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RdF-News
29.03.2017
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EU-Kommission : Untersagung der geplanten Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange


Die Europäische Kommission hat den geplanten Zusammenschluss zwischen der Deutschen Börse  und der London Stock Exchange nach der EU-Fusionskontrollverordnung untersagt. Die Untersuchung der Kommission zeigte, dass das Vorhaben auf den Märkten für das Clearing festverzinslicher Finanzinstrumente ein De-Facto-Monopol geschaffen hätte. „Da die von den beteiligten Unternehmen angebotenen Abhilfemaßnahmen nicht ausreichten, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, hat die Kommission beschlossen, den Zusammenschluss zu untersagen“, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestageram 29.3.2017  in Brüssel.

 

Durch den geplanten Zusammenschluss wären die Tätigkeiten der beiden größten europäischen Börsenbetreiber Deutsche Börse AG (DBAG) und London Stock Exchange Group (LSEG) zusammengeführt worden. Diese sind Eigentümer der deutschen, der italienischen und der britische Börsen sowie mehrerer der größten europäischen Clearinghäuser.

Wettbewerbsrechtliche Bedenken der Kommission

Der Zusammenschluss hätte auf dem europäischen Markt für das Clearing festverzinslicher Finanzinstrumente (Anleihen und Repogeschäfte), auf dem die beteiligten Unternehmen die einzigen Anbieter sind, zu einem De-Facto-Monopol geführt. Insbesondere hätte der geplante Zusammenschluss das in Frankfurt ansässige DBAG-Clearinghaus Eurex mit den LSEG-Clearinghäusern LCH.Clearnet (das LCH.Clearnet Ltd (London) und LCH.Clearnet SA (Paris) umfasst) und Cassa di Compensazione e Garanzia (Rom) zusammengeführt.

Dieses Monopol im Bereich des Clearings festverzinslicher Finanzinstrumente hätte sich in der Folge auch auf die nachgelagerten Märkte für Abwicklung, Verwahrung und Sicherheitenverwaltung ausgewirkt. Die auf diesen Märkten tätigen Dienstleister sind auf Transaktionsdaten von Clearinghäusern angewiesen. Da das im Eigentum der DBAG stehende Clearstream mit diesen Dienstleistern im Wettbewerb steht, hätte das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen die Fähigkeit und den Anreiz, Transaktionsdaten zu Clearstream umzuleiten und andere Wettbewerber vom Markt auszuschließen.

Darüber hinaus hätte der Zusammenschluss den horizontalen Wettbewerb für den Handel und das Clearing von Einzelaktienderivaten (basierend auf den Aktien belgischer, niederländischer und französischer Unternehmen) ausgeschaltet. Zurzeit steht Eurex mit einem von Euronext und LCH.Clearnet SA angebotenen gebündelten Produkt (das Handel und Clearing beinhaltet) im Wettbewerb. Nach dem Zusammenschluss hätte LCH.Clearnet, das über eine erhebliche Preissetzungsmacht in Bezug auf das gebündelte Produkt verfügt, weniger Anreiz, mit Eurex in Wettbewerb zu treten. Und schließlich könnte diese Marktmacht unter Umständen auch zur Verdrängung von Euronext genutzt werden.

Die Kommission hat diese Bedenken in ihrem Beschluss zur Einleitung einer eingehenden Untersuchung dargelegt und sie den beteiligten Unternehmen in einer im Dezember 2016 herausgegebenen Mitteilung der Beschwerdepunkte förmlich mitgeteilt. Die Kommission äußerte ferner weitere vorläufige Wettbewerbsbedenken, die sie aber letztlich nicht abschließend beurteilen musste.

Es liegt in der Verantwortung der beteiligten Unternehmen die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission entweder zu widerlegen oder durch geeignete Abhilfemaßnahmen auszuräumen. Diese Abhilfemaßnahmen müssen alle wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission ausräumen und langfristig tragfähig sein.

 Von den beteiligten Unternehmen vorgeschlagene Abhilfemaßnahmen

Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, boten die beteiligten Unternehmen an, das in Frankreich ansässige LSEG-Clearinghaus LCH.Clearnet SA zu veräußern.

Nach Auffassung der Kommission hätte diese Veräußerung ihre Bedenken bezüglich der Einzelaktienderivate ausgeräumt. Die Bedenken hinsichtlich der Schaffung des De-facto-Monopols im Bereich des Clearings festverzinslicher Finanzinstrumente hätte sie jedoch nicht ausräumen können. Dies hat sich aus dem Markttest der Abhilfemaßnahme ergeben. Der Markttest ist die Phase eines Fusionskontrollverfahrens, in der die Kommission die Marktteilnehmer zu den vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen konsultiert, um ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.

Der Markttest zeigte, dass die LCH.Clearnet SA in Bezug auf ihre Tätigkeit im Bereich des Clearings festverzinslicher Finanzinstrumente in großem Maße von Handelsdaten der italienischen LSEG-Handelsplattform für festverzinsliche Finanzinstrumente, MTS, abhängig ist. Ohne diese Handelsdaten wäre die künftige Tragfähigkeit dieses Geschäftsbereichs ernsthaft gefährdet. Daher konnte die Kommission nicht feststellen, dass LCH.Clearnet SA in Zukunft ein effektiver Wettbewerber im Bereich des Clearings festverzinslicher Finanzinstrumente gewesen wäre.

Die beteiligten Unternehmen hatten Gelegenheit, die von ihnen unterbreiteten Verpflichtungsangebote abzuändern, um den beim Markttest festgestellten Aspekten Rechnung zu tragen. Die Veräußerung der MTS, eines gemessen an den Gesamteinnahmen und am Gesamtmarktwert der beteiligten Unternehmen vergleichsweise kleinen Vermögenswerts, wäre eine eindeutige Abhilfemaßnahme gewesen, mit der die Unternehmen diesen Bedenken hätten Rechnung tragen können.

Letztlich waren die beteiligten Unternehmen jedoch lediglich bereit, einen komplexen Katalog verhaltensbezogener Maßnahmen anzubieten, nicht aber die Veräußerung der MTS. Sie konnten nicht aufzeigen, dass die angebotenen Maßnahmen in der Praxis wirksam gewesen wären und sichergestellt hätten, dass die LCH.Clearnet SA in Zukunft ein wirksamer Wettbewerber im Bereich des Clearings festverzinslicher Finanzinstrumente sein würde.

„Manche Leute haben sich gefragt, warum die Frage des Verkaufs von MTS erst spät im Verfahren kam. Sie meinen, dass wir dieses Problem früher hätten aufwerfen sollen. Dem stimme ich nicht zu“, sagte Vestager. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir nach einem Markttest der angebotenen Auflagen wieder auf die fusionswilligen Unternehmen zugehen, um sie zu bitten, die Abhilfemaßnahmen zu verbessern.“

Nach Ansicht der Kommission hätte durch die vorgeschlagene Abhilfemaßnahme nicht verhindert werden können, dass der Zusammenschluss auf den Märkten für das Clearing festverzinslicher Finanzinstrumente ein De-facto-Monopol geschaffen hätte, und hat deshalb beschlossen, das Vorhaben zu untersagen.

(EU Aktuell vom 29.3.2017)

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