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RdF-News
01.07.2016
RdF-News
IWF: Stresstestergebnisse für deutsche Lebensversicherer

 
Der Internationale Währungsfonds (IWF) prüfte von November 2015 bis März 2016 im Rahmen seines Financial Sector Assessment Program (FSAP) den deutschen Finanzsektor. In diesem Rahmen wurde auch ein Stresstest der deutschen Lebensversicherungsbranche durchgeführt. Die am 29.6.2016 vom IWF veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass der größte Teil der deutschen Lebensversicherer auch bei Eintritt eines schweren Stressereignisses die Solvenzanforderungen gemäß Solvency II erfüllt.

In den Versicherungsstresstest waren 75 deutsche Lebensversicherer einbezogen, die gemessen an den technischen Rückstellungen eine Marktabdeckung von etwa 93% hatten. Berechnungsstichtag war der 31.12.2014. Für 62 Unternehmen ergab sich bei Anwendung der Übergangsmaßnahme für technische Rückstellungen auch im betrachteten Stressszenario immer noch eine Bedeckung der Solvabilitätskapitalanforderung (SCR) von über 100%. Ohne Übergangsmaßnahmen lag die Bedeckungsquote im Basisszenario bei 34 Unternehmen und im betrachteten Stressszenario bei 58 Unternehmen unter 100%. Die Eigenmittellücke zu einer SCR-Bedeckung von 100% lag ohne Anwendung der Übergangsmaßnahmen bei etwa 12 Milliarden Euro im Basisszenario und 39 Milliarden Euro im betrachteten Stressszenario. Das zugrunde gelegte Stressszenario umfasste insbesondere eine adverse Kapitalmarktentwicklung in Form sinkender Zinsen in Kombination mit fallenden Marktwerten der Kapitalanlagen.

Die Ergebnisse des Versicherungsstresstests des IWF bestätigen damit die Einschätzungen aus den in den vergangenen zwei Jahren durchgeführten BaFin-Erhebungen zur Solvenzsituation der deutschen Lebensversicherer unter Solvency II: Die Übergangsmaßnahmen entfalten die gewünschte Wirkung und ermöglichen auch in einem Stressszenario einen geordneten Übergang auf Solvency II. Die Ergebnisse zeigen allerdings erneut, dass die deutschen Lebensversicherer in der 16-jährigen Übergangsphase erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Kapitalbasis zu stärken. Erwartungsgemäß würde sich die Eigenmittellücke ohne Übergangsmaßnahmen in einem schweren Stressszenario deutlich erhöhen.

Hintergrund:

In dem Versicherungsstresstest wurde ein Eintritt der wichtigsten Marktstresse aus der Solvency II-Standardformel unterstellt, die in Kombination einem 200-Jahresereignis entsprachen. Da Kreditrisiken gegenüber Staaten in der Standardformel grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, wurde zusätzlich ein Staatsanleihenstress betrachtet.  Es wurde anschließend untersucht, ob die Lebensversicherer auch nach Eintritt dieses Szenarios weiterhin ausreichend Eigenmittel zur SCR-Bedeckung hätten und somit den Eintritt eines erneuten 200-Jahresereignisses kompensieren könnten. Das im  Versicherungsstresstest des IWF zu Grunde gelegte Sicherheitsniveau geht damit deutlich über jenes von Solvency II hinaus: Gemäß Solvency II müssen die Versicherer ausreichend Eigenmittel vorhalten, um den Eigenmittelverlust im Rahmen eines 200-Jahresereignisses ausgleichen zu können. Eine Bedeckung von 100% im Stressszenario des Versicherungsstresstestes des IWF bedeutet hingegen, dass die Eigenmittel eines Versicherers sogar ausreichen, um zwei direkt hintereinander eintretende 200-Jahresereignisse kompensieren zu können.

Methodisch handelte es sich um einen so genannten Top-Down-Stresstest, der auf Basis aufsichtsintern vorhandener Daten ohne Abfrage bei den Unternehmen durchgeführt wurde. Aus diesem Grund waren für die Berechnungen Schätzungen und stark vereinfachende Annahmen nötig. Im Zweifelsfall wurden hierbei vorsichtige Annahmen verwendet. So wurde zur Vereinfachung beispielsweise unterstellt, dass die Unternehmen bei Eintritt des Stressszenarios keine Gegenmaßnahmen ergriffen, um z.B. ihre Risiken zu reduzieren oder die Eigenmittel zu erhöhen. In der Realität könnten die Versicherer ihre Risiken nach dem Eintritt eines Stressereignisses aber z.B. durch eine Umstrukturierung ihrer Kapitalanlagen reduzieren oder Kapitalmaßnahmen ergreifen.

Ferner wurde angenommen, dass die Volatilitätsanpassung der risikofreien Zinsstrukturkurve in dem Stressszenario unverändert blieb. In der Realität würde sich die Volatilitätsanpassung in dem betrachteten Stressszenario - und damit die zur Bestimmung der versicherungstechnischen Rückstellungen verwendete Zinskurve - erhöhen. Da sich die genaue Auswirkung dieses entlastenden Effektes in einem Top-Down-Stresstest nicht verlässlich einschätzen ließ, wurde jedoch aus Vorsichtsgründen auf eine Quantifizierung verzichtet.

In dem betrachteten Stressszenario wurde außerdem die Änderung des SCR abgeschätzt. Da sich in dem Stressszenario nur noch eine geringere zukünftige Überschussbeteiligung ergab, die zum Verlustausgleich herangezogen werden konnte, führte dies im Stressszenario in der Regel zu einem höheren SCR als im Basisszenario.

Insgesamt ist zu betonen, dass es sich bei dem untersuchten Stressszenario in seiner Gesamtheit um ein extremes Szenario handelte und die Berechnungen auf der Basis von sehr vorsichtigen Annahmen durchgeführt wurden. Dies bestätigen auch erste Indizien aus der Solvency II-Berichterstattung der deutschen Lebensversicherer zum ersten Quartal 2016. Bewertungsstichtag für den Versicherungsstresstest des IWF war der 31.12.2014. Zum 31.03.2016 hatten sich die Kapitalmarktverhältnisse gegenüber dem 31.12.2014 erheblich verschlechtert. Insbesondere war im ersten Quartal 2016 erneut ein sehr starker Zinsrückgang zu verzeichnen. Die tatsächlichen Ergebnisse der deutschen Lebensversicherer zum 31.03.2016 waren nach einer ersten Analyse aber erheblich besser als im Versicherungsstresstest des IWF. Die BaFin plant, weitere Erkenntnisse aus der Solvency II-Berichterstattung der deutschen Lebensversicherer zum 31.12.2015 und 31.03.2016 im August dieses Jahres zu veröffentlichen.

Auf Grund der sehr vorsichtigen und stark vereinfachenden Annahmen sowie der extremen Ausprägung des Stressszenarios eignen sich die Ergebnisse des Versicherungsstresstests des IWF nicht dazu, zusätzliche Kapitalanforderungen abzuleiten. Allerdings liefern die Ergebnisse Indizien, bei welchen Unternehmen möglicher Weise eine erhöhte Verwundbarkeit unter Stressannahmen vorliegt. Die BaFin wird die Ergebnisse des Versicherungsstresstestes des IWF daher im Rahmen ihrer fortlaufenden Risikoeinschätzung der deutschen Lebensversicherer berücksichtigen.

(PM BaFin vom 30.6.2016)

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