, in andere EU-Länder zu expandieren. Daher ist Crowdfunding in der EU im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften der Welt unterentwickelt, und der EU-Markt ist zersplittert. Eine der größten Hürden ist das Fehlen gemeinsamer EU-weiter Vorschriften. Dies führt zu erheblichen Befolgungs- und Betriebskosten und verhindert, dass Crowdfunding-Plattformen grenzüberschreitend expandieren.

    Mit dem heutigen Vorschlag wird es für Crowdfundung-Plattformen einfacher, ihre Dienstleistungen EU-weit anzubieten und den Zugang zu dieser innovativen Finanzierungsform für Unternehmen mit Finanzierungsbedarf zu verbessern. Nach ihrer Verabschiedung durch das Europäische Parlament und den Rat wird die vorgeschlagene Verordnung dafür sorgen, dass die Plattformen auf der Grundlage eines einheitlichen Regelwerks ein EU-Label beantragen können. Damit werden sie ihre Dienstleistungen in der gesamten EU anbieten dürfen. Anleger auf Crowdfunding-Plattformen werden durch klare Regeln für die Offenlegung von Informationen, für die Governance und für das Risikomanagement und durch eine kohärente Beaufsichtigung geschützt.

    Weitere Informationen:

    Die vollständige Pressemitteilung zu nachhaltigen Finanzen

    Die vollständige Pressemitteilung zum FinTech-Aktionsplan

  • (EU Aktuell vom 8.3.2018) 

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